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Mehrfachbeauftragung | 10/2022

Gewerbliche Entwicklung Flughafen Essen-Mülheim

Anerkennung

Preisgeld: 5.000 EUR

De Zwarte Hond GmbH

Stadtplanung / Städtebau

felixx

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

LEITIDEE UND STÄDTEBAULICHE GESTALTUNG
Die Zukunft des Arbeitens wird divers und vielschichtig sein. Industrie 4.0, künstliche Intelligenz und Rapid-Prototyping sind nur einige Schlagworte. Kreative Prozesse werden dabei vorläufig weiterhin von Menschen abhängig sein. Das Zukunftsbild für den Gewerbeparkt, der vorrangig für kleine und mittlere Unternehmen, Start-ups rund um wissensbasiertes und technologieorien-tiertes Gewerbe bzw. als Standort für innovative Forschungs- und Entwicklungskooperation mit Hochschulen entwickelt wird, fokussiert deshalb auf unterschiedliche räumliche Qualitäten, eine große Flexibilität in der Entwicklung unterschiedlicher Baufelder und der Schaffung eines starken Bildes, das den Technologiepark in der Metropole Ruhr positioniert.
Der Gewerbepark besteht strukturell aus drei räumlichen Elementen:
Erstens aus dem “flexible backbone”, der mit dem Rücken zur umliegenden Bebauung steht, bestehende Projekte aufnimmt und durch einen großzügigen Park die bestehenden Biotope mit dem neuen Quartier verbindet.
Zweitens dem “high-dense” campus, der sich durch eine hohe Dichte und Mischung verschiedener Typologien auszeichnet. Er kann die Bedürfnisse zukünftiger Nutzer:innen optimal bedienen.
Drittens den “iconic buildings with a view”, die ein experimentelles Spielfeld für innovative Gewerbetypologien darstellen.
Jedes Element steht für ein eigenes Raumsystem. Dabei wird jeweils mit einer unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen eine maximalen Synergie aus räumlicher Qualität der Arbeitsumgebung, Natur, Ökologie und Klimawandelanpassung entwickelt.
Die unterschiedlichen Begabungen und Bereiche erlauben es, ein breites Spektrum an Firmen und Unternehmen mit unterschiedlichen Bedarfen anzusprechen.
Der Genius Loci, die Flughafennutzung, wird durch Erhalt wesentlicher Infrastrukturen (Rollbahnen, etc), die kräftigen Sichtachsen und die objekthaftenGebäuden auf dem ehemaligen Rollfeld weiterentwickelt. Nur so kann sich der Gewerbepark auf dem Flughafen von vielen anderen Entwicklungen in der Metropole Ruhr signifikant abheben.
Der Entwurf zeigt sich als neuen Vorschlag für ein Gewerbegebiet der Zukunft. Er bietet Potential dafür ein Ökosystem für unterschiedliche Arbeitsplätze zu schaffen. Dies wird durch eine Mischung an verschiedenen Gebäudetypologien und flexibel nutzbaren öffentlichen Räume ermöglicht, wodurch eine lebendige Nachbarschaft auch außerhalb traditioneller Arbeitszeiten entsteht.
Das Flughafengelände wird durch die Freiraumgestaltung zu einem Bindeglied bestehender Landschaftsstrukturen der Ruhrhöhen. Dabei werden vorhandene Biotope gestärkt und die Naturschutzgebieten Rumbachtal, Forstbachtal und Rossenbecktal integriert und hervorgehoben.
Wir haben uns von der früheren Gestaltung des Flughafengeländes in Form eines perfekten Kreises inspirieren lassen. Der Kontrast zwischen einer starken geometrischen Formensprache und der organischen Entwicklung der umliegenden Wohnbebauung bildet eine spannende Besonderheit des Ortes. Aus diesem ortsspezifischen Bild untersucht das Projekt, inwieweit eine geometrische Formensprache mit Spontanität verwebt werden können. Das Ergebnis dessen ist ein starres Raster aus Bäumen und Baublöcken, das durch organischere Formen von Wegen und öffentlichen Plätzen unterbrochen wird.
MOBILITÄT
Die drei Teilquartiere werden durch vier Verkehrsadern miteinander verbunden: Zwei Loops und zwei großzügigen Boulevards. Ein Loop bildet das Haupterschließungssystem, welcher den anfallenden PKW-Verkehr aufnimmt. Von dort werden ebenfalls die Mobility Hubs erschlossen, die die Stellplätze für das Gewerbe und die Büros aufnehmen sowie verschiedene Car- und Bike-Sharing Angebote inkludieren. Die umgenutzte Landebahn wird zum Discovery-Loop, der nur für Fuß- und Radverkehr zugänglich ist.
Die beiden großzügigen Boulevards sind ebenfalls nur für Fuß- und Radverkehr zugänglich und ermöglichen eine sichere und attraktive Verbindung in die Nachbarschaft.
QUALITÄT DER FREIRAUMPLANERISCHEN GESTALTUNG UND VERNETZUNG IM GEBIET (Landschaftliche Gestaltung und Vernetzung)
Der landschaftsarchitektonische und ökologische Vorschlag für das Entwicklungsgelände des Flughafens Essen-Mulheim basiert auf der Qualität und Kontinuität ökologischer Netzwerke im städtischen Umfeld im Wandel. Unser Entwurf schafft starke und widerstandsfähige Umweltbedingungen für Fauna und Flora und ist eine Antwort auf die wachsende Forderung nach einer stärkeren Einbeziehung der Natur in unsere Städte.
