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Einstufiger Studienauftrag | 02/2022

Studienauftrag Neubau Primarschule Walkeweg in Basel (CH)

Teilnahme

STUDIO 511

Architektur

Bernhard Zingler Landscape Projects

Landschaftsarchitektur

PIRMIN JUNG

Bauingenieurwesen, Brandschutzplanung

Schmidt & KĂĽndig Ingenieure AG

Bauingenieurwesen

ibw. ingenieurbüro für energie- und gebäudetechnik.

TGA-Fachplanung

Lippuner Energie- und Metallbautechnik AG

TGA-Fachplanung

ZUEND IMAGES

Visualisierung

Beurteilung durch das Preisgericht

«You’ll never walk alone» besticht durch die Kombination aus einer verblüffend einfachen Gesamtkonzeption mit einem aussergewöhnlich feinen gestalterischen Gespür. Die städtebauliche Setzung ist so einfach wie klar: Gewählt wird ein kompakter, viergeschossiger Längsbau, der mit einem knappen Fussabdruck auskommt und damit eine grössere zusammenhängende Fläche als eigenen Garten und niedrigschwellige Aneignungsfläche für die Nachbarschaft freispielen kann. Dieser bildet zusammen mit der «rue extérieure» eine attraktive räumliche Schnittstelle zu den benachbarten Wohnbauten und schafft über die gesamte Länge eine lebendige Adresse zum Quartier. Zum zentralen Quartierplatz reagiert das Schulhaus im Erdgeschoss mit den öffentlicheren Nutzungen, wie den Essräumen der Tagesstruktur und einem Elterncafé. Der Treppenturm aus Stampflehm markiert eindeutig den Hauptzugang und wird zum identitätsstiftenden Element der Schule.

Trotz der seriellen Logik eines «Regalsystems» ist es dank kleiner, aber präzise gesetzter Gesten gelungen, die Stirnfassade als Gesicht zum Platz auszuformulieren. Dabei wird das gestalterische Potential des Themas Re-Use gekonnt ausgespielt: Durch das Sortieren und Gruppieren vorgefundener Materialien wird ein gestalterisches Regelwerk entwickelt und aus den Fundstücken eine in sich stimmige Ästhetik abgeleitet. Das Ergebnis ist ein architektonischer Ausdruck, der ruhig und eigensinnig zugleich ist. Die Balance aus Kontrolle und Zufall ist perfekt abgemischt.

Mit dem Wegfall des Wintergartens auf der Westseite entfällt auch der «Finkenweg» als wichtige Entlastung der Haupterschliessung im Osten. Offenbar waren all die Anforderungen bezüglich Belichtung, Belüftung und Brandschutz mit dem Vorschlag dieser klimatischen Pufferzone nicht vereinbar und das Versprechen letztlich nicht haltbar. Seitens Schulbetrieb bestehen Zweifel, ob die ausschliesslich einseitige Zirkulation der gesamten Schule alltagstauglich ist, da an den Treppen Engpässe entstehen. Zudem sind die Klassenzimmer aufgrund der Proportion und stirnseitigen Belichtung wenig flexibel. Dass die Gruppenräume entweder nur in zweiter Reihe belichtet werden oder als Durchgangszimmer immer etwas unruhig bleiben, stellt für den Schulalltag einen kritischen Nachteil dar. In der vertieften Betrachtung von Fensteranteil, Raumhöhe und der Beeinträchtigung durch den vorangestellten Laubengang ist die natürliche Belichtung der Klassenräume als (knapp) ungenügend eingestuft. Im Gegenzug liegen die Vorteile dieser kompakten Anordnung mit einer kalten Erschliessung auf der Hand: Es ist das Projekt mit dem kleinsten Gebäudevolumen, einer entsprechend guten Wirtschaftlichkeit und einer energetisch attraktiven Hüllflächenzahl.

Der oberirdische Baukörper ist als serielles Holzskelett konzipiert, das auf einem Fundament aus Recyclingbeton steht. Da die Turnhalle in ihrer Dimension nicht unter den schlanken oberirdischen Baukörper passt, müssen die Vertikallasten mit einem gewissen Aufwand umgelenkt werden. Auch wenn die Machbarkeit keineswegs in Frage gestellt wird, so scheint das gute Gespür für die Angemessenheit der Mittel an dieser Stelle nicht ganz dem Standard des Gesamtkonzeptes zu entsprechen. Hier wäre interessant gewesen, ob die mögliche Aufteilung in zwei Einzelturnhallen eine einfachere Lastabtragung des oberirdischen Baukörpers in die Aussenwände der Turnhalle erlaubt hätte. Auch ist die neue Rückseite der Schule noch nicht ganz überzeugend und müsste topografisch besser eingebettet werden.

