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Nichtoffener Wettbewerb | 12/2021

Neubau Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR) am Standort Südkreuz

Pespektive Gebäude

Pespektive Gebäude

ein 2. Preis / 2. Rang / Nach Überarbeitung

Preisgeld: 75.000 EUR

ZRS Architekten Ingenieure

Architektur, Brandschutzplanung, Tragwerksplanung

SCHÖNHERR Landschaftsarchitekten PartmbB (ehem. herrburg LA)

Landschaftsarchitektur

Ingenieurbüro Hausladen GmbH

Energieplanung

bloomimages

Visualisierung

Erläuterungstext

Bauen im 21. Jahrhundert

Das neue Bürogebäude der Berliner Stadtreinigungsbetriebe am Südkreuz wird ein Leuchtturmprojekt für nachhaltigen, kreislaufgerechten Bürobau für Berlin und darüber hinaus. Gebäude und Freianlagen werden ressourcenschonend aus natürlichen Rohstoffen und – ganz BSR – aus wiederverwendeten oder  verwerteten Baumaterialien konstruiert. Naturbaustoffe, Wiederverwendetes, -verwertetes und Rezykliertes soll bis ins Detail sichtbar entwickelt werden und als Erkennungsmerkmal gestaltprägend sein. Das ganze Areal als „Low-Tech“ Anlage entwickelt. Das Gebäudeensemble und die entstehenden Freiräume machen vielfältige Angebote für die Stadtgesellschaft. Üppige Begrünungen leisten einen Beitrag zur Klimaanpassung und Biodiversität. Die inneren Bürolandschaften mit zahlreichen Blickbezügen, zentralen Treffpunkten, grünen Höfen, Terrassen und Dachzugängen bietet eine vielfältige, gesunde Arbeitsumgebung bei guter Orientierung und Übersichtlichkeit. Alle Gebäudeteile sind konstruktiv aber auch räumlich so konzipiert, dass sie im Laufe der Nutzungszyklen an neue Anforderungen und Wünsche angepasst, umgebaut und ergänzt werden können – Veränderung und Aneignung durch und mit den Nutzer*innen sind ausdrücklich erwünscht!

 


Kreislauffähigkeit der Gebäude

 

Konzept

 

Der Bausektor gehört zu den ressourcenintensivsten Wirtschaftszweigen und ist für 55% des Abfallaufkommens und 50% des Ressourcenverbrauchs verantwortlich. Die Bauherr:in hat sich im Vorfeld der Frage gestellt, ob man heute noch bauen darf. Nach einem intensiven Abwägungsprozess ist die Entscheidung für einen ressourcenpositiven, zukunftsfähigen Neubau gefallen. Der Entwurf verfolgt daher konsequent einen kreislaufgerechten und flächenreduzierten Ansatz, der als Vorreiter für andere Bauvorhaben weit über die Landesgrenze hinaus strahlen kann. Reduktion statt Konsum, Baustoffe retten statt CO2 emittieren, Zero Waste sind nur einige der Leitbilder.

 

Das Haus als Bauteil- und Materialretter

 

Der Einsatz von CO2 positiven, zirkulären, sortenreinen, dauerhaften, robusten, wartungs- und emissionsarmen Baustoffen, die sich reversibel fügen, wiederverwenden bzw. in die Natur zurückführen oder CO2-neutral rezyklieren lassen in Ergänzung zu wiederverwendeten Bauteilen (Sanitärobjekte) oder Materialien (Altholz), wo immer dieses technisch, rechtlich und wirtschaftlich möglich ist, machen die Gebäude zu CO2 Senken bzw. Bauteil- und Materialrettern. Der Bauherr:in schafft wertvolle Rohstofflager für zukünftige Generationen und keinen Abfall.

 

Recycling mineralischer Bauteile

 

Auf dem Grundstück vorzufindende Ressourcen (unbelasteter Geschiebelehm, mineralische Bauteile der Bestandsgebäude) werden einem hochwertigen Recycling zugeführt und für den Neubau genutzt. So können Entsorgungskosten reduziert und Ressourcen geschont werden. Die BSR Philosophie Zero Waste manifestiert sich in besonderer Weise im Umgang dem Altbestand.

 

Multitalent Holz

 

Um einen ressourcenpositiven Standort zu errichten wird die nachwachsende Ressource Holz als gebaute CO2 Senke in allen

massiven Bauteilkomponenten eingesetzt, die keinen besonderen Brandschutz- oder bauphysikalischen Anforderungen unterliegen. Klimaschädliche, endliche Rohstoffe werden so substituiert. Das geringe Eigengewicht und trockene Fügetechniken ermöglichen die direkte Wiederverwendung; die kaskadische Nutzung schafft vielfältige Produktzyklen. Im Bereich der Dämmstoffe, werden Holfaserprodukte durch schnellwachsende, einjährige CO2 positiven Pflanzenfasern ersetzt.

