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Einstufiger, nicht offener, regional begrenzter Realisierungswettbewerb mit vorgeschaltetem Bewerbungsverfahren | 02/2023

Grünes Viertel Stephansstift in Hannover

1. Preis / Baufeld 5

BUSCH & TAKASAKI ARCHITEKTEN BDA PartGmbB

Architektur, Stadtplanung / Städtebau

mesh landschaftsarchitekten PartG mbB

Landschaftsarchitektur

Volker Huckemann | Architekturbüro

Energieplanung

BIB Concept | Dipl. Ing. Mathias Langhoff

Brandschutzplanung

grauwald studio Gesellschaft für Architektur und Bild

Visualisierung

Erläuterungstext


ZU DEN ENTWURFSGEDANKEN

STÄDTEBAU UND ARCHITEKTUR

IDEE

Von der Kirchröder Straße aus kommend in Richtung Innenstadt, markiert das Gebäude auf Baufeld 5
das Gesicht des neuen Quartiers. Neben der wichtigen städtebaulichen Bedeutung muss die Architektur auch der gesellschaftlichen Bedeutung des Projektes gerecht werden, die es durch die geplanten Pflegeeinrichtungen erhält.
Dies rechtfertigt aus Sicht der Entwurfsverfasser ein Spiel zwischen einer dezenten und an den richtigen Stellen markanten Architektursprache.
Die Verwendung von Backstein als Fassadenmaterial erzeugt Wertigkeit und unterstützt den Gedanken einer nachhaltigen Architektur.
Die Gebäudegeometrie basiert im Grundriss auf einem Fünfeck. An drei Seiten des Fünfecks wird das Satteldach bis zum Giebel fortgeführt. Durch diese Strukturierung der ringförmigen Kubatur reagiert das Gebäude sowohl auf den städtebaulichen Kontext, als auch konzeptionell auf das benachbarte Annastift. Auf verblüffend einfache Weise entsteht dadurch eine stadträumliche Verbindung zwischen dem Neubau und seiner Umgebung:

1) Die Giebelseiten sind als moderne Interpretation der historischen Schaugiebel des gegenüberliegenden Annastift-Gebäudes ablesbar. Dadurch werden die inhaltliche Verwandtschaft und der Bezug von Neubau und Bestand hergestellt.

2) Durch die drei Giebel öffnet sich das Gebäude zu allen Seiten des Stadtraumes und gleichzeitig markieren sie die Eingangsbereiche zu den verschiedenen Funktionen des Gebäudes.
Der Haupteingang ist durch die skulpturale Durcharbeitung und den Vorplatz deutlich ablesbar.

GRUNDRISSE | ORGANISATION

Die Grundrissstruktur des Baufeldes 5 verfolgt 2 Grundsätze:
Zum einen sollen die Nutzungen effizient und räumlich sauber vernetzt und gegliedert sein, zum anderen soll die Durchwegung durch das Gebäude Flexibilität, Freiheiten und Möglichkeitsräume anbieten.
So gliedert sich das Gebäude vertikal in 3 Zonen: Im Erdgeschoss befinden sich alle öffentlichen und dienenden Nutzungen, wie Multifunktionsraum, Café, Verwaltung der stationären Pflege, Tagespflege, Arztpraxis, Ambulante Pflege, Küche und Anlieferung/Ablieferung.
In den Geschossen 1-3 befindet sich die Stätionäre Pflege mit den Zimmern der Bewohner:innen.
Im Dachgeschoss ist das betreute Wohnen untergebracht.
Der Haupteingang empfängt Bewohner:innen und Besuchende mit einem großzügigen Foyer, das in einen multifunktionalen, flexiblen Raum inkl. Café fließend ineinander übergeht. Diese Raumeinheit ist aufgrund ihrer Offenheit an den Vorplatz, wie auch den Hof angegliedert. So entsteht eine flexibler, großzügiger Raum der einen fließenden Übergang zwischen innen und außen ermöglicht.
Alle weiteren Funktionseinheiten im EG sind aufgrund eines ringförmigen Erschließungsflures erreichbar, aber auch separierbar.
Die oberen Geschosse zeichnen sich ebenfalls durch dieses „Zwiebelprinzip“ aus. Im äußersten Ring befinden sich die Bewohner:innenzimmer und dem Prinzip der herausgezogenen Giebel folgend, befinden sich an den Giebelseiten die Aufenthaltsräume der Wohngruppen.
Der zweite Ring ist eine ringförmige Erschließung, die sich in den Eingangsbereichen der Zimmer mit Nischen aufweitet, alle Aufenthaltsräuem miteinander verbindet und auch mit diversen Aufweitungen den Blick auf den Innenhof freilegt.
Im innersten Ring befinden sich alle dienenden Funktionen wie Dienstzimmer, Therapiezimmer, Pflegebad etc. und zusätzliche Komfortzimmer.
Dem gleichen strukturellen Prinzip folgt auch das Dachgeschoss.
Die Grundrissstruktur ist eine sehr robuste Lösung, die es ermöglicht auf Änderungen zu reagieren, ohne die Strukturelle Idee und Grundrissgliederung aufgeben zu müssen und drückt daher auch insgesamt eine hohe Flexibilität und Langlebigkeit aus.


