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Nichtoffener Wettbewerb | 03/2023

Landesgartenschau Ulm 2030

Park am Blaubeurer Tor

Park am Blaubeurer Tor

3. Preis

Preisgeld: 35.000 EUR

A24 Landschaft

Landschaftsarchitektur

orange edge - Integrierte Stadt- und Verkehrsplanung

Stadtplanung / Städtebau

Erläuterungstext

PARKBAND GLACISPROMENADE LANDESGARTENSCHAU ULM 2030

TRANSFORMATION DES STADTRAUMS
Die Bundesfestung Ulm aus dem 19. Jahrhundert, eine der größten Festungsanlagen in Europa, prägt nach wie vor die Stadtstruktur. Während noch weithin sichtbar die Wilhelmsburg im Norden über der Stadt thront, liegen die verbliebenen Relikte des mehrfach geschliffenen Festungsrings ohne räumlichen Zusammenhang verstreut im Stadtraum. Das vorgelagerte Glacis zieht sich als massive Zäsur durch den Stadtraum und umschließt ringförmig die Städte Ulm und Neu-Ulm beiderseits der Donau. Die städtebauliche Leerstelle wurde jedoch seit den 1950er Jahren mehr und mehr durch eine raumgreifende Verkehrsinfrastruktur überformt und hat die geschichtsträchtigen Monumente stark an den Rand gedrängt. Das westliche Glacis wird durch die autobahnähnliche Trasse der B10 geprägt. Eine Neuprogrammierung dieses zerschnittenen Stadtraums zu einem verbindenden Grünzug mit Aufenthaltscharakter lässt sich nur gemeinsam mit einem zukunftsfähigen Verkehrskonzept lösen.

DURCHGEHENDER GRÜNZUG ALS NEUINTERPRETATION DES WESTGLACIS
Ein Ziel ist, die noch erhaltenen Teile der Bundesfestung, wie Mauerkronen und Stadttore, wieder sichtbar im Stadtraum zu verankern und stärker miteinander in Beziehung zu setzen. Wir schlagen dazu nicht eine historische Rekonstruktion vor, sondern eine freie Neuinterpretation mit zeitgenössischen Mitteln, die sich klar von den historischen Fragmenten abhebt. Das topografische Thema und die baulich-konstruktiven Grundprinzipien der breiten Glacisanlagen mit Wällen, Gräben und Mauern, die im nördlichen Bereich rund um die Wilhelmsburg noch gut erfahrbar sind, werden aufgegriffen und in abstrahierter Form als neuartiges Gestaltungsprinzip für den gesamten Grünzug von der Kienlesbergbastion bis zur Donau entwickelt. Die starke Überformung der Landschaft mit den großmaßstäblichen Eingriffen wird auf den menschlichen Maßstab zu einer subtilen Topografie herunterskaliert. Die bauliche Tektonik bewahrt sich eine gewisse Rauigkeit und Sperrigkeit. Dadurch entsteht jedoch ein stringentes Gestaltungselement mit hohem Wiedererkennungswert. Es entsteht ein spannungsvolles Verhältnis zwischen weichen Bodenmodellierungen und harten Bruchkanten. Je nach Standpunkt und Blickwinkel wechseln die Raumeindrücke zwischen gebauter Urbanität und sanftem Grün. Die Mengen an Bodenauf- und Abtrag werden ausgleichend bilanziert, der Unterbau kann durch recyceltes Abbruchmaterial ergänzt werden.
Bewusst gesetzte Platzräume verspannen den Park mit den angrenzenden Stadtquartieren und schaffen urbane Schwerpunkte innerhalb des Grünzugs. Vom Mobilitätshub am Ehinger Tor, dem Ort mit der größten Urbanität an der B10, nimmt die Intensität des Grüns nach Süden und Norden stetig zu. Die baulichen Relikte, wie das Blaubeurer Tor oder die Mittelbastion werden wieder freigestellt und als zentrale Stadteingänge in einen übergeordneten Freiraumbezug eingebunden.
Die im derzeitigen Zustand isoliert liegenden Grünflächen und Parks werden intensiviert und zu einem durchgehenden Grünkorridor verbunden. Erst durch den Rückbau der Verkehrsinfrastrukturen auf ein erträgliches Maß kann der Grünraum als zusammenhängendes Kontinuum entwickelt werden. Die Bestandsgehölze werden überwiegend erhalten, insbesondere die Schwarzkiefer als Leitbaumart der Bundesfestung, und gezielt um neue klimaangepasste Baumarten ergänzt.

