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Nicht offener freiraumplanerischer Ideen- und Realisierungswettbewerb | 04/2023

Freiraum- und Platzgestaltungen zum Neubau einer Straßenbahnlinie in Würzburg

Perspektive, Blick über Geschwister-Scholl-Platz Richtung Ringpark

Perspektive, Blick über Geschwister-Scholl-Platz Richtung Ringpark

2. Preis / Geschwister-Scholl-Platz

Preisgeld: 21.000 EUR

Benkert Schäfer Architekten Partnerschaft mbB

Stadtplanung / Städtebau

GTL Landschaftsarchitektur Triebswetter, Mauer, Bruns Partner mbB

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Der Geschwister-Scholl-Platz mit seiner Lage zwischen Amtsgericht, Universitätsgebäude und Ringpark besitzt eine besondere stadträumliche Bedeutung, die mit der neuen Straßenbahnlinie und der damit einhergehenden Haltestelle noch mehr zunimmt.
Durch die Umgestaltung der Verkehrsflächen spannt sich der Platzraum weiter auf und gewinnt an Qualität.
Um den Platzraum klar kenntlich zu machen, wird vorgesehen, einen lichten Rasterhain über die gesamte Platzfläche zu legen, wodurch auch eine Vernetzung mit dem Ringpark entsteht. Eine Platzfläche aus Wassergebundener Wegedecke und Pflanzflächen, die sich zum Universitätsgebäude orientieren und die bestehenden weiterdenken, bilden die Grundstruktur für den Platz. Sitzelemente entlang der Pflanzflächen bieten Aufenthaltsqualität und dienen als Treffpunkt.
Wichtige Wegeverbindungen beeinflussen die Flächenstruktur des Platzes und erzeugen eine klare Orientierung.
Die Entwässerung erfolgt auf dem Platz. Anfallendes Regenwasser versickert und verdunstet entweder in der Platzfläche oder wird in Rigolenspeichern gesammelt und den Bäumen zugeführt. Bei Starkregenereignissen dienen die Grünflächen als Retentionsflächen.
Das Café „Brotzeitstube“ auf dem Platz erhöht die Aufenthaltsqualität und die Frequentierung des Platzes. Der Baukörper ist als rechteckiger Riegel gedacht, der sich in Platzrichtung zwischen Universität und Amtsgericht anordnet. Die Kurze Stirnseite mit dem Café richtet sich zum Ringpark aus, die attraktive Längsseite bespielt den Platzraum zwischen Baukörper und Tramstrecke / Haltestelle. Der Baukörper besitzt zwei Funktionen, das öffentliche WC und das Café. Das Cafe wird von der westlichen Straße aus angeliefert. Die Theke orientiert sich zum Platz hin. Der Essensbereich in der „Brotzeitstube“ hat eine Glasfassade die sich nach Westen, Süden und Osten hin öffnet, dies ermöglicht viele schöne Blickbeziehungen in den Ringpark. Die WC’s werden im Norden erschlossen und wenden sich vom Platzzentrum ab, was für mehr Privatsphäre sorgt, aber zugleich befindet sich dieser Bereich nicht in einer Dunkelecke.
Da der Geschwister-Scholl-Platz die Wassergebundene Wegedecke als charakteristischen Bodenbelag besitzt, soll sich die Optik und Haptik des Baukörpers in der Fassade widerspiegeln, weshalb ein grob sandgestrahlter Dämmbeton Verwendung findet.
Dem Geschwister-Scholl-Platz kommt nach der Umgestaltung eine wichtigere Rolle im stadträumlichen Kontext zu, da er als Gelenk zwischen den angrenzenden Räumen fungiert, als Entrée in den Ringpark dient und eine wichtige Adressbildung erzeugt.


