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Nichtoffener Wettbewerb | 11/2022

Umfeld-Neugestaltung für das UNESCO-Weltkulturerbe Naumburger Dom

Ideenteil

Ideenteil

Anerkennung / Ideenteil

Preisgeld: 3.200 EUR

DÄRR LANDSCHAFTSARCHITEKTEN

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

IDEENTEIL
Safari zum Dom
Im Dom zu Naumburg verbergen sich geheimnisvolle Geschichten. Unsere spannende, tierische Reise zum Naumburger Dom beginnt am Hauptbahnhof, Haltestelle der „Wilden Zicke“ [Naumburger Straßenbahn im Volksmund], führt über den Bauernweg zum Aussichtspunkt „Die Adler“, durch den Klostergarten | Georgengarten, in dem zwei Affen Schach spielen, vorbei an der Hirschkuh in der Ägidie bis hin zum Specht in der Lindenallee. Diese kleinen Anekdoten werden an den einzelnen Orten im Mobiliar erzählt. Richtungsweisende Sitzmöbel auf dem Vorplatz des Bahnhofes ordnen diesen neu und definieren den Startpunkt der Reise. Entlang des baumüberstandenen Markgrafenwegs gelangt man zum Fuße des Georgenbergs. Eine kleine Platzfläche aus Kalksteinen in Kombination mit Bänken und Hecken lädt zum Verweilen ein, bevor es über den Bauernweg, entlang des Stadtweinberges, hinauf zum Aussichtspunkt geht. Stege durchbrechen die bestehende Begrenzung und geben den BesucherInnen gezielte Ausblicke auf die Weinberge des Saale-Unstrut-Gebietes frei. Eine wassergebundene Wegedecke fasst Bestandsbäume und Neupflanzungen, Baumunterpflanzungen bestehend aus mehrjährigen Kräutern und Stauden legen sich als Baumscheibe um die Bäume. Die Straße „Am Georgentor“ erhält an der Nordseite seine fehlende Baumergänzung. Am östlichen Ende des symmetrischen Gebäudeensembles öffnet sich eine shared space Fläche zu dem Georgengarten. Diese Platzfläche mit ihren angrenzenden Grünräumen interpretiert den ehemaligen Klostergarten und lädt Anwohner- und BesucherInnen in die essbaren Vegetationsflächen ein. Ein Brunnen ermöglich die Bewässerung der Kulturen in den Sommermonaten. Eine großzügige Tafel eröffnet die Möglichkeit, nicht nur die Geschichte rund um die schachspielenden Affen zu erfahren, sondern selbst in Kommunikation zu treten und die örtliche Gemeinschaft zu beleben. Dieser Gartenraum erstreckt sich bis zum Georgentor, welches uns entlang der historischen Stadtmauer bis hin zum Domplatz führt. Eine Kombination aus Bestehendem, Geschichte und Neuem schafft kleine Oasen zum Verweilen auf den Weg zum Weltkulturerbe – das lebendige Erbe.

