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Award / Auszeichnung | 11/2022

Deutscher Verkehrsplanungspreis 2022

Willy-Millowitsch-Plat

Willy-Millowitsch-Plat

Nachhaltige Verkehrsentwicklung in der Ehrenstraße in Köln

DE-50672 Köln, Ehrenstraße

Anerkennung

Stadt Köln

Bauherren

Stadtplanungsamt der Stadt Köln

sonstige Fachplanung

scape Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Jung Stadtkonzepte

sonstige Fachplanung

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Landschaft und Freiraum, Verkehr

  • Projektgröße:

    keine Angabe

  • Status:

    In Vorbereitung

  • Termine:

Projektbeschreibung

Status Quo
Die Ehrenstraße ist eine der wichtigsten und attraktiven Einkaufsstraßen Kölns. Hier befinden sich hochwertige Geschäfte, die Straße wird von attraktiven Gebäudefassaden gerahmt.
Doch durch die jahrelange Nutzung als Erschließungsstraße wird die Ehrenstraße meist als gesichtsloser Durchgangsraum wahrgenommen. Der Fußverkehr wird in den viel zu schmalen Seitenraum gedrängt und es gibt keine Nutzungen im Freiraum und kaum Aufenthaltsqualität. Zusätzlich haben die Geschäfte durch die Folgen der Corona-Pandemie stark gelitten. Der Stadtraum muss sich neu erfinden!

Ziele
Mit der Umgestaltung der Ehrenstraße soll aus der ausdruckslosen Transferzone ein attraktiver Aufenthaltsraum entstehen. Es gilt, den öffentlichen Raum zu beleben und Platz für Freiraumnutzungen zu schaffen - für Gastronomie, Auslagen der Geschäfte und Veranstaltungen, ebenso wie für Orte zum Innehalten und zwangslosen Pausieren. Der Entwurf baut dabei auf dem Ergebnis des Beteiligungsprozesses auf, in dem eine „Wohlfühlstraße“ ohne Durchgangsverkehr, mit viel Grün und angenehmen Aufenthaltsflächen gefordert wird.
In der Folge soll der steinerne Stadtraum in einen grünen Boulevard für Fuß- und Radverkehr verwandelt werden. Die Straße leistet damit einen Beitrag zur Klimavorsorge und die Biodiversität in der Stadt wird erhöht. Darüber sollen Impulse der nachhaltigen Mobilität in Köln gesetzt werden.

Integration in übergeordnete Konzepte
Die Umgestaltung der Ehrenstraße geht auf den städtebaulichen Masterplan Innenstadt Köln (Albert Speer & Partner) zurück, in dem die Straße als wichtiger Potentialraum für die Innenstadtentwicklung identifiziert wurde. In der Fortschreibung des Masterplans wurde das Areal als „Lupenraum“ vertieft betrachtet und ein Konzept nicht nur zur Aufwertung der Straße, sondern auch der angrenzenden Stadträume erarbeitet. Aufbauend auf dieser Rahmenplanung ist in enger Kooperation von Stadt- und Verkehrsplanung ein übergeordnetes Radverkehrs- und Verkehrsberuhigungskonzept in die vorliegende Planung integriert worden.

