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Nichtoffener Wettbewerb | 06/2023

Neuer Eingangsbereich Zeche Nachtigall in Witten

Präsentationsplan 1

Präsentationsplan 1

Anerkennung

Preisgeld: 6.500 EUR

ATELIER BRÜCKNER GmbH

Architektur

chora blau Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

ee concept gmbh

Nachhaltigkeitskonzept, Energieplanung

Breinlinger Ingenieure GmbH

Tragwerksplanung

Erläuterungstext

HALTUNG UND ARCHITEKTUR FASSADE UND FORM
Das Museum der Zeche Nachtigall bildet als „Wiege des Ruhrbergbaus“ einen wichtigen Bestandteil der LWL-Museen, aber auch einen Identifikationspunkt der Region. Der Neubau bezieht sich somit sowohl auf das bedeutende historische Zechen- und Ziegeleiareal als auch auf die Region als solche mit ihren Naherholungsflächen, neuen Mobilitätskonzepten und der nahenden IGA 2027. Das neue Besucherzentrum bildet also nicht nur einen neuen Museumseingang im Osten der Bestandsanlage, sondern auch einen multifunktionalen Dreh- und Angelpunkt für Tourismus und Bildung im Muttental. Mit diesem Selbstverständnis platziert sich der polygonale Neubau in respektvoller Entfernung zum Ringofen, nimmt die städtebauliche Längsausrichtung seiner Umgebung auf und heißt Ankommende von Osten und Norden gleichermaßen willkommen. Durch die Faltung in Fassade und Dachform zitiert er die Dynamik des Bestandsdaches des Ringofens, nähert sich in der Körnung den westlichen Satteldachhäusern an und bildet mit seiner kristallinen Formsprache einen zeitgenössischen Kontrapunkt zu den Bestandsgebäuden. Zugleich nimmt der Baukörper Bezug auf den umgebenden Naturraum sowie die Hanglage des Grundstücks und thematisiert den historischen Bergbau bzw. Steinbruch, als auch die daraus entstehenden natürlichen Formen.
Die karbonisierte Holzfassade nimmt dies für alle Sinne thematisch wieder auf: Auf den geneigten Fassadenflächen bricht sich das Licht je nach Drehung zur Sonne. Das matte Holz wird ergänzt durch glänzend „polierte“ verglaste Flächen und die PVDachdeckung, unter Einbezug des Blicks von der Anhöhe auf das Dach als fünfter Fassade der monolithischen Freiform. Der Kontrast zum verwendeten sichtbaren Holzstabtragwerk des Daches referenziert das ebenso konstruierte Bestandsdach des Ofens sowie die polygonal geformten Stollentunnel. Die fließenden Räume im Norden und Süden der Gesamtanlage entwickeln sich entlang der Längsrichtung und weiten sich im Gegenüber von Ringofen und Neubau zu einem multifunktional nutzbaren Platz auf, welcher von großen Veranstaltungen über freiräumliche Aktionen hin zu Vorträgen unter freiem Himmel alles ermöglicht und das Bestandsgelände um einen neuen qualitativ hochwertigen Ort ergänzt.
Über die Materialität und Gestaltung der Außenanlagen wird eine niederschwellige Gliederung in Vorplatz und Museumsgelände, öffentlich und eintrittsbeschränkt, formuliert, ohne jedoch den Zusammenhang zwischen beiden Bereichen zu verlieren.

INNENRAUM UND BEWEGUNG
Auf dieser Grenze steht der Neubau, ebenfalls in Längsrichtung des Bestands Ost/West ausgerichtet. Seine Erschließung erfolgt durch einen zentralen Einschnitt, das Herz des Gebäudes, in welchem sich die Kasse und die Ticketkontrolle befinden. Die Außenkasse erfolgt durch einen Ticketautomaten. Das Infozentrum und die Gastronomie im Erdgeschoss sind öffentlich zugänglich und für das Personal leicht einsehbar, wodurch beide Bereiche durch eine Person bedient werden können. Im Kontrast zur Außenhaut bietet das lediglich geölte Holz dem Besucher ein warmes, freundliches Erscheinungsbild. Mit der großen Treppe im Foyer erfolgt der Auftakt zum eintrittspflichtigen Multifunktionsraum mit seinem zum Museumsgelände ausgerichteten Panoramafenster. Durch seine kristalline Dachform bildet er einen großzügigen, attraktiven Raum aus. Er ist flexibel unterteilbar und kann durch eine Erweiterungsfläche zum Rundgang für eine museale Nutzung ausgebildet werden. Auf den zum Verweilen einladenden Galeriebereichen, welche flexibel genutzt werden können – z.B. als Ausstellungsflächen und damit mehr sind als reine Erschließungsflächen, ist zudem ein Blick in das doppelgeschossige Foyer, als auch die Umgebung möglich. Das Foyer bildet so den Auftakt zum Betreten des Museumsgeländes. Hier wird der Blick zwischen bewaldetem Hang und den Altbauten mit ihrem 45m hohen Turm inszeniert und lädt so zum Beginn des Rundgangs über das Gelände ein.

