modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Offener Wettbewerb | 11/2022

Neugestaltung Marktplatz Emmelshausen

Perspektive Blick auf den Marktplatz

Perspektive Blick auf den Marktplatz

Anerkennung

Preisgeld: 2.400 EUR

RB+P Landschaftsarchitektur Bauermann Otto Ludwigs

Stadtplanung / Städtebau

Erläuterungstext

Der übergeordnete, städtebauliche Ansatz unseres Entwurfskonzepts denkt das innerstädtische Freiraumprofil der Stadt weiter, sodass sich ein neuer Schwerpunkt herausarbeitet und klar ablesen lässt.
Als eine Art Stadtbaustein und Impulsgeber soll sich der Neue Marktplatz zu einem gemeinschaftlichen Zentrum mit Kultur-, Dienstleistungs-, Freizeit- und Erholungsangeboten entwickeln. Ziel unseres Gestaltungskonzeptes ist die Qualifizierung eines charakterstarken, lebendigen und multifunktionalen Stadtraumes mit hoher Identitätsbildung und Aufenthaltsqualität - Der Neue Markplatz, „Ein Platz für Alle!“

Das gestalterische Leitbild unseres Entwurfskonzeptes interpretieren wir aus der Raumanalyse der Stadt. Was beschreibt den Kern Emmelshausens und wie zeigt sich ihre Identität? Die dezentrale Stadtstruktur zeigt eine Verteilung unterschiedlicher Schwerpunkte (Sport und Freizeit/ Kultur und Handel) im Stadtbild, weshalb es wichtig ist eine gemeinsame Mitte zu definieren.

Der Entwurf gliedert sich in unterschiedliche Raumtypologien und Schwerpunkte, sodass eine abwechslungsreiche Choreografie den Platz bespielt:
Als Entwicklungsimpuls und Stadtbaustein bildet der Marktplatz einen neuen Schwerpunkt im innerstädtischen Freiflächenverbund. Als Bindeglied zwischen dem (Kultur)Bahnhof im Nord-Osten, dem Nahversorgungszentrum im Westen, dem Stadteingang am Stadtpark und der Rhein-Mosel-Straße im Süden entstehen im Rahmen des Stadtumbauprogramms Ideen einer neuen Stadtmitte.
Wir denken die städtebauliche Figur einer U-Form und öffnen im Zusammenspiel mit Topografie und der neuen Bebauungsstruktur (klare Raumkanten) den Platz nach Norden und Westen. Durch die Geländemodellierung (Eingraben) entsteht eine Ebene gleicher Flächen, welche nach Süden eine ca. zwei Meter hohe Kante herausarbeitet und sich zu den Rändern nach Westen und Osten hineindrückt, sodass sowohl die barrierefreie Durchwegung, als auch die Anschlüsse zu den umliegenden Gebäuden gehalten werden. Dadurch entsteht ein markanter Ort, der sich nach Innen und Außen bezieht. Die neue Platzfläche dient als multifunktionaler Stadt-, Freizeit- und Erholungsraum, welche diverse Veranstaltungen beherbergt. Gleichzeitig spendet sie der Stadt und dem neuen Jugend- und Kulturzentrum (mit neuer Bibliothek) einen gemeinsamen Ort der Kommunikation und der Identität.

Unsere Entwurfsphilosophie denkt den Platz als Teil der Landschaft, sodass der Höhensprung im südlichen Übergang als großzügige Sitz- und Trittstufenanlage störungsfrei und logisch in den Raum eingebettet wird. Die zusammenhängende Sitzlandschaft wird als „Gemeinschaftsmöbel“ (Sofa) interpretiert und gibt dem Platz einen klaren Abschluss. Bei Veranstaltungen kann das Sofa beispielsweise als Tribüne genutzt werden.

Die Belagsintarsie im Zentrum der neuen Platzfläche spielt dem „Patchwork“-Gedanken unseres gestalterischen Leitbildes wieder. Das Pattern versinnbildlicht in abstrakter und zeitgenössischer Landschaftsarchitektur die besondere Stadtstruktur Emmelshausens – das Überlagern und zusammenwachsen unterschiedlicher Stadtbausteine bis hin zu einem gemeinsamen Verbund.

Das Begrünungskonzept zielt auf einen klimaresilienten Umgang mit möglichst hoher Flächenentsiegelung ab. Rasen- und Wiesenflächen mit hohem Blütenanteil dienen als Insektenwiesen und fördern die Biodiversität. Die Gehölzstruktur wird durch Klimabäume ergänzt, welche zusätzliche Verschattung spenden und dadurch ebenso den Kühlungseffekt verbessern.
Das Grüne „U“ bildet einen Saum aus Gehölzen und Grünflächen, welches dem Neuen Marktplatz seine räumliche Fassung verleiht.




Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfassenden stellen den Entwurf unter den Titel „Unser Marktplatz – Einer für alle“. Sie wählen dabei die Typologie des Platzes im Platz, der von einem grünen Saum aus vorhandenen und neuen Bäumen zu den bebauten Platzkanten gefasst wird. Die topographische Herausforderung des Höhenunterschieds von ca. 2 m von der Süd- bis zur Nordkante wird dadurch gelöst, dass der Platz sich von Norden nach Süden in den Stadtraum hineinschiebt und die dadurch entstehenden Höhenunterschiede zu den Rändern im Süden, Westen und Osten über Sitzstufen- und Treppenanlagen zu den angrenzenden Verkehrsräumen überwunden werden. Diese Treppenanlagen und Sitzstufen, teilweise mit Sitzauflagen versehen, stellen neue Aufenthaltsqualitäten dar und laden zum Treff und zur Kommunikation ein. Die große freie Fläche wird auch als Teil einer prozesshaften Aneignung durch die BürgerInnen, Institutionen und Vereine der Stadt Emmelshausen in ihrer ganzen Vielfalt gesehen und gestalterisch durch das Belags-Patchwork auf dem Platz verstärkt. Inwieweit hier eine Überinterpretation stattfindet wird im Preisgericht kontrovers diskutiert. Die ebenfalls vorgeschlagene Möblierung mit flexiblen und frei kombinierbaren Sitzmöbeln, die auch z.B. als temporäre Bühne für Veranstaltungen etc. dienen kann, unterstützt jedenfalls diesen Entwurfsgedanken.

Leider sind in den Schnittdarstellungen fehlerhafte Höhenannahmen dargestellt, die die Dimensionierung der Stufenanlagen sowie der dargestellten Gefälleverhältnisse in Frage stellen. Hierin bestünde bei einer Realisierung ein größerer Prüf- und Überarbeitungsaufwand, der nach erster Einschätzung jedoch unter Erhalt der Entwurfsidee gelingen könnte. Dies gilt auch für die Zufahrtsmöglichkeit zu den vorhandenen Garagen auf der Ostseite des Platzes.

Durch die Schaffung zusätzlicher Pflanzflächen mit Baum- und Staudenflächen sowie von Angeboten zur Regenwasserrückhaltung und -nutzung, wenngleich bislang nur auf konzeptioneller Ebene, wird für die Aspekte der Klimaresilienz und Biodiversität auf dem neuen Stadtplatz ein gutes Angebot geschaffen, das die vorgeschlagenen Nutzungen durch Schaffung beschatteter und begrünter Flächen unterstützt. Dies wird auch durch das vorgeschlagene Fontänenfeld unterstützt, dass ein weiteres spielerischer Element auf dem Platz darstellt und gleichzeitig klimatische Positiveffekte erzeugt. Die Positionierung ist gut gewählt.

Gut gelungen ist die Einbindung der Alten Feuerwehr als neues Kulturzentrum mit Bibliothek. Das Kulturzentrum kann so Teil des neuen Marktplatzes mit einem gut zugeschnittenen Angebot an bespiel- und nutzbaren Außenflächen werden, die zu einer Belebung des Platzes beitragen können.

Kritisch wird vom Preisgericht gesehen, dass die Verfassenden von der Vorgabe abweichen, die Straße ‚Am Markt‘ im nördlichen Platzbereich abzuhängen. Stattdessen formulieren sie den Straßenraum mit einem gegliederten Querschnitt als Platzbegrenzung und vergeben sich dadurch die Chance, die potentielle nördliche Randbebauung direkt an den Platz heranzuführen und die Erdgeschosszone als Teil des Platzes zur Belebung mit besonderer Aufenthaltsqualität zu entwickeln. Die Verfassenden wollen diesen Straßenraum zwar als shared space verstanden wissen, konterkarieren diesen Ansatz jedoch durch die Darstellung eines gegliederten klassischen Straßenquerschnitts, in dem sie auch die geforderten Stellplätze nachweisen.

Im Süden des Platzes wird die Anbindung der neuen Bebauung an den Platz durch einen begleitenden baumbestandenen Pflanzstreifen zumindest nicht begünstigt, gleichwohl damit ein grüner Rücken des Platzes zum Straßenverkehr erzielt wird, was den ökologischen Gesichtspunkten und der Aufenthaltsqualität auf der Treppenanlage und dem Platz selbst zu Gute kommt. Der Straßenraum wird auch hier als shared space bezeichnet, gezeichnet ist ein gegliederter Querschnitt, der diesen Ansatz nicht befördert.

Insgesamt stellt dieser Beitrag eine mögliche Lösung der Aufgabenstellung dar, die in Teilen aufgrund der widersprüchlichen Aussagen zur Höhenentwicklung und der Abweichungen im Verkehrskonzept noch Mängel aufweist, die jedoch bei einer weiteren Bearbeitung lösbar erscheinen.

Die Arbeit überzeugt in ihrer klaren Haltung und ihrem scheinbar introvertierten Ansatz, mit gut durchgearbeiteten Vorschlägen und Angeboten zur Bepflanzung, zur Materialität, Ausstattung und Möblierung sowie in ihrer hohen Flexibilität der Nutzbarkeit. Erkauft wird dieses Konzept durch einen hohen baulichen Aufwand für Treppen und Sitzstufenanlagen und einer eingeschränkten Barrierefreiheit, die zu weiten Wegen für Beeinträchtigte zwingt.
Lageplan i.o.M. 1:200

Lageplan i.o.M. 1:200

Detail i.o.M. 1:50

Detail i.o.M. 1:50

Isometrie Stadtraum und Mobliar

Isometrie Stadtraum und Mobliar