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Einladungswettbewerb | 03/2023

Ökumenisches Gemeindehaus Bavendorf

Lageplan

Lageplan

1. Preis

Preisgeld: 7.000 EUR

Braunger Wörtz Architekten

Architektur

silands | Gresz + Kaiser Landschaftsarchitekten PartG mbB

Landschaftsarchitektur

Architekturmodelle Boris Degen Modellbau

Modellbau

Erläuterungstext

Städtebau und Freiraum
Das neue Ökumenische Gemeindehaus Bavendorf verortet sich gegenüber dem historischen Pfarrhaus. Es ordnet sich diesem unter und lässt ein neues Ensemble entstehen. Durch den Abstand des neuen minimierten Baukörpers und der vorsichtig-reduzierten Anbindung erweist es ihm den nötigen Respekt und lässt es in seiner Ganzheit bestehen. Zwischen Bestand und Neubau formt sich der neue Platz der Gemeinde, der Alt und Neu miteinander verbindet. Durch die leichte Drehung öffnen sich der Platz und das neue Gemeindehaus, wodurch eine räumliche und emotionale Verbindung zur Gemeinde und zur Kirche St. Columban geschaffen wird. Zusätzlich werden dadurch die städtebaulichen Kanten gefasst und das neue Gemeindehaus-Ensemble fügt sich selbstverständlich in seine Umgebung ein. Zwischen Neubau und Bestand spannt sich der neue Gemeindeplatz auf, in dessen Zentrum die bestehende Linde erhalten wird. Es entsteht eine große bespielbare Fläche, welche einladen soll und einen Begegnungsort für die Gemeinde bildet. Der Höhenversprung zwischen Bestand und Neubau wird zum einen durch das Oberflächengefälle im Hof ausgeglichen und zum anderen durch eine Rampe im Inneren des Neubaus.
Der historische Garten wird zurückhaltend umgestaltet und durch eine Hecke eingefasst, die dem Ort den nötigen Schutz und eine räumliche Fassung gibt. Entlang der Südfassade werden Flächen geschaffen, die zum Verweilen einladen sollen. Ein neuer Mittelweg mit Brunnenschale gliedert den Garten und verbindet die Terrasse am Gebäude mit den Streuobstwiesen in der Umgebung. Entlang der Straße werden die notwendigen PKW-Stellplätze, ein Nebengebäude zur Unterbringung der Müllcontainer sowie Fahrrad-Abstellmöglichkeiten in einem Funktionsband gebündelt und sorgen so für eine einfache Auffindbarkeit und kurze Wege zum Gemeindehaus.


Entwurf und Architektur
Der neue Baukörper schafft zum einen die Verbindung zum Bestand und zum anderen eine eigenständige Architektur. Durch die skulpturale Erscheinung versucht er nicht mit dem Bestand in Konkurrenz zu treten, vielmehr ergänzt die polygonale Form spannungsvoll das streng symmetrische, klassizistische Bestandsgebäude. Beiden Baukörpern gemein ist eine charaktervolle schlichte Ausformung der Erscheinung aus Wandflächen, wohl gesetzten Öffnungen und geneigten Dachflächen - ein Dialog, der beide Gebäude im Ensemble stärkt.
Die Klarheit und Einfachheit des neuen und bestehenden Baukörpers sollen auch im Innenraum zum Ausdruck kommen. Die Spange zwischen den Baukörpern symbolisiert die Verbindung zwischen Bestand und Neubau. Dort befindet sich auch der Eingang zum Gemeindehaus. Eine kurze sanfte Rampe führt von hier in das historische Gebäude. Die gesamte Raum-Struktur wird dort erhalten, nur wenige Wände, gleichsam eingestellter Möbel, für die WC-Anlage ergänzt.
Die beiden südlichen Haupträume werden zum einen vom Gruppenraum der evangelischen Kirche bespielt bzw. als zusätzlicher multifunktionaler Aktivitätsraum, in welche sich auch das Lager befindet, angeboten. Der Neubau beherbergt den Saal und den Gruppenraum der Synergie. Die Räume sind so flexibel strukturiert, dass im Falle einer Veranstaltung die Möglichkeit besteht beide Räume zusammenzuschalten und mit dem geöffneten Stuhllager als großer Veranstaltungsraum zu nutzen. In Verlängerung der Spange befindet sich die Küche, welche sich zum Foyer orientiert und bei Veranstaltungen zum Saal geöffnet werden kann. Der Saal ist zum Platz der Gemeinde öffenbar und schafft so eine bespielbare Fläche mit Ausrichtung zum Bestand.

