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Nichtoffener Wettbewerb | 10/2022

Stadtplanerische Umgestaltung Max Becker-Areal in Köln

Fußgängerperspektive Hof

Fußgängerperspektive Hof

3. Preis / 2. Phase

Preisgeld: 20.000

ASTOC ARCHITECTS AND PLANNERS GmbH

Stadtplanung / Städtebau

club L94

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

EM IHREFELD
Aufgrund der Nutzung als reiner Industriestandort ist die Einbindung des ehemaligen Max Becker Areals in den urbanen Kontext bisher nicht gegeben, für viele ist das Areal bisher unentdeckbares Terrain hinter der Mauer, dem Zaun und den Villen an der Widdersdorfer Straße, das trotzdem über den prägnanten Gasbehälter irgendwie jeder kannte. Die industrielle Vergangenheit hat weitere Relikte hinterlassen: Das alte Uhrenhaus sowie die direkte Nachbarschaft mit dem Gaswerk erzählen die Geschichte des ehemaligen Industriestandortes. Überraschenderweise ist der Standort trotz der Nutzung heute ein grüner Fleck in Ehrenfeld: Der erhaltenswerte Baumbestand ist das bisher einzige zusammenhängende Grün im lokalen Kontext zwischen Melatenfriedhof und Wassermannsee und ein wichtiges zu schützendes Startkapital für die weitere Transformation.

Diese Grundierung und die wirklich relevante zusammenhängende Größe des Areals sind eine Verpflichtung, bei einer Entwicklung vorbildlich damit umzugehen. Wir schaffen über die Konfiguration der Freiräume sowie die Lage und Organisation der Erschließung den öffentlichen Rahmen, der es ermöglicht, nachbarschaftliche, urbane, gemischte und qualitative Quartiere zu entwickeln.

Das zentrale „IHREFELD“ ist das Herz des Quartiers – und das in vielfacher Hinsicht:
Das „Ihrefeld“ bündelt die öffentlichen Freiräume zu einem nutzbaren und erlebbaren Grünraum. Es entwickelt eine Größe, die klimatisch relevant für das Quartier ist und ist zentrales Element in der Regenwasserbewirtschaftung. Die umgebenden Quartiere wachsen an das „Ihrefeld“ heran und fassen es. Öffentliche Einrichtungen liegen konsequent am Feld, bilden die Ränder und interagieren. Nicht die Baulichkeiten, sondern das „Ihrefeld“ ist die Adresse an der Widdersdorfer Straße, die Schule wird Teil davon, macht den Auftakt an der Ecke Maarweg / Widdersdorfer Straße und sorgt zusammen mit den Villen und dem Baumbestand für eine standesgemäße und grüne Adresse. Der z-förmige Zuschnitt des Felds generiert dabei insgesamt maximal viele attraktive Lagen.

Das Feld vernetzt sich über blaugrüne Grachten, die sich in die angrenzenden Quartiere erstrecken und Freiflächen zu einem Biotopverbund mit Wassermanagement verknüpfen. Sie bilden gleichzeitig das Rückgrat des Fuß- und Radwegesystems aus, mit Anbindungen vom S-Bahnhalt Technologiepark im Westen bis an die Oskar Jäger-Straße im Osten. Sie prägen die neu entwickelten Ideenbereiche, integrieren die Bestandsquartiere und binden sie mit ein. 

Erschließung
Das Quartier wird im Inneren autofrei organisiert. Die Fahrerschließung liegt an der Ostgrenze des Plangebiets als Bindeglied zum Nachbarbestand und dient von dort Tiefgaragen und einen Mobilitätshub mit Parkhaus an. Eine Wendeschleife rund um diesen Hub leitet zurück. Auch die optionale Shuttletrasse nimmt diese Route. Es erscheint jedoch sinnvoll, dass eine Führung über die Widdersdorfer Straße die bessere Alternative ist, solange nicht kleine autonome Einheiten unterwegs sind, sondern ein klassischer Bus. Die Westflanke wird vom Maarweg her erschlossen. Für den Rad- und Fußverkehr gibt es schnelle und direkte Verbindungen (Radschnellweg, Wege durch die Grachten und durch den Park) und kleine individuelle Routen durch die Quartiere. Fahrräder parken zielnah in den Erdgeschossen und Untergeschossen der Gebäude.

