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Nichtoffener Wettbewerb | 04/2023

Ersatzneubau Neue Gertraudenbrücke Berlin Mitte

ein 3. Preis

Preisgeld: 32.000 EUR

Bergmeister

Tragwerksplanung

J2M mayr metz architekten partgmbb

Architektur

BEM : Burkhardt | Engelmayer | Mendel Landschaftsarchitekten Stadtplaner Partnerschaft mbB

Landschaftsarchitektur

Pro Eleven GmbH

Visualisierung

Erläuterungstext

Die Neue Gertraudenbrücke zwischen Grünstraßenbrücke und Alter Gertraudenbrücke ist die zeitgenössische Interpretation einer steinernen Stadtbrücke und bildet zusammen mit ihren historischen Schwestern ein Ensemble aus massivem Steinbrücken. Die beiden Brückenwangen schlagen einen flachen Korbbogen über den Spreekanal analog zum Bogen der Grünstraßenbrücke. Der gestockte Beton der beiden Brückenfassaden korrespondiert mit dem Stein der historischen Brücken, hält sich jedoch zurück mit Zierwerk – lediglich die Brüstung wird als Band schlitzartiger Öffnungen hervorgehoben.
Die skulptural gefaltete Untersicht entsteht aus dem Wechsel der beiden formgebenden Kurven – dem Korbbogen von den Brückenbild bestimmenden Ansichten und dem “Momenten“-Bogen, der den Kiel der vier Brückenschiffe bildet und entsprechend dem Verlauf der Schnittkräfte einen flachen Bauch über der Feldmitte formt. Über den Durchgängen schwingen diese Kurven nach oben und geben den Fußgängern und Fahrradfahrern großzügig Luft und Raum. Die Schalensegmente werden an den beiden Enden bis zu den beiden Sockelbalken herunterführt, die auf den beiden Reihen von Bohrpfählen gründet. Diese Sockelbalken formen eine durchgehende Bank die Spaziergängern Sitzgelegenheit am Wasser bietet. In der Nacht erhellen in der Bank integrierte Leuchten die Untersicht der Brücke.

Beim Entwurf des 30 m breiten Ersatzneubaus an die Stelle der Neuen Gertraudenbrücke handelt es sich um eine integrale 35 m weit gespannte Rahmenkonstruktion in Spannbeton mit in Querrichtung gefalteter Untersicht und im Grundriss leichter trichterförmiger Aufweitung zur 1894-1895 errichteten und heute denkmalgeschützten Gertraudenbrücke hin. Die Geometrie der Brücke ist abgeleitet vom Momentenverlauf eines einstöckigen Rahmens mit kräftigen Kämpferbereichen, Materialeinsparungen im Bereich des Momentennulldurchganges der Fahrbahnplatte und Querschnittszunahme bis hin in Feldmitte mit max. 1,1 m Konstruktionshöhe. Der kurze Rahmenstil wird über 10 m lange Bohrpfähle ø 100 cm in den Untergrund verlängert. Mit den Pfählen und der damit erzeugten relativen Unverschieblichkeit des Rahmenfußpunktes in Brückenlängsrichtung wird die Rahmen- und Einspannwirkung der Kämpfer sichergestellt. Mit Vorspannglieder im nachträglichen Verbund geführt entsprechend dem Momentenverlauf wird die Brückenplatte bzw. der Rahmenriegel vorgespannt und der Querschnitt überdrückt.
Das Lichtraumprofil des Ersatzneubaues mit einer Scheitelhöhe von mindestens 35,7 m ü NHN wird von der Geometrie der Gertraudenbrücke mit 35,6 m ü NHN vorhandener Scheitelhöhe abgeleitet und damit sind die Anforderungen der Wasserstraße mit der mind. geforderten Scheitelhöhe von 35,6 m ü NHN eingehalten. Die Brüstungen sind zeitgemäß interpretiert in Stahlbeton Teil des Brückentragwerks und von der Feldmitte Richtung Widerlager unter Berücksichtigung des Querkraftverlaufs vierendeelmäßig aufgelöst.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser*innen schlagen eine massive Korbrahmenbrücke vor, die Elemente bestehender Brücken aufgreift und interpretiert.

Die skulpturale Betonstruktur schafft einen höhlenartigen Raum unter der Brücke mit besonderem ästhetischem Reiz, der zugleich aber auch angsteinflößend wirken könnte. Die historisierende Wirkung polarisiert das Preisgericht. Das Projekt zeichnet sich durch einen zusammenhängenden Grünraum an beiden Seiten der Leipziger Straße aus, der maßgeblich durch die Umwidmung der Kurstraße an der Westseite und der Seydelstraße an der Ostseite entsteht. Hierdurch wird ein besonders attraktiver Raum für die Benutzer*innen zu Fuß geschaffen, in dem auch die alte Gertraudenbrücke in ihrer gesamten Breite in überzeugender Weise eingebettet ist.

Der Freiraum zeichnet sich zudem durch großflächige Entsiegelungen und Baumpflanzungen aus, wodurch ein wichtiger Beitrag zum städtischen Mikroklima und zur Klimaanpassung geschaffen wird. Die vorgeschlagenen Pflanztröge auf der alten Gertraudenbrücke und auf der Neuen Gertraudenbrücke in Phase 3 sind schwierig zu unterhalten und werfen hinsichtlich der alten Gertraudenbrücke denkmalpflegerische Bedenken auf.

Die Orientierung im öffentlichen Raum wird von der Jury positiv bewertet. Auch die Führung des Radverkehrs in Richtung Potsdamer Platz in Phase 3 über die Neue Gertraudenbrücke hält die Jury für sehr begrüßenswert, weil zum einen den Radfahrenden eine ausreichend große und direkte Verbindung auf der Leipziger Straße geboten wird und zum anderen die alte Gertraudenbrücke exklusiv für Menschen zu Fuß zur Verfügung steht.

Ebenfalls als positiv zu vermerken ist, dass diese Radverbindung in Phase 1 und 2 auf der alten Gertraudenbrücke getrennt vom Fußverkehr und nicht als von Radfahrer*innen und Fußgänger*innen gemeinsam genutzter Raum ausgewiesen ist, wodurch Konflikte zwischen Radfahrer*innen und Menschen zu Fuß vermieden werden.

Die Realisierung der neuen Brücke mit einem durchgehend monolithischen Überbau, im Gegensatz zu zwei getrennten Brückenbauwerken, wie es in der Wettbewerbsausauslobung formuliert ist, wird sehr kritisch gesehen.

Die Barrierefreiheit kann gegeben werden, sofern Rampenneigungen eingehalten und Podeste geschaffen werden, wobei zu beachten ist, dass Rampen Sonderwege darstellen und damit keine einheitliche Lösung für alle sind. Zudem sind Konfliktsituationen zwischen Fußgänger*innen und Radfahrer*innen absehbar.

Als charmantes Detail wird die Replatzierung des Spindler-Brunnes an seinen ursprünglichen Platz gewürdigt. Insgesamt stellt das Projekt einen besonders anerkennenden Mehrwert für den Spittelmarkt dar.