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Einladungswettbewerb | 06/2023

Brenzkirche Stuttgart IBA’27 - Zurück in die Zukunft

Hauptperspektive bei Tag

Hauptperspektive bei Tag

3. Preis

Preisgeld: 8.500 EUR

Klumpp + Klumpp Architekten BDA

Architektur

VON M GmbH

Architektur

Erläuterungstext

Der folgende Beitrag wurde durch die ARGE Klumpp + Klumpp Architekten, Stuttgart und VON M Architekten, Stuttgart eingereicht.

STÄDTEBAULICHE UND FREIRAUMPLANERISCHE QUALITÄT
Wandlung ist ein zentraler Begriff christlichen Glaubens. Die Brenzkirche wandelt sich durch ihre bauliche Neugestaltung zu einer progressiven und weltoffenen Kirche. Was das bedeuten kann, hat Pfarrer Fischer 2021 in verschiedenen Dimensionen sprachlich veranschaulicht. Dieser zeitgemäßen Auffassung evangelisch christlichen Glaubens und kirchlicher Praxis soll auch das Gebäude in seiner Außenerscheinung und baulichen Organisation entsprechen.
Der neue Glockenturm verortet das Kirchengebäude im städtischen Raum neu und bezeugt die räumliche Nähe zur Weißenhofsiedlung. Gleichzeitig ist er ein Fingerzeig auf die Fortsetzung moderner Ideen im baulichen und in dem, was Kirche für die lokale Gemeinde bedeutet.
Das prominent in die Nordfassade eingefügte großzügige Fenster zur Straße Am Kochenhof würdigt die visionäre Architektur Alfred Daiblers, ohne sie zu kopieren. Es öffnet den Blick in das Gebäude der Kirche, das sich der Stadt und dem alltäglichen Leben gegenüber offen präsentiert. Es lässt den Weg in den Kirchenraum im Licht liegen und macht die Aktivitäten der Gemeinde nach außen sichtbar.
An der Seite des Haupteingangs, entlang der Landenbergstraße, bietet die Geländesituation die Möglichkeit einen großen, einladenden Vorplatz zu gestalten, der bei Festen, Veranstaltungen und nach dem Gottesdienst zum Verweilen einlädt und Raum schafft für Begegnung und Überblick.
Auch für die Besucher der IBA 2027, die zwischen Weißenhof und Kochenhof, Theodor-Heuss-Haus und Bismarck-Turm, Killesberg Park und Killesberg Höhe die spannenden Pole architektonischer Vielgestaltigkeit im Stuttgarter Norden erfahren können, wird dies ein anregender Ort der Vergegenwärtigung über die zentrale Rolle des Gebäudes Brenzkirche im Stadtraum Killesberg und seine exemplarische Bedeutung für das Bauen für die Gemeinschaft.

KONZEPTIDEE
Die Brenzkirche der Zukunft folgt den Bedürfnissen nach Bewegung, Ruhe, Freiheit.
Jedem ist ein Bereich gewidmet. Die Bereiche liegen übereinander. Jeden Bereich charakterisieren eine eigene Atmosphäre und die daraus entstehenden Möglichkeiten der Nutzung.
Die Stärke ist, dass alle drei Bereiche zur selben Zeit genutzt werden können, so dass gelebte Vielfalt erfahrbar wird.

ARCHITEKTONISCHE UND GESTALTERISCHE QUALITÄT
BERÜCKSICHTIGUNG DER NUTZUNGSVORGABEN
Durch die Neugestaltung der Außenbereiche an den Längsseiten der Kirche betritt man künftig das Gebäude ohne Niveauversprung. Ungehindert tritt man herein und erreicht das helle und lichtdurchströmte Foyer. Der offene Raum und das große Fenster führen dazu, dass man den Kopf hebt, der Blick richtet sich auf. Dessen Luftraum die drei Hauptbereiche verbindet. Die freigelegte Treppe erschließt das Gebäude mühelos und erlaubt eine intuitive Orientierung und mithilfe des Fahrstuhls werden alle Räume barrierefrei erschlossen.

BEWEGUNG: Der Dora-Veit-Saal im Erdgeschoss kann auf vielfältigste Weise genutzt werden. Er bietet reichlich Raum, um im gesamten Jahresverlauf Veranstaltungen für Gruppen aller Größen und zahlreiche Aktivitäten durchzuführen.
Je nach Bedarf können Flächen und Räume variabel verbunden werden. Sogar die Küche kann in die jeweiligen Veranstaltungen direkt eingebunden werden. Und wenn das Wetter es erlaubt, lassen sich selbst die Außenbereiche beiderseits des Gebäudes über Türen mit einbeziehen.