Quartiere, Lagen und Typen
So wird es öffentlich lebendig rund um und im Park. Die Erschließungen liegen konsequent an den Rändern. Das ermöglicht, die Quartiere in ihrer Tiefe qualitativ, gemischt und trotzdem konfliktarm zu entwickeln. Gewerbliche Nutzungen liegen in erster Reihe am Maarweg sowie entlang der neuen Erschließung. So haben sie durchgängig gute und erreichbare Adressen – auch durch den Radschnellweg!  Gleichzeitig helfen sie, Lärmimmissionen zu mindern.

Gewohnt wird in drei angemessen dichten Quartieren, die sich jeweils Ihre Lage zu eigen und zum Thema machen: Das Maarwegquartier, das Quartier am Ihrefeld und das Radquartier. Die Quartiere zeichnen sich durch große Offenheit und einen durchgrünten Charakter aus. Die innerstädtische Dichte wird durch bewusste, aber verträgliche Maßstabssprünge immer wieder gebrochen, es entstehen lebendige und in ihrer Öffentlichkeit variierende Räume, die wieder kleinere Nachbarschaften zusammenbinden. Die offene Struktur ermöglicht immer auch weitere Blickbeziehungen und vermeidet trotz der urbanen Dichte das Gefühl von Enge. So kehrt in den Quartieren ein persönlicher und nachbarschaftlicher Maßstab und auch die notwendige Ruhe ein. Es gibt keine klassischen Blockinnenbereiche mit außenliegender öffentlicher Erschließung. Trotzdem folgt die Bebauungsstruktur einem klaren Ordnungssystem mit Einheiten, die sich beispielsweise eine Tiefgaragenzufahrt teilen und Gruppen, die Nachbarschaften bilden, so dass die schrittweise Realisierbarkeit über unterschiedliche Modelle immer gegeben bleibt und kein komplexes System entsteht.

Für die unterschiedlichen Lagen werden spezifische Typologien entwickelt: Im Radquartier am Schnellweg biegt man direkt mit dem Rad in die Garage ab und genießt in der Wohnung den grünen Innenhof im Süden. Man wohnt im Bellevue am Park, oder arbeitet im Aufgesockelten gleich unter der Wohnung im EG. Das Quartiershaus ist gemeinnützig und gemeinschaftlich angelegt und bietet hierfür extra Fläche in den Erdgeschossen. Etwas höher und direkt am Park zeigt das Klimahaus, was möglich ist.

Grundsätzlich ist die regelhaftige Geschossigkeit bei vier bis sechs Geschossen angelegt, eine Triologie von höheren Gebäuden fasst das Ihrefeld im Norden an seiner weitesten Stelle. Richtung Widdersdorfer Straße reduzieren sich die Höhen und der Park mit Baumbestand übernimmt das Zepter. Das Uhrenhaus wird als Markthalle Versorgungspunkt, kulinarischer Ort und liegt am Marktplatz. Ein größeres Gastronomieangebot liegt am Park. Kleinere Angebote finden sich in den Quartieren.

Fokus Freiraumkonzept:
Das Freiraumkonzept für das neu entstehende Quartier entwickelt im Zusammenspiel mit dem Städtebau ein neues, buntes Veedel für Ehrenfeld, integriert dabei die immer wichtiger werdenden Anforderungen an Klimaschutz und schafft eine nachhaltige Nutzungsperspektive. Das Herzstück des Freiraumkonzeptes bildet das großzügige, für die Öffentlichkeit zugängliche „Ihrefeld“, das für den gesamten Stadtteil einen neuen grünen Treff- und Kommunikationspunkt entstehen lässt. Bespielt wird dieser mit einer großen zentralen multifunktionalen Rasenfläche an dessen Ränder Blühstreifen die Parkwege säumen. In der Nähe des Umspannwerks befinden sich ausreichen große öffentliche Spielplatzflächen sowie im Gleisdreieck ein Sport- und Bewegungsangebot für Jugendliche. Zusätzlich beleben kleine Plätze, überstellt mit besonderen Gehölzen, die einzelnen Baufelder. Sie stellen sich als Schnittstellen in den Quartierspark dar.

