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Einladungswettbewerb | 03/2022

Markgräfliches Palais Karlsruhe – Revitalisierung und Neubebauung Seitenflügel

Ansicht Palais Karlsruhe

Ansicht Palais Karlsruhe

Anerkennung

Preisgeld: 13.000 EUR

Beer Bembé Dellinger Architekten und Stadtplaner

Architektur

BEM : Burkhardt | Engelmayer | Mendel Landschaftsarchitekten Stadtplaner Partnerschaft mbB

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Städtebau und Denkmalschutz
Das Markgräfliche Palais, an der auf das Schloss zuführenden zentralen Nord-Süd-Achse („Via Triumphalis“) gelegen, wurde ursprünglich 1803 bis 1814 nach dem Entwurf des Architekten Friedrich Weinbrenner als ein Wohngebäude für die Söhne des Großherzog Karl Friedrich von Baden errichtet. Im Zuge des Zweiten Weltkrieges wurde das Palais weitgehend zerstört. 1960 wurden die Überreste der Seitenflügel vollständig abgebrochen und die zwischenzeitlich gesicherte Ruine des mittleren Gebäudeteils ging in eine Rekonstruktion der Fassade auf. Diese Rekonstruktion bezog sich lediglich auf die Fassade, im Inneren wurde das Gebäude neu auf die damaligen Bedürfnisse hin entwickelt.
Mit der Verlegung des Hauptsitzes der PSD Bank an den Standort des Gebäudeensembles am Rondellplatz werden alle Nachkriegsanbauteile entfernt, wodurch die historische Bausubstanz des Markgräflichen Palais wieder freigelegt werden soll. Abgrenzungsfragen der Denkmalpflege bekommen so einen einfachen und eindeutigen Leitfaden: die historisches Bausubstanz wird geschützt und weiterhin überliefert. Wir versprechen uns dabei, dass das so gesicherte Markgräfliche Palais wieder Kraft und Wirkung bekommt und Geschichte erzählt. Dabei spielt das Bild des Rückbaus mit Weinbrenners damaligen Rückgriffen auf die antike Architektur. Assoziationen an kritische Nachkriegsreparaturen z.B. von Döllgast in München tun sich zudem auf. Wir haben es uns nicht leicht gemacht, diesen radikalen Rückbau zu wählen und auf die Wurzeln rückzubauen. Dadurch ergeben sich aber gerade im Innenbereich neue Möglichkeiten, ehemals kräftige Raumkonfigurationen wieder aufleben zu lassen: die Eingangshalle und großzügige Treppenanlagen an historischen Stellen. Es entsteht ein Raumkontinuum ausgehend vom Rondellplatz über den repräsentativen Portikus mit korinthischer Säulenordung in das Foyer und die Treppenanlage hin in den neuen Veranstaltungssaal mit Bezug in die Gartenanlage samt historischem Baumbestand.
Äußere und innere Gestaltung
Die Seitenflügel des Weinbrennerbaus werden mit einem gerasterten Neubau ergänzt, welcher aus tragenden Stützen und Balken konstruiert ist. Der gefärbte Beton nimmt die Farbigkeit des Weinbrennerbaus auf. Die Tiefe der tragenden Fassade lässt dabei ein Spiel zwischen Leichtigkeit und Schwere entstehen und strickt so die vorhandene Bausubstanz weiter. Ein zusammenhängendes Ensemble aus unterschiedlichen Zeiten entsteht.
Äußere und innere Erschließung
Das Erdgeschoss des Gebäudeensembles nimmt ausschließlich Funktionen auf, welche tagsüber und abends eine Belebung des öffentlichen Raumes ermöglichen: Gastronomie, Einzelhandel, öffentliche Bereiche der Bank und der große Veranstaltungssaal mit zugehörigem Foyerbereich. Zur Markgrafenstrasse und zur Karl-Friedrich-Straße werden Arkaden vorgeschlagen, die diese Wechselwirkung zum öffentlichen Raum verstärken mögen. Und zur historischen Gartenanlage werden Arkaden vorgeschlagen, welche zum wettergeschütztem Wandeln und Verweilen entlang der Gartenanlage einladen.
Die Arkaden im überhohen Erdgeschoss, die drei Hauptgeschosse mit den „normalen“ Geschosshöhen und das etwas niedrigere, teilweise zurückspringende letzte Geschoss mit den Wohnungen, gliedern die neuen Bauvolumen zum Straßenraum. Rechts und links des Mittelbaus liegen an historischer Stelle die beiden neuen vertikalen Erschließungen, zur Markgrafenstraße die der Bank und zur Karl-Friedrich-Straße die der übrigen Gewerbeeinheiten.
Der Sonderbereiche des neuen großzügigen Foyers des Mittelbaus und der Saal für den Aufsichtsrat erhält ein Faltwerk aus gestocktem Sichtbeton. Ansonsten wird der Neubau als Holzbau aus im Inneren tragenden Stützen, Unterzügen und Holzbetonverbunddecken vorgeschlagen. Im Außenbereich übernimmt die Fassade aus Architekturbeton die Tragfunktion.
Wirtschaftlichkeit und Realisierbarkeit
Sowohl Holzbau als auch die Bauteile aus Architekturbeton sind durch den hohen Grad an Vorfertigung schnell und wirtschaftlich aufzubauen. Die Logik des gerichteten Holzbaus zwingt zur Disziplin in der Planung und zu einer großen Flächeneffizienz.