Wir schlagen einen Plan mit zwei verschiedenen Bezirken vor, die jeweils auf einer Gitterstruktur basieren und entsprechend ihrer Umgebung in der bestehenden städtischen Morphologie gedreht werden. Diese Bezirke werden durch vier Hauptverkehrsadern zu einer kohärenten Entwicklung zusammengeführt: die Mobilitätsschleife - die Hauptzufahrtsroute für Autos, die Entdeckungsschleife - ein Weg für langsamen Verkehr, der auf einer teilweise abgebauten Start- und Landebahn basiert, und zwei Durchgangsboulevards. Ein regelmäßiges Netz von Bäumen wird in das Grundstück projiziert und kontrastiert mit organischen Wegen, die ein unerwartetes Muster von öffentlichen Plätzen in verschiedenen Größenordnungen schaffen.
Die öffentlichen Räume sind ein wichtiger Bestandteil der Begrünungsstrategie und zeichnen sich durch verschiedene Lebensräume und die entsprechenden Vegetationstypen aus: feuchte Bereiche für zusätzliche Pufferkapazität, höhere Bereiche auf den Dächern, dichte Baumflächen, blühende Arten, Blumenwiesen. Die Randbereiche der stillgelegten Start- und Landebahn werden mit Pflanzenarten bepflanzt, um den verschmutzten Boden zu reinigen.
INKLUSION DER NATUR
Gewerbliche Nutzungen und Naturentwicklung ergänzen sich. Jedes Gebäude bietet den Nutzungen im Inneren optimale Bedingungen und gleichzeitig der Natur an den Fassaden, auf den Dachflächen und im Freiraum maximale Entwicklungsmöglichkeiten. Grundsätzliche sind naturbasierte Lösungen rein technischen Lösungen vorzuziehen, wo dieses möglich ist.
Ökologische Vielfalt in einem maximal durchgrünten Konzept sind dabei zum einen Selbstzweck mit Bezug auf Klimawandel und dem Umgang mit Hitzeschutz und Starkregen und zum anderen ein allgemeiner Betrag zur Artenvielfallt und CO2 – Reduktion die jedes neue Projekt leisten sollte. Auch im Bezug auf die Vermarktung des Gewerbeparks können sich Vorteile für die zukünftigen Nutzer ergeben: Stichwort ESG.
REGENWASSERMANAGEMENT
Jedes Dach dient der Regenwasserretention. Das Regenwasserrückhaltesystem erfüllt gleichzeitig mehrere Funktionen: Verzögerung des Regenwasserabflusses; mittelfristige Speicherung zur verbesserten Versorgung der Pflanzen und zum sommerlichen Vegetationsschutz. Denn nur Vegetation die ausreichend mit Feuchtigkeit versorgt wird, kann über Verdunstung zur Kühlung beitragen.
Das Wassersystem bietet auch eine Reihe von spezifischen Maßnahmen, die zur allgemeinen Resilienz des Standorts beitragen. So können z. B. öffentliche Plätze im südlichen Quartier der Großsiedlung als "Wasserplätze" dienen, die bei extremen Regenfällen zusätzliches Regenwasser speichern. Außerdem sind Regenwasserrückhaltebecken als Teil des grünen Puffers im Norden vorgesehen. Da die Versickerung von Wasser aufgrund der verschmutzten Böden nicht möglich ist, sind die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Speicherung, Verzögerung und Wiederverwendung von Regenwasser ein wesentlicher und gestaltgebender Bestandteil des Landschaftskonzepts.
NUTZUNGSKONZEPT (NUTZUNGSMÖGLICHKEITEN UND -FLEXIBILITÄTEN, FUNKTIONSZUORDNUNG)
Die Entwicklung ist in vier Stufen unterschiedlicher Größenordnungen aufgeteilt, um den verschiedenen Anforderungen zukünftiger Nutzungen gerecht zu werden. Die Mischung von Gebäudetypologien bilden einen innovativen Gewerbepark und ergmöglichen eine hohe Angebotsvielfalt für Unternehmen unterschiedlicher Branchen und Größen.
Nutzungen öffentlicher Räume, Typologien:
Die Mischung von Gebäudetypologien spiegelt sich in der Gestaltung des öffentlichen Freiraums wider. Jedes Teilquartier hat unterschiedliche Freiraumqualitäten: z.B. ein Pocket Park in der kleinen Bebauung, ein weitläufiger Campus Park im XL-Viertel, begrünte Dächer, kleinere Plätze und Innenhöfe in den mittleren und großen Teilquartieren. Die Multifunktionalität und die Flexibilität der vorgeschlagenen Lösungen laden die unterschiedlichsten Nutzer ein, die öffentlichen Räume nach ihren Bedürfnissen zu gestalten.
Innovationsbeitrag:
Unser Ziel ist es, einen innovativen Gewerbepark für die Zukunft zu schaffen, in dem Hightech-Gewerbe und die hohe Freiraumqualitäten der bestehenden Natur zusammenkommen.
Die Wechselwirkung von Gebäuden und Freiraum wird durch verschiedene Nutzungen gefördert: Zum einen durch den Einsatz von PV auf allen Dächern, die keine Nutzung als Dachterrassen haben, zum anderen durch Dachnutzungen als zusätzliche Vegetationsfläche in Form von extensiver und intensiver Dachbegrünung sowie die Schaffung von Lebenraum für Vögel, Fledermäuse und Insekten. Außerdem wird das aufgefangene Regenwasser zur Bewässerung wiederverwendet und die überschüssige Wärme aus dem Innenraum zur Beheizung kleiner Gewächshäuser auf vereinzelten Dächern genutzt werden.
Der neuentstandene Birdport kann somit zu einem innovativen Vorreiter für zukünftige Gewerbeparks werden. Er zelebriert die besondere Lage in direkter Nähe zu den Naturschutzgebieten, in dem durch Themen wie Vogelbeobachtung und weitere großzügige Angebote in der Freiraumgestaltung die Natur für alle Nutzer:innen erlebbar gemacht wird.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit bietet ein konsequent durchdachtes städtebauliches Konzept an, das neben einer gut gegliederten, weniger dichten Bebauung in der ersten Stufe vielfältige Nutzungsvarianten in der zweiten Stufe bietet. In der Summe verbindet der Entwurf Teilgebiete mit unterschiedlicher Dichte und Atmosphäre zu einem starken Bild für den Gesamtraum.