Öffentlichkeits- und Politikbeteiligung
Statt auf einschlägige Informationsveranstaltungen zu setzen, war es Ziel des Beteiligungskonzepts, den Planungsprozess mit seinen Hintergründen und Motiven öffentlich zu vermitteln und die notwendigen Schritte im engen Dialog mit der Bezirkspolitik zu gehen. Die Corona-Pandemie stellte besondere Anforderungen an einen niedrigschwelligen und barrierefreien Onlinedialog.
Zu Beginn des Prozesses stand eine Information zu den Motiven einer verkehrlichen Umgestaltung. Darauf aufbauend folgte eine vierwöchige Befragung der Öffentlichkeit über ein Onlinetool des städtischen Beteiligungsportals. Die Anwohnerschaft im Viertel erhielten zusätzlich eine Postwurfsendung mit Link und Barcode zur Teilnahme an der Befragung. Die Fragen drehten sich um die aktuelle PKW- und Fahrradnutzung sowie um Wünsche, Anregungen und Qualitäten für eine zukünftige Innenstadt. Knapp 70% der Beiträge sprachen sich für eine Reduzierung des Autoverkehrs, mehr Grün und einen geordneten Radverkehr aus. Die Ergebnisse flossen unmittelbar in die verkehrsplanerische Variantenentwicklung ein, wurden mit der Bezirkspolitik in einem informellen Format des „Fachgesprächs“ diskutiert, anschließend durch einen Beschluss abgesichert und im Beteiligungsportal in allen Details transparent gemacht.
Im dritten Schritt folgte eine spezifische Befragung der Anwohnerschaft. Auch hier zeigte sich eine überraschend deutliche Zustimmung zur Reduzierung des Autoverkehrs und zu einem fuß- und radverkehrsgerechten Umbau der Ehrenstraße. Fachlich aufbereitet führten diese Ergebnisse zu einer belastbaren Planungsgrundlage und zu einer fundierten Entscheidungsgrundlage für die politischen Gremien.
Über die Synchronisation und Interaktion von Planung und Kommunikation ist eine spürbare Versachlichung des Prozesses gelungen. Diese grundlegende, auf Transparenz setzende Planungskultur hat den Diskurs mit den zivilgesellschaftlichen Gruppen konstruktiv geprägt und für Planungssicherheit bei der Stadt Köln gesorgt.

Entwurfskonzept
Heute kommt die Ehrenstraße als linearer, monofunktionaler Verkehrsraum daher. Mit der Neugestaltung werden die Kreuzungen in attraktive grüne Plätze und die Straße in einen baumbestandenen Boulevard verwandelt. Die Straße und die Plätze werden künftig als Fußgängerzone mit dem Zusatz „Fahrrad frei“ ausgebildet.
Am Willy-Millowitsch-Platz erhält die Ehrenstraße einen abwechslungsreichen Auftakt, der Platz wird als einheitliche Platzfläche angelegt. Das Zentrum des Platzes erhält eine besondere Qualität: Dieser Ort soll als Pocket-Park neugestaltet werden. Der Pavillon wird dafür in eine wassergebundene Decke eingebunden, an den Seiten werden großzügige Grünflächen ausgebildet. So kann die Tiefgarageneinfahrt kaschiert werden, der stadtbildprägende Bestandsbaum erhält genügend Platz und es kann ein Spielplatz in die Grünanlage eingebunden werden. Ein Trinkbrunnen erhöht die Aufenthaltsqualität. Insgesamt entsteht ein großzügiger Platz mit einer einzigartigen Adresse, der Raum für vielfältige Aneignung bietet.
Ausgehend vom Willy-Millowitsch-Platz erhält die Ehrenstraße ein neues Gesicht. Ein einheitlicher Pflasterbelag erstreckt sich von Hauskante zu Hauskante und schafft einen zusammenhängenden Straßenraum. In der Mitte der Straße wird ein 4m breiter Teppich hervorgehoben, hier können die Fahrräder fahren und eilige Fußgänger*innen unterwegs sein, während der Streifen vor den Geschäften zum Flanieren einlädt und Platz für Bänke, Fahrradabstellanlagen, Auslagen der Geschäfte und Gastronomie anbietet.
Der neue Boulevard wird beidseitig von Bäumen gesäumt. Diese stehen nicht, wie bei Straßen üblich, in Reih und Glied, sondern sind locker über den Straßenraum verteilt. So entsteht ein besonderes, lebendiges Straßenbild. Einerseits wird die Linearität der Straße gebrochen und es entstehen spannende Aufenthaltsräume, andererseits eröffnet die lockere Baumstellung die Möglichkeit, flexibel auf Leitungen und Schächte im Untergrund zu reagieren. Die Straße soll nicht mit einer einheitlichen Baumart bepflanzt werden, sondern es wird eine bunte Mischung aus unterschiedlichen Gehölzen kreiert, um die Straße zusätzlich zu beleben. Die Bestandsbäume bleiben erhalten und werden, wie selbstverständlich, in das Straßenbild integriert.
An der Kreuzung Pfeilstraße / Alte Wallgasse entsteht ein weiterer Platz. Der Teppich in der Mitte der Straße wird hier unterbrochen und dem Radverkehr so signalisiert, dass mit querenden Fußgänger*innen zu rechnen ist. Analog zum Willy-Millowitsch-Platz erhält auch dieser Platz eine grüne Mitte, einen kleinen Pocket-Park. Die grüne Insel wird als Hochbeet ausgebildet und an den Rändern mit langen Sitzauflagen ausgestattet. Ein Fontänenfeld soll den Platz zusätzlich beleben, außerdem ist ein weiterer Trinkbrunnen vorgesehen.
Im weiteren Verlauf in Richtung Friesenwall wird die Ehrenstraße als grüner Boulevard fortgesetzt, um an der Kreuzung Friesenstraße wiederum in einen kleinen Platz zu münden. Auch hier wird die Mitte des Platzes mit einer kleinen grünen Insel markiert. Über den Platz läuft die Fahrradstraße Friesenwall, die deutlich aufgewertet wird.
Der letzte Abschnitt der Ehrenstraße zwischen Friesenwall und Hohenzollernring erhält dann wieder einen Boulevardcharakter, hier weitet sich der Straßenraum deutlich auf und es entsteht ein großzügiger Raum, der genügend Platz für Gastronomie bietet und zum Ring eine attraktive Adresse für die Ehrenstraße ausbildet.

