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Einladungswettbewerb | 12/2022

Quartiersentwicklung Insterburger Straße in Dortmund

Übersichtsplan

Übersichtsplan

Anerkennung

Preisgeld: 8.000 EUR

arc.grün landschaftsarchitekten.stadtplaner.gmbh

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Identität, Nachbarschaft und Ökologie sind die Hauptmerkmale des Entwurfs.
Identität entsteht durch Erkennbarkeit und Unterscheidbarkeit des Wohnortes.
Der Sädtebau und die Gebäudetypen sind vorgegeben, so dass durch Transformation des Freiraums charakteristische Stadtbilder entstehen müssen, die dem Quartierbewohner:innen Verbundenheit mit ihrem Wohnort ermöglichen.
Die Analyse der städtebaulichen Struktur des Quartiers offenbart 3 unterschiedliche Nachbarschaftstypen.
Im Norden ist es die lineare Anordnung von Gebäuderiegeln, die sich zu einem gemeinsamen Freiraum öffen, der quasi als breite „Gasse“ identifizierbar ist. Südlich der Insterburger Straße die Winkelstrukturen, die sich durch punktförmigen Ergänzungsbauten und einem Parkdeck im Osten in 4 Hofsitutionen gliedern lassen und schließlich die schräggestellten Punkthäuser im Süden, die durch ihre ortogonalen Raumkanten Freiräume definieren, die jeweils zweien dieser Gebäude als Gemeinschaftsraum zuordenbar sind.
Der Entwurf hat die Zielsetzung diese gegebenen Nachbarschaftsräume zu entwickeln und so auszustatten, dass Begegnung und Aufenthalt neue Möglichkeiten des nachbarschaftlichen Zusammenlebens schaffen.
Die Insterburger Straße soll innerhalb des Quartiers eine andere Fahrbahnoberfläche erhalten, um dem Bewohner, wie dem Besucher gleichermaßen den Eintritt in das Quartier erfahrbar zu machen. Von außen kommend soll die Insterburger Straße nicht mehr den Charakter einer Durchfahrtsstraße ausstrahlen, sondern vergleichbar einer „Dorfstraße“ die räumliche Geschlossenheit des Quartiers vermitteln. Als Fahbahnoberfläche kann ein Pflasterbelag genausogut wie eine Fahbahnbeschichtung diese Aufgabe erfüllen. Der Verkehrsraum der Insterburger Straße kann auf die erforderliche Mindestbreite reduziert werden, so dass die Randbereiche diese Hauptachse im Quartier zum linearen Zentrum werden deren Raumkante sich im Bereich der südlich gelegenen Höfe weiten. Hier können Flächen entstehen deren Größe ausreicht, um Begegnungsräume, Spielmöglichkeiten und Klimaflächen für Grün und dezentrales Wassermanagement zu bieten. Die Verzahnung der Hauptachse mit den 4 Höfen der südlich angrenzenden Winkelstrukturen erlaubt Interaktionen, ohne dass die Intimität der Hof-Nachbarschaften verloren geht. Die Höfe werden individuell und unterscheidbar gestaltet, mit einem ausgewogenen Verhältnis von befestigten und multifunktional nutzbaren Oberflächen sowie Grünflächen für Freizeitaktivitäten, den Regenwasserrückhalt und für die Installation stadtökologischer Module.
Der Baumbestand als wichtiges Regulativ kleinklimatischer Verhältnisse wird als wertvolle Resource betrachtet, deren Erhalt maßgebend die Neugestaltung prägt. Das gilt auch für den nördlichen als „Neue Gasse“ bezeichneten Freiraum zwischen den in Ost-West- Richtung angeordeten Gebäuderiegeln. Die lineare Struktur wird durch die Belagsgestaltung hervorgehoben. Begleitet durch Grünflächen, die an die Gebäudekanten rücken, entsteht ein nachbarschaftlicher Gemeinschaftsraum, der im Quartier eine eigene Identität erzeugt. Die Parkierungsflächen wandern zwischen die Stirnseiten der Gebäude, so dass ein shared space entsteht, der den Bewohnern viele Nutzungsoptionen offenhält. Als verbindendes Strukturelement werden blühende Staudenbänder in den Freiraum eingewebt, die punktuell urban gardening Module in Form von Hochbeeten beinhalten können.
Die südlichen, zwischen den Punkthäusern entwickelten Nachbarschaften haben einen verhältnismäßig höheren Grünanteil, der sie mit den grünen Quartierrändern im Süden optimal vernetzt.
Zur Regenwassersammlung wird im südöstlichen Bereich des Planungsgebietes ein Retentionsteich angelegt. In diese Retentionsfläche wird letztlich sämtliches Oberflächenwasser eingeleitet, doch zuvor werden die Regenmengen in Rigolen, Mulden und Grabensysteme zurückgehalten. Dadurch wird ein verzögerter und reduzierter Abflus aus den Flächen erreicht, den der Retentionsteich bewältigen kann. Zum Wasserrückhalt werden in der Gasse aufgrund der beengten Platzverhältnisse hauptsächlich Rigolen eingesetzt. In der Insterburger Straße wird der Wasserrückhalt sichtbar inszeniert. Dort sollen Mulden und Gräben das Wasser bewirtschaften und reinigen, ebenso in den vier Höfen und in den Freiflächen nördlich der Punkthäuser. Die Mulden und Gräben sind so gestaltet, dass sie bei Trockenheit als attraktive Pflanz- oder Rasenflächen den Freiraum bereichern und für Freizeitaktivitäten nutzbar sind. Inwieweit Dachwasser in das Regenwassermanagement eingebunden werden kann muss im weiteren Planungsverlauf geprüft werden. In den Freiflächen ließen sich auch unterirdische Substratspeicher installieren, die quasi als Schwamm gereinigtes Oberflächenwasser aufnehmen und für die Sommermonate zur Bewässerung der Vegetation verfügbar halten.
Der Parkierungsbedarf der 410 Stellplätzen wird im gesamten Quartier abgewickelt, jedoch mit Schwerpunkten an den Quartierseingängen im Westen und Osten. Dort sind 2-geschossige Parkdecks mit begrünten Dachflächen vorgesehen, die Platz für 246 PKWs bereit halten. Die übrigen 164 benötigten Stellplätze werden ebenerdig im Quartier gleichmäßig in einer Weise verteilt, dass sie sich in die Freiraumstruktur verträglich einfügen. Bei einem möglichen Rückgang des Individualverkehrs, durch neue Mobilitätskonzepte können diese Stellplätze als erste zurückgebaut und in Grünflächen umgewandelt werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf setzt sich mit einer neuen identitätsprägenden Transformation des Quartiers durch die Freiräume auseinander. Diese werden als Motor für die Ertüchtigung der städtebaulichen Qualität im baulichen Bestand gesehen. Rückgrat dieses Konzepts ist die Insterburger Straße, die zu einem Shared Space mit Gehweg, gepflasterten Flächen und einer auf 5,5 Meter reduzierten Fahrbahn umgestaltet wird. Die Stellplätze werden aufgehoben und der fließende Verkehr wird quasi verteilt und zum Beispiel, auch als Shared Space ausgebildet, durch die nordöstlichen Wohnhöfe geführt.

