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Werkstattverfahren | 02/2023

Neugestaltung des Rathausplatzes in Herford und Ideenfindung für die angrenzenden Flächen

Blick über den Rathausplatz Richtung Münsterkirche

Blick über den Rathausplatz Richtung Münsterkirche

1. Rang

TGP Landschaftsarchitekten Trüper Gondesen und Partner mbB

Landschaftsarchitektur

werk3 architekturvisualisierungen

Visualisierung

Erläuterungstext

Erläuterungstext Neugestaltung Rathausplatz Herford

Der Münsterkirchplatz und Rathausplatz als Kristallisationspunkt in Herford
Inmitten des baulichen Ensembles aus Rathaus, Markthalle und Münsterkirche liegt die Platzfolge aus Rathausplatz und Münsterkirchplatz. An diesem Kristallisationspunkt in der Herforder Innenstadt begegnen sich die verschiedenen Facetten des Stadtlebens aus Kirche, Politik und Verwaltung, Märkten und Gastronomie sowie Konzerten und Veranstaltungen. Gleichzeitig sind Münsterkirchplatz und Rathausplatz Mittelpunkt zwischen historischer Innenstadt, dem Museum Marta und dem Naherholungsraum an der Aa.
Im Wettbewerbsgebiet befindet sich der ´geistige Raum´ aus Münsterkirche, Wolderuskapelle, Kantorhaus und Archäologischem Fenster und der ´weltliche Raum´ aus Rathaus und Markthalle. Geprägt von verschiedenen Baustilen und bestimmt von unterschiedlichen Nutzungsanforderungen unterscheiden sich die beiden Räume und finden gleichzeitig in einer großartigen Platzfläche zwischen Münsterkirche, Rathaus und Markthalle zusammen.
Der vorliegende Entwurf arbeitet dementsprechend die jeweiligen Qualitäten des Münsterumfelds sowie des Ensembles Rathaus und Markthalle heraus und verbindet gleichzeitig beide Bereiche durch einen einheitlichen Pflasterbelag. Die Straße am Münsterkirchplatz ist die feine Zäsur, ablesbar in der Pflasterausrichtung zwischen den beiden Bereichen.
Der Gesamtraum ist langfristig als Fußgängerbereich konzipiert. Dem Fußgänger zwischen dem Erschließungsring ´Auf der Freiheit´ und der Elisabethstraße Vorrang zu geben und die Befahrung nur temporär für Anlieferung, Rettungsfahrzeuge und Marktbeschickung zuzulassen, ist die Voraussetzung für einen lebendigen und vielseitig bespielbaren Stadtraum mit einer hohen Aufenthaltsqualität.

Umfeld Münsterkirche
Die vorhandene und geplante Gestaltung des Münsterkirchplatzes, der Wolderuskappelle und des Archäologischen Fensters werden aufgegriffen. Der Entwurf schreibt an der Straße ´Auf der Freiheit´ die Gestaltung des Münsterplatzes als ein Entree zur Innenstadt fort und formuliert hier einen Eintritt in das Kirchenumfeld von Norden. Amorphe Pflanzflächen integrieren die Bestandsbäume und werden von flankierenden Sitzbänken gefasst. Es entsteht eine innere Platzfläche mit Ausrichtung auf das Archäologische Fenster.

Verbindungsachse Marta Herford in die Innenstadt
Die Straße am Münsterkirchplatz ist Zäsur zwischen Umfeld Münsterkirche und Rathausensemble. Auf dieser Achse bewegt sich der Stadtbesucher von der Innenstadt über den Rathausplatz zum Kunstmuseum Marta. Diesem Ansatz folgend platziert der Entwurf die Skulpturen aus dem Projektgebiet neu und ordnet das Frieda-Nadig-Denkmal und das Stadt-Stift-Denkmal entlang der Verbindungsachse Marta Herford an.

Grüner Vorplatz Rathaus
Während die Neugestaltung des Rathausplatzes den originären Entwürfen Paul Kanolds folgt, ist für das nördliche Vorfeld an der Straße ´Auf der Freiheit´ ist ein neuer Ansatz aufzustellen und die vorhandenen Stellplätze sind zugunsten eines repräsentativen Vorplatzes für das Rathaus in Frage zu stellen, Es ist ein Ersatz in der Tiefgarage des Sparkassengebäudes zu schaffen und eine Übergangszeit einzuräumen, bevor alle Stellplätze im Umfeld des Rathauses aufgegeben werden.
Langfristig sieht der vorliegende Entwurf einen grünen repräsentativen Vorplatz des Rathauses als Pendant zum funktionellen steinernen Rathausplatz vor. Das Kioskgebäude ´Blauer Klaus´ als Parkcafé ist Ausgangspunkt für eine räumliche Fassung des Rathausvorfelds mittels der niedriggesetzten Bestandshecke, einer Staudenpflanzung und begleitenden Sitzbänken. Das Parkcafé ist gleichzeitig Bindeglied zur Verbindungsachse Marta Herford. Ein mittiges Rasenparterre mit den Bestandsplatanen bildet ein angemessenes Vorfeld zum Rathaus. Im Vorfeld der Eingänge sind eine Umfahrt für die Anlieferung und Rettungsfahrzeuge sowie Fahrradbügel, Behindertenstellplätze, Stellplätze für Dienstfahrzeuge und Müllcontainer vorgesehen.