RUHE: Im Obergeschoss befindet sich der Kirchenraum. Klar und reduziert. Es ist ein Ort der einen würdigen Rahmen für einen evangelischen Gottesdienst bietet, aber ebenso ein Raum ist, der zurückhaltend genug ist, dass er auch Ort für Präsentationen bildnerischer, darstellender oder konzertanter Kunst sein kann.
Die Möglichkeit, die Atmosphäre durch die abgehängte LED-Lichtdecke zu gestalten, erweitert die Nutzungsszenarien. Sie erlaubt es, einfach und sensibel die jeweils gewünschte Lichtstimmung für eine Nutzung herzustellen. So ist es auch möglich, Bereiche nur partiell zu beleuchten.

Die in der Baugeschichte begründete Asymmetrie des Kirchenraums wird aufgegriffen und durch Sitznischen an der westlichen Längsseite und die darüber liegenden Fenstern betont. Ein Oberlicht im Osten ermöglicht hingegen auch eine natürliche Belichtung des Raumes in den Morgenstunden, ohne geblendet zu werden. Die Wände sind schlicht gestaltet.

Die Orientierung des Raumes wird so erst durch die Möblierung vorgegeben. Die Anzahl der Gottesdienstbesucher bestimmt den Umfang der Möblierung und deren Ausrichtung im Raum. An hohen Festtagen wird der gesamte Kirchenraum bestuhlt und bietet Sitzgelegenheiten in Längsausrichtung für 255 Gläubige. Mithilfe zweier mobilen U-formigen Wänden können unterschiedlichste Raumszenarien kreiert werden. Bei familiären Festen oder einem wöchentlichen Gottesdienst können die schiebbaren Modulwände und eine reduzierte Möblierung für eine adäquate Zonierung sorgen. Die Orgel ist mittig vor dem Treppenkern und mit Sichtbezug zum Kirchensaal positioniert.

Bei Kunstveranstaltungen lassen sich aus dem Zusammenspiel von Außenwänden und Modulwänden flexible und attraktive Raumsituation schaffen. Sie ermöglichen immer wieder neue Wegeführungen, Raumzuschnitte und Raumwirkungen.

FREIHEIT: Der obere Bereich ist als Dachgarten ausgebildet. Der Dachstuhl der späten 30er Jahre wird zurückgebaut. Er wird vor der „Roten Wand“ am Rande des Parkareals aufgebockt und dient während des Umbaus als Interimskirche. Eine Pergola auf dem Dachgarten der Brenzkirche der Zukunft bietet die Möglichkeit der Verschattung und für Rankgewächse, wie z.B. für einen kleinen Weingarten oder für Maßnahmen zum Erhalt der Biodiversität. Vom Dachgarten der Brenzkirche der Zukunft aus, schaut man zur Weißenhofsiedlung, über das Stuttgarter Tal und bis hin zum Fernsehturm. Hier können Zusammenkünfte verschiedenster Art stattfinden: Trauungen, Gottesdienste, Diskussionsrunden oder Konfirmandenunterricht. Allerdings auch ohne Programm bietet dieser Ort eine Möglichkeit des Verweilen im Dachgarten.

UMGANG MIT DEM BESTAND
Bis auf das geneigte Dach behält die Kirche im Wesentlichen ihre gewohnte Kubatur. Die weiteren Eingriffe zeigen sich erst auf den zweiten Blick. Das vergrößerte Fenster an der Nordseite verbessert die Sichtverbindungen zwischen Innen und Außen.
Der mit Bäumen gerahmte westliche Vorplatz wird auf das Niveau des Erdgeschosses angehoben, wodurch nicht nur ein barrierefreier Zugang entsteht, sondern insgesamt die Verbindung zwischen Innen und Außen vereinfacht wird. Die Kirche begegnet ihren Besuchern auf Augenhöhe. Das Gebäude öffnet sich nach außen und für die Gemeinde in vielfältigen Nutzungsszenarien.
Das auskragende Vordach akzentuiert den Haupteingang neu und erleichtert die Orientierung.
Die Empore im Kirchensaal ist um eine Achse nach Süden erweitert. Sie bietet so zusätzlichen Platz für Besucher, die vor der neu angeordneten Orgel sitzen oder für einen Chor und Musiker.
Der Raum unter der Empore kann je nach Bedarf Stuhlstellfläche oder Stuhllager werden.
Der Wohntrakt im Süden bleibt in seiner Grundstruktur erhalten. Lediglich im heutigen Dachbereich wird ein Stock neu aufgesetzt. Dieses verfügt über höhere Wohnqualität als bisher, da es ohne Dachschrägen auskommt.

