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Nichtoffener Wettbewerb | 05/2022

Landeswettbewerb 2021 in Würselen-Broichweiden „Nachhaltig Wohnen mit Holz im Quartier Lambertz“

2. Preis

Preisgeld: 21.000

ACMS Architekten GmbH

Architektur

KRAFT.RAUM.

Landschaftsarchitektur

bjp | bläser jansen partner GbR

Stadtplanung / Städtebau

Erläuterungstext

Eine ca. 4 ha große Industriefläche, die aufgrund von Standortverlagerungen seit 2016 brachliegt, soll in den kommenden Jahren auf Grundlage dieses Wettbewerbs als zukunftsfähiger Wohnstandort neu entwickelt werden. Ziel des Verfahrens war es, beispielhafte Lösungen zu finden, wie Industriebrachen zu nachhaltigen und zukunftsfähigen Wohnquartieren entwickelt werden können. Der Einsatz von Holz als nachhaltigem Baustoff stellte dabei einen zentralen Aufgabenschwerpunkt dar.

Unser Konzept schafft familienfreundliche, freiraumbezogene Nachbarschaften in kleinen gruppierten Wohnhöfen mit gemeinschaftlichen Innenhöfen.

LAMBERTZ HÖFE – WILLKOMMEN IN DER NACHBARSCHAFT!
Die Idee der Lambertz-Höfe ist die Ausbildung einer Siedlung, die eine Verzahnung zwischen vorhandenen Stadträumen und einem neuen eigenständigen Stadtbaustein im Übergang zur Natur herstellt. In Anlehnung an den städtebaulichen Kontext reiht sich eine lebendige Vielfalt an Höfen entlang eines neuen zentralen Grünen Rückgrats, welches das Gebiet markant von Ost nach West durchzieht und belebt. So entsteht eine eigenständige Mitte, die ein grünes Dorf zitiert und Raum der weggefallenen Großstrukturen sinnvoll zu einem neunen Stadtraum für Würselen macht. Die neuen Strukturen werden behutsam in die Strukturen der Gemeinde eingefügt, sodass die grüne Identität des Orteilsteil neu belebt wird.

Das Konzept schafft familienfreundliche, freiraumbezogene Nachbarschaften, welche über eine hohe Qualität Identität, Gemeinschaft und Kommunikation fördern. So wird ein hochwertiges und attraktives Wohnbaugebiet mit vielfältigen städtebaulichen Situationen realisiert.
Das städtebauliche Konzept entwickelt sich ganz natürlich aus der vorhandenen Siedlungsstruktur Würselens. Dabei folgt die Gliederung der neuen Siedlung den strukturellen Gegebenheiten und bildet kleine Wohnhofsituationen. Die Baufelder ermöglichen verschiedene Parzellengrößen und eine flexible Bebauung. Der städtebauliche Entwurf bietet dabei verschiedene Wohnformen für Hausgruppen, Reihenhäuser und einzelne freistehende Einfamilienhäuser an. Ergänzt werden diese Strukturen durch sich dem Ort entsprechend behutsam eingefügte Mehrfamilienhäuser.

GRÜNES RÜCKGRAT
Das Herzstück des Entwurfs ist das Grüne Rückgrat des Quartiers. Sie wird als gemeinschaftliche und kommunikative Grünfläche ausgebildet. Die Freiraumbestände werden hier durch einen grünen Funktionsraum ergänzt, welcher den Charakter des neuen Quartiers prägt. Naturnahe Spielflächen bieten einerseits Platz für Spiel und Kommunikation, andererseits dient der Grünraum auch der Regenwasserbewirtschaftung. So wird ein Ort der Begegnung mit hoher klimatischer Bedeutung für das Quartier und den Stadtteil geschaffen. Das Quartier kann über diesen Raum neben der Verzahnung von Ost nach West in Zukunft auch in Nord-Südrichtung folgerichtig angebunden werden. Dieser Raum bildet einen Wechsel von Höfen und Fugen mit einer zentralen Verbindung bis zwischen Jülicher und Nassauer Straße.

