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Nichtoffener Wettbewerb | 11/2022

Klimasiedlung Wiescherstraße in Herne

Perspektive Dorfhaus

Perspektive Dorfhaus

1. Preis

Preisgeld: 17.000 EUR

bjp | bläser jansen partner GbR

Stadtplanung / Städtebau

Erläuterungstext

weitere Mitarbeiter:
Jonas Koban
Joel Jost

Alte Gärtnerei | Smartes Klimaquartier Herne

Die Siedlung entwickelt sich aus den vorhandenen Qualitäten des Geländes und beachtet dabei respektvoll die Lage des Gebietes am Rand zu Siedlung und Ruhestätten. Das Quartier respektiert den lokalen Maßstab mit einer sorgfältig gestalteten Höhenentwicklung und einer proportionalen Dimensionierung der Wohngebäude gegenüber den Einfamilienhäusern im Norden und den Mehrfamilienhäusern im Westen. Die naturorientierte Anmutung des Quartiers trägt eine klare Handschrift und lässt an der Wiescherstraße Hernes „Smartes Klimaquartier“ entstehen. Ziel ist es, ein grünes Nullenergie-Quartier mit smarter Technologie, als einen sozialen Ankerpunkt für die Nachbarschaft zu schaffen. Das Konzept schafft familienfreundliche, freiraumbezogene Wohncluster, welche über eine hohe Qualität verfügen und Identität, Gemeinschaft und Kommunikation fördern. So wird ein hochwertiges und attraktives Wohnbaugebiet mit vielfältigen, lebenswerten Situationen realisiert.

Eine enge Verbindung von Freiraum und Wohnraum ist eine Priorität des Entwurfs. Im Entwurf werden nahezu alle Bäume auf der Fläche erhalten und die Siedlung um den wertvollen Baumbestand herum entwickelt. Gemeinschaftsgebäude und deren offene Erdgeschosse schaffen eine lebendige Verbindung zwischen Innen und Außen. Die Anschlüsse der Gemeinschaftsgebäude an den Außenbereich ermöglichen es, dass gemeinschaftliche Funktionen in den Freiraum dringen. Der nach Süden ausgerichtete öffentliche Platzraum des Gemeinschaftshauses ermöglicht eine Aktivierung des Freiraums um das Gebäude herum. Der Quartiersplatz ist damit gleichermaßen Treffpunkt der Nachbarschaft und Anker für das Quartier.

Erschließung und Mobilität
Die Erschließung erfolgt über eine neue Erschließungsstraße. Die organische Struktur des Erschließungsrings ermöglich einen simplen Anschluss aller Wohncluster an die Haupterschließung. Die Quartiersgaragen (Parkscheunen) mit 60 Stellplätzen für Pkw und zahlreiche Fahrradabstellplätze am Eingang des Quartiers ermöglichen eine eingangsnahe Verkehrsabwicklung. Der verkehrsberuhigte Innenbereich gewinnt damit an Aufenthaltsqualität. Die Erschließungsstraße kann daher als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesen werden. Kurze Wege im Quartier und eine gute Anbindung auch abseits der motorisierten Verkehrswege an die Versorgungsbereiche sorgen für eine umweltfreundliche und gesunde Lebensweise. Um die Parkscheunen herum entsteht ein geordneter Funktionsraum, der als Quartiersbalkon den Auftakt von Norden in das Quartier beschreibt. Die Gebäude am Quartierseingang ermöglichen eine gute Funktionsmischung und sogar einzelne gewerblich genutzte Einheiten sind vorhanden. Neue Mobilitätsangebote ergänzen die Mobilität im autoarmen Quartier an der Wiescherstraße. Ein Stellplatzschlüssel von 0,5 pro Wohneinheit wird auch durch gezielte Sharing-Angebote im Bereich der Elektromobilität ermöglicht. Hier stehen Quartiersautos, Lastenräder oder E-Bikes als Teil einer geteilten Mobilität im Sinne der Verkehrswende zur Verfügung.