Dabei bilden sich schlüssig geordnete attraktive Räume, gerahmt und gegliedert durch großzügige und geschickt vernetzte Grünzüge. Besondere Qualität in stadträumlicher Hinsicht, aber auch und gerade für Artenschutz und Durchlüftung bietet der als Zäsur bzw. Abschirmung zur vorhandenen Wohnbebauung vorgeschlagene breite Grünbereich, der zudem eine großräumige Verbindung zum vorhandenen Umgebungsgrün herstellt.

Leider endet die Erschließungsstraße in der ersten Stufe wenig attraktiv mit einem Wendehammer in der Grünzone. Hier fehlt ein schlüssiger stadträumlicher Abschluss.

Der Erhalt identitätsstiftender Flughafengebäude wird begrüßt. Sie werden zum Ausgangspunkt für ein großzügiges Quartier mit innovativen Firmenstandorten. Deren ikonografische Formen- und Architektursprache deutet zwar vielfältige Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten an, vermag aber weder im städtebaulichen Konzept noch im Zusammenspiel mit der weiteren Flugplatznutzung zu überzeugen, ist jedoch substanzielles Element des städtebaulichen Rahmenkonzeptes und damit für die Umsetzbarkeit von wichtiger Bedeutung. Der Vorschlag, im zentralen Zugangsbereich zum neuen Quartier bzw. Stadtteil einen Einkaufs- und Parkplatzstützpunkt anzuordnen, wird in der Jury kontrovers diskutiert.

Wesentliche Anforderungen des Flugverkehrs wurden nicht berücksichtigt, so z.B. eine taugliche Verbindung von Empfangsgebäude und Flugfeld, erforderliche Sicherheitszonen, der notwendige neue Tower, ein zweiter und dritter Hangar oder eine schlüssige Einbindung von Hangar und Werft. Die verkehrliche Erschließung über den Beykozplatz und vorbei an den Bestandsgebäuden des Flughafens negiert den Grundstückszuschnitt der PitStop-Hauptverwaltung und wäre damit nur bei Abriss der Bestandsgebäude realisierbar. In der Stufe 1 ist am westlichen Ende der Erschließungsstraße eine Wendeanlage erforderlich; die Erschließung der südöstlichen vier Gebäude bleibt unklar. Die Arbeit bietet in der Gesamtschau einen guten Beitrag zur gestellten Aufgabe. Anerkennung finden der insgesamt innovative Planungsansatz wie auch die gut nachvollziehbaren Aussagen zu Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Die Aufrechterhaltung des Flugbetriebs würde substanzielle Anpassungen des Entwurfes voraussetzen.