modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Nichtoffener Wettbewerb | 05/2022

Neubau Kommunikationszentrum FORUM Friedrich-Schiller-Universität Jena

Vogelperspektive: Blick von Osten in die Passage zur Schlossgasse

Vogelperspektive: Blick von Osten in die Passage zur Schlossgasse

1. Preis / Zuschlag

Preisgeld: 28.000 EUR

BAYER ARCHITEKTEN

Architektur

WGF Nürnberg

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Städtebau

Der Neubau „FORUM“ positioniert sich als klarer Baukörper selbstbewusst auf dem schmalen Grundstück im historischen Kontext. Die Gebäudehöhe liegt im Mittel zwischen dem niedrigeren Griesbach`schen Auditorium und dem höheren Universitätshauptgebäude; so kann der Neubau behutsam die Lücke des universitären Ensembles schließen und trotzdem als adressbildender Baustein wirken. Im Osten wird der Neubau von den historischen Grundmauern begrenzt, im Süden wird die Grundstücksgrenze zum Neubau Saalstraße bebaut und im Westen schließt er an die Nachbarbebauung an. Die Nordfassade definiert die neue geschaffene Fußgängerpassage. Dadurch repariert und beruhigt er ein zuvor sehr heterogenes Umfeld. Der Gebäudesockel im Erdgeschoss, der die Passage formt, adaptiert an den Maßstab der Fußgänger; in den oberen Geschossen tritt die Fassade respektvoll zurück und bedrängt dadurch den Nachbarn im Norden, das Universitäts-Hauptgebäude und den fußläufigen Verkehr, nicht. Die neu geschaffene Passage öffnet den Raum zwischen dem Inselplatz und der Schlossgasse und unterstützt und verstärkt die fußläufige Bewegung auf der Ost-West-Achse.


Raumprogramm

Neubau

Im Erdgeschoss wird der Besucher in einem repräsentativen, 3-geschossigen Foyer empfangen. Die öffentlichkeitswirksamen Hauptnutzungen der Welcome-Area, Gastronomie und Science Lounge werden mit einem Blick erfasst und laden zum Aufenthalt ein. Die Science Lounge im 1. Obergeschoss hängt leicht und frei im Raum und wird über die kunstvoll gestaltete Freitreppe erreicht. Im hinteren Bereich befindet sich die Gastronomie als Split-Leicht-Ebene, so wird der Höhenversatz aufgenommen. Durch die leicht erhöhte Lage kann der Eingangsbereich und die Welcome-Area komfortabel überblickt werden. Beide Bereiche werden gekonnt von der Bestandsmauer gefasst; die Mauer selbst sitzt als historisches Denkmal selbstverständlich eingebettet im neuen Kontext.


Die Nebenräume der Gastronomie sowie Technikräume befinden sich in einer Teilunterkellerung westlich der denkmalgeschützten Grundmauern.

Von der Science Lounge im 1. Obergeschoss wird der darüberliegende Seminarbereich im 2. Obergeschoss über eine innenliegende Freitreppe als Shortcut erreicht. Die beiden großen Mehrzweckräume erhalten durch eine mobile Trennwand die Möglichkeit zusammengeschaltet zu werden. Im 3. Obergeschoss sind die Wohneinheiten an der gesamten Nordfassade angeordnet, mit dem historischen Universitätsgebäude stets im Blick. Der großzügige Wohnbereich befindet sich im Rücken des Gebäudes und wird von Oberlichtern belichtet.


Auf allen Etagen befinden sich Sanitärbereiche auf kurzem Weg erreichbar in der Rückenzone des Gebäudes. Die Dachfläche über dem 3. Obergeschoss wird von der Fassade gefasst, sodass ein qualitätvoller und windgeschützter Freiraum entsteht, dem das Potential eines Besuchermagnets zugeschreiben werden kann. Die dort verortete Dachterrasse bietet Platz für (universitäre) Veranstaltungen oder Naherholung mitten in der Stadt. Der dort u.U. entstehende Geräuschpegel kann nur nach oben entweichen und trägt somit zum Lärmschutz in der Nachbarschaft bei.


Bestand

Das historische Auditorium wird als Verwaltungsbereich mit den Büroflächen bestückt und so einer neuen Nutzung zugeführt.