NEUE GLACISPROMENADE
Die Glacispromenade wird als abgesetztes Wegeband aus hellem Asphalt mit mineralischer Abstreu ausgebildet. Die Gesamtbreite von 5m unterteilt sich in einen 2m breiten Flanierstreifen für langsamen Fußverkehr und einen 3m breiten Mobilitätsstreifen für schnellere Fortbewegungsarten wie Fahrrad und E-Scooter. Der geknickte Wegeverlauf greift das Thema der kantigen Festungstypologien auf und verleiht der Promenade genügend Kraft, um sich gegenüber den angrenzenden, heterogenen Stadträumen behaupten zu können. An den Knickpunkten weitet sich die Promenade immer wieder zu kleinen Auftaktsituationen auf.
Zusätzlich zu den vorhandenen historischen Fragmenten, die die Spur der ehemaligen Befestigungslinie andeuten, wird ein neues skulpturales Promenadenband eingeführt, das sich lose durch das gesamte Westglacis zieht und so einen gestalterischen Zusammenhang herstellt. Durch die zeitgemäße Formensprache setzt es sich klar von den historischen Strukturen ab. Selbstbewusst und manchmal auch sperrig prägt das Promenadenband den Charakter des neuen Grünzugs und führt ihn zu einer Gestalteinheit zusammen. Die Materialität aus rauen Betonelementen vermischt mit hellen Zuschlägen aus Weißjura verweist auf die Materialität der bestehenden Festungsarchitektur aus Kalkstein von den Steinbrüchen des nahen Blautals. Das skulpturale Band wird zum vielfältig nutzbaren Freiraumobjekt – es ist bespiel- und bekletterbar, dient als Sitzkante oder Liege.

ABSCHNITT SÜD URBANER STADTPLATZ AM EHINGER TOR
Das Ehinger Tor wird ins Zentrum einer großzügigen, straßenübergreifenden Platzfläche gestellt, die den linearen Stadtraum quer verspannt und die Beziehung zur Innenstadt stärkt. Die Reduzierung der Fahrbahnen und Straßenbreiten ermöglicht eine engere Zusammenführung beider Platzhälften. Die Wegebeziehungen durch das Tor werden stärker herausgestellt und verankern das Gebäude als wichtigen Kotenpunkt im Stadtraum. Die angrenzende ÖPNV-Mobilitätsdrehscheibe bleibt unverändert und wird einschließlich der großmaßstäblichen Überdachung in das Platzgefüge eingebunden.
Der großformatige Belag aus Ortbetonsegmenten bindet den Platz in die Haptik und Materialität der Glacispromenade ein und schafft ein markantes Fugenmuster. Verbreiterte, begrünte Fugen und perforierte Bodenplatten schaffen einen zusätzlichen Retentionsraum, bei dem das anfallende Regenwasser in einer Zisterne unterhalb des Platzes gesammelt und zur Bewässerung der Gehölze und Grünflächen aufbereitet wird.
Einzelne Platzkanten falten sich zu Baumstandorten auf oder klappen nach unten und formen ein kleines Wasserbecken aus. Sie führen das Motiv der bewegten Topografie auf der Platzfläche fort. Ein lockeres Baumdach überspielt die Platzfläche und bindet die ansonsten sehr mineralisch gehaltene Platzfläche optisch in den Grünzug ein. Gerade in den heißen Sommermonaten wird für ausreichend schattige Aufenthaltsbereiche gesorgt und der Aufheizung der Innenstadtquartiere entgegenwirkt. Der steinerne Platz am Ehinger Tor geht in einen grünen Platz vor dem Hans und Sophie-Scholl-Gymnasium über. Durch die Neuorganisation des Straßenraums kann insbesondere in diesem Abschnitt der B10 der Anteil an zusammenhängenden Freiflächen signifikant erhöht werden. Die derzeit raumgreifenden Stellplatzanlagen werden in zwei Parkpaternostern komprimiert und erlauben so die Neuprogrammierung der Außenflächen als Teil der angrenzenden Parkanlagen. Der Grünanteil wird stark erhöht. Die Größe der Fläche schafft eine Art zweiten Arm des Glacisgrünzugs, der das Konglomerat aus Schule und Martin-Luther-Kirche inselartig einbindet. Die aufgekanteten Wiesentopografien schirmen den Straßenraum optisch ab und schaffen einen introvertierten Vorplatz vor der Schule. Kleine Aufenthaltsbereiche mit Tischtennis, Sitzelementen und Fitnesselementen lagern sich an den Rändern der Wiesenschollen an und sorgen für erweiterte Pausenflächen und Treffpunkte in den Nachmittagsstunden.