Im attraktiven Attikageschoss zeigt das Projekt seine besondere Stärke und entfaltet echtes Verführungspotential.
 Photovoltaikelemente stehen nicht als additive Applikation auf dem Dach, sondern werden formal in die Sheddächer integriert. Aussenbereiche bieten vielseitige Nutzungsmöglichkeiten und tragen zu der besonders atmosphärischen Atelierstimmung der Werkräume bei. Auch die Aula wird gekonnt ins Ateliergeschoss integriert.

Der Vorschlag für die Erweiterbarkeit mit einer Art «Doppelkopf» ist unverständlich und nicht überzeugend.

Innovationskraft und Konzepte zur Nachhaltigkeit
Der sehr konsequente Holzbau besitzt Decken mit Lehmschüttung und Lehmböden mit Ausfachungen aus Hanfkalkstein, die Turnhalle im Untergeschoss besteht aus Recyclingbeton.

Das natürliche Lüftungskonzept mit Lüftungsklappen in der Fassade und zugeordneten Heizkörpern zur Frischluftvorwärmung ist nachvollziehbar und funktionstüchtig. Raumweise sichern in den Klassenzimmern Fortluftschächte mit Abluftventilatoren eine hohe Luftqualität. Eine Wärmerückgewinnung wird nicht beschrieben. Im Sommer wird eine nächtliche Querlüftung vorgeschlagen, die aber nur schwer in allen Bereichen vorstellbar ist. Das symmetrische Sheddach wird auf den Süd-Sheds mit Photovoltaik belegt und erreicht damit nur eine begrenzte solare Energiefläche.

Eine systematische Katalogisierung von möglichen Re-UseObjekten aus dem Klybeck Areal, mit Vorabklärungen beim Bestandsbesitzer, unterstreicht die Ernsthaftigkeit und Integralität dieses Ansatzes. Der Einsatz von Re-Use-Heizkörpern muss hinterfragt werden, da diese bei niedrigen Vorlauftemperaturen – bedingt durch die geothermische Wärmeversorgung – hohe konvektive Lasten abdecken müssen.

Die Erschliessung erfolgt über den östlichen Laubengang mit einer Breite von zwei und vier Metern. Die natürliche Belichtung der an den Laubengang angrenzenden Räume ist deswegen knapp ungenügend. Das Ablösen des Laubengangs von der Fassade würde eine kleine Verbesserung durch Streiflicht von oben bringen.

Mikroklimatisch steht das Gebäude quer zum Windfeld. Mit dem grossen Abstand zur Wohnbebauung ist aber eine gewisse Durchlüftung möglich. Qualitativ gute Grünflächen mit genügend Baumbestand sind an heissen Sommertagen als positiv zu bewerten. Die vorgeschlagenen Kiesflächen sind wegen ihrer Aufwärmung kritisch zu sehen.

«You’ll never walk alone» ist ein kleines, kompaktes und suffizientes Projekt mit sorgfältig und im Detail ausgearbeiteten Ansätzen. Der sehr kleine CO2-Fussabdruck in der Erstellung kompensiert sich leider im Betrieb durch einen zu hohen Bedarf, was der kleinen Photovoltaik-Fläche und der fehlenden Wärmerückgewinnung geschuldet ist.

Soziale Nachhaltigkeit und Mehrwert fĂĽrs Quartier
Mit seiner Platzfassade aus recyclierten Bauteilen trägt der Entwurf den ökologischen Gedanken mitten ins Quartier. Die Orientierung der Bibliothek und des Elterncafés zum Platz und die Platzierung des Kindergartens im hinteren, nordöstlichen Bereich schaffen eine stimmige und nach Öffentlichkeitsgraden abgestufte Anordnung der Nutzungen. Die Laubengangerschliessung mit aussenliegender Treppe stülpt einen Teil des Schullebens nach aussen, die Schule wird zu einem quirligen Schaukasten im Quartier; ein Bild, das den Anspruch einer öffentlichen Schule glaubhaft umsetzt. Der Zugang zu den öffentlichen Dachnutzungen mit Aula und angelagerten Patios ist intuitiv und stärkt dieses Bild. Die Qualität der Aula auf dem Dach als Multifunktionsraum für externe Nutzungen überzeugt und hat einen besonderen Charme.

