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Nichtoffener Wettbewerb | 09/2022

Neues Dorfzentrum „Saaletaler Höfe“ in Gräfendorf

Blick von der Hauptstraße

Blick von der Hauptstraße

1. Preis / Zuschlag

Preisgeld: 15.000 EUR

GEORG • SCHEEL • WETZEL ARCHITEKTEN GmbH

Architektur

Erläuterungstext

Baukörper - drei Giebelhäuser auf einem Tableau
Wird im historischen Kontext, in gewachsenen Ortschaften, geplant, so ist zunächst die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Mittel zu stellen. Welcher Maßstab, welche Proportion, welche Materialität und welcher Grad der Detailierung sind angemessen? Die Hauptstraße Gräfendorfs ist gekennzeichnet durch eine kleinteilige Bebauung von giebelständigen Einzelhäusern, die durch Anbauten und Nebengebäude zu Hausgruppen arrangiert sind. Das Grundstück wird bestimmt durch das gegenüberliegende denkmalgeschützte Giebelhaus, den bereits vorhandenen PKW-Parkplatz im Westen und den ehemaligen Dorfladen, welcher das Grundstück nach Süden hin begrenzt. In diesem Kontext wird ein roter Sockel verortet, der aus der Notwendigkeit des Hochwasserschutzes heraus entsteht und die Basis für drei ebenfalls giebelständig zur Hauptstraße ausgerichtete Häuser bildet. Diese fügen sich typologisch in das Ortsbild ein und sind so positioniert, dass sie zum einen harmonisch zwischen dem Denkmal und dem ehemaligem Dorfladen vermitteln, und gleichermaßen den Freiraum in zwei Bereiche gliedern. Der vordere, zur Hauptstraße orientierte Bereich wird zum neuen Dorfplatz, welcher den engen Straßenraum einladend öðnet und unter Einbeziehung des ehemaligen Dorfladens die neue Dorfmitte Gräfendorfs darstellt. Ein auskragendes Vordach fasst den Platz zusätzlich und markiert die Eingänge in die Gebäude-Fugen. Der westliche Freibereich knüpft an den im Westen befindlichen Grünraum an. Er bietet Ausblick in die Landschaft und ergänzt den Bürgersaal als Festplatz im Grünen.

Nutzung - Synergie und Eigenständigkeit
Das dreischiðge Ensemble bildet die verschiedenen Nutzungen des neuen Dorfzentrums ab. Jedem Giebelhaus wird eine andere Funktion zugeordnet, welche sich nach außen durch Variation der Baukörperdimension und Dachneigung abzeichnet. Die Fugen zwischen den Häusern schaðen eine direkte Verknüpfung von Dorf- und Fest- sowie Parkplatz und ermöglichen gleichermaßen eine flexible, synergetische Zusammenschaltung oder gegenseitige Abgrenzung der einzelnen Nutzungen. Das Erdgeschoss des Mittelhauses wird zum Herzstück des Ensembles. Es nimmt das Bürgercafé sowie das Foyer auf und ist an den Bürgersaal und den neuen Dorfladen angebunden. Das nicht bewirtschaftete Bürgercafé kann vom Angebot der „Heißen Theke“ profitieren. Gleichzeitig bietet die Positionierung der Teeküche des Bürgersaals die Möglichkeit einer Öðnung zum Bürgercafé hin. Dienende Flächen wie die Sanitäranlagen können flächensparend gleichsam von Bürgersaal und Bürgercafé genutzt werden. Das Mittelhaus bildet das einzige zweigeschossige Bindeglied des Ensembles. Im Obergeschoss befinden sich die Praxisräume des Ärztehauses. Für diese wird so eine angemessene Privatheit und Diskretion bei gleichzeitig zentraler Lage ermöglicht. Der Bürgersaal und der neue Dorfladen werden eingeschossig ausgeführt und können durch das Durchstecken der Hauptbereiche bis unter den First von einer nordseitigen Oberbelichtung profitieren.