Energie, Raumklima und Nachhaltigkeit
Die vorgeschlagene Bauweise mit großen Teilen in Holz gibt uns Antworten auf die Herausforderungen, die der Klimawandel und die Forderungen der Nachhaltigkeit hinsichtlich verbauter grauer Energie oder Bindung von CO2 im Gebäude an uns stellen, neben den Vorteilen der Kaskadennutzung, die Holz somit erfährt. Zudem strahlt und wirkt der Holzbau mit seiner natürlichen Materialität auch auf uns Menschen und lässt einen besonderen Ort entstehen. Das Dach des Gebäudes wird in Teilen mit einer großen Solaranlage zur Eigennutzung belegt und in Teilen mit extensiver Begrünung ausgeführt. Extensive Begrünung und die vorgeschlagenen Rententionsflächen im Garten erfüllen Anforderungen, welche uns das Konzept der „Schwammstadt“ abverlangt.
Tragwerk
Das neue Gebäudeensemble am Rondellplatz baut nicht nur auf nachhaltige Konzepte hinsichtlich der Nutzung und Gestaltung, sondern vor allem auch bei der Konstruktion selbst. Materialgerechter Einsatz, produktions-, verfahrensoptimierte und maximal vorfertigbare Elemente stehen dabei im Fokus und dem state of the art der Bautechnik. Unterirdische, erdberührte Bauteile werden in Massivbauweise in Beton ausgeführt. Oberirdische Geschosse hingegen sind als moderne, zeitgerechte Holzkonstruktionen entworfen. Die großen Spannweiten stellen dabei keine Hürden dar, sondern werden durch vorgefertigte Holzbetonverbunddecken auf Unterzügen und Stützen aus Baubuche konzipiert. Holz ist um den Faktor 5 leichter als Beton. Diese Gewichtsreduktion wird mit der filigranen Tragkonstruktion optimal ausgeschöpft. Auch die Anforderungen des konstruktiven Brandschutzes können rechnerisch nachgewiesen und eingehalten werden.
Bereiche mit besonders hohen Personenfrequenzen, wie zum Beispiel Haupt- und Fluchttreppen sowie Aufzugsbereiche, werden aus Gründen der robusten Oberflächen und einer optimalen Gesamtaussteifung der Struktur in sichtbar bleibendem Stahlbeton bzw. in Sichtziegelmauerwerk ausgeführt. Stets im Fokus eines materialgerechten und nachhaltigen Ansatzes stehen Fassadenstützen, frei bewittert und mit hohen Lasten beaufschlagt, außen
im Kaltbereich und werden folgerichtig aus hochfestem Beton hergestellt. Im Sinne der Dauerhaftigkeit werden diese Fassadenelemente nicht konventionell mittels Bewehrungsstahl bewehrt, sondern als faserbewerte und teilweise als textilbewehrte hochfeste Betonbauteile konzipiert. Historisch bekannte Themen der Carbonatisierung und dadurch verursachte Betonabplatzungen sind ausgeschlossen.
Der statisch-konstruktive Entwurf steht im Einklang mit allen architektonischen Ansätzen und Ansprüchen des neuen Ensembles an der ehemaligen „Via Triumphalis“. Die Konstruktion und der Entwurf verzichten ganz bewusst auf mehrschichtige und später nicht mehr recycelbare Schichtaufbauten. Gerade dieser Ansatz soll anhand der banalen und klaren konstruktiven Elemente sowohl von innen als auch von außen ablesbar sein.
Freiraumkonzept
Der Innenhof bleibt in seinem offenen und weitläufigen Erscheinungsbild weitgehend erhalten. Die wertvollen Bestandsbäume bleiben erhalten.
Durch die Staffelung verschiedener Grünflächen zur Grundstücksgrenze hin entsteht ein spannungsreiches Bild für Nutzer und Besucher, das sich auf die historische Anlage bezieht, ohne sie zu rekonstruieren. Veranstaltungen können zusätzlich auf den Rasenflächen im grünen Innenhof stattfinden.
Entlang der Fassade schließt ein großzügiges Band mit wassergebundener Wegedecke an die Arkaden an, welches zum Spazieren und Verweilen unter Bäumen einlädt. Hier befindet sich auch der Freisitz für die neu angesiedelte Gastronomie.
Kleine Verbindungswege öffnen die Grünanlage nach Innen und schaffen so eine Querverbindung innerhalb des Straßenblocks. So dient der Innenhof des Palais in Zukunft allen Bewohnern als grüne Oase innerhalb der Stadt.
Der vielfältig nutzbare Straßenraum wird durch einzelne Baumsetzungen aufgelockert, welche zu einem angenehmen Mikroklima beitragen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf hat seinen Ausgangspunkt in der Entscheidung für einen bewusster Rückbau des Markgräflichen Palais auf die historische Bausubstanz. Alle Nachkriegsreparaturen werden entfernt. Dadurch werden neue Möglichkeiten im Innenraum in der Gestaltung der Eingangshalle und der Treppenanlage gewonnen. Ausgehend vom Rondell-Platz führt der Portikus in das große Foyer und über die Treppenanlage bis in den neuen Veranstaltungssaal, der zum Garten öffnet. Das Foyer im Mittelbau und der Saal für den Aufsichtsrat werden durch ein Faltwerk aus Sichtbeton als besonderer Ort betont.