FASSADEN

Die Gesamtheit von Fassadenraster, Gebäudekubatur und Materialität wird der Typologie einer Pflegeeinrichtung gerecht.
Ein ruhiger, unaufgeregter Rhythmus bestimmt die Fassaden des Bauwerkes. Im Erdgeschoss wechseln sich Mauerwerkspfeiler und großzügigen Glasflächen ab. Die bodentiefen Fenster in den darüber liegenden Geschossen sorgen für helle, freundliche Räume. Sie erhalten einen opaken Öffnungsflügel.
Der Rhythmus der Fassade in Zusammenhang mit der Materialität lassen das Gebäude in seiner Umgebung ganz selbstverständlich erscheinen. Gleichzeitig verhelfen die Schaugiebel zu einer Signifikanz, die das Gebäude an seiner Position und in Nachbarschaft zur historischen Bebauung aufnehmen muss.
Der skulpturale Gesamteindruck der Giebelseiten wird durch die vereinzelt, vorspringenden, schräg gestellten Filtermauerwerkselemente unterstützt.
Die Fassaden der Innenseite sind weiß verputzt. Das Dach erhält eine Zinkblechabdeckung.

BRANDSCHUTZ

Die Betrachtung des Objektes erfolgt entsprechend der Gebäudeklasse 5 sowie als Sonderbau. An dieser Stelle wird eine Betrachtung in Anlehnung an die „Muster-Wohnformenrichtlinie“ angestrebt, da in Niedersachsen keine entsprechende Sonderbauvorschrift eingeführt ist.
Grundsätzlich ist hierbei die Schaffung zweier baulicher Rettungswege für alle Einheiten (Bereichslösung) vorgesehen. Die Größe der Raumgruppen wird auf 400 m² begrenzt. Des Weiteren werden zwei Brandabschnitte geschaffen, welche einzeln weniger als 40 m Ausdehnung bzw. max. 1.600 m² aufweisen. Die Rettungsweglängen dürfen 35,00 m nicht überschreiten.
Die Überwachung ist mit einer flächendeckenden automatischen Brandmeldeanlage zu geplant.

FREIRAUMKONZEPT

Die Außenanlagen des neuen Pflegeheims zeichnen sich durch zwei klar differenzierte Atmosphären aus: den in organischer Form und kleinteilig gestalteten Innenhof und den funktional gestalteten Belags- und Grünring um den Neubau.

Die drei Haupteingänge sind in der Gestaltung hervorgehoben und durch hochwertige, beigefarbene Granitplatten miteinander verbunden. Der Grünstreifen ist durch lange Stufenelemente in die zwei Bereiche Tiefbeet zur Regenwasserrückhaltung sowie Flächen mit Gräsern und Stauden gegliedert. Die blütenreiche Heckenbepflanzung übernimmt die Sichtschutzfunktion zu den Innenräumen des Neubaus.

Der nach Süden ausgerichtete Außenbereich für das Pflegeheim befindet sich an der Westseite des Haupteingangs. Der Parkplatz für den Notarzt wird an der südlichen Grundstücksgrenze angeordnet.

Der Innenhof ist durch Erdmodellierung und schattentolerante Bepflanzung kleinteilig gestaltet. Entlang eines Rundweges sind zahlreiche Sitzplätze angeordnet und die zentrale Grünfläche enthält verschiedene Nutzungen wie einen Sinnespfad, Trittsteine, Pflanzflächen und Retentionsflächen. Die südlichen und westlichen Fassadenseiten werden durch Kletterpflanzen begrünt.

