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Nichtoffener Wettbewerb | 11/2021

Wohnquartier an der Berliner Allee in Augsburg

ein 2. Preis

Preisgeld: 20.667

LP&H_architekten

Architektur

bueroKleinekort architecture | urbanism | research

Stadtplanung / StÀdtebau

Welsner + Welsner Freie Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

ErlÀuterungstext

ENTWURF

Strategie ‘as found‘

Der stĂ€dtebauliche Entwurf leitet aus den westlich angrenzenden urbanen Siedlungsstrukturen wieder erkennbare MaßstĂ€be ab, innerhalb derer die neuen Baufelder als eigene Adressen erfahrbar werden. Ziel dabei ist zwar ein erkennbares neues und eigenstĂ€ndiges, aber kein von der gebauten Umgebung losgelöstes Quartier zu schaffen indem ein vielfĂ€ltiges urbanes Gewebe aus dem Maßstab des Bestand heraus entwickelt wird.

 

Verschiedene Teilquartiere werden in Form von „Blöcken“ wie urbane Inseln in die Landschaft eingebettet. Mit einer klaren Raumkante nach Westen und den inneren QuartiersrĂ€umen in Form von Straßen, Gassen und kleinen PlatzrĂ€umen sowie kleinteiligen Freiraumstrukturen in den „Innenbereichen“ der Höfe. So ergibt sich eine Gliederung des neuen Quartiers in TeilrĂ€ume und einzelne Nachbarschaften. Diese sind als fĂŒnf Bausteine von der Berliner Allee zu lesen – und verzahnen sich als kleinteilige Bebauung vielfĂ€ltig mit dem Freiraum am Lech.

 

METHODE

Teilquartiere definieren

Die jeweils aus zwei Baufeldern bestehenden „Teilquartiere“ in Form von (Sack-) Gassen, folgen einem sich wiederholenden Gestaltungsprinzip – ein homogener Rand und ein, auf kleineren Parzellen realisiertes heterogenes „Innen“. So sind diese einzelne RĂ€ume wie kleine „Lichtungen“ im Quartier erfahrbar. In diesen sind an den PlĂ€tzen einzelne Gewerbestrukturen oder Gastronomie denkbar. Dadurch werden verschiedene Programme beherbergt und besondere Orte des Areals markiert und erlebbar gemacht.

 

RĂ€ume verbinden

Durch die Lage der Baufelder im Quartier ergibt sich in deren ZwischenrĂ€umen ein Netz aus Wegen welches die unterschiedlichen RĂ€ume miteinander verbindet und in das ĂŒbergeordnete Wegenetz der Stadt einbettet.

Ein in Nord-SĂŒd Richtung verlaufender „Boulevard“ schafft eine ĂŒbergeordnete autofreie langsame Wegeverbindung, die vornehmlich dem FußgĂ€nger und Radverkehr zugeordnet ist. Ein, auf der Landschaftsseite liegendes langsames Wegesystem verzahnt sich mit dem stadtseitigen Verkehrlichen System durch zwei Wegearten – So werden sowohl Innenhof als auch Erschließungsgasse je an das ĂŒbergeordnete Wegenetz angebunden.

Unterschiedliche Wegebreiten, OberflĂ€chengestaltungen und Bepflanzungen lassen innerhalb des Quartiers ein differenziertes Wegenetz entstehen, das sich in drei Hierarchie-Ebenen in „Boulevard“, Straßen und Gassen gliedert. In den Gassen, den Anwohnerstraßen, werden die ZugĂ€nge zu den GebĂ€uden bereits im Freiraum durch Vorzonen definiert.


MASSNAHMEN

Zugang zum Wasser ermöglichen

Durch den projektierten Umbau, den „Licca Liber“, ergibt sich die Möglichkeit, direkt an das Wasser zu gelangen und den Landschaftsraum damit zu prĂ€gen. Mit dem Wegenetz im Park ermöglicht der Entwurf diese Option direkt und auf allegorischer Ebene durch die breit verlaufende Sitzstufenanlage. Mit dieser Art wird das Wasser als Teil des neuen Quartiers in den Alltag der Arbeits- und Lernwelt eingebunden.