Auch die vielseitige Aussenraumgestaltung sucht auf alle Seiten die Vernetzung mit der Umgebung, weist allerdings zu wenig der für das Quartier wichtigen Hartflächen auf.

Nutzersicht
Die städtebauliche Setzung ermöglicht einen grosszügigen Aussenraum, der sehr geschätzt wird und vielfältige Nutzungszonen für den Schulbetrieb bietet.

Die Kindergärten im Erdgeschoss sind im nördlichen Teil des Gebäudes platziert. Ihr Zugang erfolgt von der Ostseite her, die Haupträume sind aber leider nach Westen orientiert. Gegen den Quartierplatz und im mittleren Teil des Erdgeschosses sind Bibliothek und Tagesstruktur vorgesehen. Der Schulbetrieb beginnt im ersten Obergeschoss. Die vorgesehenen Nutzungen im Dachgeschoss mit der Aula und den Spezialräumen sind attraktiv. Der Aussenraum bietet vielfältige Nutzungszonen für den Schulbetrieb.

Die Erschliessung der Laubengänge erfolgt über den vorgelagerten Treppenturm im vorderen Drittel des Gebäudes und über eine Treppe am Ende des Laubenganges. Aus Sicht der Schule ist diese Haupterschliessung mit dem Treppenturm ein Engpass. Aber auch die Erschliessung über den offenen Laubengang wird eher als Einschränkung angesehen. Vor allem die Platzverhältnisse des zweiten Obergeschosses mit zwei Klassenclustern (acht Klassenzimmer und Gruppenräume) ist kritisch: für die 80 bis 90 Schulkinder in jedem Cluster dürfte sowohl die Erschliessung über den Laubengang, als auch die Zugänglichkeit der Klassenzimmer über die Garderobenflächen eine grosse Hürde darstellen. Die unterschiedlichen Bespielungen der Cluster erscheinen auf dem Plan attraktiv, aber mit der Betrachtung der Anzahl Kinder eher kritisch.

Die vorgesehene Erweiterung mit dem Anbau beim Treppenturm und dem «Auffüllen» der freien Dachflächen stören die stringente Nutzungsverteilung stark.

Qualität Freiräume
Das Schulhaus soll eingebettet in einem naturnahen Park stehen. Entsprechend sieht das Projekt einen reichen Baumbestand vor, der das Gebäude umschliesst. Die Grenze zwischen Quartierplatz und Quartierpark ist fliessend, wodurch ein grosszügiger, öffentlicher Raum mit unterschiedlichen Nutzungen und Dichten entsteht. Der längliche Baukörper stösst mit der schmalen Fassade zum Quartierplatz und spannt mit seiner Längsseite einen Parkraum zwischen den Wohnbauten und der Schule auf. Der Freiraum ist differenziert gegliedert und bietet unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten. Aus Sicht der Schulnutzung würden jedoch die Hartflächen aufgrund des Nutzungsdrucks nicht ausreichen.

Themen der Nachhaltigkeit sind in der Biodiversität, dem geringen Versiegelungsgrad und der natürlichen Beschattung berücksichtigt. Als sehr kritisch wird der Umgang mit dem Terrain und die angedachte Erweiterung erachtet. Das Terrain wird gegen Norden aufgefüllt, wodurch es sich gegenüber dem Quartier und dem Friedhof erhebt, was als massiv und wenig stimmig erachtet wird. Das Projekt leistet einen wertvollen Input zur Lesart des Freiraums in diesem neuen Quartier. Leider vermag es jedoch in der Ausarbeitung die These eines Parks nicht einzulösen.

Résumé
«You’ll never walk alone» begeistert durch eine Vielzahl an äusserst charmanten Qualitäten: durch seine lässige Entspanntheit in der städtebaulichen Disposition, durch den wertvollen Aussenraum als niederschwellige Aneignungsfläche für das Quartier, durch die liebevolle Ausgestaltung feiner Details, die besondere Atmosphäre des Ateliergeschosses und den gekonnt kuratierten architektonischen Ausdruck aus Bauteilen, die bereits eine Geschichte zu erzählen haben. Trotzdem können damit leider die erwähnten Zweifel im Hinblick auf einen reibungslosen Schulbetrieb nicht kompensiert werden, so dass das Projekt in der Gesamtwertung hinter anderen Beiträgen zurückbleibt.