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Nichtoffener Wettbewerb | 06/2022

Aufwertung Bereich Bismarckstraße in Offenbach am Main

3. Preis

Preisgeld: 6.500 EUR

Hille Tesch Architekten + Stadtplaner PartGmbB

Stadtplanung / Städtebau

AO Landschaftsarchitekten Stadtplaner + Ingenieure Mainz GmbH

Landschaftsarchitektur

chora blau Landschaftsarchitektur

Visualisierung

Atelier Silvia Willkens

Kunst

Erläuterungstext

Freiraumplanerisches Leitbild
Der Entwurf sieht eine Aufwertung des öffentlichen Freiraums als grüner Quartiersplatz mit zusammenhängenden Grünflächen und einer die Bismarckstraße und die Groß-Hasenbachstraße übergreifenden Belagsstaltung vor, die gleichzeitig als Intervention einen Bezug zu der wechselvollen und ereignisreichen Geschichte des ehemaligen Jüdischen Friedhofs herstellt.
Es erfolgt eine Durchdringung der Grünflächen mit qualitätsvollen Verweilplätzen im Kontext mit den hainartigen Baumgruppen und eine Ergänzung mit stadtklimafesten Baumarten als langlebige ‚Nachrücker‘ im Stadtklimatischen Kontext.
Für den Realisierungsteil ist die Entwicklung eines kleinen Platzes als Gelenk zwischen der wichtigen Fußgängerverbindung (Unterführung) und dem identitässtiftenden Orte mit Gartenwirtschaft und Verweilplätzen am alten Stellwerkgebäude vorgesehen.

Grün- und Freiraumkonzept
Grüner Platz und Park
Extensive Rasenflächen werden ergänzt durch artenreiche Staudenpflanzungen und von den wichtigen Wegebzügen gegliedert. Flankierende Sitzmöbel werden als Orte der Erholung und der Kommunikation im Quartier gezielt patziert. Es erfolgt eine Aufwertung der Unterführung mit Lichtinszenierung.

Intervention
Ziel ist die Identifizierung der Lage des ehemaligen jüdischen Friedhofs als Ort der Ewigkeit und der Beständigkeit als Verweis auf die tragische Geschichte und auf die historischen Brüche von der sukzessiven Überformung bis zum Zwangsverkauf des Geländes und Bau des Bunkers.

Kontur - Soweit nicht von Gebäuden überformt erfolgt eine Darstellung der Lage des ehemaligen Friedhofs als Kontur mit einem die Straßen und Plätze übergreifenden Band aus einer halbstarren Deckschicht aus zementgebundenem Asphalt,altenativ mit einer Ortbetonoberfläche.
Durch Abschleifen des Bandes werden die Steinzuschläge als gespaltene Steine sichtbar und greifen das Motiv des jüdischen Brauchtums, Steine auf einen Grabstein zu legen, auf.

Füllung – Die Beläge der Straßen, Wege und Platze innerhalb der Kontur werden mit farblich aufeinander abgestimmten Belägen angelegt. Die Straßen werden mit einer halbstarren Deckschicht (zementgebundene Asphaltdeckschicht, robust – Anwendung im Straßenbau bei hohen Belastungsklassen z. B. Busbahnhöfe, Andienungshöfe, bei hohem Fahrzeugaufkommen möglich), Wege und Plätze mit hellen Belägen aus wassergebundener Decke sowie hellem Splittmastixasphalt (alternativ Pflaster), vorgesehen.

Haus der Ewigkeit – Die Bedeutung jüdischer Friedhöfe als Orte ewiger Totenruhe – wird druch Belagsinterasien aus Stahl an wichtigen Zugängen mit dem Schriftzug בית-עלמין (Bezeichnung der Friedhöfe als ‚Haus der Ewigkeit‘) versehen
Findlinge werden als Verweis auf den Brauch Gräber mit Steinen zu schützen platziert, eine Nutzung zum Verweilen ist gewünscht

Verkehrskonzept
In das gestalterische Gesamtkonzept wurde die vorliegende Variante 4 eingearbeitet. Es steht nun ein Mittelstreifen als Querungshilfe zur Hasenbachstraße als Übergang für Fußgänger und Radfahrer zur Verfügung. Durch eine homogene Oberflächengestaltung wird der MIV zurückgenommen, die Bedeutung von Rad- und Fußverkehr hervorgehoben

