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Nichtoffener Wettbewerb | 06/2022

Kohlenbunkerensemble in Gelsenkirchen

Anerkennung

Preisgeld: 8.000 EUR

augustinundfrank/winkler ARCHITEKTEN

Architektur

COQUI MALACHOWSKA COQUI Städtebau Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Die IGA ist eine Ausstellung von Außenräumen. Deren Gestalt, Funktionsweise und mögliche Aneignungen
stehen im Vordergrund der Präsentation. Die Ausstellungsgebäude sollen Beispiel geben für die Integration
von Außenräumen in die Stadt und sollen diese Außenräume auch als Bestandteile baulicher Gefüge
darstellen. Von diesen Überlegungen ausgehend haben wir unsere Konzepte für die Transformation der
Gebäude des Kohlenbunker Ensembles entwickelt.
Alle drei Gebäude haben aus ihrer ursprünglichen Funktion die charakteristischen Klinkerschalen als dünne
Hülle industrieller Großmaschinen. Diese Hüllen sind Schutz sowohl vor Emissionen von Außen als auch von
Innen. Sie wurden und werden ständig gewartet und erneuert. In der Architektur von Schupp und Kremmer
sind diese Hüllen zu wohlproportionierten Baukörpern ausgebildet und stehen beim Kohlenbunkerensemble
als eindrucksvolle Solitäre im Landschaftsraum. Dieser Charakter eignet sie zunächst nicht dazu, als
Pilotprojekt einer umweltaffinen Stadt zu dienen. In der zukünftigen Stadt sollen die Funktionstrennung
ebenso wie die Trennung von Innen und Außenräumen aufgegeben werden zu Gunsten einer
Funktionsmischung und eines Raumkontinuums zwischen Innen- und Außenräumen. Wird die dünne
Maschinenhülle an den Gebäuden entfernt, wird eine weitaus differenziertere Baustruktur sichtbar. Besonders
beeindruckend ist dies beim Kohlenbunker zu sehen, dessen Stahlbetonkonstruktion nicht nur Innen - sondern
auch Außenräume ausbildet und sich damit in idealer Weise mit den Räumen des Landschaftsparks und
seinen Installationen verzahnt. Erst nach Wegfall seiner monoplastischen Hülle wird das Gebäude zum
integralen Bestandteil der IGA und repräsentiert deren Thema einer synergetischen Stadtgestalt.
Die leichten Klinkerhüllen der drei Gebäude haben ihr Lebensalter erreicht. Sie sind lange Zeit nicht
instandgehalten worden und müssen erneuert werden. Aus ökonomischer Sicht bietet es sich an, bei einer
Transformation die Klinkerhüllen ganz zu entfernen und durch einfachere und besser geeignete Konstruktionen
zu ersetzen. Die mit dem Abriss freigelegten Räume können neu bewertet und entsprechend genutzt werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser gehen gedanklich von der Konzeptidee aus, Außen- und Innenraum miteinander zu verweben, die ehemals schützende Klinkerhülle wird unter diesem Gedanken konsequenterweise insgesamt entfernt. Positiv würdigt die Jury den mutigen Ansatz, eine Transformation zu versuchen, die insgesamt einen eher informellen, experimentellen Charakter ausweist, der zudem das Thema der Begrünung zu wesentlich gestalterischem Ausdruck verhilft. 
Dies in Form hinzugefügter ringförmiger Substrukturen, die sowohl wandgebundene als auch Kletterpflanzen aufnehmen.
Die umlaufende, wandgebundene Begrünung in einem Geotextil (»Living Wall«) ist zwar in der Herstellung und dem Vorkultivieren der Pflanzen im System vergleichsweise kostengünstig. Zum dauerhaften Erhalt des Erscheinungsbilds der grünen Fassade
dagegen ist ein sehr hoher Pflegeaufwand notwendig, weil bei diesem System u.a. regelmäßig - und meist auch großflächig - nachgepflanzt werden muss. Dagegen überzeugt der Vorschlag zum »Vertikalen Garten«, da hier die großen Pflanzkübel ein zwar mit einem hohen Pflegeaufwand verbundenes, aber dauerhaftes Wachstum der Kletterpflanzen ermöglichen.
Auffällig und im Sinne einer Nachhaltigkeit, die auch den Aufwand der baulichen Interventionen mitdenkt, bleibt die Erdgeschosszone komplett offen. Nur kleinere eingestellte Gewächshäuser bieten temperierte Bereiche für gastronomische Nutzung auf. Hier sieht die Jury sowohl hinsichtlich der räumlichen Unverträglichkeit der Gewächshaus-Geometrien mit denen der Trichter einen Konflikt, als auch eine konzeptionelle Unklarheit in der Überlagerung dieser beiden Systeme. Die Großzügigkeit und Besonderheit dieses Raumes geht verloren. Unklar bleibt die Erschließungs- und Wegeführung zu den Obergeschossen sowie die Frage der Lage des Haupteingangs und der Zugangskontrolle. Aus brandschutztechnischer Sicht ist die Rettungswegesituation
über zwei voneinander unabhängige Treppen in je einem Trichter gewährleistet. Kontrovers diskutiert die Jury den (mutigen) Ansatz, bei der Kohlenmischanlage radikal ohne Rücksicht auf den Ursprungscharakter
der Bestandgebäude mit ihrer Volumetrie und Materialität zu reagieren. Hier wird das Bestandsgebäude zu einem laborhaften Gebäude mit technoidem Charakter zu einer Art Forschungs- und Denklabor transformiert. Formal ist diese Haltung zwar eindeutig, kann an diesem Ort aber nicht überzeugen.
Insgesamt zeigt die Arbeit interessante Gedanken in ihrer Haltung zum Umgang mit dem Bestand, kann allerdings sowohl funktional als in der Ausformulierung und Wahl der baulichen Mittel nicht vollständig überzeugen. Insbesondere fehlt den beiden Bauten eine gemeinsame »Erzählung«, die kaum Bezug zueinander nehmen.