ABSCHNITT SÜD EHINGER ANLAGEN UND DONAUBASTIAN ALS SÜDLICHER ABSCHLUSS
Die Kleinen und Großen Ehinger Anlagen bilden den südlichen Abschluss des Grünzugs und führen bis an die Hangkante zum tiefer liegenden Donauufer. Die Querung der Bahngleise über den Zick-Zack-Steg bleibt bestehen, wird aber durch einen kleinen balkonartigen Abschluss am Rande des Parks aufgewertet. Der Grünzug ist durch die Tunneleinfahrten und Straßenrampen zur Adenauerbrücke über die Donau komplett von den Innenstadtquartieren abgeschnitten. Um den Lärmeintrag in den Park zu reduzieren ist eine Lärmschutzwand vorgesehen. Wir schlagen hierzu eine „lebende Wand“ vor, die über eine perforierte Oberflächenstruktur einerseits den Schall bricht aber auch Lebensraum für Pflanzen, Insekten und Vogelarten bietet. Gleichzeitig definiert die Wand eine grüne Kulisse und verstärkt das eingebettete Gefühl innerhalb des Grünzugs. Die historische Parkanlage ist durch wertvollen alten Baumbestand geprägt, der größtenteils erhalten wird und dem Abschnitt seinen stimmungsvollen Charakter gibt. Das Thema der Lichtungen wird aufgegriffen und intensiviert. Teile des vorhandenen Spielplatzes werden erhalten und um weitere Nutzungsbausteine ergänzt. Ein kleiner Platz mit Picknicktischen und ein kleinteiliges Patchwork aus Wiesenschollen als abwechslungsreiche Spieltopografie betonen das Zentrum. Wegebegleitend werden weitere Stationen mit Bewegungsangeboten vorgesehen.
Die Obere Donaubastion wird als etablierter Kultur- und Freizeitort gestärkt. Der momentan überwiegend als Parkplatz genutzte und eher funktional gehaltene Innenhof wird, angelehnt an die übrige Gestaltung des Grünzugs, stärker in schollenartige Fragmente untergliedert. Der Anteil an Grünflächen wird dadurch wesentlich erhöht. Die im Verkehrskonzept vorgeschlagenen Parkpaternoster helfen, den ebenerdig untergebrachten Verkehr zu stapeln und somit mehr nutzbare Freifläche zu generieren. Im Innenhof werden 5 Parkpaternoster in eine hainartige Struktur eingebunden. Das Kulturzentrum Roxy erhält eine platzartigen Vorbereich mit Flächen für Außengastronomie. Eine baumbestandene Platzintarsie aus wassergebundener Decke besetzt das Zentrum. Für die Anbindungen ans Donauufer wird auf die bestehenden Querungen und Unterführungen der Bahngleise zurückgegriffen. Lediglich die Anschlusspunkte an die Donau werden durch Balkone und Uferdecks betont und stärker aufgewertet.