Erschließung, Brandschutz & Barrierefreiheit

Das Gebäude verfügt auf allen Ebenen über 2 bauliche Rettungswege. Diese sind als notwendige Treppenräume im Rücken des Grundrisses verortet und ermöglichen von jedem Punkt einen sicheren Rettungsweg. Zusätzlich gibt es zwei barrierefreie Aufzugsanlagen. Die Flure sind mindestens 1,50m breit und schwellenlos. Die Barrierefreiheit ist damit im gesamten Gebäude sichergestellt. Besonderes Augenmerk liegt auf dem östlichen Treppenraum an der Schnittstelle zum historischen Auditorium: Die Treppe vom Erdgeschoss ins 1. Obergeschoss ist 4-läufig und bedient auf einem Zwischenpodest das Obergeschoss des Griesbach`schen Auditoriums. Der Aufzug bedient dieses Zwischenpodest ebenso, sodass die barrierefreie Erschließung des Altbaus sichergestellt ist.


Konstruktion, Fassade, Wirtschaftlichkeit & Partnergebäude „FOCUS“

Die geometrisch einfache Grundrissfigur erlaubt ein regelmäßiges und dadurch wirtschaftliches Konstruktionssystem mit kurzen Spannweiten. Eine Vorfertigung der Bauteile kann einerseits die Bauzeit verkürzen, andererseits eine bessere Ausführungsqualität ermöglichen. Durch das regelmäßige Raster, welches sich an der prominenten Nordfassade abzeichnet, entsteht eine ruhige und zeitlose Gestaltung. Der hohe Glasanteil ist nach Norden orientiert aus bauphysikalischer Sicht völlig unbedenklich und spiegelt das Hauptgebäude, den historischen Kontext. So entsteht eine subtil wahrnehmbare Bindung zwischen Neu und Alt. Dieses funktional-sachliche Gestaltungsprinzip kann auf das Partnergebäude „FOCUS“ übertragen werden und so die Verbindung beider Einheiten stärken.


Oberflächen und Materialien

An der Ost- und Westfassade wird der Naturstein des Universitäts-Hauptgebäudes aufgegriffen. Naturstein kommt ebenso bei der Neubebauung Saalstraße und dem Inselplatz zum Einsatz. Das warme Material harmoniert gut mit der gelben Putzfassade des Auditoriums. So gelingt eine harmonische Eingliederung in den Bestand bzw. das Ensemble. Im Innenraum kommen langlebige und natürliche Materialien wie Holz, Steinzeug, Beton zum Einsatz die ebenfalls einen warmen Charakter erzeugen und an die Außenfassade adaptieren.


Nachhaltigkeit und Energieeffizienz

Der Baukörper öffnet sich nach Norden, wodurch ein direkter Wärmeeintrag durch die Sonne vermieden wird. Maßnahmen zur Verschattung und Gebäudekühlung entfallen somit. Beton als thermischer Massespeicher trägt dazu bei die nachts adaptierten Temperaturen im Tagesverlauf wieder abzugeben. Daher ist ein energieeffizienter, nachhaltiger und ressourcenschonender Gebäudebetrieb zu erwarten.


Außenanlagen

Der denkmalgeschützte Torbogen wird durch das behutsame Setzen von Naturstein-Wandscheiben dem Universitäts-Hauptgebäude zugeordnet; der nun entstandene gefasste und gleichzeitig permeable Bereich wird als offene Fahrradgarage genutzt. Die Anlieferung bzw. der Zugang ins Untergeschoss des Hauptgebäudes wird dadurch nicht beeinträchtigt.


Der Löbdergraben wird neu gestaltet: Ein großzügig angelegter, rechteckiger Platz verbindet den Inselplatz mit dem Uni-Ensemble. Die im Konzept des Inselplatztes entstandene Idee einer Magistrale wird aufgenommen und über die neu geschaffene Ost-West-Passage bis zur Schlossgasse hin weitergeführt. Dieses übergeordnete Gestaltungselement verbindet das universitäre Gesamtensemble östlich und westlich des Löbdergrabens.

Der Löbdergraben wird darüber hinaus mit Grünflächen, einer Baumallee und einem Radweg verkehrsberuhigt gestaltet.