 

InitialzĂŒndung

Beginnend im SĂŒden, als Adresse zur Stadt, startet die Entwicklung zunĂ€chst unter Beibehaltung der Flussmeisterei. Die Baufelder sind als Ganzes oder realgeteilt denkbar. Aus dieser Logik lĂ€sst sich auf das Ganze schließen – robust zu realisierende Abschnitte, die eine Aneignung durch die Nutzerinnen und Nutzer der FreirĂ€ume zulassen und eine Anpassung an den Bedarf ermöglichen.

 

Freiraumkonzept

Oberstes Ziel der Entwicklung ist die Schaffung eines "Lechparks" als vielfĂ€ltigen, sozialwirksamen Freiraum mit hohem stadtklimatischem Nutzen. Gleichzeitig soll ein neues Quartier aus mehreren Nachbarschaften entstehen, das sich ĂŒber diversifizierte FreirĂ€ume eindeutig zu diesem Park hin orientiert und lesbare ÜbergĂ€nge von privaten und öffentlichen Bereichen schafft. Ausgehend von dem qualitĂ€tsvollen GrĂŒnbestand verzahnen gezielte Neupflanzungen den Park mit den neuen grĂŒnen Höfen. Fassaden- und DachflĂ€chen werden nach energetischer Sinnhaftigkeit begrĂŒnt und die GebĂ€ude damit als Teil des Parks etabliert. Sichtbeziehungen aus den ErschließungsrĂ€umen des Quartiers in Richtung Park und Fluss werden entwickelt und ergĂ€nzen die Öffnung der Innenhöfe in diese Richtung. Im Nahbereich der Bebauung können urbane GĂ€rten zur Gemeinschaftsnutzung angeboten werden, die aus Zisternen mit Dachwasser bewĂ€ssert werden. 


Bebauung

Die Baufelder ermöglichen aufgrund der robusten Struktur eine große Nutzungsvarianz. Die freie Parzellierbarkeit erlaubt eine grĂ¶ĂŸtmögliche typologische Mischung und organisatorische DiversitĂ€t wodurch wiederum resiliente Nachbarschaften entstehen. Was heute als kleine Ladeneinheiten gedacht wird kann ĂŒbermorgen als Wohnen weiter bestand haben. Einzelne Baukörper manifestieren besondere Orte im Stadtgrundriss: Der Auftakt ins Quartier von der Mitte aus im Westen und Osten ermöglichen kleine LĂ€den, oder Gastronomienutzungen so wie die intermodalen MobilitĂ€tshubs.

Zwei spezifische Charakteristika, die Stadtsilhouette und die Landschaftskante strukturieren das Gebiet in sich – und verbinden es mit dem Bestand. Park und Boulevard sind „BenutzerrĂ€ume“ die nicht nur im ĂŒbertragenen Sinne „Barrierefrei“ sind.  


GebÀudetypologie

Die stĂ€dtebaulichen EntwicklungsflĂ€chen grenzen nicht an, sondern sind Teil des bestehenden urbanen Gewebes – Die Bebauung der Quartiere „schiebt“ sich an die Landschaftskante und definiert diese.

Formal – als Stadtsilhouette, und funktional – in Form der Schallschutzstruktur der Blöcke.

Der aktuellen Wohnbaupolitik folgend fĂŒhrt das Projekt ca. 70% der neuen Wohneinheiten dem sozial gebundenen Wohnungsbau zu.  Ziel ist dabei eine hohe soziale Durchmischung zu erreichen, was ĂŒber eine grĂ¶ĂŸt mögliche typologische Vielfalt der Einheiten  auch ĂŒber die 30% frei finanzierter Wohnungen hinweg gewĂ€hrleistet wird. Die Konzeption der einzelnen Baukörper in den urbanen Inseln stĂ€rkt dabei die Nachbarschaften als soziale Systeme.

 

Die Baufelder sind so dimensioniert, dass eine vielfĂ€ltige Bebauung denkbar und ein vitaler Wohnungsmix mit großer Nutzervielfalt möglich ist. Sie sind flexibel, in zeitlichen Stufen zu entwickeln und können je unterschiedlich ausgeformt werden. Die Mischung aus vier- bis sechsgeschossigem Wohnungsbau, Hochpunkten und gestapelten ReihenhĂ€usern erzeugt in der Variation der Grundrisse vielfĂ€ltige Wohnformen – Eigentumsorientiert als auch zur Miete. Diese Variationsoffenheit erzeugt die planerische Sicherheit fĂŒr eine zielgerichtete als auch marktorientierte Entwicklung der einzelnen Nachbarschaften im Quartier.