 

Systemtrennungen & reversible Verbindungen

 

Die modulare Logik des Hauses und die geplanten Systemtrennungen von Bauteilen unterschiedlicher Lebensdauer erlauben es, dass Bauteile oder -elemente wie Fassadenelemente, Innenwände etc. bei Veränderung bzw. am Ende der Nutzungsperiode selektiv rückgebaut und ausgetauscht bzw. an anderer Stelle wieder eingebaut werden können. Alle Bauteile und Bauteilkomponenten werden reversibel gefügt. Reversible Verbindungen auf Bauteilebene und Komponentenebne ermöglichen die Reparatur von schadhaften Bauteilkomponenten bzw. den leichten Austausch von beanspruchten Oberflächen wie z.B. Fußböden. Die Replastifizierbarkeit von Lehmbaustoffen ermöglicht lokale Reparaturen. Dieser Ansatz reduziert die Reparaturfreundlichkeit, reduziert Wartungskosten und ermöglicht eine Wiederverwendung der Bauteile am Ende des Nutzungszyklus. Robuste, wartungsarme oder -freundliche Oberflächen aus Keramik, Holz, Lehm, Fliesen, Linoleum etc. reduzieren zusätzlich die Kosten im Betrieb.

 


Flexibilität, Anpassbarkeit und Bedarfsänderungen

 

Der Holzskelettbau bietet ein Höchstmaß an Flexibilität in Bezug auf die Grundrissgestaltung. Flexibel nutzbare und adaptionsfähige Gebäude ermöglichen die Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen und verlängern die Lebensdauer von Gebäuden signifikant. Die Skelettbauweise ermöglicht eine freie Grundrissgestaltung. Alle leichten, vorgefertigten Trennwände können einfach ergänzt, versetzt oder entfernt werden. Die Vorfertigung reduziert das Abfallaufkommen beim Versetzen oder Rückbau von Innenwänden. Die Deckenhöhen ermöglichen unterschiedliche Nutzungszyklen und typologische Nutzungsänderungen.

 


Design for Disassembly + Reuse

 

Der Entwurf strebt eine Nutzungsdauer der Gebäude von mindestens 500 Jahren an. Nichtsdestotrotz ist die Planung des Rückbaus beim Entwurf der Gebäude konsequent mitgedacht worden. Reversible, leicht lösbare Verbindungen sowie die Vermeidung von Verbundwerkstoffen ermöglichen den wirtschaftlichen, effizienten, zerstörungsfreien und sortenreinen Rückbau aller Bauteile. Diese stehen zukünftigen Generationen als Ressource für andere Projekte zur Verfügung und müssen nicht teuer entsorgt werden. Schadhafte Bauteilkomponenten können repariert oder einem hochwertigen Recycling zugeführt werden.

 


Material- und Gebäudepass

 

Die Erstellung eines detaillierten Material- und Gebäudepasses, der alle relevanten Materialparameter, Materialströme, Konstruktionen, Einbauorte, Nutzungsdauern, mögliche Verwertungsmöglichkeiten und Datenblätter dokumentiert bildet die Grundlage für dieses Urban Mining Projekt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Entwurfsidee, Städtebau und Erscheinungsbild

Im Lageplan zeigt sich der Entwurf als ein Ensemble von vier nahezu identischen Rechtecken - drei Atriumhäusern und einem Hochhaus - die eine effiziente Organisation und Konstruktion der Baukörper erlauben. Jeweils zwei dieser Rechtecke überschneiden sich partiell. Diese vier einfachen Grundformen werden so auf dem Grundstück platziert, dass ein Eingangsplatz – genannt Stadtplatz - an der Wilhelm-Kabus-Straße entsteht sowie eine Passage mit einem weiteren Quartiersplatz Richtung westlich anschließender Bebauung: Eine einladende Geste in das Gebiet!


Die Baukörper wirken in ihrer geometrischen Verwandtschaft als Gesamtensemble und schaffen durch die Verschränkung von je zwei Baukörpern gleichzeitig die beiden gewünschten Teilbereiche A und B. Es entsteht eine Vielfalt an räumlichen Situationen, die variable freiräumliche Nutzungen zulassen. Die Adressbildung ist klar formuliert und die Zugänge jeweils vom Stadtplatz ermöglichen eine einfache Orientierung. 

Gestalterisch gelingt ein „Auftritt“ der BSR, der zweckmäßig und robust wirkt und gleichzeitig eine angemessene Präsenz und Ausstrahlungskraft hat. Die kompakte Baukörperformation, die effiziente Struktur und die Materialität von Konstruktion und Fassade machen die Ansprüche an Nachhaltigkeit und Zirkularität der BSR wahrnehmbar und erfahrbar.