Integration in die umgebenden Strukturen
Die vorhandenen Wegebezüge werden gestalterisch in die Platzgestaltung einbezogen.
Es ist ein Erhalt der Freistellung des Hochbunkers vorgesehen.
Die Schaffung eines grünen Platzes als Auftakt von der Unterführung bringt eine Aufenthaltsqualität an einen bisher rein als Transitbereich genutzten Ort.
Die städtebauliche Anknüpfung an den Bestand im Bereich südlich der Bismarckstraße schafft einen Abschluss für die angrenzende Häuserzeile und folgt ebenfalls der Kontur des ehemaligen Friedhofs. Die offene Gestaltung der vorgeschlagenen Bebauung schafft durch ihre Positionierung auch eine Rahmung und Profilierung des rückwärtigen Bereits zum Stellwerk hin, welcher zukünftig als sozialer Treffpunkt nutzbar wird.
Die städtebauliche Fortschreibung westlich der Unterführung schafft einen angemessenen Abschluss zur Bahnlinie im Einklang mit einer angemessenen Nachverdichtung des Areals.

Phasenweise Entwicklung
Realisierungsteil: Phase 1: Neubau Bismarckstraße 118/ / Aufwertung Unterführung / Phase 2: öffentliche Freifläche
Ideenteil: Phase Grüner Platz westlich Hasenbachstraße / Phase Grüner Platz östlich Hasenbachstraße/ Phase Neubau Bereich Busbahnhof / Phase Neuordnung und -gestaltung Bismarckstraße

Erläuterung Nachhaltigkeit
Es erfolgt ein umfassender Erhalt des Baumbestands soweit möglich. Die Wege werden erhaben vorgesehen, sodass eine Einleitung von Oberflächenwasser zum Grün und somit als Puffer bei Extremregenereignissen ermöglicht wird. Die Verwendung stadtklimafester Bäume, extensive Rasenflächen ergänzt durch artenreiche Staudenpflanzungen dienen zur Erhöhung der Biodiversität und zur stadtklimatischen Verbesserung. Die Verwendung heller Beläge leistet einen Beitrag zur Reduzierung der Aufheizung.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Umgriff der ehemaligen Friedhofsfläche ist in diesem Entwurf durch einen kontrastierenden Bodenbelag explizit lesbar. Umschlossen von einer Kontur aus zementgebundenem Asphalt werden unterschiedliche, farblich aufeinander abgestimmte Oberflächen (Asphaltdeckschicht, Splittmastixasphalt, wassergebundene Decke) kombiniert. Innerhalb dieses Bereichs befinden sich wie ausgestanzt wirkende »grüne Inseln«, die als extensive Rasenflächen mit hainartigen Baumgruppen und hochwertigen Verweilbereichen gestaltet werden. Dennoch verbleibt im Norden ein relativ großer Anteil befestigter Flächen. Außerdem erscheinen die Materialien in ihrer Hochwertigkeit und ggf. auch Empfindlichkeit für das insgesamt eher raue Umfeld nur bedingt geeignet.

Die Anordnung der Baukörper im südlichen Teil wird grundsätzlich als stimmig gewürdigt, wobei das Nachfahren der Friedhofskontur mit den Gebäudekanten etwas gezwungen wirkt.

Der Platzbereich vor dem historischen Stellwerk ist durch vorgelagerte »Grüne Gärten« vom Vorbereich der Unterführung entkoppelt. Die wird kontrovers diskutiert: Einerseits könnte der Ort dadurch schwer auffindbar sein, andererseits aber auch ein Potential als »Geheimtipp« erlangen. Positiv gesehen wird die Ausbildung einer Sitzkante zum Bahndamm. Vermisst werden private Freiflächen für das Wohngebäude im Realisierungsteil.

Insgesamt würdigt die Jury den Versuch einer intensiven Auseinandersetzung mit der besonderen Geschichte des Ortes. Die gewählte gestalterische Übersetzung überlagert jedoch das stadträumliche Konzept und die Qualität der Nutzungen oder der Erschließung zu starkund dominiert den Raum.