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Einladungswettbewerb | 10/2022

Neubebauung Rümelinstraße in Stuttgart

Straßenperspektive

Straßenperspektive

1. Preis

Preisgeld: 49.000 EUR

Beer Bembé Dellinger Architekten und Stadtplaner

Stadtplanung / Städtebau

Erläuterungstext

Städtebau

Zwischen Rümelin- und Rosensteinstraße soll durch den Bau neuer Wohnungen und Gewerbeeinheiten das Viertel weiterentwickelt und der Übergang vom Ensemblegeschützen Stuttgarter „Bahnerdörfle“ zum neu entstehenden Gleisbogenpark mit einer jüngeren und dichteren Bebauung geschaffen werden.

Das „Bahnerdörfle“ entstand als Quartier mit Wohnungen für Angestellte von Post und Bahn und ist geprägt durch seine Teilung in elf Baublöcken. Der ältere und größere Teil dieser Struktur wurde als offene Blöcke realisiert, wodurch eine kleinteilige Körnung mit gleichzeitig urbanem Charakter des Straßenraums entstand, der diesen Teil der Stadt prägt.

Diese Körnung greift der Entwurf auf und versucht durch Vor- und Rückversetzen und eine differenzierte Höhenentwicklung einen adäquaten Übergang zwischen den sehr gegensätzlichen Strukturen zu schaffen und das Ensemble auf diese Weise zu respektieren und zu interpretieren. Hierdurch wird analog zum Kontext der Straßenraum und die Baumasse gegliedert. Ein einmaliges, deutliches Rückversetzen erlaubt an Stelle der neuen Durchwegung das Entstehen eines kleinen Quartiersplatzes.

Organisation

Südlich der Durchwegung wird Wohnen, nördlich Kita und Gewerbe in einem Baukörper angesiedelt. Die Kita liegt im Erdgeschoss und ist somit barrierefrei für Eltern und Kinder erreichbar. Ihr Freiraum orientiert sich nach Osten und liegt in unmittelbarer Nähe des Stadtteilzentrums
„Haus 49“. In den oberen Geschossen befinden sich nutzungsneutrale Flächen für z.B. Büros,
Fitnessstudio, Kantine etc. Gekrönt und ergänzt werden diese Nutzungen durch einen Dachsportplatz, der das Quartier weiter aufwertet.

Die südlich der Durchwegung liegende Wohnbebauung wird in den Rücksprüngen an drei Stellen, die außerdem in den Hof führen, erschlossen. Ähnlich der Fugen der historischen, offenen Blöcke, bei denen ein unmittelbares Eintreten von der Straße in den Hof möglich ist, erlauben auch hier Zugänge das Eintreten und Durchwandern des neu entstehenden Hofraums, dessen Niveau auf das der Planung des Rosenstein-Quartiers  heruntergesetzt wird, sodass die Möglichkeit für Wohnungen mit direktem Hofzugang einerseits, aber auch ein Hochparterre der Wohnungen zur Rümelin-und Eckartstraße anderseits möglich wird.

Der Hof bietet eine Vielzahl an Möglichkeiten der Aneignung für die Bewohner. Hier sind Flächen für Urban-Gardening, ein überdachter Spielplatz, ein Bienenhaus, das kleine „Quartierswäldle“ mit dichter Bepflanzung, Retentionsflächen, Blumenwiesen und weitere Spielflächen vorgesehen. Er soll nicht nur als grüner Hofraum, sondern vielmehr als vielfältiges Experimentierfeld und Begegnungsraum einer ebenso vielfältigen  Bewohnerschaft gelesen werden. Anders als die Studie vorsah, schlagen wir einen großen, zusammenhängenden Hof vor, der von einem weiteren Baukörper mit Wohnungen in seiner Mitte gegliedert wird und so eine bessere Belichtung der Wohnungen zulässt.

Seine Fortführung findet dieser gemeinschaftliche Raum in der Vertikalen. Über die Wohnungstreppenhäuser und den internen „Brückenschlag“ bietet sich die Möglichkeit für jeden, die Dächer der Gebäude zu betreten und Dach über Dach zu überwandern, wobei sich hier verschiedene Themenbereiche abwechseln. Es greifen Terrassen, Dachgärten, Sonnendecks, ein Gewächshaus und PV- und Retentionsflächen ineinander. Auch diese Flächen laden zur Aneignung und Begegnung ein, stiften Identität und verbessern zugleich das Stadtklima. Hofzugänge und Fugen erlauben eine bessere Luftzirkulation. Grünflächen, Nistkästen und Begrünung an den Fassaden sorgen für einen positives Mikroklima und bieten Lebensraum für Vögel und Insekten.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit findet ihre städtebauliche Referenz im nordwestlichen anschließenden Quartier des Eisenbahnerviertels und versteht sich als Bindeglied zwischen Blockbebauung und Gründerzeitstruktur geprägt vom Stuttgarter Bauwich.

Die sechs ablesbaren in Reihe gestellten Stadtbausteine, von denen zwei das nördlich gelegene, eigenständige Bürogebäude mit KiTa im EG definieren, schaffen durch ihre nuancierten Versprünge und Fugen die Ablesbarkeit der einzelnen Häuser und im Bereich des Bürogebäudes einen adressbildenden Vorbereich als Entrée.

