modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Mehrfachbeauftragung | 03/2019

Bürohausneubau am Großmarkt in Karlsruhe

Visualisierung

Visualisierung

1. Rang

archis Architekten + Ingenieure GmbH

Architektur

Erläuterungstext

Entwurfskonzept
Das Grundstück an der Ecke zum Großmarktgelände hat durch die vorhandene Bebauungsstruktur eine sehr exponierte Lage. Als erster Baustein einer künftigen Entwicklung des Großmarktes kommt diesem Projekt eine große Bedeutung zu. Um dieser gerecht zu werden und einer zukünftigen Entwicklung eine wegweisende Initialzündung zu geben soll hier ein Gebäude entstehen, das selbstbewußt die städtebaulich markante Stelle besetzt und einer sich verändernden Nutzung durch einen hohen Grad an Flexibilität in der Aufteilung und Vermietbarkeit gerecht wird.
Die in der Bauvoranfrage geprüfte Variante des zweiflügeligen Bürogebäudes erfährt in einem iterativen Prozess eine Evolution der Gebäudestruktur mit dem Ziel einen differenzierten feingliedrigen Baukörper mit einer optimalen Grundrisstypologie zu entwickeln. So kann das Gebäude zukünftig sowohl als Firmenzentrale mit starkem Wiedererkennungswert genutzt werden, steht aber auch einer Belegung durch verschiedene Mieter offen gegenüber.
Die 6-geschossige Großform wird in 4 ablesbare Baukörper gegliedert, die durch ein Spiel der Gebäudehöhen eine räumlich interessante Kubatur erzeugt, die gleichzeitig die Möglichkeit bietet 2 großzügige Dachterrassen zu realisieren.

Gebäudestruktur
Der 7-geschossige Baukörper mit einer Gesamthöhe von rund 26m besetzt die vorgegebene West-Ecke des Grundstücks und ist vollständig durch eine Tiefgarage unterkellert. Im östlichen Grundstücksbereich liegen oberirdische Stellplätze. Die Zufahrt erfolgt von Norden über die neue Zufahrtsstraße zum Großmarkt. Hier liegt auch der Hauptzugang zum Gebäude. Ein Nebeneingang im Süden ergänzt die Gebäudeerschließung.
4 zentrale Kerne gliedern den Grundriss in 2 Bereiche, die sich wiederum mittig teilen lassen. So können auf jedem Geschoss 1,2,3 oder 4 Mieteinheiten mit Mietflächen je Geschoss von 250–1.200 m² realisiert werden.
Durch die gespiegelte Anordnung der beiden Treppenhäuser sowie Sanitär-/Technikkernen ist eine effiziente Erschließung sowie Belichtung aller Flächen gewährleistet. Ein zentrales offenes Foyer ermöglicht in jedem Geschoß den Durchblick durch die Gebäudemitte und funktioniert als Verteiler für die möglichen Mieteinheiten. Daran angeschlossen liegen große, begrünte Balkone die den Büroflächen direkten Zugang zum Aussenraum bieten.
Das Erdgeschoß ist vollflächig überbaut und empfängt den Besucher im Norden in einer großzügigen Eingangshalle mit direkt zugeordnetem Konferenzbereich. Dieser verfügt über einen eigenen Vorbereich mit Zugang zum Eingangsfoyer und kann von jedem Nutzer sowie auch extern für kleinere und größere Veranstaltungen genutzt werden. Der große Konferenzraum ist in 3 Einheiten unterteilbar. Eine Küche sowie Stuhllager ergänzen den Bereich. Der direkte Zugang zu einem der Sanitärblocks ermöglicht die autarke Nutzung des Konferenzbereichs unabhängig vom restlichen Gebäude. Weiterhin finden im EG zwei Büroeinheiten Platz. Im Süden liegt, dem Nebeneingang zugeordnet ein Fahrradabstellraum sowie Müllraum. Durch die Vordächer entsteht eine große Dachterrasse zur gemeinsamen Nutzung im 1.OG. In der südlichen Ecke befindet sich die Hausmeisterwohnung als Maisonette mit Wohngalerie mit einer Wohnfläche von ca. 80m². So wird die größere Höhe des EG sinnvoll genutzt. Der Wohnung ist ein privater Aussenbereich zugeordnet.
Tragwerk, Fassade und Bürostruktur bauen auf dem selben Grundraster von 1,35m auf. So ist eine maximale Flexibilität im Ausbau hinsichtlich der Bürogrößen und Typologien gewährleistet. In den breiteren Gebäudeflügeln im Westen und Osten bietet sich eine Aufteilung als Büro mit Kombizone an. In den beiden schmaleren im Norden und Süden, eine Bürostruktur mit Mittelflur. Dabei sind jeweils sowohl Open-Space Lösungen als auch abgeschlossene Einzel-, Doppel-, oder Gruppenbüros möglich. Besprechungsräume können sowohl in der Bürofläche an der Aussenwand liegen, als auch in der Kombizone als eingestellte raumteilende Besprechungsboxen.
Die Nutzungsmöglichkeiten der Kombizone lassen vielfältige Variationen zu. Von Besprechungsräumen, Teeküchen, temporären Arbeitsplätzen über Archivregale, Garderoben, etc. Auch ein vertikale Verbindung zweier Einheiten übereinander wäre hier problemlos möglich.