 

Die inneren RĂ€ume der Nachbarschaft zwischen den Baufeldern bilden die privaten und halböffentlichen RĂ€ume fĂŒr die Bewohner, vergleichbar mit denen eines klassischen stĂ€dtischen Blocks. So ergibt sich eine horizontale Verschiebung der konventionellen Schichtung, der „Blockinnenraum“ wird Teil der Stadtlandschaft.


Wege und PlÀtze

Zwei Hauptwege knĂŒpfen an den Bestand im Park an. Sie verlaufen parallel zum Fluss: Der ĂŒbergeordnete Rad- und Wartungsweg verlĂ€uft unten. Am halben Hang mit geringerem LĂ€ngsgefĂ€lle verlĂ€uft der neue, barrierefreie Fußweg. Pfade und kleinere Wege ergĂ€nzen das vorhandene Netz und schaffen eine selbstverstĂ€ndliche Anbindung des neuen Quartiers. Im Bereich des Quartiersplatzes verwebt sich die neue Bebauung ĂŒber die Licca-Treppe mit dem neu gestalteten Uferpark am Lech.

Entlang des Radwegs sowie an Treffpunkten (Spielen, Grillen...) werden Abstellmöglichkeiten fĂŒr FahrrĂ€der angeboten. Diese Infrastruktur-Punkte können auch fĂŒr Information verwendet werden. Eine Übermöblierung soll dabei vermieden werden.

Alle WegebelÀge sind wasserdurchlÀssig, der untere Wartungsweg ist schwerlastbefahrbar. Wegebreiten orientieren sich an der minimalen Notwendigkeit, um Versiegelung gering zu halten. Auch kleinere vorhandene Wege des Parks werden wo möglich erhalten und weiterentwickelt.

PlatzflĂ€chen und notwendige befestigte WegeflĂ€chen im Umfeld der Bebauung werden sickerfĂ€hig ausgefĂŒhrt. Das Wasser aus den RetentionsdĂ€chern wird ĂŒber offene Rinnen als gestalterisches Mittel sichtbar in Sickermulden gefĂŒhrt sofern es nicht in Zisternen gefasst wird. 

Beurteilung durch das Preisgericht

In Anlehnung an Maßstab und Typologien der Bestandsbauten im Umgriff des Entwurfsgebietes entwickeln die Verfasser fĂŒnf strukturgleiche U-förmige Cluster, deren Innenhöfe sich zum Lechpark öffnen und ohne GelĂ€ndesprung in den Landschaftsraum ĂŒbergehen.

Ihre versetzte Anordnung in Ost- West-Richtung sorgt straßen- und flussseits fĂŒr differenzierte FreirĂ€ume und eine aufgelockerte Gesamtfigur ohne starre Raumkanten. Auf Hochpunkte wird zugunsten einer relativ homogenen Dachlandschaft verzichtet, die sich zwischen 4 und 6 Geschossen bewegt. Im Gegensatz zu anderen WettbewerbsbeitrĂ€gen wird hier auch die Mitte des Plangebietes baulich besetzt, wodurch das zentrale Biotop eindeutig dem Straßenraum zugeordnet wird. Die Setzung der fĂŒnf Bausteine generiert ein Wegenetz an PrimĂ€r- und SekundĂ€rerschließung, das zwischen Straßen, Gassen und einem Boulevard unterscheidet. Die jeweiligen Querschnitte folgen dieser Kategorisierung weitgehend. Eine Verbindung fĂŒr FußgĂ€nger parallel zur Uferkante lĂ€sst das Quartier trotz dichter Bebauung durchlĂ€ssig erscheinen. Unter diesem Aspekt ist auch die Platzierung der KITA als integrierter und dennoch eigenstĂ€ndiger Baukörper im Viertel vorstellbar.