Der neuen Funktion als Boulevard entsprechend wird die Insterburger Straße mit Stauden- und Gräser-Banketten sowie eingebetteten Sitzmöglichkeiten ausgestattet. Die südwestlich der Insterburger Straße gelegenen Gebäudegruppen werden durch Wohnhöfe mit großen Platzanteilen gestaltet. Sie bieten unterschiedliche Freiraumfunktionen und Spielangebote mit jeweils besonderen Themen an und ersetzen die Stellplatzanlagen, haben insgesamt aber einen für den Standort Huckarde einen zu urbanen Charakter.

Ein besonderes gestalterisches Merkmal des Freiraumkonzepts entlang der Punkthochhäuser am südwestlichen Rand des Quartiers ist die Verzahnung der Hauptachse durch eine winkelartige Verklammerung von immer zwei Gebäuden. Auf diese Weise sollen Nachbarschaftshöfe entstehen, die durch Sitzmauern gerahmt werden und in ihrem Inneren Stauden- und Gräserflächen beherbergen und die außerdem als Schwamm für die Aufnahme und Zwischenspeicherung von Regenwasser fungieren. Ebenso bieten sie teilbefestigte Flächen für multifunktionale Aktivitäten an.

Als Bruch nimmt die Jury die mangelnde Verzahnung des südöstlichen mit dem nordwestlichen Teil des Quartiers wahr. Das viergeschossige Gebäude auf der künftig als Quartiersmitte vorgeschlagenen Fläche schafft mehr „Hinterhof“- als „Vorgarten“- Charakter, teilt mehr als es zu verbinden vermag. Das bedauert die Jury, obwohl die Vonovia-Quartiersverwaltung dort richtig angesiedelt ist.

Als vollkommen falsches Signal wertet die Jury eine Versorgung mit Stellplätzen für den Individualverkehr in einer Überdimensionierung von insgesamt vier Parkdecks. Die Infrastruktur-Hubs mit Radstellplätzen und Abfallbeseitigung wirken deplatziert und mindern die Freiraumqualität.

Alle Grünflächen, öffentlich und halböffentlich, sind mit Retentionsmulden und Rigolen ausgestattet. Für diese wie auch die Baumpflanzungen wird ein technisch detailliertes Auffang-, Filter- und Speichersystem vorgeschlagen. Topografie und Gewässerzuführungen zu Roßbach und Emscher sind richtig durchdrungen. Am tiefsten Punkt des Wettbewerbsgebiets an der Waldkante wird ein Regenwasser Speicher-See vorgeschlagen, der anerkannt nachhaltig wirksam zur Verbesserung der Klimaanpassung beitragen kann (Zurzeit ist die am Waldrand liegende Fläche als öffentlicher Spielplatz ausgewiesen, jedoch nicht entsprechend ausgestattet).

Die hohe Qualität des Regenwasserkonzept steht leider in unverständlichen und krassen Gegensatz zum hohen Versiegelungsgrad der Flächen. Dennoch wird das wasserwirtschaftliche Konzept zur Klimaanpassung mit dem Speichersee von der Jury als beispielhaft anerkannt. Als Gesamtkonzept überzeugt der Entwurf das Preisgericht nur eingeschränkt.