NACHHALTIGKEITSKONZEPT
Das Gebäude erhält eine vollständig neue Dämmung auf den Dachflächen sowie neue Fenster mit Drei-Fach-Wärmeschutzverglasung. Die Außenfassaden werden mit mineralischem Dämmputz versehen. Die Dämmung der Innenräume erfolgt von innen mit Kalk und Lehmplatten aufgrund höherer Nachhaltigkeit. Diese Materialien sind hygroskopisch wirksam und puffern die relative Luftfeuchte, dadurch lässt ich der Energiebedarf insgesamt deutlich reduzieren und es werden keine maschinellen Lüftungsanlagen benötigt. Es entsteht so auch ein insgesamt behaglicheres Raumklima. Die Wärmeerzeugung erfolgt durch eine Wärmepumpe. Ob eine Luft-Wasser oder möglicherweise eine Sole-Wasser-Wärmepumpe eingesetzt werden soll, kann erst später geklärt werden. Letztere würde Erdsonden oder einen Eisspeicher als Wärmequellen nutzen. Der Eisspeicher ließe sich im Keller unterbringen. Über Fußboden- und Flächenheizungen wird die Wärme im gesamten Gebäude bereitgestellt. Die Oberflächennahen Heizschleifen im Estrich des Kirchenraumes erlauben in Verbindung mit der Innendämmung des Raumes eine dynamische und energiesparende Heizung des Raumes. Das System erlaubt schnelle Temperaturanpassungen auch bei temporärer Nutzung des Kirchenraumes.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf betrachtet die unterschiedlichen Ebenen unter den Überschriften Bewegung, Ruhe und Freiheit, welche den Geschossebenen EG, 1.OG und DG zugeordnet werden.

Es wird ein städtebaulich attraktives Vorfeld geschaffen, indem die bestehende Treppe an der Landenberger Straße erweitert wird und unauffällig in einen barrierefreien Zugang mit Platzbereich übergeht.

Vom Foyer aus werden die oberen Ebenen barrierefrei gut erschlossen. Ergänzt wird der Eingangsbereich um ein großes Vordach als einladende Geste, das gleichwohl eher kritisch gesehen wird. Sehr gelungen ist die Öffnung des Dora- Veit- Saals sowohl zum „Vorplatz“ auf der Westseite als auch zur Ostseite. Auch dort wird ein barrierefreier Terrassenfreibereich vorgeschlagen, welcher über Rampen und Treppen vom Hof aus erreichbar ist. Der Saal bietet durch seine Öffnung nun noch mehr Nutzungsmöglichkeiten und Präsenz im Quartier.

Der Baukörper wird in seinem städtebaulichen Erscheinungsbild sichtlich verändert, in dem zum einen der komplette Dachstuhl zugunsten eines Flachdaches entfernt zum anderen der Turm erheblich erhöht wird.

Das prominent in die Nordfassade eingefügte großzügige Fenster würdigt die visionäre Architektur Alfred Daibers, ohne sie zu kopieren.

Kritisch gesehen wird die Neudefinition von Kirchenraum im Hauptbaukörper und untergeordnetem Querbau mit Büros und Wohnungen, welcher künftig eine größere Gebäudehöhe aufweisen soll als die „eigentliche“ Kirche.

Der Gottesdienstraum wird künftig über Oberlichter vom Dachgeschoss zusätzlich belichtet, wohingegen die Fenster an der Ostseite geschlossen werden. Auch vielseitige Nutzungs- und Gottesdienstmöblierung sind möglich. Die baugeschichtlich begründete Asymmetrie des Kirchenraums wird zeitgemäß weitergebaut und z. B. um Sitznischen ergänzt.

Das Dach soll einen Dachgarten unter einer leichten Dachkonstruktion erhalten, wo auch gemeinschaftliches Gärtnern und andere Nutzungen stattfinden können. Die sogenannte offene Dachkonstruktion, eine Pergola mit offenen und geschlossenen Elementen, nimmt die Höhe des eigentlichen untergeordneten Anbaus auf.

Kritisch gesehen wird, dass das Gebäude aufgrund seiner vor allem äußeren Überformungen als wenig identitätsstiftend in Erscheinung tritt und im Stadtbild und Quartier nicht mehr als „die Brenzkirche“ wahrgenommen werden dürfte.

Wesentlich für eine gelingende Umsetzung des Konzepts wäre ggf. eine hochwertige Materialwahl und entsprechende Ausführung.

Die Arbeit stellt im Hinblick auf die Aufgabenstellung des Wettbewerbs einen guten Beitrag dar, wenngleich sie die Entfernung sämtlicher geneigter Dächer vorsieht und damit eine wesentliche Zeitschicht der Kirche ignoriert wird.
Hauptperspektive bei Nacht

Hauptperspektive bei Nacht

Dachgarten

Dachgarten

Kirchenraum

Kirchenraum

Dora-Veit-Saal

Dora-Veit-Saal

Erdgeschoss

Erdgeschoss

1.Obergeschoss

1.Obergeschoss

2.Obergeschoss

2.Obergeschoss

Dachgeschoss

Dachgeschoss

Kellergeschoss

Kellergeschoss

Querschnitt

Querschnitt

Längsschnitt

Längsschnitt