modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Interdisziplinärer, nicht offener, einphasiger Ideen-Wettbewerb | 03/2023

Integration Schallschutz in den Stadtraum von Düsseldorf - Infrastrukturausbau Rhein-Ruhr-Express

Rendering Benrath

Rendering Benrath

Preisgruppe

Preisgeld: 60.000 EUR

Zentrum für Peripherie

Stadtplanung / Städtebau

haascookzemmrich STUDIO2050

Architektur

Martin Rauch - Lehm Ton Erde Baukunst GmbH

Kunst

knippershelbig GmbH

Tragwerksplanung

VIZE architectural rendering

Visualisierung

Erläuterungstext

LEHM – gefaltete Erde

Konzept
Die neuen Lärmschutzwände in Düsseldorf werden aus dem natürlichsten aller amorphen Baustoffe, Lehm, aufgeschichtet. Das Material aus Bodenaushub, Stroh und Reet verbindet die Vorzüge der uralten Wellerlehmtechnik in Bezug auf Langlebigkeit, Dauerhaftigkeit und hoher Stabilität hinsichtlich Erschütterungen und Schallundurchlässigkeit mit modernster Fertigungstechnik. Wellerlehm bindet Kohlenstoff und ist zu 100% rückführbar. Die Wellerlehmwände bringen die Natur in die Stadt und nutzen eine bewährte energiearme Bautechnik in technologisch modernisierter Modulbauweise.

Technische Konzeption
Die Faltung der Wand schafft Lichtspiele und Stabilität. Es gibt zwei Wandhöhen, von denen die niedrigere durch einen Diffraktor ermöglicht wird und den Blick aus dem Zug in die Stadt und umgekehrt ermöglicht. Traditionelle Bautechnik wird mit modernster Modulbauweise verknüpft. Die stark verdichteten Wellerlehmmodule ermöglichen eine effiziente und stabile Bauweise, die in ihrer Formgebung, die Statik betreffend, akustisch, ökologisch und ästhetisch wirksam ist.
Die unregelmäßige und je nach Gegebenheit und Umgebung unterschiedliche Faltung des Wandgrundrisses schafft eine charakteristische architektonische Form, die Stabilität gegen Seitenkräfte, wie Wind- und Druckwellen und Sogkräfte der Züge, bietet. Die unterschiedlichen Winkel der Wandflächen im Raum bieten ein sich veränderndes Helligkeits- und Schattenspiel. Sonneneinstrahlung und Verschattung schaffen in der Wand unterschiedliche Mikroklimata, welche teilweise ähnliche Eigenschaften zu rar gewordenen natürlichen Lehmabbruchkanten aufweisen und damit eine wichtige Funktion für darauf angewiesene Arten erfüllen.
Die einkalkulierte Erosion im Lehmbau bedeutet ästhetisch ein Abrunden von scharfen Kanten. Je nach Winkel, Wetterseite, Sonnenseite und Wind-Ausgesetzt-Sein wird die Wand kleine Unterschiede entwickeln. Sie ist auf ihre eigene individuelle Art und Weise wandelbar. Der Kontrast zwischen glatter architektonischer Perfektion und sich wandelnden Oberflächen ist ein wichtiger Aspekt für das Lebensgefühl und die Verbundenheit mit einer Stadt.