Im Nordosten des Felds wird ein großzügiger Retentionsbereich platziert, der bei Starkregenereignissen große Mengen an Wasser aufnehmen, rückhalten und vor Ort versickern lassen kann. Diese Fläche wird durch die Entwässerung der Quartiere, die über die Retentionsmulden in den blaugrünen Grachten erfolgt, gespeist. Diese Retentionsflächen erfüllen von daher nicht nur eine wichtige Funktion im Regenwassermanagement, sondern schaffen auch zusätzlich Lebensraum für eine besondere Flora und Fauna und tragen somit eine wichtige Funktion zur Entwicklung der Stadtnatur bei. Die Blühstreifen an den Parkrändern sind ebenfalls Teil dieses Entwässerungskonzeptes und können durch ein leichtes Kippen der Parkwiese Regenwasser aufnehmen. Gleichzeitig bieten sie für Vögel und Insekten eine Nahrungsquelle.

Durch die Wohnquartiere wird eine Art „Nachbarschafts-Band“ gelegt. Diese halböffentlichen Flächen sollen das nachbarschaftliche Miteinander stärken und beleben. Sie sollen in den gemeinschaftlich nutzbaren Flächen zum Urban-Gardening und zur Selbstversorgung motivieren sowie Raum für nachbarschaftliches Miteinander schaffen. Ausreichend Kleinkinderspielflächen sind ebenfalls in den privaten Innenhöfen verortet.

Der Großteil des wertvollen Baumbestandes bleibt erhalten, das Straßengrün wird aufgewertet und ergänzt. Im Hinblick auf den Klimaschutz und Klimafolgenanpassungsmaßnahmen wurde darauf geachtet, die Flächenversiegelung auf ein Minimum zu reduzieren. Plätze und Wege werden mit trockenheitsverträglichen Gehölzen begrünt, um für ausreichend Verschattung zu sorgen.

Integriertes Konzept für eine verantwortungsvolle Entwicklung
Ein integriertes Konzept zur verantwortungsvollen und zukunftsweisenden Entwicklung führt mehrere Ansätze zusammen.

Klimaanpassung
Das Plangebiet liegt in heute „belasteten Siedlungsflächen“, hat aber Potenzial zur „klimaaktiven Fläche“ zu werden und dadurch auch positive Auswirkungen für das Mikroklima im Veedel in Ehrenfeld beizutragen.
 
Mikroklima
Der zentrale Park dient als lokale, natürliche Kohlenstoffsenke und liefert so den wichtigsten Beitrag zu einem guten Mikroklima. Die erhaltenen und neu gepflanzten 800 Bäume produzieren Sauerstoff für rund 16.000 Menschen.
 
Schwammveedel Ihrefeld
Vom natürlichen Wasserkreislauf lernen und im Park mehr Flächen zum Versickern, Verdunsten und Zwischenspeichern von schaffen. Das Regenwasser verbleibt somit dort, wo es hingehört... im Veedel.

Städtebau
Die städtebauliche Struktur muss im Sommer: Durchlüftung fördern und Sonneneintrag minimieren und für thermischen Komfort im Winter: Sonneneintrag maximieren und Windschneisen vermeiden. Die städtebauliche Kompaktheit mindert den Heizwärmebedarf, während die Gebäudeausrichtung, wie auch die unterschiedlichen Dachformen und Dachneigungen die Maximierung der solaren Gewinne begünstigt. Der Infrastrukturbaustein Umspannwerk gliedert sich selbstverständlich am Maarweg in die Bebauungsstruktur ein. Gasregelstation und Energiezentrale sind bewusst sichtbare Elemente, und werden Teil des Systems. Im Zuge der Energiewende werden Infrastrukturbauten immer mehr Sichtbarkeit erlangen,fordern damit auch einen architektonischen Anspruch an Ihre Gestaltung ein und können somit erlebbar sein.

Energie / Geothermie
Erdwärmesonden liefern im Max-Becker-Areal bereits in 40 m Tiefe 2,0 - 2,4 W/mK. Und damit eine Leistung, die man in der Regel erst bei einer Bohrtiefe von rund 100 m erreicht. Die Nutzung des vorhandenen Geothermiepotenzials ist ein wesentlicher Schritt in Richtung Energieautarkie, dadurch entkoppelt sich das Quartier von Schwankungen beim Gas- als auch Holzpreis und setzt auf eine lokale und gänzlich nachhaltige Energieerzeugung.
 