Erschließungsstruktur
Hauptzugang zum Gebäude erfolgt von Norden über die neue Zufahrtsstraße zum Großmarkt über einen überdachten Vorbereich. Von Süden gibt es einen kleineren Nebeneingang. Beide Eingänge erschließen die zentralen Treppenhäuser sowie Aufzüge, die leicht auffindbar mittig im Gebäude plaziert sind. Die Treppenhäuser erschließen jeweils einen der beiden Gebäudeflügel und sind als 2. Rettungsweg auf jedem Geschoss über das zentrale Foyer miteinander verbunden.
Der ruhende Verkehr ist oberirdisch im östlichen Grundstücksbereich plaziert (28 Stellplätze). Über diesen Parkplatz erfolgt die Zufahrt zur Tiefagrage mit 39 + 5 (smart) Stellplätzen sowie ca. 100 Fahrradstellplätzen. Zusätzlich sind im EG weitere Fahrradstellplätze in einem Fahrradabstellraum angeordnet. Hier befindet sich auch ein Müllsammelraum mit direkter Zugangsmöglichkeit von der Gerwigstraße.

Baukonstruktion
Das Gebäude wird in konventioneller Skelettbauweise errichtet. Die Garagenumfassungswände in Stahlbeton und die Obergeschosse als Stahlbetonskelettau mit Stahlbetonstützen und tragenden Fassadenstützen. Die Geschossdecken
werden als Stahlbeton-Flachdecken aus Halbfertigteilen mit Aufbeton hergestellt. Einige wenige Mittelstützen sowie aussteifende Kerne komplettieren das Tragsystem.
Die Fassade wird nach aussen mit Architekturbeton-Fertigteilen verkleidet, wobei hier auf sinnvolle Abmessungen der einzelnen Elemente Wert gelegt wird. An den Fassaden der Innenflächen wird zur Kostenreduzierung eine Blechverkleidung der geschlossenen Flächen vorgeschlagen. Alle Fenster werden mit 3-fach Isolierverglasung ausgeführt. Raffstores als aussen liegender Sonnenschutz gewährleisten den effektiven sommerlichen Wärmeschutz.
Die Dachflächen sind extensiv begrünt und dienen somit als Regenwasser-Retensionsfläche und bauphysikalischem Klimapuffer zur Obergeschossdecke.

Raumklimakonzept
Die Grundtemperierung sämtlicher Büroraumflächen erfolgt mittels Bauteilaktivierung im Betonkern der Geschossdecken. Aufgrund der außenliegenden Verschattung mit dahinterliegender Luft-Puffer-Zone entstehen weniger Spitzenlasten über die gesamte Nutzungsdauer. Zuluft und Abluft sind ebenfalls in die Rohdecken integriert, sodass eine glatte Deckenuntersicht ohne abgekofferte Bereiche entsteht, was eine maximal flexible Nutzung und Umnutzung aller Flächen erlaubt. Zuluft wird an den Kombizonen eingeführt und Abluft an den Büroaußenflanken fortgeführt. Die Arbeitsplätze erhalten präzise an die Nutzung anpassbare raumakustische Segel, die ohne Aufwand wieder umgesetzt werden können.