Material und Fassade
Grundlage der Materialkomposition ist das fein mit hellem Kalk haptisch verputzte historische Gebäude - mit seinen hellen Holzfenstern/Läden und der feingliedrig-flächigen Biberschwanzdeckung. Der Neubau interpretiert sensibel diese feine Architektur in einem skulptural außen gekalkten Holzbau.
Für die Fassade und Dachdeckung werden Holzschindeln gewählt, welche sich wie ein Kleid über den gesamten Körper legen. Die Holzschindeln werden weiß gekalkt und stellen so in Farbe und Haptik einen Bezug zur Putzfassade und Biberschwanzdeckung des Bestandes her. Die Öffnungen werden "ausgestanzt" und erzielen gewählte Ausblicke Richtung Kirche, Ort, Hof und in die Landschaftsbilder der Umgebung. Es entsteht ein sensibles Ensemble entwickelt aus der feinen natürlichen Materialität des historischen Gebäudes.


Ökologie, Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit
Grundlage des nachhaltigen Ansatzes bildet die Verwendung sortenreiner und nachwachsender Baustoffe, welche auf möglichst kurzem Weg aus der Region beschafft werden. Ziel ist ein weitestgehend CO2-neutraler Neubau, dessen Materialien und Oberflächen einfach gefügt, wartungsarm sind und nach dem Ansatz „cradle to cradle“ weitestgehend sortenrein trenn- bzw. wieder verwertbar sind. Auf einer tragenden Bodenplatte aus Recyclingbeton ruht eine einfache kostengünstige Grundkonstruktion aus tragenden Brettschichtwänden/-dachscheiben aus Massivholz (innen sichtbar belassen), außenseitig mit Holzfaserdämmstoffen und einer fein weiß gekalkten Holzschindelfassade versehen. Lasierte, tief in die Leibungen und so witterungsgeschützt eingebaute Holzfenster, ein wartungsfreier Trasskalk-Terrazzoboden mit geschliffenem Kalksplitt und akustisch wirksame Naturfilzoberflächen ergänzen die warme und nachhaltige Innen-Atmosphäre des Neubaus. Das historische Bestandsgebäude wird zurückhaltend und den historischen Details bzw. Baustoffen entsprechend saniert und ergänzt. Eine Wärmepumpe oder falls möglich Erdsonden mit Wärmetauscher sorgen mittels dem Heiz-Terrazzoboden für behagliche Wärme im Winter und im Umkehrbetrieb für eine leichte Kühlung im Sommer - betrieben durch die Photovoltaik-Elemente, welche sich bündig in den leicht geneigten Dächern des Neubaus verstecken.
Durch die sehr gut gedämmte Gebäudehülle gemäß KFW40-Standard ist eine kompakte, reduzierte Technikausstattung möglich unter Verzicht weiterer Steuerungstechnik. Die Ausrichtung, Lage und Größe der Fensterflächen erlauben den Verzicht auf einen außenliegenden Sonnenschutz und die Reduktion auf einen innenliegenden textilen Sichtschutz. Reduktion auf das Wesentliche, auf das Ursprüngliche und Natürliche.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Verfasser formuliert eine sehr klare, gut ablesbare Entwurfsidee. Die denkmalpflegerisch wichtigste Seite des historischen Pfarrhauses bleibt vollständig freistehend, vor der sich der dazugehörige Pfarrgarten öffnet. Die Verbindung mit dem Anbau erfolgt an der denkmalschutzfachlich unempfindlichen Nordostecke. Die Gebäudeecken und die aus denkmalpflegerischer Sicht wichtige Süd- und Ostfassade bleiben freigestellt.