Mobilität
Die Mobilitätswende wird aktiv mitgestaltet und durch die Anbindung eines neuen Radschnellwegs das Wohlbefinden, die Gesundheit und den Übergang in eine CO -neutrale Zukunft im Veedel gefördert. Das Quartiersparkhaus ist Teil des Smart Grid und dient als „mobiler“ Zwischenspeicher für vor Ort produzierten Strom.
 
Klimawandelorientierte Bildung
Die Verortung bspw. des Energiepavillons im Park zielt darauf ab, Bewusstsein und Aufmerksamkeit für die Herausforderungen des Klimawandels zu schaffen. Die Kinder werden darauf vorbereitet und mit den Auswirkungen zu leben und befähigt zum Engagement.

Entwurfsverfasser

ASTOC Architects and Planners GmbH, Köln/Karlsruhe/Basel
Dipl.-Ing. Peter Berner
Dipl.-Ing. Zafer Bildir
Prof. Dipl.-Ing. Oliver Hall
Dipl.-Ing. Sebastian Hermann
Dipl.-Ing. Ingo Kanehl MBA
Dipl.-Ing. Andreas Kühn
Prof. Dipl.-Ing. Markus Neppl
Dipl.-Ing. Jörg Ziolkowski

Mitarbeiter:innen:
M. Sc. RWTH Natascha Lohner
M. Sc. RWTH Lena Piepmeyer
Dipl.-Ing. Timo Eisele
B. A. Ferdinand Holz
B. A. Timmy Fervers
Dipl.-Ing. Jörg Schatzmann

club L94 Landschaftsarchitekten GmbH, Köln
Dipl.-Ing. Frank Flor
M. Sc. Priyambada Das
B. Eng. Anna Kuptz

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit lässt erkennen, dass sich die Verfasser:innen intensiv mit den Hinweisen der ersten Phase auseinandergesetzt haben. Der städtebauliche Entwurf hat an Klarheit und Logik gewonnen. Die Entscheidung, die Kfz-Erschließung an den östlichen Quartiersrand zu verlegen, führt zu ruhigen, qualitätsvollen Wohnquartieren und Straßenräumen am Park.

Die Wohnblöcke sind gut proportioniert. Kleine Plätze stärken die Nachbarschaften und verknüpfen mit den umgebenden Bestandsgebieten. Die gewerblichen Nutzungen sind adäquat platziert und berücksichtigen den Schallschutz. Der Freiraum wird keilförmig mit klarer Konturierung gefasst. Er bildet eine glaubwürdige Mitte des neuen Quartiers, da alle öffentlich frequentierten Nutzungen hier adressiert werden. Insgesamt wirkt der Keil im Vergleich zu anderen Arbeiten eher klein dimensioniert. So bleibt die Frage offen, ob die gewünschten vielfältigen Nutzungsoptionen (u.a. Sport) nachgewiesen werden können.

Die Komposition und Gestaltung der drei Hochpunkte überzeugt die Jury nicht. Das an der Bahn gelegenen Hochhaus funktioniert für Wohnen typologisch wg. der starken Schallimmissionen der Bahn nicht.

Der Schulstandort an der Kreuzung Widdersdorfer Straße / Maarweg ist hervorragend für die Erreichbarkeit der Schüler:innen und kann gemeinsam mit dem Uhrenhaus für ein lebendiges Entreé in den zentralen Park sorgen. Städtebaulich wird die Platzierung der Schule auf der Ecklage jedoch kontrovers diskutiert. Der Nachweis der Erschließung für Hol- und Bringverkehre in knapper Ecklage sowie die Aktivierung der Gebäude zum grünen Keil sind nicht gelöst.
Fußgängerperspektive Park

Fußgängerperspektive Park

Überflugperspektive

Überflugperspektive

Lageplan, ohne Gaskugel

Lageplan, ohne Gaskugel

Lageplan, mit Gaskugel

Lageplan, mit Gaskugel