Technische Gebäudeausrüstung
Ziel ist ein hocheffizientes Bürogebäude mit möglichst geringen Energiekosten unter dem Einsatz von erneuerbaren Energien zu erstellen.
Das gesamte Gebäude wird zur Sicherstellung der hygienisch erforderlichen Mindestaußenluftrate maschinell Be- und Entlüftet (mit einer hocheffizienten Wärmerückgewinnung). Dies begründet sich im wesentlichen aus den Lärmeinträgen aus der Umgebung aber auch aus raumkomforttechnischer Sicht, da eine manuelle Fensterlüftung in Großraumbüros nicht optimal ist.
Diese Luftwechsel werden durch einen vorgeschalteten Erd-Luft-Wärmetauscher neben den TG-Außenwänden im Baugrubenbereich konditioniert und tragen so in einem Höchstmaß zum Energie, Wärme- und Kältehaushalt bei. Zur weiteren Energiebedarfsreduzierung werden die Luftvolumenströme abhängig vom CO2-Gehalt der Raumluft variabel geregelt und bei moderaten Außentemperaturen die Zuluftversorgung für dem Lärm abgewandten Räumen abgeschaltet, da aus psychologischen Aspekten in diesen Bereichen dann erkannte Fensterlüftung möglich sein soll.
Ziele beim Einsatz von Erd-Luft-Wärmetauschern ist:
• Reduzierung des Heiz- und Kühlenergiebedarfs
• Grundkühlung in Gebäudeteilen, die sonst ohne Kühlmöglichkeit ausgestattet wären
• Schutz von nachgeschalteten WRG-Systemen vor fortluftseitiger Vereisung im Winter
• Kappung von Lastspitzen
• Teilentfeuchtung der Außenluft im Sommer
• Vorwärmung der Ansaugluft bei Luft/ Luft- und Luft/Wasser-Wärmepumpen (Verbesserung COP im Mittel um bis zu ca. 0,8). Bei der größe der Anlage empfiehlt es sich aus energetischen Gründen, einen Bypass zum Erd-Luft-Wärmetauscher vorzusehen, so daß bei bestimmten Außenlufttemperaturen keine Abkühlung der Luft im EWT erfolgt. Außerdem ist auch ein Bypass zu einem eventuell nachgeschalteten WRG-System vorzusehen, so daß im Kühlfall keine Nacherwärmung der, durch den EWT vorgekühlten, Luft über die WRG erfolgt.
Um eine effiziente Energieerzeugung zu ermöglichen, sind moderate Medientemperaturen vorgesehen (z. B. Wärme VL/RL 65 °C/40 °C und Kälte VL/RL 12 °C/18 °C). Zur Spitzenlastabdeckung wird die Wärmeerzeugung an wenigen Tagen im Jahr durch einen Erdgas-Brennwertkessel unterstützt (sehr geringer Anteil an der Jahreswärmearbeit).
Zur Sicherstellung einer wirtschaftlichen Primär-Energieversorgung werden ergänzend auf dem Dach des Bürogebäudes hocheffiziente Photovoltaik-Panels auf dem neuesten Entwicklungsstand installiert.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser entwickeln das siebengeschossige Gebäude als H-Typus um eine zentrale Erschließungseinheit mit Treppenhäusern, Liften, Sanitäreinrichtungen und Technik. Durch unterschiedlich tiefe Gebäudeeinschnitte entsteht die Wirkung von vier einzelnen Bürotürmen auf einer „Grundplatte“. Der Eindruck wird noch bestärkt durch die vorgeschlagene Absenkung des nordöstlichen und südwestlichen „Turms“ zugunsten zweier Dachterrassen. Die Gebäudekonzeption wirkt „schlank“ und ist ein eigenständiger, aus den Rahmenbedingungen der Örtlichkeit entwickelter, städtebaulich gelungener Akzent.

Die Gebäudeerschließung erfolgt von Norden (vorgeschlagener Hauptzugang) und Süden (Nebeneingang). Die Hierarchie der Zugänge lässt sich aufgrund der Gebäudetypologie problemlos „umdrehen“, weil die Hauptadresse des Bürohauses an der Elfmorgenbruchstraße zu sehen ist.

Im Unterschied zu den anderen Beiträgen wurde der im Rahmen der Auslobung auf der Nordseite geforderte 5.00m - Gebäuderücksprung reduziert. Das Erfordernis des Rücksprungs wird von der Stadtverwaltung geprüft und ggfls. als Bedingung verworfen. Sollte der Rücksprung wider Erwarten doch erforderlich sein, könnte die Arbeit entsprechend angepasst werden.

Die Anzahl nachzuweisender Stellplätze wird nicht erfüllt. Dies könnte jedoch durch eine Vergrößerung der Tiefgarage unter den östlichen Grundstücksteil (unter den ebenerdigen Parkplatz) ohne Probleme angepasst werden. Die Grundrissanordnung gewährleistet gute Orientierbarkeit, angemessene Flexibilität und sorgt für eine „rundum“ hohe Arbeitsplatzqualität mit funktionalen Raumtiefen und guter Möblierbarkeit. Die Anordnung führt allerdings auch zu einer sehr hohen Gesamtfläche der Außenfassade (Hüllfläche), was die Wirtschaftlichkeit belastet. Die vorgeschlagenen Balkone sollten auf ihre Erfordernis geprüft werden.

Insgesamt überzeugt der Entwurf durch seine äußere Prägnanz, sein Flexibilität und seine Wirtschaftlichkeit in Bezug auf die Gebäudetypologie. Allerdings ist das Konzept nicht ohne eine unter gestalterischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten umfassende Überarbeitung der Fassade zu akzeptieren. Die ansonsten hohe Qualität der Arbeit wird aber erhalten bleiben, wenn lediglich die Fassade überarbeitet wird, zumal die Überarbeitung im vorliegenden Fall zusammen mit dem Hauptnutzer und gleichzeitig Fassaden-Hersteller - der Firma Dreßler Bau - erfolgen kann. Das Prinzip der Fassade - „echte Fenster“ anstelle einer Pfosten-Riegel-Konstruktion - wird begrüßt und sollte beibehalten werden.

Visualisierung

Visualisierung

Plan 01

Plan 01

Plan 01

Plan 01