Klima- und Nachhaltigkeitskonzept
Mit der Ehrenstraße soll ein innovativer Straßenraum entstehen, der neue Maßstäbe in der nachhaltigen Gestaltung des öffentlichen Raumes setzt. Deshalb wird die Straße intensiv begrünt, neben vielfältigen Baumpflanzungen entstehen im Zentrum der Plätze jeweils Pocket-Parks - grüne Inseln, die mit Gehölzen und blühenden Stauden bepflanzt werden. Es werden vornehmlich Pflanzen verwendet, die dem Klimawandel standhalten und als Bienenweide die Stadtnatur stärken.
Eine wichtige Rolle im Klima- und Nachhaltigkeitskonzept spielt das Wassermanagement. Das Regenwasser soll nicht mehr über die Kanalisation abgeleitet, sondern den Bäumen zugeführt werden. Dafür werden große Teile des anfallenden Regenwassers gesammelt und in „Baumrigolen“ unter den Bäumen und in den Pocket-Parks gespeichert. Dadurch werden die Gehölze auch in Trockenperioden mit Wasser versorgt, was einerseits der Baumgesundheit zugutekommt, andererseits eine hohe Verdunstung auch an heißen Tagen ermöglicht – der Kühleffekt wird deutlich gesteigert und damit ein effektiver Beitrag zur Klimaanpassung geleistet. Normalerweise verbleibt das Wasser vollständig in den Rigolen, nur bei starkem Regen wird überschüssiges Wasser in die Kanalisation abgegeben. Der Ablauf erfolgt in diesem Falle verzögert, Hochwasserspitzen werden vermieden. Bei der Konstruktion der Rigolen soll auf regionale Baustoffe zurückgegriffen werden, soweit möglich wird kein Plastik verwendet.
Im Zusammenspiel von Bepflanzung und Regenwasserbewirtschaftung wird das Stadtklima auf besonders effektive Art und Weise positiv beeinflusst. Das Fontänenfeld sorgt zusätzlich für Abkühlung.