Die neue Straßenbahnlinie in den neuen Stadtteil Hubland durch die Innenstadt und die dadurch entstehende Neuentwicklung der Verkehrsinfrastruktur bzw. Verkehrsorganisation in der Innenstadt und die damit einhergehende Umgestaltung der angrenzenden Freiräume lässt enorme Qualitäten für Würzburg im Kontext der Freiraumqualität entstehen. Bestehende Plätze mit ihren Defiziten in Bezug auf Aufenthaltsqualität und Funktion, Klimaresilienz, Adressbildung, Identifikation und Repräsentation, Vernetzung, Mobilität und Grünflächenanteil werden im Zuge der Neugestaltung neu verhandelt und durch eine Umgestaltung zeitgemäß transformiert um sie je nach städtebaulichem Kontext mit neuen Funktionen und Qualitäten zu qualifizieren. Jeder Platz entlang der neuen Straßenbahnlinie erhält einen ihm entsprechenden neuen Charakter unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit und des städtischen Kontexts.
Ziele dieses Entwurfes sind die Schaffung von unterschiedlichen Nutzungsangeboten, die räumliche Vernetzung der Freiräume in angrenzende bestehende Stadträume, die Sicherung von Grünanlagen und die Schaffung von ökologischen Qualitäten im urbanen Raum.
Das Ergebnis in Bezug auf Großbaumpflanzunge ist ein behutsamer Umgang mit Neupflanzungen an Plätzen mit eher steinernem, offenen Charakter und intensive Bepflanzung an Plätzen die stadträumlich als Grünraum qualifiziert werden sollen. Es entsteht eine angemessene Balance aus „harten“, steinernen und „weichen“, begrünten Stadtplätzen entlang der neuen Straßenbahnlinie.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit schlägt ein schlüssig differenziertes Gesamtkonzept für die Folge von Platzräumen entlang der Straßenbahnstrecke vor. Jedem der Orte wird eine aus dem jeweiligen Kontext abgeleitete Prägung gegeben: urban-steinern am Barbarossaplatz, durchgrünt und gerahmt vis-á-vis des Theaters, schlicht und selbstverständlich an der Michaelskirche und durchgrünt und baumüberstanden am Geschwister-Scholl-Platz. Die Ausgestaltung der Freiräume ist dabei in großen Teilen wohltuend zurückhaltend und gleichermaßen vielfältig aneigenbar. Der einheitliche Belagsteppich, sinnfällig differenziert in seiner Formatierung, lässt ein ruhiges Gesamtbild der verschiedenen Freiräume entstehen und passt sich sehr gut in das Stadtbodenkonzept ein. Auch der Ansatz offener, bzw. wassergebundener Beläge wird positiv bewertet. Nicht alle Aspekte die von der Planfeststellung für die Straßenbahnlinie betroffen sind werden vollumfänglich berücksichtigt. Erste Aussagen zum Regenwassermanagement und zur Klimaresilienz sind im Konzept enthalten und bedürften im weiteren einer Verifizierung und Vertiefung.

Barbarossaplatz - Die schlichte aufgeräumte Gestaltung der Oberflächen wird durch die präzise gesetzte Möblierung mit großzügigen Bänken ergänzt. Der lockere Baumbesatz entspricht weitgehend der Planfeststellung. Der geringe Grünanteil entspricht hier der urbanen Nutzungsintensität. In der Theaterstraße und am Spitalplatz wird die materialgleiche Fortführung des Bodenbelags, im Bereich der Spitalskirche richtigerweise als Kleinsteinpflaster, sowie eine sehr zurückhaltende Möblierung vorgesehen.