Ein eingeschossiger Höhensprung im nördlichen Bauteil A (BSR) entsteht durch ein gefaltetes zusätzliches Dachgeschoss auf einem der beiden Baukörper, das den Charakter einer Industriehalle vermittelt. Der Höhensprung ermöglicht den Austritt auf die andere Dachfläche, die als begehbares Retentions- und Biodiversitätsdach ausgebildet wird. Das gleiche Motiv verfolgt der südliche Bauteil B jedoch mit einem größeren Höhensprung durch den Turm. Die gleichartige Dachgestaltung verbindet beide Bauteile und fördert die Ensemblewirkung. 

Das Hochhaus wird durch das eingeschnittene und begrünte 7.Obergeschoss sowie durch die grünen Loggien feiner strukturiert und öffnet sich nach außen. Planungsrechtlich problematisch ist jedoch die streng orthogonale Form des Hochhauses und die nicht unerhebliche Überschreitung der Baugrenze. Hier besteht hinsichtlich einer künftigen Genehmigungsfähigkeit die Notwendigkeit zur Überarbeitung: Die durch den B-Planentwurf intendierte Ausbildung einer Landmarke soll durch eine komplexere Geometrie des Hochhauses und eine Interpretation der ovalen Grundform erreicht werden, nicht allein durch die Fassadengestaltung. Das Preisgericht traut dem Entwurf diese Anpassungsfähigkeit zu, ohne dass die Grundzüge der Konzeption in Frage gestellt würden.

Die Freiraumgestaltung und -nutzung ist funktional und einladend. Kritisch wird die Kombination des Mustermüllstandortes mit der Entsorgungsfunktion im Bereich des Quartiersplatz bewertet. Die Passage, Stadt- und Quartiersplatz werden durch die Foyers, einen Ausstellungsbereich und Gastronomie bespielt und versprechen eine lebendige Frequentierung durch Anwohnende und Arbeitende. Die getrennte Erschließung der Tiefgarage für Fahrräder und Autos an dieser Stelle funktioniert gut.


Innere und äußere Erschließung

Die innere Erschließung ist effizient gelöst. Sie ermöglicht eine klare Strukturierung der Bürogrundrisse und eine flexible Nutzung und weitere Unterteilung dieser: Verschiedene Nutzungsszenarien und Bürokonzepte sind flexibel umsetzbar.  


Erfüllung des Raum- und Funktionsprogramms

Die Anforderungen der Ausloberin hinsichtlich des Raum- und Funktionsprogramms werden voll erfüllt. Die Atriumhäuser weisen gut nutzbare Gebäudetiefen auf und ermöglichen eine beidseitige Belichtung. Die Büroarbeitsplätze haben eine sehr gute und vor allem gleichwertige Qualität hinsichtlich Lage, Erreichbarkeit und Belichtung. Die gemeinschaftlich genutzten Sonderflächen befinden sich jeweils im Verschränkungsbereich der beiden Baukörper, kombiniert mit einem Außenbereich am Atrium. An dieser Schnittstelle sind sie zentral erreichbar und machen ein vielfältiges räumliches Angebot für das Arbeiten sowohl im Innen- als auch im Außenbereich. Überarbeitungsbedürftig sind die entstehenden „Dreiecke“ im Verschränkungsbereich, an denen notwendige interne Abstandsflächen nicht eingehalten werden. 

Im Erdgeschoss verschmelzen die Grundformen und bieten großzügige Bereich für Restaurants, Bistros und Büro. Die öffentlichkeitswirksame Platzierung der EG-Nutzungen kann insbesondere an den öffentlichen Straßenräumen optimiert werden, insbesondere zur Ella-Barowsky-Straße wären mehr öffentlichkeitswirksame Nutzungen wünschenswert.


Nachhaltigkeit, Energie und Kreislauffähigkeit

Der Entwurf überzeugt durch seinen sehr ausdifferenzierten und umfänglichen Ansatz zur Kreislauffähigkeit. Die Überlegungen dazu sind bereit vertieft und bieten ein umfassendes Bild zur weiteren Bearbeitung. Die Thematik PV auf dem Dach und v.a. in der Fassade benötigt eine weitere Detaillierung und Ausarbeitung. Gleiches gilt für das Technikkonzept, besonders für die Aspekte Technikflächen (Möglichkeit zur Realteilung), Fußbodenheizung sowie Kühlung. 


Fassade

Die Konstruktion der Fassade greift das Thema des Re-cycle und Re-use in der Materialwahl der Bekleidungen auf und wird positiv gesehen. Die Doppelschaligkeit der Fassade ist in Bezug auf den Schallschutz nicht durchgehend erforderlich und beeinflusst die Wirtschaftlichkeit. Zudem ist der Zwischenraum der Fassade schwer zu reinigen.


Wirtschaftlichkeit in Erstellung und Betrieb

Die Flächeneffizienz wird als überdurchschnittlich und somit positiv bewertet,

Perspektive Platz

Perspektive Platz

Plan 500

Plan 500

Plan 200

Plan 200

Grundrisse

Grundrisse

Schnitt C-C

Schnitt C-C

Schnitt A-A

Schnitt A-A

Schnitt B-B

Schnitt B-B