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Nichtoffener Wettbewerb | 04/2022

Wohnen und Räume für Bürger am Bahnhof in Steinhöring

Blick von Westen

Blick von Westen

1. Preis

Preisgeld: 32.000 EUR

abp architekten burian pfeiffer sandner

Architektur

Lex Kerfers_Landschaftsarchitekten und Stadtplaner GbR

Landschaftsarchitektur, Stadtplanung / Städtebau

Thomas Egger Modellbau | Frässervice

Modellbau

Erläuterungstext

STÄDTEBAU UND IDENTITÄT:

An den Bahnstrecken auf dem Land haben sich im Lauf der Zeit spezifische Bautypologien herausgebildet. Langestreckte Lagergebäude mit Laderampen und zugehörigem weitem Dachüberstand sind auffällig. Dazu gesellen sich oft turmartige Bauteile für Silos. Die Bauten sind bevorzugt als Holzkonstruktion erstellt. Ihnen ist eine prägnante Silhouette mit sich scharf abzeichnenden Konturen gemeinsam. Dieses Bild präsentiert sich den Bahnreisenden im Vorbeifahren, es prägt sich den Ankommenden seit Generationen ein und soll als Besonderheit am Rand der Dorfstruktur erhalten bleiben.

Die prägnante bauliche Situation im Bestand zeigt sich als Identitätsstiftend für das Bahnhofsareal und den westlichen Ortsrand und bildet den Empfang für die Ankommenden mit der Bahn. Das Ensemble mit der prägenden Silhouette aus einer Abfolge unterschiedlich hoher Giebel mit dem weit auskragenden Vordach wird in seiner Gesamtheit als unbedingt erhaltenswert gesehen. Die Teile, deren Erhalt nicht sinnvoll und nicht möglich ist, sollen, gefüllt mit neuem Inhalt, in der gewohnten Form wiedererrichtet werden. Das bauliche Ensemble wird nach Norden um zwei neue Wohnbauten, niedriger aber in ähnlicher Ausrichtung ergänzt. Von Westen prägen deren flach geneigten Giebelfassaden den Ortsrand.

Die Raumbildung und räumliche Dichte wird im Zusammenspiel mit der kleinen Remise verstärkt, die gleichzeitig Schutz und Abschirmung der privateren Wohnbereiche zu den öffentlichen Bereichen zeigt. Schwerpunkt der gemeinschaftlichen Wohnnutzung bildet der Raum entlang der Ebrach mit hoher Aufenthaltsqualität, der seine Definition durch die westliche Verlängerung des Lagerhauses, die historische Hofanlage und die mit der Brücke angebundene neuen Wohngebäude erhält.

 

FREIRAUMKONZEPT:

Das Freiraumkonzept nimmt die den Ort prägenden Elemente auf und entwickelt sie gestaltbildend weiter: die großzügigen Wiesenflächen um die Höfe, die Wasserläufe sowie den herben Charme des von Laderampen und Umfahrten geprägten Umfeldes des ehemaligen Molkereigebäudes mit Gleisanschluss.

Die Räume für Bürger und Heimatverein erhalten in der Tradition des Gebäudes umlaufende „Rampen“ als Austritte mit Treppen und Sitzstufenanlage zum Freibereich hin. Verkehrserschließung und Parkierung werden entlang der Bahn gebündelt, wo ohnehin eine Zufahrt für den landwirtschaftlichen Verkehr gewährleistet werden muss. Der Vorplatz an der Bahnhofsstraße bleibt großzügig und offen. Er erhält mit der Dorflinde mit Baumbank einen neuen Treffpunkt. Es wird vorgeschlagen, die Bahnhofsstraße im Bereich des Platzes mit einem neuen Belag in der Platzfarbe, z. B. Farbasphalt, zu versehen, um den Verkehr zu verlangsamen und einen stärkeren Bezug zum gegenüberliegenden Gasthaus herzustellen.

Der zentrale Bereich ist von der Ebrach und den begleitenden Ufersäumen vor allem grüngeprägt. Stufen und Trittsteine, Stämme und Wurzelstöcke laden zum Aufenthalt und Spiel am Wasser ein.