Die als Boulevard titulierte Parallelstraße zur Berliner Alle fungiert als verkehrliches RĂŒckgrat und bindet fĂŒnf baugleiche Parkdecks an, die in die Unter- und Erdgeschosse der straßenbegleitenden Bebauung integriert und somit Teil eines hybriden Bausteins werden. FĂŒr kurze Wege könnte somit ebenso gesorgt sein wie fĂŒr geringe Eindringtiefe motorisierten Verkehrs ins Quartier, obgleich die Bemessung der WendehĂ€mmer und TG-Einfahrten einer Verbreiterung bedarf, um zu funktionieren. BemĂ€ngelt werden die vorgeschlagene Umfahrung der KITA, die hierdurch in Kauf genommene Abtrennung der zugehörigen FreiflĂ€chen sowie die ungenĂŒgende Anbindung der Quartiersgassen an das benachbarte Herrenbachviertel jenseits der Berliner Allee: hier wirkt der Boulevard als Barriere, der unnötige Umwege generiert und grundsĂ€tzlich zu hinterfragen ist. Generell verzichtet werden sollte auf seine Durchbindung und die Zerschneidung bzw. massive Störung des wertvollen Biotops.

Der Lechpark erstreckt sich großzĂŒgig entlang des Lechs und wirkt in beiden Richtungen fĂŒr FußgĂ€nger und Radfahrer gut erschlossen. Negativ erwĂ€hnt wird die mangelnde RĂŒcksichtnahme auf den Altbaumbestand zugunsten einer hohen baulichen Dichte. Leicht differenzierte Baukörper von unterschiedlicher Tiefe lassen auf ein Angebot an Wohnformen und -typen hoffen, um den von der Ausloberin anvisierten Wohnungsmix zu erzeugen. Erdgeschosswohnungen mit angeschlossenen FreiflĂ€chen sorgen fĂŒr eine Bespielung der Innenhöfe, wĂ€hrend Gewerbenutzungen an den SĂŒdwest-Ecken liegen und sich zu den Gassen orientieren. Ein genauerer Blick auf die dargestellten Grundrisse offenbart Unsicherheiten bei der Lösung von Außen- und Innenecken der Regelgeschosse. Schmale durchgesteckte Wohnungen mit SchlafrĂ€umen an der lĂ€rmzugewandten Seite, die einer GebĂ€udetiefe von 16 m geschuldet sein dĂŒrften, sind ebenfalls zu ĂŒberprĂŒfen. Was der stĂ€dtebauliche Ansatz an Immissionsschutz zu leisten vermag, wird in der Grundrissarbeit teils konterkariert.

Nachzuweisen ist zu guter Letzt auch die Erschließung der ĂŒbereinander angeordneten Reihen- oder Townhouse-Typen. Die als Hybride konzipierten Geschoßwohnungen entlang der Berliner Allee könnten bei sorgfĂ€ltiger Gestaltung in der architektonischen Planung zu abwechslungsreichen Fassadenbildern fĂŒhren, wozu unter UmstĂ€nden auch die aufgesetzten GewĂ€chshĂ€user zur Aktivierung der DachflĂ€chen einen Beitrag leisten wĂŒrden. In den Schnittperspektiven ist dieses Potential kaum erkennbar – hier sollte man sich wohl eher an der Anmutung der Freihandskizzen orientieren.

Die DurchlĂŒftung des Quartiers in Ost-West Richtung ist nur eingeschrĂ€nkt möglich, da lange GebĂ€udekanten nach Westen hin orientiert sind und der Bereich östlich des zentralen Biotops durch einen der fĂŒnf Bausteine besetzt ist. Das Biotop wird durch den geplanten Boulevard stark beeintrĂ€chtigt. Regenwasser wird auf DĂ€chern zurĂŒckgehalten und kann ĂŒber sickerfĂ€hige BelagsoberflĂ€chen und Mulden in den Boden versickern. Das Regenwassermanagement ist in den PlĂ€nen bisher nur ungenau ausgearbeitet.

Die begrĂŒnten Innenhöfe, die sich zum Lech hin öffnen, lassen eine hohe AufenthaltsqualitĂ€t erwarten. Das Energiekonzept ist innovativ und effizient (kalte NahwĂ€rme in Kombination mit PV). Insgesamt wirkt der Entwurf unaufgeregt und kompakt in der Ausformulierung der Baukörper und insofern geeignet zur weiteren Entwicklung. Die vergleichsweise hohe Anzahl an Wohneinheiten gilt es hinsichtlich der hohen Bebauungsdichte kritisch zu prĂŒfen, der Nachweis funktionierender Wohnungstypen und Grundrisse ist noch zu erbringen.