Der Entwurf sieht den radikalsten Eingriff in die Kubatur des Weinbrenners Mittelbaus vor und ist ohne Aussicht auf eine denkmalrechtliche Zustimmung in einem Baugenehmigungsverfahren, insofern der Zustand der Kriegs Ruine ohne Dach wiederhergestellt werden soll. Stattbildprägend über 200 Jahre war jedoch die auch nach 1945 wieder aufgebaute Kubatur aus der Bauzeit. Als theoretischer Diskussionsbeitrag zum Umgang mit rekonstruierter Nachkriegsarchitektur ist der Entwurf allerdings
anerkennenswert. 

Die Seitenflügel der Neubauten schließen mit einer streng gerasterten Fassade an, deren tragende Struktur in gefärbtem Beton der Fassade Tiefe gibt. Weitere Plastizität erhält die die Fassade durch umlaufende Arkaden im überhöhten Erdgeschoss und das Angebot von Loggien im Dachgeschoss. Die Fünfgeschossigkeit trifft hart auf die zweigeschossigen Seitenflügel des historischen Mittelbaus,
auch wenn die neuen vertikalen Erschließungen für die PSD-Bank und die Gewerbeeinheiten den Mittelbau flankieren. Es entsteht ein sehr großes Ensemble mit hoher Plastizität. Die Freiheiten von den Nachkriegsreparaturen und dem Verzicht auf das Dach werden eindrücklich sichtbar, wenn sich das Casino im 3. OG mit einer Terrasse direkt zum Rondell-Platz richtet. 

Die Grundrisse sind klar gegliedert und gut strukturiert. Die Erschließungen sind attraktiv und die Nutzungen sind sinnvoll verortet. Die Organisation der Bürostrukturen als tiefer Dreibund mit Lufträumen für die PSD-Bank und als einfacher Dreibund für die Gewerbeflächen bietet hohe Flexibilität und eine zeitgemäße Antwort. Die Verbindungen von den Büroebenen über den Mitteltrakt und die Besprechungszimmer ist stimmig und durch die Sichtbeziehungen in den Luftraum der Halle und über den Luftraum des Saals in den Garten hoch attraktiv. Im Dachgeschoss sind die Wohnungen durch einen sehr langen Mittelflur erschlossen. Auf die sehr tiefen Wohnungsgrundrisse wird mit eingeschobenen Loggien geantwortet. 

Die Konstruktion ist eine zeitgemäße Hybridkonstruktion mit Holzverbunddecken und tragenden Holzstützen im Innenbereich und der tragenden Betonfassade. 

Das Dach ist mit Solaranlage und extensiver Begrünung ausgestattet, Die geplante Tiefgarage greift weit in die Gartenanlage ein.

Das vorgeschlagene Freiraumkonzept auf Grundlage der Fragmente des ehemaligen Landschaftsparks wird positiv gewürdigt. Die Reduzierung in der Gartengestaltung auf einfache Materialen und extensive Nutzungen ist angemessen und unterstützt die neue städtebauliche Hofsituation in richtiger Weise. Die unprätentiöse Gestaltung schafft einen stimmigen Gartenhof für das Palais mit einem langfristigen Entwicklungspotential und einer wertschöpfenden Wirkung für das Quartier. Die vorgeschlagenen Baumsetzungen am Straßenraum könnten ein wertvoller Beitrag zur Aufwertung der baulichen Qualität sein. Die Umsetzbarkeit ist aufgrund der vorhandenen Leitungstrassen allerdings noch zu prüfen. 

Der Entwurf besticht als gut durchdachtes Ensemble mit einer Vielzahl spannender Raumfolgen und räumlicher Setzungen. Die eigenständige Haltung, die diesem Gestaltungsanspruch zu Grunde liegt, wird aber durchaus kontrovers diskutiert. 
Präsentationsplan 1

Präsentationsplan 1

Präsentationsplan 2

Präsentationsplan 2

Präsentationsplan 3

Präsentationsplan 3

Präsentationsplan 4

Präsentationsplan 4

Präsentationsplan 5

Präsentationsplan 5

Präsentationsplan 6

Präsentationsplan 6

Vestibuel innen

Vestibuel innen

Detail 200 EG

Detail 200 EG

Lageplan 500

Lageplan 500