ABSCHNITT SÜD PROMENADENKLAMMER ZWISCHEN DEN PARKTEILEN
Der Söflinger Kreisel bleibt in seiner Funktion erhalten, nur die flankierenden Straßenräume werden jeweils auf eine Fahrspur reduziert und ebenerdige Übergänge geschaffen. Die im derzeitigen Zustand monotone Restfläche innerhalb des Kreisels wird mit einer kleinteiligen Struktur aus kissenartigen Bepflanzungen und Bodenmodellierungen gestaltet, die den Verkehrslärm schlucken aber auch den gestalterischen Zusammenhang wahren. Die Thränstraße wird für den Durchfahrtsverkehr unterbrochen, die Stellplätze für die Anwohner und das Finanzamt werden in Parkpaternostern konzentriert. Dadurch wandelt sich der ehemals verkehrsdominierte Raum zu einem promenadenartigen Shared Space, der auch an dieser städtebaulichen Engstelle den Charakter einer Freiraumverbindung zwischen den Parkteilen aufrechterhalten kann.

ABSCHNITT MITTE BLAUBEURER TOR
Die beabsichtigten Umbaumaßnahmen sind im Bereich des Blaubeurer Tors am stärksten spürbar, da der Verkehr diesen Ort am stärksten überformt hat. Erst durch den Rückbau der Blaubeurer-Tor-Brücke und den neuen Straßentunnel kann das Bauwerk wieder freigestellt und in seiner ganzen Kubatur erfasst werden. Der Park nutz die eingebettete und gegenüber den umgebenden Straßen abgesenkte Situation und schafft einen introvertierten Ort, der den umgebenden Verkehr ausblendet. Durch die begrünten Lärmschutzwände wird der Effekt sogar noch verstärkt.
Das Wegenetz wird angepasst: Nebenwege werden wassergebunden hergestellt, im Kontrast zur Promenade aus hellem Asphalt. Die durch den Tunnelbau angehobene Fläche schafft einen zusammenhängenden Grünraum rund um das Blaubeurer Tor mit einer befestigten Terrasse für die Außengastronomie des Parkcafés. In die Wiesentopografie eingelassene Sitzstufen schaffen einen kleinen Zuschauerbereich für Veranstaltungen wie Parkkonzerte. Die Schwarzkiefern sind auch hier die prägnante Leitbaumart und geben dem Ort seinen unverwechselbaren Charakter.
Die Glacispromenade weitet sich im zentralen Bereich zu einer platzartigen Fläche auf und betont den Knotenpunkt zwischen Blaubeurer Tor und Dichterviertel. Ein zentraler Aufenthaltsplatz unter Bäumen besetzt die wichtige Schnittstelle, gerahmt von einer Betonaufkantung. Die eingefügte Spieltopografie greift Versatzstücke des Promenadenbandes auf.