Städtebauliche und stadtökologische Einbindung in Bezug zum ortsspezifischen Kontext in den drei gewählten Vertiefungsbereichen
Die gefaltete Wellerlehmwand wird in den Außenbereichen Teil der offenen Landschaft. Im Stadtraum entsteht ein vertikaler Naturraum. Die Faltung, mal minimal, mal stärker ausgeprägt, verbindet den Raum der Gleisanlagen mit der Stadt und ihren Nischen und kleinteiligen Lebensräumen. Der Einsatz des WHIS Diffraktors erlaubt es, die Höhe der Wand in vielen Teilbereichen um zwei Meter zu verringern, sodass Blickbezüge aus dem Zug entstehen. Die Modulation, Belebtheit und Schönheit der Wandbereiche, die im innerstädtisch dichtem Raum ihre volle Höhe erreicht, wird eine Projektionsfläche, auf der sich das Wechselspiel der Jahreszeiten und des täglichen Wetters durch den Lichteinfall auf die strukturierte Oberfläche zeigt. Ein Spiel der Farben durch einen Wechsel von oberflächlich feuchtem und dunkel werdenden Lehm, zu trockenen und hellen Flächen, schon kurze Zeit darauf.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit zeichnet sich durch einen einfachen baukonstruktiven Gedanken aus. Der Lärmschutz wird primär aus einem amorphen Baustoff – Lehm – zu meterhohen Mauern aufgeschichtet. Das Material aus Bodenaushub, Stroh und Reet weist die Vorzüge der traditionellen Wellerlehmtechnik in Bezug auf Langlebigkeit und Dauerhaftigkeit auf. Klimatisch und akustisch soll sie nach Auffassung des Verfasserteams viele Vorteile bringen; abends die Wärme speichern, nachts abkühlen, nicht nur schallreflektierend, sondern auch schallabsorbierend wirken. In der Verwendung von natürlichen Materialien ähnelt die Mauer bepflanzten Steilwallsystemen die schon seit langer Zeit erfolgreich für Lärmschutz außerhalb von Bahntrassen Anwendung finden. Ähnlich dem Steilwallsystem lebt der Vorschlag akustisch von der Massivität der Aufschichtung und visuell von den natürlichen Wandflächen. Auch wenn die Lehmmauer nicht bepflanzt wird erhält sie durch den Witterungsprozess und den Materialmix eine aufgeraute und teilweise poröse Oberfläche. Diese strukturierte Wandfläche kann einen Lebensraum für Insekten und andere Kleintiere bilden, auch wenn auf eine Bepflanzung der Wand aus Gründen des Brandschutzes verzichtet wird. Durch den Einsatz von lokal vorkommenden Materialien, die teilweise Restprodukte anderer Prozesse sind, kann der Entwurf einen Beitrag zur regionalen Kreislaufwirtschaft leisten.
Die vorgeschlagene Form der Lehmwand entfaltet somit nicht die haptische Trenn- und Abstoßwirkung einer herkömmlichen Betonwand, sondern stellt ein Lebenselement im Stadtraum dar, das mit den angrenzenden Freiflächen gestalterisch und ökologisch kommuniziert. Jedoch kann die Wand bei zunehmender Höhe als zu massiv empfunden werden. Das Konzept des monolithischen Körpers der als Erkennungszeichen sich durch die Stadt windet, leidet jedoch unter formaler Sicht darunter, dass die Wand an vielen Stellen unterbrochen sein wird. Punktuell können jedoch überzeugende Lösungen gefunden werden. Insbesondere durch die Faltung der Mauer kann es gelingen eine Geste zu setzen, die der Mauer Lebendigkeit verleiht. Das Material Lehm als Schallschutzwand weist derzeit keine Zulassung an DB-Strecken auf. Weder die Statik noch die Dauerhaftigkeit ist nachgewiesen. Auch ein Nachweis der benötigten Absorption (hochabsorbierend) ist bisher nicht erfolgt. Die Breite der Wände sowie die Faltung machen eine erneute Planfeststellung erforderlich. Die Umsetzbarkeit an der RRX-Strecke ist daher auch perspektivisch gesehen höchst fraglich. Aus akustischer Sicht ist der Entwurf kritisch zu beurteilen, da keine zugelassenen Schallschutzwandsysteme verwendet werden. Weder für die verwendeten Materialien (Lehm) noch für den eingesetzten Diffraktor liegen Zulassungen und akustische Nachweise der Eigenschaften vor. Neben der fehlenden Zulassung ist bei dem Diffraktor seine Wirkungsweise, Ablenkung des Schalls nach oben, innerstädtisch kritisch zu bewerten.
Fazit: Die vorgetragene Idee, die neuen Lärmschutzwände in Düsseldorf aus Lehm aufzuschichten, entdeckt archaische Techniken für die städtebauliche Integration emittierender Verkehrstrassen. Mit der Wellerlehmtechnik gelingt es, die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft konsequent auf heutige Infrastrukturmaßnahmen zu übertragen. Die Formbarkeit des Materials garantiert Vielfalt, seine poröse Oberfläche bringt Natur in die Stadt, Textur und Ästhetik werden zum optischen Ereignis und haptischen Erlebnis. Die Anwendung des Konzepts fördert die lokale Wirtschaft und bietet die Chance zur Einbindung kleiner und mittlerer Unternehmen aus der Region. Auch wenn die vorgeschlagene Technik keine Zulassung für Bahnstrecken aufweist und aufgrund des Gewichts und Flächenbedarf sicherlich nicht durchgehend der RRX-Trasse Verwendung finden kann, wird sie im Ideenwettbewerb als wichtige Inspiration wahrgenommen, die als punktuelle Lösung an der Trasse weiterverfolgt werden sollte.
Gesamtübersicht

Gesamtübersicht

Perspektive

Perspektive