Haustechnik

Im Technikbereich im Untergeschoss wird eine Lüftungszentrale nach modernen Anforderungen installiert. Mit den Lüftungskanälen wird auf den Ebenen in einer Abhangdecke gefahren. Der Kühlbedarf während der Sommermonate ist durch die Ausrichtung des Gebäudes als gering einzuschätzen, kann jedoch mit dem im Folgenden beschriebenen System auch gedeckt werden. Zur Gebäudeheizung werden die massiven Betondecken werden mit einer Bauteilaktivierung ausgestattet. Das System funktioniert mit Rohrleitungen (Warm- oder Kaltwasser), die in das Bauteil eingelegt werden und sich die Trägheit des Materials zu Nutze machen. Der Beton speichert die Wärmeenergie und gibt diese konstant und gleichmäßig an den Raum ab. Die unsichtbare Installation der Bauteilaktivierung macht den besonderen Charme dieses Systems aus.

 

FUNKTIONALITÄT ALS KOMMUNIKATIONSZENTRUM

Der Entwurf setzt mit seiner klaren Form ein Statement mit hohem Wiedererkennungswert als neues Kommunikationszentrum der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Die transparente Fassade gewährt Einblicke und kommuniziert das Geschehen nach Außen, weckt das Interesse der Passanten an dieser prominenten Lage. In den ersten beiden Geschossen mit hohem Publikumsverkehr dominiert der offene Raum und Transparenz, sodass sich das Gebäude bzw. die Nutzung ganz selbstverständlich dem Nutzer / Besucher kommuniziert. Die Dachterrasse mit besonderer Aufenthaltsqualität bietet das Potential große Begehrlichkeiten bei allen Studenten und Nutzern der Universität und vielleicht darüber hinaus zu wecken. Dort entsteht ein einmaliger Ort im städtischen Kontext.


Beurteilung durch das Preisgericht

Der Beitrag überzeugt durch die präzise Setzung eines klaren, länglichen Baukörpers, der sich sehr schlüssig in das städtebauliche Umfeld einfügt. Das sich nach oben verjüngende Volumen bildet ein adäquates Gegenüber zu dem imposanten historischen Gebäudekomplex der Universität und verleiht dem doch schmalen Zwischenraum eine wohltuende Großzügigkeit. Die vertikale Giebelfassade am Löbdergraben ist gegenüber dem Griesbachschen Auditorium angemessen zurückgesetzt, wodurch die Präsenz des historisch bedeutenden Gebäudes im Stadtraum deutlich hervorgehoben wird.

Die einfache und präzise Gebäudekubatur wird durch ein regelmäßiges Raster strukturiert, welches sich an der verglasten Längsfassade abbildet. Dieses Grid lässt den Neubau wie eine offene Regalstruktur wirken. Die Transparenz, die Ein- und Ausblicke in und aus dem Gebäude, setzen gekonnt den Wunsch nach Kommunikation und Offenheit in Szene. Ob eine reine Glasfassade, angesichts der aktuellen Diskussion zur Energieeinsparung noch Zeitgemäß ist, sollte allerdings hinterfragt werden. Der Rhythmus der Fassadenstruktur nimmt eine Bezug zu den repetitiven baulichen Elementen des historischen Gebäudes und schafft andererseits eine Verbindung zu der Architektur des neu entstehenden Campus Inselplatz auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Der Entwurf verknüpft deshalb auf überzeugende Art und Weise das ihn umgebende heterogene Stadtgewebe und wird somit zum Zentrum und zum verbindenden Stadtbaustein für die angrenzenden universitären Bauten.

Das Preisgericht stellt eine Überschreitung der in der Auslobung vorgegebenen maximalen Gebäudehöhe fest, hält aber die städtebaulich-architektonische Einordnung in das bauliche Umfeld für gelungen. Inwiefern die Höhenüberschreitung baurechtlich genehmigungsfähig ist, muss zunächst noch offenbleiben. Zudem wirken die Form und Position der Öffnungen in der Giebelfassade Richtung Löbdergraben eher zufällig in dem sonst so klar und einfach strukturierten Gebäude.