REALISIERUNGSTEIL
DOMUMFELD NAUMBURG - Freianlagengestaltung
Seit seiner Vollendung unterliegt das Umfeld des Domes ständigen Veränderungen. Der Dom als Krone über allen Entwicklungen ist die Konstante dieses städtebaulichen Ensembles, egal ob eine neue Kurie im Umfeld gebaut wurde oder eine Schule, ob Pferdefuhrwerke oder Autos vorbeifuhren, Nachtwächter oder das Ordnungsamt vorbei patrouillierten, Pilgergruppen oder Touristen ihn belagerten. Jede Zeitschicht hatte ihre Ansprüche an den Raum, seine Nutzung, an seine Repräsentation, hatte ihre technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten und ihre eigenen Vorstellungen von Baukultur.
Diese Belange erneut zeitgemäß zu interpretieren und dabei den Dom als Grund für das Sein des Raumes respektvoll in den Mittelpunkt zu stellen, ist Ziel dieser Arbeit.
Der Entwurf folgt weitgehend der Vorzugsvariante des Verkehrskonzeptes und gliedert in eine Fußgängerzone im Osten und eine Verkehrsberuhigte Zone im Westen. Um Letztere noch stärker für den Fußgänger vorzubehalten und die Einordnung von Behindertenstellplätzen zu ermöglichen, wurde diese als Richtungsverkehr ausgewiesen. Damit steht der gesamte Raum bevorzugt den FußgängerInnen zur Verfügung. Ob sie ihn nun auf dem Weg vom Wohnort zur Arbeit tangieren, das Domensemble aus verschiedenen Perspektiven erforschen, ihn als Schulweg nutzen oder versonnen beim Kaffee die Erzählungen der gerade erlebten Führung rekapitulieren, sie sollen dies ungefährdet und stressfrei genießen können. Stressfreier Aufenthalt heißt zunehmend in den Sommermonaten beschattet. Kühlung durch Verschattung und Verdunstung sind für den Thermischen Komfort des Menschen ein Schlüsselfaktor in einer hitzegestressten Stadt. Bäume, deren Klimaleistung zu 20% aus Verdunstungskühle und 80% Schatten besteht, werden entscheidend dazu beitragen. Daher sind neben der Erhaltung und Vervollständigung der Lindenallee einige neue Baumstandorte vorgesehen, die einerseits bei Temperaturspitzen den Aufenthalt, die Betrachtung, das sich treffen vor und nach dem Besuch ermöglichen, aber andererseits die Erlebbarkeit nicht beinträchtigen. Verdunstungskühle bieten die beiden Brunnen und Bereiche mit Nebeldüsen. Dabei wird der Simsonbrunnen in einen erlebbaren Raum versetzt und mit einer flachen dunklen wassergefüllten Schale zum Spiegel für Mensch, Bauwerk und Geschichte. Er wird das nachdenkliche Pendant zum fröhlich plaudernden Ekkehardbrunnen.
Auch wenn die historischen Quellfassungen, Teiche, Gärten und Brunnen davon zeugen, dass
bisher Wasser im Überfluss zur Verfügung stand, so ist es doch wahrscheinlich, dass die aktuellen Prozesse des Klimawandels sich zukünftig auf dieses Wasserdargebot limitierend auswirken und die Quellen versiegen. Da es auf Grund eines hydraulisch ausgelasteten Entwässerungsnetzes Probleme mit der schadlosen Beseitigung von Starkregenereignissen gibt, wird vorgeschlagen große Teile der Regenspenden auf den befestigten Flächen durch eingelassene Plattenrinnen entweder gezielt den mit einem wasserspeichernden Substrat ausgestatteten Vegetationsflächen zuzuführen oder diese in einem System von unterirdischen Reservoiren zurückzuhalten. Dabei wird in einem Teil der Becken über ein gedrosseltes Abfließen innerhalb von 24 Stunden immer wieder die nötige Aufnahmekapazität zur Verfügung gestellt. Es steht durch die geringe Verkehrsbelastung genügend einfach aufzubereitendes Wasser für die Versorgung der Brunnen, der Gärten und Teiche unterhalb des Doms und des Gartens des Welterbeinformationszentrums zur Verfügung. Auch die Bäume könnten in Trockenstresssituationen bewässert werden. Nur die drei Trinkbrunnen würden noch aus dem Trinkwassernetz gespeist.