ABSCHNITT MITTE ZWISCHEN DEN FLUSSARMEN DER BLAU
Der Wegfall der Tankstelle erlaubt, stärker in die Fläche zu gehen und dem Zwischenstück mehr Gewicht zu verleihen. Der verrohrte Hochwasserentlastungskanal zwischen Großer und Kleiner Blau wird im zentralen Abschnitt vor dem Schubart-Gymnasium geöffnet und in einen Rain Garden mit wechselnden Wasserständen verwandelt. Somit entsteht an zentraler Stelle ein poetischer Ufergarten mit einer Vegetationsmischung für wechselfeuchte Standorte. Die querverlaufenden Wasserläufe der Blau werden mit der nord-süd orientierten Glacispromenade verspannt. Die Unterführung entlang der Kleinen Blau wird aufgewertet, auch über eine Lichtinszenierung in den Abendstunden.
Die Grünfläche an der Mittelbastion wird stärker als räumlich zusammenhängende Parkanlage entwickelt. Die Mittelbastion erhält auf der tadtseite einen kleinen Vorplatz. Neue Funktionen werten den Ort auf und machen den Parkabschnitt zu einem wichtigen Baustein entlang der Glacispromenade: Spielelemente im Grünen, ein neuer Quartiersgarten mit Hochbeeten oder auch lauschige Uferterrassen an der Großen Blau mit Wassergarten.

ABSCHNITT MITTE AKTIVPARK
Ein neuer Aktivpark auf dem ehemaligen Bahnareal nördlich vom Blaubeurer Tor setzt die Formensprache der Glacispromenade fort. Es wird bewusst auf eine Neubebauung verzichtet, um die Chance einer zusammenhängenden innenstadtnahen Parkanlage sicherzustellen, die auch großflächigere Sportnutzungen zulassen. Die Sportnutzungen sollen nicht durch lärmsensible Nutzungen wie Wohnen beeinträchtigt werden, die eine intensivere Bespielung verhindern. Die schollenartige Struktur differenziert sich in unterschiedliche Aktivbausteine mit einem vielfältigen Angebot an Trendsportarten. Topografische Erhebungen in den Randbereichen schirmen das Innere auch hier stärker ab und rahmen den Park mit Grünflächen. Ein neuer Aussichtsturm mit Aufzug und Treppenanlage verknüpft das nördliche Ende des Parks mit der Wallstraßenbrücke und schafft einen markanten Fokuspunkt.

ABSCHNITT NORD GESCHICHTSPARK KIENLESBERGBASTION
Die Reaktivierung der versteckt liegenden und wenig erschlossenen Kienlesbergbastion ist ein wichtiger Baustein zwischen Innenstadt und Wilhelmsburg. Die erhaltenen historischen Relikte werden freigelegt und behutsam in die Gesamtgestaltung intergiert. Es entsteht ein Geschichtspark, der Historie und Natur verbindet. Ein neuer Eingangsplatz am Zugangstor von der Straße am Alten Fritz bindet gut die unterschiedlichen Themenrouten an und schafft einen angemessen dimensionierten Auftakt. Das momentan als Lager genutzte Reduit-Gebäude wird als Gastronomiestandort aktiviert und bespielt den kleinen Eingangsplatz. In die begrünten Böschungen eingelassene Sitzstufen schaffen Aufenthaltsbereiche für Veranstaltungen im grünen Innenhof.
Ein verbessertes Erschließungskonzept sorgt für eine gute Orientierung und spannende Dramaturgie. Der innere Rondengang entlang der Umwehrung wird zur Geschichtsroute mit Infotafeln zur Historie des Orts. Der Hauptweg aus Asphalt führt über eine Wegerampe nach oben auf die Erdwälle der Bastion. Auf dem sonnigen Aussichtsplateau lässt man die Enge der massiven Festungsmauern hinter sich und der Blick schweift in die Ferne, das aus der Stadtsilhouette hoch aufragende Ulmer Münster immer als Referenzpunkt. Von hier aus führt der mäandrierende Panoramaweg über den Kamm der Wälle und schafft eine markante Wegelinie, die vom unteren Auftaktplatz an der Kienlesbergbastion bis hinauf zum Eingang der Wilhelmsburg führt. Balkonartige Platzgelenke betonen die Bruchstellen und schaffen kleine Aufenthaltsorte mit weiten Blicken über die Festungsmauern hinweg. Zusätzliche Nebenwege aus Rasenschotter, sogenannte Entdeckerpfade, erschließen die weniger stark frequentierten Bereiche.