Konstruktion - nachhaltigkeitsoriertiert und regional
Für das Gebäude ist eine nachhaltigkeitsorientierte Planung mit kreislaufgerechten und natürlichen Baustoðen vorgesehen, sodass das neue Dorfzentrum einen Modellcharakter für die Umgebung darstellt. Der Sockel und die Bodenplatte bilden die einzigen massiven Bauteile des Gebäude- Enselmbles und ermöglichen durch ihre Ausführung in WU-Beton einen langlebigen konstruktiven Hochwasserschutz. Der Sockel wird verblendet mit ortstypischen Platten aus regionalem, rotem Mainsandstein, die geschichtet werden und dem Sockel eine Horizontalität verleihen. Dieser Sockel bildet die Basis für die darauf stehenden drei Giebelhäuser, für die eine Konstruktion aus heimischen und tragfähigen Nadelhölzern, in Form von Holzständerwerk, Brettstapel-Deckenelementen und
Sparrendächern vorgeschlagen wird. Während im Erdgeschoss eine strukturelle Fassade aus Lisenen, Öðnungen und Platten alle Nutzungen gestalterisch zusammenfasst, erhalten die Häusergiebel eine flächige Brett-Schalung. Hochdämmende, mineralische Wärmedämmung ermöglicht einen hohen Energieeðzienzstandard. Die Außenhaut der Gebäude wird aus vorgegrautem Lärchenholz gebildet, welches in seiner entsättigten Farbgebung einen feinen Kontrast zum roten Sockel bildet. Die verglasten Flächen sind der Nutzung angemessen dimensioniert und sorgen für eine gute Belichtung. Die nach Süden orientierten Öðnungen erhalten einen konstruktiven Sonnenschutz, in Form des Vordaches vor dem Dorfladen und Schiebeläden im Obergeschoss, sodass ein guter sommerlicher Wärmeschutz ermöglicht wird. Für die geneigten Dachflächen wird eine Deckung aus Holzschindeln vorgeschlagen. In diese lassen sich Photovoltaik-Dachschindeln integrieren.

Freiraum - zwei Gegenspieler
Der Freiraum wird geprägt durch einen speziellen Grundstückszuschnitt, durch die Hauptstraße im Osten und den Grünraum im Westen, sowie durch die Hochwasser-exponierte Situation durch die Lage an der Fränkischen Saale. Der massive Sockel des Gebäude-Ensembles entsteht aus dem neuen Dorfplatz heraus, der ebenfalls aus rotem Mainsandstein, jedoch in konventioneller, flächiger Bauweise, ausgeführt wird. In den neuen Vorplatz werden im Straßenbereich vier Stellplätze unauðällig integriert. Diese werden mit Pollern abgegrenzt, die im Hochwasserfall für die Installation temporärer Schutzwände genutzt werden können. Der Dorfplatz wird von drei wassergebundenen Baumscheiben bespielt, welche durch Sitzbänke und Fahrradstellplätze eingefasst werden. Der Bereich vor dem Mittelhaus kann als Außenfläche des Bürgercafés genutzt werden und bietet Raum für eine temporäre Marktplatzfläche. Auf den das Gebäude umfassenden Wegen wird ein wasserdurchlässiges Rasenpflaster ausgeführt, um die versiegelte Fläche zu minimieren. Rahmende, niedrige Mauern dienen gleichermaßen als Sitzbänke und Aufenthaltsgelegenheit sowie als konstruktiver Hochwasser-Schutz. Vor allem die im Südwesten befindlichen Grünflächen werden als vertiefte Feuchtwiesen ausgebildet, die im Hochwasserfall zu Retentionsmulden werden. Der Festplatz erhebt sich leicht aus diesem Retentionsraum und ist mit einer wassergebundenen Decke ebenfalls Teil der wasserdurchlässigen Freiflächen. Ein Blätterdach aus Platanen spendet bei Festlichkeiten oder Biergarten-Nutzung Schatten. Der Baumbestand kann in die Neugestaltung integriert werden und wird durch Neupflanzungen ergänzt. Gemeinsam mit der Dachbegrünung auf dem Vordach und den eingeschossigen Fugen, die die erste Rückstauebene bildet, entstehen verschiedenartige Kleinbiotope, die natürliche Lebensräume für Insekten, Bienen und Vögel darstellen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit basiert auf einem typologisch schlichten und klaren Vokabular: Die klaren Satteldachbaukörper sind die durch Vordächer und überdachte Fugen zwischen den Körpern zu einer Gesamtfigur zusammengebunden und fügen sich hinsichtlich Proportion, Dachform und Körnung gut in die bestehende Ortsstruktur ein. Es entsteht ein angemessener, zur Straßenseite orientierter Dorfplatz mit einladendem Charakter. Der klare Gebäudesockel wirkt hingegen als leichte Barriere zwischen dem Platz und den Gebäuden. Die Bereiche im Westen sind funktional klar bedacht, jedoch relativ klein bemessen. Eine stärkere Verbindung mit dem Parkplatz wäre wünschenswert. 
Bei näherer Betrachtung wirkt der nördliche Baukörper im Verhältnis zum gegenüberliegenden Baudenkmal etwas wuchtig, was insbesondere durch die geschlossene Fassade in diesem Bereich verstärkt wird. Die Proportionen der Baukörper und der Vordächer untereinander wirken noch nicht völlig balanciert und harmonisch.