PLÄTZE UND SCHWELLEN
Mit der über das Ausstellungskonzept des Museums vermittelten Industrialisierung ist der Aspekt des hiermit einhergehenden epochalen, landschaftlichen Umbruchs verbunden. Über die Gestaltung des Einstiegortes in das Museum wird diesem Zeitalter des topographischen Wandels ein Bild gegeben. Die Ausstattungselemente, die Formsprache des Vorplatzes, die Gestalt des Gebäudes werden in diesem Sinne zu Anschauungs- und Ausstellungsobjekten dieses einzigartigen Wandels. Der Höhensprung des Bestandsgeländes wird genutzt, um das Museumsgelände zu schützen, ohne dass sich die Anmutung einer üblichen Umzäunung ergibt. Über ein modulares System von verschiedenen funktionalen und gestalterischen Variationen sind die Grenzen und Höhensprünge des Vorplatzes durch einzelnen unterschiedliche Ausstattungselemente wie Sitz- und Treppenstufen, Holzlattensegmente und Heckenpakete kombinierbar. Die Integration von Schiebetoranlagen in die bestehende Umzäunung erlaubt es, sowohl über den Jahresverlauf als auch bei Veranstaltungen auf besondere Szenarien der Zugangskontrolle flexibel zu reagieren. Die Platzbereiche vor dem Eingang sowie die Terrasse der Außengastronomie sind durch einen einheitlichen Plattenbelag geprägt und heben sich gegenüber dem Grand der wassergebundenen Wegedecke der inneren Museumsflächen ab. Entlang der südlichen Hangkante entwickelt sich im Innenbereich des Museums eine Spiellandschaft, die sowohl vom Museumsgelände als auch von der Gastronomie aus einsehbar ist und sich auf den Inhalt des Museums beziehen.

FREIRAUM UND GRÜNRAUM
Für die Gestaltung des Vorplatzes werden Natursteinblöcke und Natursteinplatten aus regional anstehendem Ruhrsandstein vorgesehen. Trotz der hohen Dauerhaftigkeit des Natursteins ist dies als reines Naturprodukt auch im Falle eines Rückbaus kaum umweltbelastend. Alternativ wäre bei lokaler Herstellungsmöglichkeit auch Recyclingbeton mit optimierter Zementreduktion denkbar. Für die Strauchhecken- und Heckenkörper sind heimische, schnittverträgliche Arten wie Feldahorn und Hainbuche vorgesehen. Alle in den Spielflächen eingebauten Spielelemente bestehen aus unbehandeltem und dauerhaftem Holz. Die Fallschutzflächen unter den Spielgeräten werden mit Holzhackschnitzel gefüllt, um eine Ausführung mit synthetischen Baustoffen zu vermeiden. Die Entwässerung der Dachflächen sowie der befestigten Flächen wird aufgrund der notwendigen Gefälleneigungen des vorhandenen Reliefs seitlich abgeführt. Hierfür werden in den einfassenden Natursteinblöcken des Platzes Aussparungen vorgesehen, die das anfallende Regenwasser in die angrenzenden Strauchheckenpflanzungen leiten. Sofern die Bodenverhältnisse dies erlauben, sollte das darüber hinaus anfallende Regenwasser in unterirdischen Rigolen zurückgehalten werden und langfristig versickern.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Verfasser setzt einen kristallinen Solitär in die Verlängerung der Ringofenanlage, dessen Außenkanten auf die verschiedenen Bewegungsflüsse auf dem Gelände reagieren. Die dadurch entstandene Gebäudetypologie wird in seiner Konkurrenz zum Bestand, insbesondere aufgrund seines Volumens und Höhenentwicklung kritisch bewertet, wobei die Fassadenmaterialität der schwarzen Außenhaut aus karbonisierten Holzlatten diesen Eindruck etwas abmildert. Die Formensprache des Gebäudes wird in der Ausarbeitung der Außenanlagen weitergeführt: hier ist unter anderem die Gliederung in den frei zugänglichen und bezahlten Museumsbereich geschickt topografisch gelöst. Die Grundrisse weisen eine klare Struktur, schlüssige Erschließungswege und eine besonders hohe innenräumliche Aufenthaltsqualität auf. Ein zentraler zweigeschossiger Einschnitt leitet sowohl selbstverständlich auf das Gelände des Freilichtmuseums als auch in die vielfältig bespielbare Fläche im Obergeschoss, die durch den polygonalen Raumzuschnitt einen attraktiven Ausstellungs- und Veranstaltungsraum anbietet. Neben der Materialität und Rückbaubarkeit der Gebäudekonstruktion ist der Aspekt der Nachhaltigkeit insbesondere durch die flexibel nutzbare Grundrissstruktur und Multifunktionalität gegeben. Die Fassaden spielen gekonnt mit geschlossenen und transparenten Flächen, Unterschnitten und gezielt gesetzten Ausblicken, die die Umgebung schön in Szene setzen.

Der den Kristall umgebende Freiraum ist nahezu vollständig versiegelt, im Norden sogar in Form einer Pflasterfläche. Der hohe Versiegelungsgrad des sehr großzügig dimensionierten Vorplatzes wird bemängelt und entspricht dem heutigen Anspruch an eine naturverträgliche und klimaangepasste Planung genauso wenig wie die fehlende Beschattung der Außenbereiche durch Bäume. Die Gliederung in „kristalline“ Flächen und die Ebene um den Ringofen wirkt im Verlauf beliebig, die Ausführung mittels schmaler Vegetationsfugen und Holzzaun wird kontrovers diskutiert. Spiel und Gastronomie sind auf den eintrittspflichtigen Teil und den außenliegenden Bereich verteilt, der Spielbereich selbst wirkt zu städtisch. Die Niederschlagswasserableitung wird thematisiert.

Insgesamt leistet die Arbeit insbesondere in Bezug auf die funktionale und innenräumliche Ausarbeitung einen qualitätvollen Wettbewerbsbeitrag. Sie wird aber der Eigenart des Ortes nicht gerecht, da der Solitär gegenüber der historischen Ringofenanlage eine überhöhte und damit ungewünschte Dominanz darstellt.
Präsentationsplan 2

Präsentationsplan 2

Präsentationsplan 3

Präsentationsplan 3

Präsentatonsplan 4

Präsentatonsplan 4