Klimagerechte Energieversorgung und Nachhaltigkeit
Bei der Entwicklung des Smarten Klimaquartiers sollten alle Aspekte einer nachhaltigen umwelt- und flächenschonenden Bauweise beachtet werden. Um Energiegewinne aus der Sonne abzuschöpfen, wird die Bebauung solaroptimiert ausgerichtet. Die solaren Gewinne können im Netz auf der Bilanzebene des Quartiers verweilen oder als überschüssige Energie an das stadtweite Netz abgegeben werden. Modernste Akkuspeicher ermöglichen eine Speicherung der Solarenergie vor Ort, die zeitlich entkoppelt vom Gang der Sonne genutzt werden kann. Ein Holzschnitzel-BHKW ermöglicht das Auffangen der Bilanzschwächen an Tagen, an denen die Sonne nicht zur Verfügung steht. Abstände und Verhältnis der Gebäude zueinander reduzieren etwaige Verschattungen und sorgen für eine gesunde Wohnumgebung. Eine dezentrale Energieversorgung durch ein Blockheizkraftwerk ist gewünscht, problemlos möglich und sorgt für eine sichere Versorgung der Gebäude mit Strom und Wärme. Regenerative Energien wie Solarenergie und Solarthermie können flächendeckend installiert werden. Dach- und Fassadenbegrünung sorgen für ein ausgeglichenes Quartiers- und Gebäudeklima. Die Größe der Parzellen und das Anlegen eines durchgrünten Quartiers lassen Raum für eine nachhaltige Bewirtschaftung der eigenen Parzelle. Gebäude werden kompakt gehalten und in Passivhaus-Bauweise errichtet. Eine verdichtete Bebauung aus Geschosswohnungsbau und Reihenhäusern vermindert den Energiebedarf und schafft ein günstiges AV-Verhältnis für die Bebauung im neuen Quartier. Des Weiteren ermöglichen die gemeinsamen Erschließungskerne der Mehrfamilienhäuser eine effiziente Erschließung mit einer Treppe und einem Fahrstuhlkern. Gleichzeitig lassen sich die Wohnungen barrierefrei über Laubengänge erschließen. Die nach innen zum Hof liegenden Laubengänge schaffen gleichzeitig ein angenehmes Gemeinschaftsgefühl und ermöglichen durchgesteckte Grundrisse bei den Mehrfamilienhäusern.

Bauen mit natürlichen Materialien
Unbehandeltes Lärchenholz ist das Hauptmaterial der Außenfassaden. Die Lärche wird silbern, wenn sie dem Regen ausgesetzt ist, und behält eine warme Farbe, wenn sie von der Überdachung verdeckt wird. Die großen, extensiv begrünten Dächer mit Photovoltaikelementen sind die fünfte Fassade der Gebäude im Quartier. Die Gebäude aus natürlichen Materialien und grünen Elementen entwickeln sich wie selbstverständlich in den Freiraum des Quartiers. Die neuen Orte im Quartier fügen sich entlang des zentralen Freiraums in die Umgebung ein. Die Struktur und Modularität der Gebäude werden in der Fassade sichtbar. Eine Kombination aus geschlossenen Elementen, Fenstern und Lamellen schaffen einen unterschiedlichen Grad an Transparenz und bilden spielerische und flexible Fassaden, die flexibel an die inneren Funktionen des Gebäudes angepasst werden kann.

Der Entwurf zielt auf eine Realisierung im Sinne der Kreislaufwirtschaft ab. Nach der üblichen Bauweise werden Ressourcen zum Bau eines Gebäudes eingesetzt, wohingegen das Gebäude am Ende seiner Lebensdauer als Bauschutt abgetragen wird. Durch innovative und flexible Bauweisen soll eine Demontage der Gebäude möglich sein. Die gewonnen Einzelteile können andernorts wiederverwendet werden oder als Ersatzteile bestehende Strukturen wieder Aufwerten. Zudem begegnet die flexible Aufteilung von Räumen und Wohneinheiten sich wandelnden Nutzungsansprüchen. Durch die verlängerte Lebensdauer und die Verwendung upcycelter bzw. recycelter Baumaterialien sinken der CO2-Fußabdruck und die Lebensdauerkosten der baulichen Anlagen. Das Konzept zielt auf die Verringerung von Umweltbelastungen durch den Bau und einen Wandel im Bau unter den deutlichen Zeichen eines Klimawandels ab.