Der nördlich an der St. Kolumban Straße gelegenen Anbau verbindet der gemeinsame Eingangsbereich mit dem Bestandsgebäude. Durch das asymmetrische geneigte Dach, das sich zum Bestandsgebäude „absenkt“ wirkt der Neubau untergeordnet und gleichzeitig selbstbewusst. Er schließt mit einer zusätzlichen Fuge bewusst an der untergeordneten Rückseite an das Bestandsgebäude an. Die historische Grundrissstruktur bleibt weitgehend erhalten. Historische Wände werden augenscheinlich nicht entfernt. Der Vorschlag der Materialität mit Holzschindeln lässt eine heimeilige Atmosphäre auf dem Gemeindeplatz erwarten. Zusätzliche Identität stiftend wird der dörfliche Charakter zeitgemäß berücksichtigt und weiterentwickelt.

Der sich im Anbau befindliche Saal lässt sich durch Gruppenraum und Stuhllager sehr gut erweitern. Er ist auf den Gemeindeplatz ausgerichtet. Gemeinsam umrahmen diese zu drei Seiten den Gemeindeplatz unter der Linde, der sich geometrisch wirksam in Richtung der Kirche öffnet. Damit wird die Aufgabe der Adressbildung vorbildlich und auf eine sehr einladende Art und Weise erfüllt. Der zweite Gruppenraum ist zusammen mit dem Pfarrgarten nutzbar. Der Pfarrgarten ist auch für mobilitätseingeschränkte Personen um das Gebäude herum vertretbar erreichbar. Mit Hecken eingebunden bildet dieser einen zusätzlichen, geschützten Bereich für das Gemeindeleben. Der dargestellte Erhalt der Linde ist sorgfältig zu prüfen und vorzubereiten, da mit diesem wesentliche Qualitäten des Entwurfs verbunden sind. Die Baulichkeiten rücken an diese sehr eng heran. Gerade die Baustellenphase und die regelmäßige Bespielung des Gemeindeplatzes stellen hier Herausforderungen dar.

Der Umgang mit der Höhendifferenz zwischen Neubau und Flurstraße hat behutsam zu erfolgen und ist noch entsprechend bewusst auszuarbeiten und zu präzisieren. Es sollte überprüft werden, ob neben freiräumlichen Gestaltungselementen noch einzelne funktionelle Möglichkeiten der Optimierung auch in diesen Bereich eingebunden werden können.

Die Anlage der Stellplätze sollte bezüglich der Verkehrssicherheit nochmals überprüft werden, befinden sich aber grundsätzlich an der richtigen Stelle.

Die räumliche Funktionalität muss insbesondere entsprechend den Anforderungen des Gemeindelebens überarbeitet werden. Insbesondere müssen Cateringküche für den Saal/ bzw. den Gemeindeplatz samt separater Anlieferung und Kochküche für die tägliche Gemeindearbeit gelöst werden. Zusätzlich bzw. alternativ zur Standfläche für das Zelt sollten Möglichkeiten zur Verschattung von Teilen des Gemeindeplatzes geprüft bzw. bewusst frühzeitig in der Planungsphase berücksichtigt werden. So könnten einfache Konstruktionen für Sonnensegel o.ä. bei Veranstaltungen geeignete Alternativen oder Ergänzungen sein.

Die Toilette für Behinderte sollte nach Möglichkeit als „Toilette für alle“ umgesetzt und auch von Außen direkt erreichbar sein. Räume im Bestandsgebäuden sollten im erforderlichen Umfang auch zeitweise flexibel als Büroflächen nutzbar sein.

Städtebaulich und architektonisch überzeugt der Entwurf sehr und stellt eine qualitätsvolle und denkmalgerechte Lösung dar. Mit Pfarrplatz und Pfarrgarten ermöglicht dieser Entwurf zeitgleich mehrere Veranstaltungen, die jeweils für sich hochwertige Freibereiche nutzen können. Die Detailüberarbeitung wird jedoch zeigen müssen, ob dieser Entwurf auch den funktionalen Anforderungen gerecht werden kann und gleichzeitig noch wirtschaftlich darstellbar bleibt.
Grundriss

Grundriss

Schnitt

Schnitt

Ansicht

Ansicht

Perspektive

Perspektive

Ansicht Ost

Ansicht Ost