Mobilitätsstrategien, Sharing- und stadtverträgliche Logistiklösungen
Durch die Umwandlung der Straße in eine Fußgängerzone mit einer Freigabe des Radverkehr, die gute Anbindung an den ÖPNV, Car-Sharing, die Integration der Fahrradstraße Friesenwall und die Ausstattung der Straße mit Nahmobilitätszonen (Fahrradabstellanlagen, Leihfahrräder und E-Scooter, Flächen für (Leih-) Lastenräder) wird ein nachhaltiges Verkehrsangebot eröffnet. Die Nahmobilitätszonen dienen auch der Anlieferung der Geschäfte auf der letzten Meile mit Cargo Bike Logistik.

Ausstattung / Materialität / Vegetation
Ein durchgängiges Material- und Ausstattungskonzept verleiht der Ehrenstraße eine besondere Adresse. Es wird ein lebendiger Pflasterteppich ausgebildet, der sich diagonal von Hauskante zu Hauskante erstreckt. So werden die beiden Straßenseiten zusammengeführt und der Linearität der Straße entgegengewirkt. Zwischen den Plätzen wird in die Mitte der Straße ein vier Meter breites Band mit einen in Reihen verlegten Betonstein ausgebildet. Diese Zone definiert den Bereich, den der Radverkehr befahren soll und markiert die Grenze für Auslagen und Außengastronomie.
Für die Bepflanzung werden klimaresistente, insektenfreundliche Bäume verwendet. Eine Mischung aus Blütenbäumen und Gehölzen mit unterschiedlich ausgeprägten Kronen sorgt für ein lebendiges Straßenbild. Die grünen Inseln auf den Plätzen sollen zusätzlich mit stadtverträglichen Stauden bepflanzt werden. Auch hier wird darauf geachtet, dass die Pflanzen als Bienenweide fungieren.
An den Rändern der Straße werden Bänke platziert, Nahmobilitätszonen schaffen Abstellmöglichkeiten für Fahrräder, Lastenräder und E-Scooter. Zusätzliche Sitzmöglichkeiten werden an den Pocket-Parks in Form von Holzdecks angeboten. Durch ein Fontänenfeld am Platz Pfeilstraße / Alte Wallgasse und mehrere Trinkbrunnen wird die Straße zusätzlich belebt.
Prozessbegleitende Maßnahmen
Es ist geplant, in 2023 die Bauplanung abzuschließen und mit dem Umbau der Ehrenstraße ab 2024 zu beginnen. Begleitend zum ersten Beteiligungsprozess wurden auf der Straße „Stadtterrassen“ aufgestellt, begrünte Parklets mit Sitzelementen. Im Frühjahr 2022 wurde die Straße im Rahmen eines Verkehrsversuches für den MIV gesperrt, gleichzeitig wurde ein Konzept zur temporären Aufwertung der Straße erarbeitet: An den zukünftigen Plätzen sollen „Microparks“ die Qualitäten der künftig grünen Straße und der Pocket-Parks vorab erfahrbar machen. Die temporäre Straßengestaltung wird Anfang 2023 umgesetzt und mit Fortschritt der Baumaßnahme schrittweise zurückgebaut.

Fazit
Mit der Neugestaltung der Ehrenstraße entsteht ein Stadtraum neuen Typs, der als Pilotprojekt den innerstädtischen Straßenraum der Zukunft erproben will: Eine „Wohlfühlstraße“, die attraktiven Aufenthaltsraum für die Bevölkerung bietet, nachhaltige Mobilitätsformen fördert und auf innovative Art und Weise positive Impulse für das Stadtklima, die Stadtnatur und das urbane Wassermanagement setzt.
Lageplan

Lageplan

Mobilitätskonzept

Mobilitätskonzept

Nutzungskonzept

Nutzungskonzept

Ökologie- und Klimakonzept

Ökologie- und Klimakonzept

Baumrigolen

Baumrigolen

Detailplan

Detailplan

Pfeilstraße

Pfeilstraße

Detailplan

Detailplan

Ehrenstraße

Ehrenstraße