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Studienauftrag | 03/2022

Städtebauliche Entwicklung Baufelder B1 bis B3 am Seetalplatz in Emmen (CH)

Gewinner / Zur Realisierung empfohlen

Dreier Frenzel Architektur GmbH

Architektur

Westpol Landschaftsarchitekten GmbH

Landschaftsarchitektur

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Studie generiert aus der Lage an der Emme als «territorialer Anker» und im Kontext der heterogenen teils grossen Massstäbe einen eigenständigen Stadtbaustein. Unterschiedliche Typologien, teils gefügt und teils losgelöst, verdichten sich mit der hineinfliessenden Flusslandschaft zu einem urbanen Siedlungsgefüge, welches sich in den Stadtraum im Wandel einbettet.
Die im Bebauungsplan dreifeldrige Bebauung mit zwei Öffnungen zur Reusseggstrasse wurde zu Gunsten einer grossräumigeren Anordnung interpretiert. Zwei landschaftlich gestaltete Hofräume – wobei der eine der beiden Höfe durch einen ost-west-gerichteten Baukörper in zwei Bereiche gegliedert wird – sind durch eine dazwischenliegende «Stadtgasse» gegliedert.
Tragend für den Beitrag ist die Idee des «Archipels»: Eine lose Schar von Bauten wird umspült von einem Auenpark mit starkem Wasserbezug. Die Strategie des Archipels inkludiert die differenzierte Gliederung zu den Nachbarschaften. Zur Reusseggstrasse zeigt sich die Siedlung als kompakter durchbrochener Block. Strassenabgewandt erweitern sich die Baukörper winkelförmig und schaffen offene Höfe.
Die Verfasser schlagen ein überzeugendes Narrativ vor, das dem ganzen Stadtteil eine hohe Sinnlichkeit verleiht und ihn spürbar in die Flusslandschaft einbettet. Die Assoziationen zu Fluss funktionieren auf allen Massstabsebenen: vom kiesigen Grund, zum Schwemmholzhaufen, zum Gräsertufff, zu Weidengebüschen, zu hohen Bäumen. Die BewohnerInnen tauchen direkt und ganz selbstverständlich direkt vor der Haustüre in starke Naturbilder ein. Aber nicht nur auf der naturräumlichen Ebene funktioniert der Park: Hier sind Menschen willkommen und werden Teil der Landschaft. Gezielte Installationen und eine Mehrzahl von Pergolen bilden Kristallisationspunkte für die Aneignung und für sozialräumliche Interaktionen. Zusätzlich werden Dachflächen als Gemeinschaftsterrassen aktiviert.
Die Tiefgarage liegt konsequent unter den Bauten und der Stadtgasse. Dadurch ist das Pflanzen von grosskronigen Bäumen in weiten Bereichen möglich. Die Stadtgasse ist eine eigentliche Erfindung der Verfasser: Sie wird zu einer Art halböffentlichem Herz für die Siedlung. Von hier startet das vielgliedrige Netz von Wegen, die, ergänzend zu den aussenliegenden Zugängen, zu den Hofzugängen der Treppenhäuser führen.
Die erdgeschossige Situierung der Nutzungen ist schlüssig. Die gewerblichen Nutzungen werden zum Seetalplatz und an der Ecke zur Reusseggstrasse situiert. Allerdings resultieren durch den Kurzschluss vom Hofraum zur Strassen- und Platzseite etwas kleinteilige Gewerbeeinheiten, welche zu Gunsten der hofseitigen Wohnateliers nur die halbe Gebäutiefe einnehmen. Gemeinschaftliche Räume finden sich sinnfällig an der Stadtgasse und zur Emme.
Die Volumetrien und Fügungen generieren zahlreiche Konstellationen und Orientierungen, welche zu einer attraktiven Vielfalt von Wohnungstypologien führen. Die Wohnungen sind klug konzeptioniert und zeichnen sich durch eine wertige Wohnkultur aus. Mit teils überhohem Atelierwohnen wird an spezifischen Orten eine adäquate erdgeschossige Wohnform aufgezeigt.
Das Hochhaus am Seetalplatz, die Ecken des inneren Langhauses und die gestaffelten Punkthäuser bieten Eckwohnungen mit grosszügigen figuralen Wohn- und Essräumen. Im Langhaus am Seetalplatz sind Durchwohntypen mit beidseitigen Balkonen und eingestellten Küchenzeilen angeordnet. Teils finden sich am Mehrspänner auch Kleinwohnungen mit kombüsenartigen Küchen. In den Fügungen der Punkthäuser sind Duplexwohnungen situiert. In den Zeilen zur Stadtgasse entstehen wiederum komplett andere Wohnungen, welche über die gassenseitige Laube erschlossen sind und die eine grosse Wohnküche aufweisen. Die Anzahl der Zimmer kann hier für eine Eco-Wohnung erhöht werden. Eine Besonderheit der Zeilen sind die in den obersten zwei Geschossen angeordneten Maisonetten, die den Abschluss der Bauten bilden. Die vom Lärm tangierten Wohnungen haben dank der inneren Gliederung und beidseitigem Bezug zu Strasse und Hof sowie klug situierter grosser Balkone ebenfalls einen wertigen Charakter.
Die Fassadenordnung entsteht aus der Kombination stelenartiger Mauerstreifen, Brüstungen und Deckenabdeckungen aus Betonelementen, horizontal durchlaufenden Lauben und vorgestellten Balkone als Holzkonstruktion. Die Überlagerung und die reichhaltige Haptik der Materialien schafft einen vielseitigen und lebendigen Ausdruck, der den grossen Massstab auf selbstverständliche Art bewältigt und sich in den Stadt- und Landschaftsraum einbettet. Das Mauerwerk erinnert an die gewerbliche Vergangenheit.
Die Mischbauweise mit standardisierten mineralischen Elementen in der Fassade und einer Brettstappeldecke mit einem Betonüberzug entspricht den Genen einer nachhaltigen Bauweise. Die Materialisierung der inneren Struktur dürfte im gleichen Sinne weitergeführt werden. Der Vorschlag stellt aufgrund seiner Volumetrie und der inneren Struktur eine gute Grundlage für eine wirtschaftliche Realisierung dar.
Generell wurde der Lärmschutz im Beitrag gut berücksichtigt. Zum heutigen Stand sind lediglich Detailanpassungen in einzelnen Grundrissen und Loggien vorzunehmen.
Der Beitrag bildet ein kräftiges Gegenüber zu den Nachbarschaften und öffnet sich gleichzeitig zum Landschaftsraum. Der Aussenraum und das bezugreiche und vielfältige Innenleben bilden den vielversprechenden Rahmen für die neue Genossenschaft Rüüsegg.
Das Beurteilungsgremium ist sehr angetan vom Narrativ, das gleichermassen die Naturnähe einer Auenlandschaft inszeniert wie auch die gemeinschaftliche Aneignung vor der Haustür ermöglicht. Essentiell für die Studie ist ihre sorgfältige Detaillierung und Ausführung. Auch ist die langfristige Pflege im naturräumlichen Geist sicherzustellen.