Die beiden Wohngebäude nördlich der Ebrach sind über eine neue Brücke angebunden, die auch die Zufahrt für Notfahrzeuge oder das Be- und Entladen gewährleistet. Der Kleinkinderspielbereich ist zwischen den Gebäuden im Nahbereich der Eingänge situiert. Alle Wohneinheiten verfügen über Terrassen, Loggien oder Balkone als geschützte private Freiräume. Die Laubengänge und Durchgänge bieten Gelegenheit zur Kommunikation. Auf private Gartenanteile wird zugunsten des direkten Naturbezugs verzichtet und stattdessen eine Fläche für Gemeinschaftsgärten mit Streuobstwiese im nördlichen Bereich, der nicht überflutet wird, angeboten.

Der notwendige Retentionsausgleich wird als Absenkung des Geländes westlich der neuen Wohnbebauung und entlang der Ebrach vorgesehen.

 

ÖFFENTLICHE BEREICHE:

Die bürgerschaftliche Nutzung ist in den ehemaligen Räumen der Milchgenossenschaft untergebracht. Der Hauptzugang erfolgt vom überdeckten Vorplatz im Norden über die wieder zu errichtenden Rampen. Von hier aus durchmisst das Foyer die ganze Gebäudebreite und bietet nach Süden den Ausblick in die freie Landschaft. Der Saal im ehemaligen Lagerbereich lässt mit den abgefangenen Holzstützen die Struktur der früheren Nutzung erkennen, die angelagerten Rampen dienen als Rettungswege und bieten in den Pausen der Veranstaltungen attraktive Freibereiche zu beiden Seiten.

Die Bereiche im Obergeschoss, in denen sich historische Strukturen und Bausubstanz erhalten haben, können durch den Heimatverein genutzt werden und sind direkt über das allgemeine Foyer über kurze Wege und barrierefrei angebunden, die Ausstellungobjekte können hier in angemessener Atmosphäre präsentiert werden.

Auf eine Nutzung des bestehenden Untergeschosses wird wegen des hohen HHW-Pegels bewusst verzichtet, um auf aufwändige Abdichtungsmaßnahmen im Bestand zu verzichten: Der Bereich steht der statisch erforderlichen Neugründung der neuen und bestehenden Bausubstanz zur Verfügung. Neben- und Lagerräume können effektiver, raumklimatisch besser und über den Aufzug direkt angebunden im Dachgeschoss untergebracht werden. Dieses ist als Kaltdach ausgebildet; das beheizte Volumen kann auf ein notwendiges Maß reduziert werden.

 

WOHNEN:

Die Wohngebäude im westlichen Bereich stellen ein breites Spektrum an Wohnformen für unterschiedliche Bedürfnisse: Kleinwohnungen mit großartigen Ausblicken und Familienwohnungen mit direktem Zugang ins Freie. Der gemeinsame Erschließungshof der beiden nördlichen Zeilen bietet Spielbereiche für die kleinsten Kinder und Raum für Treffen und nachbarschaftlichen Austausch. Attraktive Voraussetzungen sind für Spiel und Abenteuer der grösseren Kinder am Ufer der Ebrach vorhanden.

 

KONSTRUKTION UND KLIMA:

Mit dem Erhalt des Lagerhauses verbunden ist auch der Erhalt der grauen Energie. Eine reduzierte Gebäudetechnik mit geringem Wartungsaufwand sorgt für wirtschaftliche Erstellungs- und Unterhaltskosten.

Die neu zu errichtenden Bauteilen werden in massiver Holzkonstruktion errichtet. Konstruktive Holzschutzdetails garantieren Langlebigkeit. Möglichst viel Holzeinsatz in der Konstruktion und im Ausbau sorgt für CO2-Neutralität.

Die Materialauswahl beschränkt sich auf Holz und Putzoberflächen. Zusammen mit der Ziegeldeckung der Dächer wird der ländliche Duktus gewahrt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit analysiert sehr präzise die Spezifik der örtlichen Ausgangssituation. Als Ergebnis wird eine äußerst schlüssige städtebauliche Anordnung bestehender und neuer Gebäude zu einem eigenständigen und identitätsstiftenden Gesamtensemble vorgeschlagen. Ausgehend von der entlang der Bahngleise vorgefundenen langgestreckten Bautypologie des bestehenden Lagergebäudes wird dieses im gleichen Fußabdruck bewahrt bzw. wiederhergestellt. Auch die markante Silhouette des derzeitigen Siloturms wird als weithin sichtbares Wahrzeichen beibehalten. Das historische Kopfgebäude wird behutsam saniert, die bedeutsamen Laderampen und der östliche Dachüberstand werden hierbei folgerichtig in die architektonische Konzeption einbezogen. Nicht nachvollziehbar ist der Wegfall des Balkons im 1.Obergeschoss sowie die Einkürzung der Dachüberstände in diesem Bereich. Hierdurch wird die Frontansicht in ihrer räumlichen Ausdruckskraft empfindlich geschwächt. 