Kalksteinplattenstrukturen, an den Hauptzugangsbereichen zum vorderen Domplatz, setzen starke Akzente und nehmen die Einläufe zu den Wasserreservoiren auf. Gleichzeitig bieten sie durch eingelassene Schriftzüge aus Metall Informationen und sind jeweils der aktuelle Auftakt eines Blindenleitsystems. Ein unregelmäßiger Kalksteinpflasterverband aus neuem Material, dessen Oberfläche zur Verbesserung der Barrierefreiheit gesägt und gestrahlt ist, spannt sich wie ein Teppich über den vorderen und hinteren Domplatz. Dabei werden zahlreiche Materialzitate aus weitergenutzten Kalksteinen, Mosaikpflaster und Kieselsteinen vorzugweise in den Randbereichen gesetzt. Auch wiederverwendungsfähige Borde werden in neuen Strukturen verwendet. Um den Dom herum, in der Mönchsgasse sowie in den Radbereichen der Gassen wird das alte Kalkstein- und Mosaikpflaster Verwendung finden. Je nach Steinqualität und Verwendung sollen die alten Steine im Original verwendet oder die Laufschicht durch Sägen und Strahlen aufbereitet werden, um so einen relativ ebenen Belag in Originalsteingrößen herzustellen. Im Sinne einer nachhaltigen Nutzung des nicht mehr als Pflaster verwendbaren Altmaterials, könnte die Umwandlung zu Splitt für Fugen und Mulch für Vegetationsflächen erfolgen. In der Dompredigergasse und Neuen Steingasse könnten kleine Pflanzinseln z.B. mit Kletter- oder Stockrosen, deren Standorte mit Eigentümern und Denkmalpflege abzustimmen sind, installiert werden und wohltuende Abwechslung bringen.
Da die Lindenallee derzeit 5 verschiedene Sorten aufweist, sollte bei Nachpflanzung gezielt nach klimagerechten Sorten wie Tilia tomentosa `Brabant`, Tilia x euchlora, Tilia cordata `Rancho` ausgewählt werden. Für Baumgruben und Baumquartiere wird wo möglich ein Volumen von bis zu 24 m³ angestrebt. Darüber hinaus werden Teile des Platzes ohne Leitungstrassen in Baumnähe, im Sinne der Schwammstadtprinzipien, mit einem durchwurzelbaren Retentionsraum unterbaut, der einerseits durch den Einsatz von Grobschlag Verkehrslasten ableitet und andererseits mit seinen großen, mit einem baumoptimierten Feinsubstrat gefüllten Hohlräumen, optimale Standortbedingungen bietet. Die alte Tilia platyphyllos – Friedenslinde wird nach Gutachten 2020 als standsicherheits- und bruchgefährdet eingeschätzt und deren Fällung empfohlen. Ein Ersatz der Linde in unmittelbarer Nähe ist vorgesehen. Die aktuellen Empfehlungen zu geeigneten Klimabäumen unterliegen einer permanenten Veränderung. Derzeit scheint hinsichtlich Eignung und Größe Koelreuteria paniculata als 2,5m aufgeasteter Solitär auf dem östlichen Domplatz geeignet.
Pflegeextensive trockenheitsverträgliche Stauden- und Gräsermischpflanzungen prägen den Raum vor dem Weltkulturerbezentrum und Domplatz 14. Filigrane Pflanzenstrukturen in gelben, weißen und blauen Farbabstufungen, die sommerliche Leichtigkeit assoziieren, gepaart mit reichblühenden Bienenweidepflanzen auf hauptsächlich sonnigen, trockenen Standorten gestalten die beiden Bereiche. Geophyten wie Narzissen, Tulpen, Allium und Eremurus unterstützen den ganzjährigen Blühaspekt und verwandeln diese Bereiche besonders im Frühjahr in ein Blütenmeer.
Der Westchor des Doms wird durch eine Höhenanpassung des Geländes und davor gelagerte, großzügige Wiesenflächen hervorgehoben. Die zurückweichende, dezente Zaunführung zwischen Domgärten und Lindenallee unterstützt die Freistellung des Westchors und lässt die ungestörte Betrachtung zu, ohne die Führung der BesucherInnen aus dem Dom zur KinderDomBauhütte zu beeinträchtigen und dabei trotzdem die Feuerwehrzufahrt zu gewährleisten.
Ziel ist ein Freiraum im menschlichen Maßstab mit verschiedenen Raumqualitäten, einem angenehmem Mikroklima und damit hoher Aufenthaltsqualität. Ein grüner, urbaner Begegnungsraum, der sowohl für die NaumburgerInnen als auch für die BesucherInnen ein Ort der Geschichte, Erholung, des Treffens, Netzwerkens und Entspannens wird, ein nachhaltiger Impuls für eine innerstädtische Klimaanpassung und ein respektvoller Ort für den Dom.




Beurteilung durch das Preisgericht

Der Ideenteil sieht eine „Safari“ zwischen Hauptbahnhof und Domplatz vor. Beginnend mit der „wilden Zicke“ am Hauptbahnhof werden die Gäste der Stadt über einzelne inszenierte Inseln geführt. Jede Inselscholle wird durch andere Tierfiguren besetzt, welche sich aus der Naumburger Stadtgeschichte ableiten lassen. Der Hintergrund der Tierfiguren wird an den Wegepunkten durch Schautafeln erläutert.

Die jeweiligen Wegepunkte werden zudem durch wiederkehrende lineare Bank- und Tischstrukturen versehen, die jedoch mit den einzelnen Orten nicht korrespondieren. Die linearen Strukturen werden durch weitere Elemente wie Kräuter- und Heilpflanzgarten ergänzt.
Gesamtplan Realisierungsteil

Gesamtplan Realisierungsteil

Lageplan Realisierungsteil

Lageplan Realisierungsteil