QUARTIERSPLATZ
Im westlichen Teil des Quartiers entsteht ein grüner Quartiersplatz. Dieser liegt inmitten der Hauptwegeachse des Quartiers. Die Achse schafft einen großzügigen Wegekorridor zur westlich gelegenen Kita und den Anschluss an den vorhandenen Siedlungsweg im Osten, der den Bewohnern des neuen Quartiers den Zugang in die Landschaft sichert. Bänke laden zum Verweilen ein und geben dem Platz an der Wegeverbindung den Charakter eines Wohnzimmers für die Anwohner.

ERSCHLIESSUNG
Die klare Strukturierung des Quartiers durch den zentralen Grünzug ermöglicht eine leichte Orientierung und schafft kleinteilige Identitäten. Die Lambertz-Höfe können problemlos über einzelne Bauabschnitte realisiert werden. Die Erschließung der Bauabschnitte erfolgt in kleinen überschaubaren Einheiten abschnittsweise. Die Auftakte in den Grünraum des Quartiers formulieren mit Hilfe von neu zu schaffenden Begegnungsbereichen im Straßenraum einerseits Orte der Begegnung, andererseits Orte neuer Mobilität, die an den Rändern durch neue Mobilitätsformen ergänzt werden können. Die Straßencharaktere innerhalb des Quartiers werden zugunsten von Mischverkehrsfläche ohne erkennbare Fahrbahnbereiche aufgelöst. Gemeinschaftliche Räume für Kinderspiel und Aufenthalt entstehen so auch im Erschließungsraum.

MOBILITÄT
Alle Mobilität im Quartier ist auf die Bewohner*innen und Bürger*innen von Würselen ausgerichtet. Durch das grüne Rückgrat entsteht ein verkehrsberuhigter und auf das zu Fuß gehen ausgerichteter Innenbereich für die Menschen, so entstehen ruhige Räume. Das Angebot an Mobilität wird durch einen Mobilpunkt an der Jülicher Straße ergänzt, um so auch eine nachhaltige Mobilität der Bewohner zu garantieren.  Eine Quartierflotte unterstreicht den gemeinschaftlichen Charakter der neuen Nachbarschaft. Drei Tiefgaragen und ein Parkdeck ergänzen das Angebot an oberirdischen Stellplätzen.

ÖKOLOGIE
Die Lambertz-Höfe werden an eine in Ost-West Richtung verlaufende Freiraumachse angegliedert und so wie Perlen an einer Kette aufgereiht. Das grüne Rückgrat bildet einen wichtigen Beitrag für die lokalen klimatischen Bedingungen, die Zufuhr von Frischluft sowie die standortnahe Ableitung von Regen- und Oberflächengewässern. Darüber hinaus werden die einzelnen Bestandteile, die Höfe, mit eigenen Energie- und Wärmenetzen ausgestattet. Jeder Hof ist mit einer Energiezentrale versehen, die die Wärme und Energieproduktion regelt und die Energie bedarfsorientiert an die Verbraucher*innen abgibt. Der Betrieb der Energieanlage kann als genossenschaftliches Modell unter den Bewohner*innen entwickelt werden. So ist die Gemeinschaft aktiv an der Erzeugung ihrer genutzten Energie beteiligt. Die Gebäude der Lambertz-Höfe werden in Hybrid-Holzbauweise errichtet und unterstreichen damit den nachhaltigen Anspruch des Quartiers.

ENERGIE
Alle Gebäude haben durch eine gute Ausrichtung, hohe Kompaktheit und geringe Verschattung einen niedrigen Energiebedarf auf KfW55 Standard. Die städtebauliche Struktur ermöglicht eine verschattungsfreie Integration von solarthermischen Anlagen und elektrischer Photovoltaikanlagen. Aufgrund des niedrigen Energiestandards der Gebäude ist nur ein geringer Anteil an externer Energie nötig, um die Gebäude mit Strom und Wärme zu versorgen. Für diesen Zusatz sorgen auf Blockebene integrierte BHKW-Anlage in den Energiezentralen, welche dem Gebiet bedarfsweise Energie oder Wärme zuführt. Die Energie wird vornehmlich aus erneuerbaren Energieträgern erzeugt und sorgt für einen Zero Emission Standard.