Der Rathausplatz als Stadtbühne von Herford
Der Rathausplatz ist als gestaltete Freifläche mit dem Bau des Rathauses und der Markthalle entstanden und wird nach Osten durch das Portal der Münsterkirche begrenzt. Während ein einheitlicher Belag aus dem vorhandenen und ergänztem Grauwacke-Kleinpflaster Rathausplatz und Münsterkirche zusammenfassen soll, formulieren zwei neue Baumgruppen eine räumliche Zäsur. Der Übergang im Stadtraum ist fließend und doch gleich einem geöffneten Vorhang getrennt. Die Baumgruppen gehen auf den ursprünglichen Entwurf des Rathaus Architekten Paul Kanold zurück. Er hat diese räumliche Zäsur ebenfalls vorgesehen.

Der Rathausplatz selber wird von einer rechteckigen Platzintarsie aus dem vorhandenen Basalt-Kleinpflaster definiert. Sie ist auf das bauliche Ensemble, die Fahnenträger und erweitert auf die Westfassade der Münsterkirche ausgerichtet.
Diese freigehaltene Platzmitte ist Bühne für das Herforder Stadtleben!
Gastronomie, Wochenmärkte, Feste und Konzerte können hier stattfinden. Die Platzfläche ist eben, befahrbar und mit der notwendigen Infrastruktur aus versenkbaren Versorgungspollern ausgestattet. Ein mittiger Lichtmast mit einzelnen Strahlern leuchtet die unterschiedlichen Veranstaltungen aus.

In den erweiterten Randbereichen des Platzes insbesondere auf der besonnten Rathausseite schafft der Entwurf mit Bänken, der Freistellung des historischen Brunnens und einer großen Informationstafel zur Geschichte des Ortes eine neue Aufenthaltsqualität. In der Sonne oder beschattet von den Platanen bieten vier lange Sitzbänke Möglichkeit des Verweilens und Ausblick auf das mittige Platzgeschehen.
Die digitale Informationstafel soll interaktiv die Besucher über die Geschichte des Ortes als Ursprung von Herford, Damenstift, Industriestandort, Ort der Deportation von Juden, Sinti und Roma während es Nationalsozialismus und seine heutigen Angebote aus Rathaus, Markthalle und Münsterkirche informieren.

Das Bestandspflaster aus Basalt mit einer Größe von 11x11cm wird neu in der Passé verlegt und eine umlaufende Muldenrinne aus Einzelelementen von 120x30cm bildet einen barrierefreien Übergang zu der umgreifenden Platzfläche aus Grauwacke-Kleinsteinpflaster. Hier wird das vorhandene regionaltypische Pflaster aus dem Vorfeld der Münsterkirche als gesägt geflammtes und barrierefreies Material fortgeführt. Die Eingangsbereiche von Markthalle, Touristen-Information und Rathaus werden von großformatigen Natursteinplatten aus Grauwacke 60x30cm betont.
Die Bestandsplatanen als Teil des Kanschen Entwurfs werden an ihrer Fehlstelle im Osten um einen Baum ergänzt. Ihr Kronentraufbereich wird entsiegelt und als offene wassergebundene Wegedecke ausgebildet. Gleichzeitig kann dieser Bereich als erweiterte Baumgrube zur Optimierung der Baumstandorte ausgebildet werden. Dem Prinzip der Schwammstadt folgend sieht der Entwurf raintanks vor, die das gesamte Regenwasser der Platzflächen und optional der Dachflächen aufnehmen und für die Bewässerung der Bäume zurückhalten.