Der Kardinal-Faulhaber-Platz wird unter Beibehalt der verkehrlichen Rahmenbedingungen als durch Baumpflanzungen und Pflanzflächen gerahmter Stadtplatz vorgeschlagen, der räumlich das Gegenüber zum prägenden Theatergebäude bildet. Der grüne Rahmen variiert deutlich in seiner Tiefe, die Durchwegungen (in und aus Richtung der Fussgängerzone im Nordwesten) scheinen demgegenüber zu schmal, die Pflanzflächen teils zu tief. Die Verortung der Fahrradabstellmöglichkeiten ist konträr zur stadträumlich wichtigen Verbindung in Richtung Nordwesten. Das Aufenthaltsangebot wird über Sitzeinfassungen an den innenliegenden Rändern sowie am Rand des Wasserbeckens formal zu streng und zu umfassend vorgesehen. Die Mitte des Platzes wird sehr kleinteilig gestaltet und durch ein erhabenes Wasserbecken vereinnahmt, was hinsichtlich der Multifunktionalität und Aneigenbarkeit des Platzes kritisch diskutiert wird. Die Verortung des Pavillons auf der Südseite ist grundsätzlich überzeugend und sinnfällig. Das notwendige Programm (inkl. der Brunnentechnik) wird hier kompakt organisiert – allerdings sind die Nutzungen innerhalb des Gebäudes nicht gut verortet und tragen in dieser Form nur bedingt zur Belebung des Platzes bei. Das Umfeld der Haltestelle wird großzügig gestaltet, gleichwohl werden keine Aussagen zur Einbindung der Wetterschutzdächer o.ä. dargelegt.

Residenzplatz, Balthasar-Neumann-Promenade und Schwarze Promenade – die von der Straße abgerückte Führung der Pollerreihe wird positiv hinsichtlich deren zurückhaltender Einbindung begrüßt, jedoch ist eine nicht gestattete Beparkung der straßenseitigen Flächen so nicht auszuschließen. Die Pollerreihe wäre bis zum nördlichen Pylon fortzuführen, bei Entfall der Poller am Rennweg. Aus Sicht der Denkmalpflege (ICOMOS / Schlösserverwaltung) sind die Staudenflächen entlang der Schwarzen Promenade nicht mit dem historischen Alleecharakter zu vereinbaren. Die Jury schätzt den Ansatz die Promenade bis auf notwendige Fahrbereiche wassergebunden auszuformulieren grundsätzlich als positiv ein, hinterfragt diesen Ansatz jedoch im Detail und hinsichtlich seiner Alltagstauglichkeit.

Für den Josef-Stangl-Platz wird die materialgleiche Fortführung des Bodenbelags, im Vorbereich der Michaelskirche als Kleinsteinpflaster, sowie eine zurückhaltende Möblierung unter dem planfestgestellten Baum vorgesehen. Das Entrée zum Hofgarten wird großzügig rund um den bestehenden Musikerbrunnen ausgebildet.

Der Geschwister-Scholl-Platz wird wohltuend offen (als wassergebundene Decke) und durchgrünt in seinen Oberflächen und mit einem dichten Baumraster gestaltet. Ein Pavillon wird schlüssig im Süden platziert und korrespondiert sehr gut mit den Staudenpflanzungen als grünem Rücken für den Aufenthalt am der Haltestelle zugeordneten offenen Platzbereich. Die in der Planfeststellung definierte Zuwegung ist nicht berücksichtigt, scheint aber mit dem Konzept vereinbar. Der grüne Stadtplatz überzeugt sehr gut hinsichtlich seiner Einbindung im Stadtraum und als Trittstein zum Ringpark. Das Siebold-Denkmal fehlt auf dem Platz, hierzu bleiben die VerfasserInnen eine Aussage schuldig.

Das Gesamtkonzept wird insgesamt als sehr schlüssig und differenziert, jedoch als nicht in allen Teilen bis zuletzt überzeugend eingeschätzt. Insbesondere am Kardinal-Faulhaber Platz überzeugt der Entwurf räumlich und funktional nicht. Die Entwürfe für den Geschwister-Scholl-Platz und den Josef-Stangl-Platz stellen sehr gute Lösungsansätze zur gestellten Aufgabenstellung dar. Für den Barbarossaplatz und den Bereich der Schwarzen Promenade wird die Arbeit als wertvoller Beitrag erachtet.
Geschwister-Scholl-Platz

Geschwister-Scholl-Platz

Gesamtlageplan

Gesamtlageplan

Ansicht Brotzeitstube

Ansicht Brotzeitstube