UMGANG MIT REGENWASSER
Für die Entwässerung ist ein Trennsystem vorgesehen. Hierzu entwickelt der Entwurf ein dezentrales Regenwassermanagement, mit dem Ziel den Umgang mit Regenwasser sichtbar zu machen und nachhaltig zu gestalten. So kann das Regenwasser aus den privaten Flächen in dezentrale Retentionszisternen gesammelt, auf dem Grundstück und im Freiraum rückgehalten und zur Gartenbewässerung eingesetzt werden. Das Regenwasser aus den öffentlichen Straßen- und Platzflächen wird in einem Netz aus offenen Rinnen gesammelt, gefiltert und den zentralen Grünflächen im Gebiet zugeleitet. Hier werden Mulden und Rigolensysteme vorgesehen. Durch die hohe Verweildauer des Wassers im Quartier profitiert dieses von einem Kühleffekt der Wasserflächen und eine Verbesserung des Mikroklimas wird erreicht.

ARCHITEKTUR + KONSTRUKTION
Die Architektur steht im besonderen Spannungsfeld einer tradierten Formensprache und Materialität und Ihrer hochmodernen Konstruktion aus ökologischen, maximal vorgefertigten Bauelementen in Holzbauweise. Die Holzbauweise ist dabei nicht nur die zeitgemäße Konstruktionsform einer zunehmend achtsamen Gesellschaft, sondern wichtiger Imageträger des Quartiers. Daher ist die Erkennbarkeit des Baustoffs Holz wichtig für das Selbstverständnis seiner Bewohner. Dies wir zum einen über die Fassadenbekleidung aus unbehandeltem Lärchenholz erreicht, welches durch seine Patina einen würdevollen Alterungsprozess abbilden wird. Zum anderen über die konsequent sichtbare Ausführung der Holzdecken. Eine langfristige Grundrissflexibilität wird durch die große Spannweite von Holz-Hohlkastendecken ermöglicht, die in ihrer Vorfertigung nicht nur verschiedene techn.  Leitungen aufnehmen können, sondern durch unterschiedliche Füllungen bzgl. Schall- und Wärmeschutz bedarfsabhängig konfiguriert werden können. Die Hohlkastendecken werden als effiziente Balloon-Konstruktion mit den vorgefertigten Wandtafeln in Holzrahmenbauweise gefügt. Auch die geneigten Dächer sind als Tafeln vorgefertigt und ermöglichen so ein gegenüber Flachdächern deutlich reduziertes Tagwasserrisiko während der Bauzeit. Die Fügung der Gebäude aus standardisierten Bauelementen und Ihre Schraubbefestigung erlaubt deren zerstörungsfreie Demontage und Wiederverwendung. Anspruch ist die Berücksichtig einer Kreislauwirtschaft im „Reuse“, Recycling mit Downcycling oder gar eine thermische Verwertung kann ausdrücklich nicht Ziel einer zeitgemäßen Holzbauweise sein. Alle Dächer erhalten eine Metalldeckung, welche nicht nur ein homogenes Erscheinungsbild zur Holzschalung erzeugt, sondern mit einfachen Befestigungsmitteln eine durchdringungsfreie Montage von Photovoltaik und Solarthermie ermöglicht.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Idee des Entwurfs ist die Ausbildung einer eigenständigen städtebaulichen Figur, die gekonnt und bewusst eine Verzahnung zwischen den verschiedenen Stadt- und Landschaftsräumen in Broichweiden anstrebt. Zentrales raumbildendes Element ist die Aufnahme des dörflichen Hoftypes der noch ablesbaren dörflichen Struktur. Nicht stereotyp, aber klar ablesbar ist die Leitidee. Sechs Höfe sind nach innen zu einem Nachbarschaftstreff orientiert und stellen je nach Hof mit vier bis sechs länglichen Wohnbausteinen für unterschiedliche Wohnbedarfe eine gelungene Mischung dar. 