Mit der Positionierung der Erschließungs- und Nebenräume im Innern des Gebäudes zur Brandwand hin kann der Bereich an der Fassade freigespielt und die Hauptnutzungen dort angeordnet werden. Die noch existierenden Grundmauern des Griesbachschen Hauses umfassen die neue Welcome Area / Lobby zu drei Seiten und werden so geschickt in die innenräumliche Struktur integriert. Der
leicht erhöht angeordnete Bereich für die Gastronomie verknüpft sich räumlich mit der Welcome Area / Lobby und ermöglicht interessante Blickbeziehungen. Die auf der Galerie angeordnete Lounge bietet optimale Möglichkeiten für informellen Austausch, der räumliche Bezug zu den darunterliegenden öffentlichen Nutzungen wird durchaus positiv bewertet. Die Wendeltreppe, die die Lobby mit dem Loungebereich auf der Galerie verbindet, wirkt jedoch zu massiv, unterteilt den Raum und schränkt dadurch die Flexibilität der Welcome Area ein. Die Grundrissanordnung an der westlichen Gebäudeecke überzeugt jedoch noch nicht, die hier angeordneten kleinteiligen Nebenräume fügen sich nicht optimal in das Prinzip der Transparenz an der Längsfassade ein. Auch der Eingang
(Entflechtung von Anlieferung, Büroeingang, etc.) zu den darüber liegenden Wohnungen funktioniert wie dargestellt noch nicht.

Durch die Aufweitung des Freiraums am Löbdergraben entsteht eine adäquate Eingangssituation und die Verbindung zum neuen Campus Inselplatz wird gestärkt. Die denkmalgeschützte Mauer mit Portal wird gestalterisch und funktional geschickt in den Freiraum einbezogen: durch das Weiterführen der Mauer wird ein Hof ausgebildet und der neue ,Gassenraum‘ klar gegliedert. Die daraus resultierende Fußgängerführung entlang der Fassade fördert die Interaktion zwischen Innen und Außen und die Belebung der Gasse. Der Ausgleich des existierenden Geländeversprungs wird über eine leichte Schräge des Geländes über die gesamte Gebäudelänge gelöst, doch gerade in Bezug auf den Anschluss der Gebäude und Eingänge bleiben hier Punkte ungeklärt. Ein zusätzlicher Zugang
von der Gasse zur Gastronomie wäre aus Sicht der Jury erforderlich. Es ist darauf zu achten, dass die Breite der Gasse aus Brandschutzgründen 5 Meter nicht  unterschreiten sollte, da ansonsten bauliche Maßnahmen zur Einhaltung des Brandschutzes erforderlich würden. Der Baumbestand sollte erhalten werden. 

Der Beitrag leistet bezogen auf die städtebauliche Qualität und die räumliche Struktur einen sehr wertvollen Beitrag. Die große Klarheit von Gebäudekubatur, Fassadenstruktur und innerer Organisation überzeugt die Jury. Den Verfasser:innen ist eine überzeugende Antwort auf die komplexe städtebauliche und programmatische Situation gelungen. Die vorgeschlagene sehr hochwertige Ausführung gefällt, impliziert jedoch eine deutliche Überschreitung des vorgegebenen Kostenrahmens. Hier wären Maßnahmen zur Kosteneinsparung zwingend. Der Entwurf scheint ,robust‘ genug, auch weiter qualitätsvoll entwickelt werden zu können.
Perspektive: Blick in die Welcome-Area

Perspektive: Blick in die Welcome-Area

Lageplan

Lageplan

Ansicht Ost vom Löbdergraben

Ansicht Ost vom Löbdergraben

Ansicht Nord

Ansicht Nord

Ansicht West

Ansicht West

Schnitt durch den Neubau und das historische Hauptgebäude

Schnitt durch den Neubau und das historische Hauptgebäude

Eine Magistrale verbindet das universitäre Ensemble

Eine Magistrale verbindet das universitäre Ensemble

Der Baukörper berücksichtigt den menschlichen Maßstab

Der Baukörper berücksichtigt den menschlichen Maßstab

Die Dachterrasse als besonderer, windgeschützter Raum

Die Dachterrasse als besonderer, windgeschützter Raum

Bauphysikalisch günstige Belichtung über die Nordfassade

Bauphysikalisch günstige Belichtung über die Nordfassade