ABSCHNITT NORD GESCHICHTSPFAD FESTUNGSGRABEN
Mit dem Wegfall der Anlagen der Schützengilde wird an der markanten Doppelcaponniere ein klarer Auftakt in den Festungsgraben geschaffen. Von hier erschließt sich die westliche Bergfront mit dem Festungsgraben bis hinauf zur Wilhelmsburg. Eine verspringende Wegeachse mit Zwischenstufen überbrückt die 70m Höhenunterschied. Die streifenartigen Pflanzungen fügen sich gut in die ansteigende Topografie ein. In losem Rhythmus eingefügte Zwischenpodeste mit Sitzbank schaffen kleine Zwischenstopps mit Aussicht. Das Muster bricht die Monotonie der nüchtern und effektiv gehaltenen Festungsarchitektur, ohne die Stringenz und Linearität der rahmenden Festungsmauern zu überformen. Das vorhandene betonierte Regenrückhaltebecken an der Trommelwiese wird zurück gebaut und als bepflanzte Retentionsmulden angelegt, die der Grabenweg rund um die Festung als Steg quert.

VERKEHRSKONZEPT NEUER ULMER STANDARD
Mit einem „Neuen Ulmer Standard“ können Stadt- und Straßenraum als Einheit gestaltet werden: Verkehrsfluss optimieren, Lärmemissionen reduzieren, einheitliche Gestaltungselemente definieren. Im Zuge der Gartenschau ergibt sich die einmalige Gelegenheit, durch den Rückbau der Bundesstraße dem Rad- und Fußverkehr mehr Platz zu geben und die Gestaltung von Rad- und Fußwegen neu zu denken. Stadt- und Straßenraum können integriert als Einheit gestaltet werden:

Verkehrsfluss optimieren
Um den Verkehrsfluss zu optimieren, wird Tempo 50 konsequent mit Geschwindigkeitsanzeigeanlagen eingehalten. Nach dem Vorbild der Stadt Frankfurt sollte in einem Pilotprojekt mit der Landesregierung Tempo 40 in Verbindung mit einer Grünen Welle erprobt werden. Die Reduzierung von Geschwindigkeitsspitzen macht den Verkehr ruhiger und in der Wahrnehmung der Fußgänger und Radfahrer sicherer.

Lärmemissionen reduzieren
Ein kontinuierlicherer Verkehrsfluss reduziert die Lärmspitzen und den gesamten Lärmpegel (ca. -3 dba). Mit besonderen Asphalten kann der Lärmpegel weiter reduziert werden (Asphaltdeckschicht LOA 5 D oder Asphaltbeton ca. -3 dba). Es sollte geprüft werden, ob mit passiven städtebaulichen/architektonischen Maßnahmen (München, Programm „Wohnen am Ring) und dem konsequenten Einsatz von Grün- und Landschaftselementen zur visuellen Abschirmung der Straße im Sinne einer psychologischen Lärmminderung auf den Einsatz klassischer Lärmschutzwände verzichtet, oder deren Höhe verringert werden kann.