Umgang mit Regenwasser
Für die Entwässerung ist ein Trennsystem vorgesehen. Hierzu entwickelt der Entwurf ein dezentrales Regenwassermanagement, mit dem Ziel, den Umgang mit Regenwasser sichtbar zu machen und nachhaltig zu gestalten. So kann das Regenwasser aus den privaten Flächen in dezentrale Retentionszisternen im Inneren der Höfe gesammelt, auf dem Grundstück und im Freiraum rückgehalten und als Grauwasser im Gebäude oder zur Gartenbewässerung eingesetzt werden. Das Regenwasser aus den öffentlichen Straßen- und Platzflächen wird in einem Netz aus offenen Rinnen gesammelt, gefiltert und den zentralen Grünflächen im Gebiet zugeleitet. Hier werden Mulden und Rigolensysteme vorgesehen. Durch die hohe Verweildauer des Wassers im Quartier profitiert dieses von einem Kühleffekt der Wasserflächen und eine Verbesserung des Mikroklimas wird erreicht.

Ökologie
Die Fläche der ehemaligen Gärtnerei ist ein idealer Ausgangspunkt für die Flora und Fauna des Entwurfs. Für die Verbesserung der künftigen biologischen Vielfalt und der landschaftlichen Qualitäten wird zunächst der Baumbestand vor Ort erhalten. Anfallender Aushub beim Bau der Gebäude und Versickerungsmulden kann an anderen Stellen im Gebiet zur Landschaftsgestaltung wiederverwendet werden. Die entstehende ausdifferenzierte Quartierslandschaft erzeugt so unterschiedliche ökologische Nischen für verschiedene Tier- und Pflanzenarten. Im Wesentlichen bestehen diese Differenzierungen hinsichtlich Bodenfeuchte und Schattierung. Mit der großzügigen Aussaat von verschiedenen heimischen Blumen und Gräsern wird ein zum Friedhof ergänzender Beitrag zum Artenschutz geleistet.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das vorgeschlagene Konzept, Wohnhöfe aus je drei Baukörpern an eine Ringerschließung anzubinden und so eine differenzierte Raumabfolge zu erwirken, ist überzeugend. Die bauliche Struktur, Baukörperhöhen und -längen sind so ausgebildet, dass sich die neue Siedlung gut in den städtebaulichen Kontext einfügt und dabei dennoch ein hohes Maß an Eigenständigkeit aufweist. Maßstab und Proportion der Gebäude sind ebenso wie die städtebauliche Dichte angemessen und lassen eine hohe Akzeptanz im umgebenden Quartier wie in der Stadtgesellschaft erwarten.

Die extrem stark gekurvte Ausbildung der Erschließung ist jedoch in der dargestellten Weise überzogen. Der Vorschlag, einen Teil der Stellplätze in den Erdgeschossen von zwei Gebäuden als Quartiersgarage im Entrée des Quartiers anzuordnen, wird als guter Ansatz gewertet. Die weiteren Stellplätze in die Siedlung zu verteilen wirkt sich jedoch negativ auf das Bild der Straßenräume und die Qualität der Freiräume aus. Die weiteren als „Neue Mobilität“ ausgewiesenen Angebote werden begrüßt.

Die Sondernutzungen wie Gemeinschaftshaus, Gewächshaus u. a. sind Bausteine im Konzept des sozialen Miteinanders, die Potential für sich ändernde Lebensformen bieten.

Die Wohnhöfe weisen halböffentliche Erschließungs- und Begegnungsräume auf, wenngleich nicht alle Höfe die konsequente Ausrichtung von öffentlichen und privaten Freiräumen zeigen. Die Frage, wo die privaten Räume abgegrenzt werden und wie die Übergänge zum öffentlichen Grün erfolgen sollen, bleibt offen.

Grundsätzlich bieten die öffentlichen Grünräume unter Einbindung der Bestandsbäume im Zusammenspiel mit den Durchwegungen hohe Aufenthaltsqualitäten. Sie unterstützen auch die Quartiersdurchlüftung, die durch die offenen Gebäudestellungen und eine Öffnung nach Osten grundsätzlich gegeben ist.

Die Aspekte von Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind aufgenommen, bedürfen jedoch einer weiteren Ausarbeitung.

Die Kleinteiligkeit der Bebauungsstruktur erlaubt die Umsetzung in Abschnitten.

Das Konzept stellt einen überzeugenden Ansatz dar, der städtebaulich gut an dem Standort vorstellbar ist und für die bauliche Umsetzung einen robusten Rahmen bietet.
Perspektive Hof

Perspektive Hof

Lageplan

Lageplan

Piktogramme

Piktogramme

Piktogramme

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Schnitte

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