Der Schlitz
Der neue Rathausplatz möchte selbstverständlicher Teil des baulichen Ensembles aus Rathaus, Markthalle und Münsterkirche sein. Gleichzeitig soll ein Hinweis auf die vorangegangene Zeitschichten des Ortes als Friedhof und Industrieareal gegeben werden. Ausgerichtet auf die Westfassade der Kirche befand sich auf dem heutigen Rathausplatz ein Friedhof und später ein Kanal mit Wasserturbine zur Energiegewinnung. Fundamente sind noch unter dem Platz vorhanden.
Die mittige Platzintarsie ist Spiegel des heutigen Stadtlebens und Fenster zur Historie des Ortes. Gleich einem Schnitt öffnen wir die Platzfläche und der entstehende Schlitz ist symbolische Öffnung zu den tieferliegenden Zeitschichten.
Die Ausrichtung des Schlitzes folgt der übereinstimmenden Anordnung des ehemaligen Friedhofs und des Wasserkanals zwischen Aa und Bowerre. Großformatige Formsteine aus Basalt formulieren den 16m langen und mittig 40cm breiten linearen Schlitz. In wechselnden Bildern steigt aus der mittigen Öffnung ein wellenförmiger Wasservorhang begleitet von leichtem Nebel auf. Für Kinder ist das Wasserspiel in den warmen Sommermonaten ein aufregender Spielbereich und selbstverständlicher Anlaufpunkt auf dem Rathausplatz. Bei Veranstaltungen kann die bodenebene Intarsie überfahren und bespielt werden.
In den Abendstunden bildet das illuminierte Wasserspiel als leuchtender Schlitz einen herausragenden Akzent im Stadtraum.
Die ausgeleuchteten Fassaden, Platanenreihen und Baumgruppen sowie Sitzbänke schaffen in den Abendstunden eine stimmungsvolle Atmosphäre. Der Lichtmast taucht den Platz in ein gleichmäßiges Licht zur Gehsicherheit der Nutzer.

Im Dialog zum Alten Markt, Neuen Markt und Gänsemarkt wird der neugestaltete Rathausplatz als repräsentative und vielseitig bespielbare Stadtbühne verstanden. Sitzbänke, Wasserspiel und Gastronomie sind für Bürger und Gäste der Stadt täglicher Anlaufpunkt. Die freie Platzmitte wird inmitten der Kulisse aus Markthalle, Rathaus und Münsterkirche zum einmaligen Veranstaltungsort für Märkte, Stadtfeste und Konzerte.

Beurteilung durch das Preisgericht

Zentrale Idee des Entwurfes ist, das gesamte Planungsgebiet über einen einheitlichen Belag aus Grauwacke zu verbinden, wobei der eigentliche Marktplatz aus einem Teppich aus dem vorhandenen Basaltpflaster akzentuiert wird. Der Teppich ist wohltuend proportioniert und bezieht sich richtigerweise symmetrisch auf die beiden Postamente. Die Adressbildung der Gebäudeeingänge und Zuwegungen wird durch großformatige Linien aus Grauwackeplatten subtil unterstützt. Die vorgeschlagenen ruhig ausgestalteten Beläge im Zusammenspiel mit den bestehenden und neuen Grünflächen binden den Rathausplatz in selbstverständlicher Weise in den städtebaulichen Zusammenhang ein. Die locker gestellten beiden Baumgruppen zwischen Münster und Rathausplatz folgen dem Duktus der Baumpflanzungen der Bäume in der Achse zum MARTa und greifen im Übrigen den historischen Entwurfsgedanken des Architekten des Rathauses auf. Sie unterstützen die Raumbildung des Rathausplatzes und inszenieren den Blick auf das Münster ohne ihn zu verstellen. Ein Vorschlag der auch aus Bau- und Bodendenkmalsicht mitgetragen wird. Die Idee die verschiedenen Zeitschichten auf dem Platz sichtbar zu machen und die Bodendenkmale zu würdigen, wird gelungen durch den „Schlitz“ umgesetzt. Ein Wasserspiel aus Fontänen und Nebeldüsen wird ein die Aufenthaltsqualität steigernder Anziehungspunkt werden, der zudem einen wertvollen Beitrag für das Kleinklima leisten kann. Seine technische Ausgestaltung im Hinblick auf die Bodendenkmalanforderungen und Unterhaltungskosten ist dabei sorgfältig zu prüfen und auszuarbeiten. Begrüßt wird der Vorschlag auch die Parkplätze im Norden des Parkhauses aufzugeben zugunsten einer attraktiven Grünanlage, die dem Charakter des Ortes entspricht. Wünschenswert wäre eine Durchgängigkeit parallel zur Straße „auf der Freiheit“. Die Grünfläche nördlich des Archäologischen Fensters ist richtig positioniert und dimensioniert. Im Hinblick auf die soziale Kontrolle wird die Fläche jedoch teils kontrovers diskutiert und sollte offener gestaltet werden. Insgesamt stellt die Arbeit einen sehr tragfähigen und sehr gut realisierbaren, wohltuend ausbalancierten Entwurfsansatz dar, der den Rathausplatz und sein Umfeld in überzeugender Weise inszeniert, eine Marktnutzung genauso wie größere Veranstaltung erlaubt und einen besonderen Ort hoher Aufenthaltsqualität schafft.
Lageplan

Lageplan

Umgebung des Ensembles

Umgebung des Ensembles

Details

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Schnitte

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