Einheitliche Gestaltung
Mit der Gartenschau wird eine „Neuer Ulmer Standard“ für die Gestaltung von Wegen, Kreuzungen und Unterführungen definiert:
– Wege: Rad- und Fußwege werden in dezenten Farben durchgängig über die Fahrbahn hinweg markiert/eingefärbt
– Kreuzungen: Querungen für den Rad- und Fußverkehr werden breiter und damit großzügiger als bislang übrig angelegt. Mit neuen Beleuchtungskonzepte, z.B. Lichtpunkten auf der Fahrbahn, wird ein höherer Sicherheitsstandard für den Rad- und Fußverkehr definiert.
– LSA: Der Rad- und Fußverkehr wird in Bereichen wie z.B. der Bleichstraße durch „Bettelampeln“ für PKW bevorrechtigt.
– Unterführungen: Die Unterführungen für den Rad- und Fußverkehr werden mit einer Wandverkleidung einheitlich gestaltet und durchgehend hell beleuchtet, um Angsträume aufzulösen.
– Neue Mobilität: Die Gartenschau ist ein Schritt auf dem Weg der Mobilitätswende. Stellplätze im öffentlichen Straßenraum werden in dezentrale Quartiersgaragen (Parkpaternoster) verlagert, mit Mobilpunkten und der Ausweitung von Car-Sharing werden der Motorisierungsgrad und damit der Stellplatzbedarf schrittweise reduziert.
– Lärmschutz: mit dem neuen Ulmer Standard sinkt der Bedarf für aktive Lärmschutzmaßnahmen, bzw. können innovative Lärmschutzwände (Difraktionsprinzip) niedriger als bisher üblich gebaut werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit besticht durch die klare und durchgehende Haltung einer sehr kristallinen Formensprache in der Wegeführung und Verwendung von schollenartig verkippten Stützmauern und Erdskulpturen vom Kienlesberg bis zur Donau. Es wird bewusst auf eine historisierende Rekonstruktion nur noch fragmentaler Befestigungsreste verzichtet. Vielmehr wird das Thema neu interpretiert und in eine adäquate, zeitgenössische Antwort transformiert. Mit wenigen Ausnahmen wird ein durchgehender Grünzug durchgehalten, wenn auch nicht alle Bereiche von hoher Qualität gezeichnet sind. Eine gute räumliche Abfolge einzelner Freiräume mit gemischten Nutzungen aus Sport, Spiel, Erholung und Interaktionsflächen zeichnet die Arbeit aus. Die Wegeverbindungen führen, wo möglich, konsequent wie Adern in angrenzende Stadträume und stärken damit die sozialen Aspekte einer bislang durchtrennten Stadt. Das verkehrliche Konzept am zentralen Knotenpunkt Ehinger Tor entspricht mit überbreiten Zebrastreifen nicht der Straßenverkehrsordnung. Die nach wie vor hohe Dichte von Fahrzeugverkehr erlaubt solche Querungen nicht. Der Vorschlag, den ruhenden Verkehr in Paternostern zu organisieren wird grundsätzlich als guter Lösungsansatz zur Unterbringung des ruhenden Verkehrs gesehen, jedoch kann der Standort am Gymnasium städtebaulich nicht überzeugen.

Die gewünschte Stadtreparatur wird ausschließlich mit freiraumplanerischen Elementen vorgenommen. Dies gelingt in vielen Fällen, insbesondere stellt die Grünfläche im Vorfeld der Sophie-Scholl-Schule eine konsequente Fortsetzung der Ehinger Anlage dar. Währenddessen überzeugt der Bahnpark als öffentlicher Spiel- Sportpark ohne städtebauliche Elemente als reine Grünfläche. Dieser schafft für die angrenzende Wohnbebauung einen guten Ausgleich für die dort vorherrschende städtebauliche Dichte. Die Kienlesbergbastion wird durch die Stringenz der Wegeführung topografisch stark überformt und generiert in dieser Konsequenz das Entfernen von Teilen des Baumbestandes. Die Füllung des Grabens mit rechteckigen Pflanzbereichen spiegelt mehr ein Gartenschauthema, als es ein Ansatz für eine dauerhafte und nachhaltige Grüngestaltung wäre. Das Blaubeurer Tor wird von einem feinen Wegenetz umwoben. Die nach Westen angeordneten Sitzstufen wirken etwas zufällig, während die östlich angrenzenden Angebote sich gut in die neu geschaffene Topografie einfügen. Dieser Bereich wird von einem hohen Durcharbeitungsgrad gekennzeichnet und schafft wertige Aufenthalts-Angebote im öffentlichen Raum. Die Grünflächen zwischen der Kleinen und Großen Blau sind wertig angelegt und widmen sich primär dem Thema Regenwasserretention. Allerdings bleibt offen, woher das Regenwasser für die recht groß dimensionierten Anlagen resultiert. An der Großen Blau entstehen gute Zugangsmöglichkeiten ans Gewässer, ohne die Hydraulik des Gewässers zu stören. Die nach Süden daran anschließenden Grünräume sind richtig zur Stadt hin orientiert und mit wertigen Funktionen belegt. Die Abschirmung zur B 10 wird mit Erdbauwerken sichergestellt. Der Söflinger Kreisel bleibt nahezu unverändert, trägt einen neuen Teppich als Akustikschwamm aus Vegetationselementen. Dessen Wirkung wird in Frage gestellt, zugleich werden hohe Unterhaltkosten in der Pflege der Kompartimentierung erwartet.