Positiv bewertete wird zudem die Höhendifferenzierung sowie Dachgestaltung mit der Bespielbarkeit der Flachdächer als 5.Fassade. Begrüßt werden die unterschiedlichen Nutzungen mit PV- Modulen, Aufenthaltsflächen – urban gardening etc. Wünschenswert wären hier noch weitere schattenspendende und windschützende Elemente ggf. unter Einbeziehung von PV-Modul belegten Pergolen o.ä.

Der Topografie folgend wird der Höhenversatz zum Hofbereich sinnfällig mit Wohnungen bespielt, welche direkt an den längs orientierten Freiraums angrenzen. Hin zur Rümelinstraße sind die Nebennutzflächen verortet, hier werden jedoch Fahrradstellplätze vermisst.

Die Zufahrt in die Hofflächen erfolgt über die neue, nördliche Durchwegung und dient zudem als Feuerwehrzufahrt. Die notwendigen Aufstellflächen und Wendemöglichkeiten sind nicht vollumfänglich ersichtlich.

Die Zugänge zu den Wohnungen sind adressbildend formuliert und erlauben zudem den Zugang zur Hoffläche.

Entlang der Rümelinstraße wird die Topografie berücksichtigt. In Teilbereichen werden Hochparterre Wohnungen angeboten, an der nordwestlichen Ecke entsteht eine gut nutzbare Gewerbefläche. Die sozial geförderten Wohneinheiten werden gut in das Gesamtgefüge integriert. Als 5-Spänner sind die Wohnungsgrundrisse gut organisiert und ermöglichen den gewünschten Wohnungsmix. Der im Hof freigestellte Baukörper mit einer im Obergeschoss angebotenen Brückenverbindung lässt den Außenräumen genügend Luft und gute Besonnung. Der zweigeschossig freigestellte und teilüberdachte Spielbereich verleiht dem Hof zudem eine räumliche Großzügigkeit und einen fließenden Raumverbund.

Kritisch betrachtet wird die Erweiterung der bestehenden Büroflächen auf das neue Quartier. Hier sollten eine weitere Wohnnutzung angedacht werden.

Das kleinteilige, heterogene Fassadenbild mit einer leichten farblichen Varianz überzeugt und unterstreicht die Ablesbarkeit und Eigenständigkeit der Baukörper, ohne die Ensemblebildung zu stören. Wünschenswert wäre in Bezug auf die Positionierung der Balkone und Loggien ein homogeneres Erscheinungsbild unter Berücksichtigung der Lage und Orientierung.

Betrachtet man die Kenndaten, bewegt sich der Entwurf in einem wirtschaftlichen, mittleren Bereich. Sowohl die Kubatur als auch die notwendigen Fensterflächen sind reduziert, ohne dabei räumliche und gestalterische Qualitäten opfern zu müssen.

Insgesamt überzeugt der Entwurf durch präzise Setzung und feine Gliederung des Gebäudevolumens in Bezug auf den städtebaulichen Kontext. Die gekonnte architektonische Handschrift in Fassade, Doktus, Material sowie innere Funktion lässt ein identitätsstiftendes Gebäude erwarten.

Freiraum

Die Verfasser entwickeln einen großzügigen gut zusammenhängenden Freiraum in den Höfen, der eine hohe Flexibilität aufzeigt. Die Freiraumtypologie nimmt die städtebaulichen und architektonischen Grundlagen gekonnt auf und entwickelt innovative Angebote für das gemeinschaftliche Wohnen. Insgesamt erscheint der Versiegelungsanteil etwas zu hoch. Auch sind die Defizite bei den geforderten Spielflächen zu verzeichnen, die jedoch aufgrund der Offenheit des Konzeptes in der Weiterentwicklung zu beheben wären. Aufgrund der zum Großteil nicht unterbauten Freiflächen ist das Potential zu Entwicklung eines grünen Freiraums mit Baumpflanzungen noch nicht ausgeschöpft. Hier sollte die Chance genutzt werden, ein ausgewogenes Verhältnis zu entwickeln zwischen den grünen Baumvolumen und der Baumasse. Die vorgeschlage vielfältige grüne Dachlandschaft wird ausdrücklich begrüßt und stellt einen innovativen Betrag dar. Anforderungen zur Unterstützung der Klimaneutralität werden hier ebenso erfüllt, wie die Schaffung von gärtnerisch nutzbaren Flächen, sowie Aufenthaltsflächen zur Kompensation der Freiraumdefizite in der dichten Stadtstruktur. Wünschenswert ist die Integration von Schattierungsbereichen und Maßnahmen zum Windschutz auf den Dächern.

Hofperspektive

Hofperspektive

Präsentationsplan 1

Präsentationsplan 1

Präsentationsplan 2

Präsentationsplan 2

Präsentationsplan 3

Präsentationsplan 3

Präsentationsplan 4

Präsentationsplan 4

Präsentationsplan 5

Präsentationsplan 5