NACHHALTIGKEITSKONZEPT

Das Gebäude wird als hochwertiges Ziegelgebäude mind. im KfW40 Standard errichtet. Die thermische Gebäudehülle wird hochgedämmt und mit minimalen Wärmebrücken (Kategorie B nach GEG) errichtet. Dreischeibenverglasungen reduzieren die Transmissionswärmeverluste der Fenster. Wo es nötig ist wird der Sommerlichewärmeschutz über eine Sonnenschutzverglasung. Zur Sicherung der Bauqualität und Minimierung der ungewollten Lüftungswärmeverluste ist ein Blowerdoor-Test vorzunehmen und eingerechnet.
Anlagentechnik:
Die hohe angestrebte Luftdichtigkeit wird mit einer kontrollierten Wohnungslüftung kombiniert.
Zuluft-/Abluftanlagen mit Wärmerückgewinnung versorgen alle Nutzungseinheiten gesichert mit dem hygienisch notwendigen Luftwechsel – Ziel ist es, die Heizlasten so weit zu reduzieren, dass das Haus über die geplante Lüftungsanlage vollständig beheizt werden kann. Wo dies nicht komplett möglich ist, wird das Konzept mit statischen Heizflächen (z.B. Fußbodenheizung) ergänzt. Vorgeschlagen wird eine zentrale Regelung die ggf. individuell übersteuert werden kann. Aufgrund der niedrigen Vorlauftemperaturen und des geringen Wärmebedarfes kann das Gebäude mit einer Wärmpumpenkaskade beheizt, und bei Bedarf im Sommer sogar sanft gekühlt werden.
Der Warmwasserbedarf kann ebenfalls durch die Wärmepumpen gedeckt werden. Aufgrund des hohen Warmwasserbedarfes und der zur Verfügung stehenden großzügigen Dachflächen ist die Einbindung von Hybridkollektoren vorgesehen , die gelichzeitig PV-Strom- und Warmwasser zur Verfügungstellen können.
Zusätzlich sind in der Fassade senkrechte PV-Module vorgesehen, der große Abstand zu den nachbar Gebäuden macht dies möglich.
Für die Beleuchtung sind ausnahmslos LED Leuchten geplant, die mit einer intelligenten Regelung zu versehen sind (Tageslichtabhängige Schaltung mit Präsenzmeldern).
Nachhaltigkeitskonzept:
Da von einer langen Nutzungszeit ausgegangen wird, wird das Gebäude als Massivbau konzipiert. Es ist eine Verwendung von RC Beton und Holz-Hybrid-Decken angedacht. Gleichzeitig wird die Rückbaubarkeit berücksichtigt, indem z.B. elementierte Stützen, Träger und Decken verwendet werden. Das Mauerwerk wird, soweit möglich, mit einem Kalkmörtel vermauert, der einen Rückbau und eine Wiederverwendung der Steine ermöglicht. Auch die Dachbauteile werden vor diesem Hintergrund geplant und mit lösbaren Verbindungen gefügt. Die hochwertigen Fensterelemente werden ihren ersten Lebenszyklus (ca. 40 Jahre) hier verbringen, über eine spätere Nutzung kann zu diesem Zeitpunkt nicht entschieden werden, sie wäre aber grundsätzlich möglich.
Für das Gebäude ist eine Regen-Rückhalte-Einrichtung in Form von einer Regenwasserspeicher geplant. Das gespeicherte Wasser soll genutzt werden, um den Innenhof zu bewässern und die dortigen Nutzungen zu bespielen.








Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf 1023 überzeugt durch seine Ausbildung von drei deutlichen Giebelseiten in dem städtebaulich vorgegebenen fünf-Eck-Ring. Insbesondere die Stirnseite zur Kirchröder Straße wirkt als klare Adressbildung und Auftakt zum neuen Quartier. Diese klare Adressbildung überträgt sich leider nicht in die Ausbildung der Erdgeschosszone. Der zurückspringende Fassadeneinschnitt im Eingangsbereich lässt die Schwere und Kraft des Giebels nicht im Boden ankommen.
Gut vorstellbar, aber nicht ausformuliert, wäre zum Beispiel die Platzierung des Cafés in diesem Bereich. Somit würde der vorgelagerte Platz nicht nur eine Transferfunktionen erhalten, sondern durch den Aufenthalt von Menschen zu einem Aushängeschild für ein lebendiges grünes Viertel werden.
Der geschlossene Innenhof ist als grüne Oase konzipiert, die sich in Teilen an die Fassade anschmiegt. Schade ist nur, dass der Genuss dieses geschützten Freiraums nur durch wenige Zugänge ermöglicht wird. Insbesondere im Erdgeschoss wenden sich an drei Fassadenseiten Funktionsräume dem Innenhof zu. Auch in den oberen Geschossen ermöglichen nur kleinere Fensterräume und Balkone Einblicke ins Grün. Zusätzlich zu den Gemeinschaftsräumen Richtung Innenhof gibt es weitere drei in den Giebeln Richtung Straße.
Die Fassadengestaltung mit großen, bodentiefen Fenstern öffnet sich vom Straßenraum betrachtet sehr transparent und einladend zum Quartier. Von innen heraus jedoch, aus der Perspektive der Bewohnenden, sind Fensteröffnungen bis zum Boden schwierig und können sogar Ängste auslösen.
Hier müsste nachgebessert werden.
Die von der Ausloberin geforderte Anzahl von Pflege- und Gemeinschaftszimmern wird in allen Bereichen übererfüllt. Dies geht jedoch zu Lasten der dem Innenhof zugeordneten Gemeinschaftsflächen. Die Jury empfiehlt hier eine Überarbeitung.