Sehr positiv wird der Erhalt des Nebengebäudes bewertet, das insbesondere im Zusammenspiel und seiner Nähe mit dem ehemaligen Lagergebäude eine einzigartige räumliche Situation schafft. Auch der Saal kann in Größe und Ausgestaltung überzeugen. Der Erhalt des bestehenden Holztragwerks durch eine Abfangung stellt einen besonders gelungen Ansatz dar. Auf diese Weise wird der konzeptionelle Ansatz zum Erhalt historischer Bausubstanz sichtbar unterstützt. Die Wohnbebauung wird im Anschluss an den Saal durch eine kleine Gebäudefuge abgetrennt. Diese dient der Erschließung und dem barrierefreien Erreichen von Saal und Wohnungen. In ihrer Ausformung ist diese jedoch zu beengt und nicht geeignet eine attraktive Erschließungsfunktion darzustellen. Die Wohnungsgrundrisse im ehemaligen Lagergebäude sind gut gelöst. Für den Wohnturm fehlt der Nachweis des zweiten Rettungsweges. Auch die Parkierung unterhalb der Wohngeschosse kann überzeugen, könnte jedoch noch effizienter an dieser Stelle erfolgen, so dass die Parkierung entlang der Bahn entfallen kann. Diese stört empfindlich die Attraktivität des südlichen Saalausgangs. Die Nutzung des Nebengebäudes für überdachte Fahrradstellplätze und dem Gemeinschaftsraum im Obergeschoß ist ein attraktives Angebot und kann zur Belebung des kleinen Platzes beitragen.

Die beiden Wohngebäude jenseits der Ebrach sind in ihrer Zweigeschossigkeit richtig in ihrem Volumen gewählt. Die Anordnung der Baukörper zueinander wird zu wenig spannungsreich beurteilt. Insbesondere der südliche Baukörper versperrt einen stärkeren Bezug zum ehemaligen Lagerareal. Sympathisch ist der Vorschlag, die Gebäude frei in die bestehende Bachlandschaft zu setzen und auf eine Überformung der erdgeschossigen Freibereiche zu verzichten. Mit dem kompakten Gemeinschaftsgarten und dem Kinderspiel im Hof werden attraktive und wohnungsnahe Angebote formuliert. Die Gebäude sind mit einem Aufzug und einem gemeinsamen Verbindungssteg wirtschaftlich erschlossen. Das architektonische Erscheinungsbild mittels differenzierten Holzlammellenschalungen für sämtliche Neubauten fügt diese auf selbstverständliche Weise sehr gut zu einem klar ablesbaren Ensemble zusammen.

Die Freianlagen wirken in vielen Teilen sehr schematisch und wenig attraktiv. Für die Aktivierung des wichtigen Freiraumelements der Bäche fehlen schlüssige Vorschläge. Auch die Erschließung der „Insel“ für Anlieferung und Rettungsfahrzeuge funktioniert nicht. Mit dem Erhalt wesentlicher Bauteile der Lagerhalle wird graue Energie gesichert. Zusammen mit dem vorgeschlagenen Holzkonstruktionen ist eine wirtschaftliche Erstellung zu erwarten. Insgesamt stellt die Arbeit einen wertvollen Beitrag zur gestellten Aufgabe dar. Insbesondere der behutsame Umgang mit dem Bestand und die ortsangepasste und maßstäbliche Herangehensweise sind sehr gut geeignet den bestehenden Charakter in eine langfristige Entwicklung zu überführen und gleichzeitig dessen speziellen Charme zu bewahren. 

Grundriss EG

Grundriss EG

Grundriss 1.OG

Grundriss 1.OG

Schnitte

Schnitte

Umbau Lagerhaus

Umbau Lagerhaus

Ansicht von Süden

Ansicht von Süden

Ansicht von Norden

Ansicht von Norden

Ansicht von Westen

Ansicht von Westen

Wohnhaus von Süden

Wohnhaus von Süden

Wohnhaus von Norden

Wohnhaus von Norden

Fassadenausschnitt

Fassadenausschnitt

Lageplan

Lageplan

Lageplan

Lageplan

Modell

Modell

Modell

Modell