Das Grundriss-Layout überzeugt insgesamt durch Klarheit. Die Grundrisse weisen ein hohes Maß an Flexibilität auf und haben bergen Potenzial für planerische wie bauliche Veränderungen und Optimierungen. Die zweigeschossige Raumhöhe im Dorfladen hat räumliche Großzügigkeit, ist aber hinsichtlich energetischer Aspekte im Betrieb zu hinterfragen. Die Arztpraxis profitiert vom raumhaltigen Dach und der resultierenden großen Raumhöhe wenig.

Der Umgang mit der Hochwasser-Thematik ist gelungen. Das Thema wird in eine überzeugende Fassadengestaltung überführt, die besonders hinsichtlich der Materialität Stärken aufweist, indem sie ortstypische Elemente aufnimmt. Auf der dem Grünraum zugewandten Seite bewirken die halbhohen Mauern eine gewisse räumliche Enge. Westlich der Gebäude werden Retentions- und Rückzugsbereiche im Grünen entwickelt, die durch schmale Schneisen angebunden sind. Die Anlieferung ist nicht überdacht möglich und verkehrstechnisch nicht optimal, da LKWs im Bereich der Kreuzung rückwärts rangieren müssen. Prinzipiell erscheint der Bereich hinsichtlich der Abstandsfläche durch die Anlieferung jedoch gut genutzt. 

Im Bereich des Bürgercafés und Foyers zeichnen sich vielfältige Nutzungsvarianten ab, was sehr positiv gesehen wird. Die Entfernung zwischen Bewirtungstheke und Sitzbereich ist momentan relativ groß. Die Teilbarkeit des Saales ist zwar im Grundriss mit Erschließung und Nebenbereichen gut gelöst. Die tatsächliche Machbarkeit angesichts des raumhaltigen Dachs ist jedoch fraglich und wäre im weiteren Planungsverlauf nachzuweisen.

Der Entwurf wirft keine wesentlichen Fragen hinsichtlich der Realisierbarkeit auf. Der Entwurf ist hinsichtlich seiner Kompaktheit energetisch sinnvoll umsetzbar. Die vorgeschlagene Holzkonstruktion in Verbindung mit dem massiven Gebäudesockel wird positiv gesehen. Eine Dacheindeckung mit Holzschindeln wird hingegen eher kritisch beurteilt. Hier wäre eine ortstypische Gestaltung wünschenswert.
Lageplan

Lageplan