Die Jury überzeugt die Anordnung der gemischten frei finanzierten und öffentlich geförderten Wohnbauten, die eine starke Identität und einen kommunikationsfördernden Zusammenhalt erzeugen kann. In dem in die einzelnen Höfe gesetzten „grünen Rückgrat“ soll nach Auffassung der Verfasser eine quartiersbezogene Kommunikation stattfinden. Die gut proportionierten, weitgehend steinernen Wohnhöfe werden in einen fließenden Grünraum gestanzt, der sich als gemeinschaftlicher Wohnpark von der Jülicher Straße im Osten bis zum Landschaftsraum im Osten aufspannt und mit schwingenden Wegen verbindet. 
Die Erschließung der Wohnhöfe erfolgt bis auf einen Hof über die Nassauer Straße und ist dezent am Rande des Quartiers untergebracht und hält so den Wohnpark weitgehend autofrei. Bis auf die Stichstraße zu den Tiefgaragen werden im Gebiet keine klassischen Straßenbereiche dargestellt, die notwendige Erschließung, einschließlich des Rettungsverkehrs erfolgt, dem grünen Charakter folgend, in grünem Mischflächenausbau. 
Die Tiefgaragen werden durch befahrbare Stiche von der Nassauer Straße erschlossen. Lediglich die Erschließung des westlichen Hofs über die Jülicher Straße wirkt hier deplatziert. Unklar bleibt hingegen, wie die Freibereiche der von innen erschlossenen Höfe in den Umgriffen differenziert werden und wo eine private Freiraumnutzung vorgesehen ist. Die funktionalen und mit gestalterischen Durchwegungen anvisierten Verbindungen zwischen den Höfen sind sehr zurückhaltend ausgebildet. 
Der Auftakt des Wohnparks an der Jülicher Straße mit Kita plus zugehörigem, abgegrenztem Freiraum und der mit Parkplätzen gesäumten Zufahrt zu einem der Höfe kann nicht überzeugen. Die Nutzungsbausteine und ihre Gestaltung eignen sich, auch in der vorgeschlagenen Ausbildung, nicht als Entree. An diesem wichtigen Verknüpfungspunkt mit dem Ortskern fehlt ein klar formuliertes Entree. Die Freiflächen der Kita als geschützter Freiraum können die Funktion als öffentliches Grün nicht übernehmen. 
Der gewünschte Quartiersplatz als Ort der Begegnung wird nicht deutlich. Der nur sehr vage ausgebildete Quartiersplatz ist räumlich nicht mit den angrenzenden Wohnbauten verbunden und weist auch keine spezifischen Erdgeschossbausteine auf. Während die Vernetzung mit den Orts- internen Freiräumen gut gelingt, erscheint die Verbindung des Parks über die Nassauer Straße hinweg nicht wirklich schlüssig. Ein mit dem Grünraum entwickeltes Regenwassermanagement ist gut in die Funktion der grünen Achse integriert. Durch die Kompaktheit der Gebäude und ihre Ausrichtung und Dachneigung lässt der Entwurf eine gute Energiebilanz erkennen. Der Entwurf zeigt mit der anvisierten BGF von über 34.000 qm in Summe eine gute wirtschaftliche Bilanz auf. Die angestrebte Holzbauweise erscheint sehr gut umsetzbar und lässt Grundrisse mit guter Wirtschaftlichkeit zu. 
Der Versuch, das Material Holz auch als sichtbares Zeichen für das neue Quartier zu setzen erscheint gelungen. Insgesamt leistet der Entwurf mit seiner maßstabsgerechten neuen Bebauung und der Aufnahme der standortprägenden dörflichen Umgebung einen überzeigenden Beitrag für ein zukunftsweisendes neues Quartier. Die Architektur bildet in dem Anspruch aus der tradierten Formensprache und der bisherigen steinernen Materialität mit der Holzbauweise einen neuen Imageträger des Quartiers zu etablieren. 
Schwarzplan

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