Der neue Stadtplatz Ehinger Tor ist wertig, wirkt jedoch in der Gestaltung durch große Schollen überzeichnet. Weniger wäre hier mehr gewesen, bzw. mehr Grün in den Schollen hätte gutgetan. Begrüßt wird die Aufsplitterung der befestigten Fläche im Trambereich in grüne Schollen, und dem grünen Baumfilter vor dem Gymnasium. Das vorgeschlagene Wasserspiel sitzt richtig, weist einen wertigen Abstand zu den verkehrlichen Flächen auf und kann dem Platz die gewünschte Urbanität zurückgeben. Die Parkfläche der Ehinger Anlagen wird mit einer glasig-artigen Topografie überformt und schafft an den Gelenken Angebote für Aufenthalt und Spiel. Die Aufweitung der Wege und teilweise Neuorganisation der Wege wird mit dem Entfall vieler Bestandsbäume erkauft. Hier könnte eine weniger dogmatische Haltung manch wertvollen Baum retten. Hervorzuheben bleibt die fußläufige Anbindung der Furttenbachstraße an den Park. Ein neuer zentraler Weg, die Glacispromenade, das durchgängige Element des Entwurfes, führt geradlinig durch die Anlage und endet unprätentiös an der oberen Böschungskante zur Donau. Die Wegeführung erlaubt in weiten Teilen das bislang nicht mögliche Miteinander von Fußgängern und Radfahrern. Der Zick-Zack-Weg zum Donauufer hin bleibt erhalten, der oberseitige Sitzplatz mit Blick auf das Gewässer könnte eine etwas größere Geste vertragen. Die Obere Donaubastion wird zwar als wertiger, urbaner Stadtplatz mit zukunftsorientierten Antworten mittels großzügiger grüner Schollen formuliert, jedoch erscheint die formale Ausgestaltung als der Situation nicht zuträglich. Hier stören die PKW-Paternoster nicht, sondern erlauben die Entsiegelung der bislang vollversiegelten Fläche.

Insgesamt zeigt der Wettbewerbsbeitrag ein hohes Maß an Qualität und Durcharbeitungstiefe, wenn auch einige Bereiche strukturelle Mängel aufweisen. Die bauliche Umsetzung der glacisartigen Aufkantungen lassen einen starken Eingriff in den Bestand und ein hohes Maß an baulicher Intervention erwarten. Ob eine ausgleichende Bodenbilanz im Erdbau erzielt werden kann, bleibt offen, wird als Zielsetzung jedoch gewürdigt. Durch das zwar konsequente Durchhalten eines Leitbildes, aber die damit verbundene Überformung vieler Bereiche wird ein hohes Konfliktpotenzial in der Umsetzung erwartet.
Gesamtkonzept

Gesamtkonzept

Panoramaweg Kienlesbergbastion

Panoramaweg Kienlesbergbastion

Kienlesbergbastion

Kienlesbergbastion

Grüner Stadtplatz am Ehinger Tor

Grüner Stadtplatz am Ehinger Tor

Ehinger Tor

Ehinger Tor