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Nichtoffener Wettbewerb | 06/2023

Deutsche Botschaft Tel Aviv / Neubau Residenz in Herzliya (IL)

Perspektive

Perspektive

Anerkennung

Bundschuh Architekten

Architektur

100Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

ifb frohloff staffa kühl ecker

Tragwerksplanung

Erläuterungstext

Idee

Die Verfertigung der Gedanken im Gehen

Die Residenz ist als heterarchisches Kontinuum konzipiert. Die Gleichwertigkeit der Innen- und Gartenräume als Hintergrund und Bühne diplomatischer Gespräche wird in eine ineinandergreifende räumliche Abfolge übersetzt und prägt den architektonischen Grundgedanken des Projektes bis ins Detail.

Der Garten ist wesentlicher Teil der Residenz. Wie die Räume des Gebäudes ist er Ort und Rahmen für Veranstaltungen, Besprechungen, Wohnen und Leben. Zusammen bieten Gebäude und Garten Raum für Gespräch, Austausch, Kennenlernen und Verhandlung. Diplomatie.

Wegeführung Garten

Eine Folge unterschiedlicher (Garten-) räume: Der Entréeplatz zwischen Eingangstor und Eingangshalle mit großformatigen Natursteinplatten bildet den Auftakt eines Besuchs. Wenn das nächste Ziel nicht die Eingangshalle ist, betritt man über zwei Stufen einen weichen, kleinen Gartenraum mit lokalen Obstbäumen (neben dem vorhandenen Orangenbaum). Eine Treppe führt von dort entlang des Gebäudes in den großen Gartenraum, den man entlang eines "Gartenkorridors" als Übergang in den Schattenhain zunächst über eine wassergebundene Decke, dann über begehbare Rasenflächen betritt. Die offene Rasenfläche vor der Westfassade ist direkt mit dem Speisesaal verbunden und wird über eine kleine, gebäudebegleitende Terrasse aus Natursteinplatten betreten. Ein kleiner, mit wenigen Stufen abgesetzter und von Sitzmauern begleiteter Platz leitet jeweils zu einer Treppe, die direkt oder über die Balkonterrasse in die Hauptveranstaltungsräume im Erdgeschoß führen.

Garten

Der Garten besteht aus verschiedenen Räumen und weist sowohl einen offenen Rasenbereich auf, wie auch einen licht-schattigen Hain aus bestehenden Bäumen, ergänzt um mehrere größere Solitäre. Der zu einem erheblichen Teil spontan gewachsene Baumbestand und die zu einer "grünen Wand" stark zugewachsene Strauchschicht sollen sorgfältig ausgelichtet werden, sodass der Gartenraum bis zur neuen Gartenmauer reicht, die dort einen lebendigen mineralischen Bildhintergrund bildet. Der bestehende, gemischte Charakter aus ornamentaler Bepflanzung und (eingewachsener) Spontanvegetation soll mit der Einbringung von lokalen Gehölzarten gärtnerisch weiterentwickelt werden. Denkbar sind hierbei vor allem lichtschattige Aleppokiefern für den Hain und verschiedene Fruchtbäume für den kleinen Gartenplatz. Der Schwerpunkt soll auf der Entwicklung einer diversifizierten autochtonen Pflanzenauswahl liegen, ohne auf gartenkulturell etablierte, robuste Zier- und Blütengehölze zu verzichten. Die Unterpflanzungen sind vielfältige, aber pflegeleichte Stauden und Gräserkombinationen – gärtnerisch unter Einbeziehung des Bestandes weiterentwickelt. Einzelne Sträucher und eine bodennahe Bepflanzung schaffen einen neuen Mittelgrund unter den nun frei vor der Mauer stehenden Bäumen. Der neue Garten führt bis an die Mauern und bietet auch dort, unter schattenspendenden Bäume Raum für Aufenthalt und Gespräch.

Das Gebäude

Die grosse Empfangshalle bietet Zugang zu den drei Hauptempfangsräumen. Raumhohe Schiebetüren schaffen Enfillades und erzeugen eine nahtlose Kontinuität mit der gebäudebreiten Gartenterrasse. Die Überhöhung des Hauptempfangsraumes zur Straßenseite übersetzt die geschlossen wirkende Strassenseite in einen taghellen Innenraum und dynamisiert durch die Höhe, Lichtführung und Kontrast von Vertikalität und Horizontalität den Raum.

Die Bibliothek als nördlicher Endpunkt der Raumfolge bietet einen intimeren, gleichzeitig großmaßstäblichen Rahmen für persönlicheren Austausch. Gleichzeitig ist sie Mittler zwischen dem amtlichen Teil und dem privaten Teil der Residenz und ermöglicht ein diskretes Eintreten oder Verlassen der Empfangssituation. Direkt aus der Empfangshalle führt eine 3,6 m Treppe zum Speisesaal. Sie ist Aufenthaltsort und Verbindung zugleich. Der Speisesaal schließt grossflächig an den Garten an und dient so dem formalen Abendessen wie auch als ein kühler und geschützter mittelnder Raum zwischen Innen und Aussen, ein Begegnungsort (mit Speis und Trank!) im sonnengetränkten Garten.

Der private Teil der Residenz ist völlig autark nutzbar. Er ist jedoch gleichzeitig eine selbstverständliche Fortführung der architektonischen Grundidee der verbundenen Räume. Zwei zentrale Wohnbereiche gruppieren sich um einen offenen Garten. Dieser ist völlig privat, bietet jedoch einen grandiosen Ausblick auf den amtlichen Garten, zusätzliche Privatheit kann durch einen Aussenvorhang hergestellt werden. Dem informellen Charakter des Hauses entsprechend ist hier ein offene Küche geplant, sollte später Bedarf bestehen kann diese durch „hochziehen“ des freistehenden Blocks und der Addition von zwei Schiebetüren leicht abgetrennt werden.

Der Elterntrakt mit dem Gästezimmer dient gleichzeitig als Refugium und ist entsprechend separierbar.

Barrierefreiheit

Im Erdgeschoss wird der krankentragefähige Aufzug (Durchlader) sowohl vom amtlichen Teil wie vom Servicegang ebenerdig erschlossen. Der Speisesaal im Gartengeschoss wird über einen kleinen Vorraum direkt über diesen Aufzug angefahren. Durch die gute Sichtbarkeit des Aufzugs vom oberen Antritt der inneren „Gartentreppe“ ist dieser als selbstverständliche Alternative zur Treppe lesbar und kann ohne Aufwand oder Stigmatisierung alternativ als Zugang zum Speisesaal und in den Garten gewählt werden.

Konstruktion und Materialität: Das Material spricht

Die bestehenden seitlichen Gartenmauern, aus dem prägnanten lokalen Kalkstein mit Mörtelfugen gefügt, sollen erhalten und wo nötig ertüchtigt werden. Neue Mauern aus Stampfbeton (aus gebrochenem lokalem Kalkstein und einem geringen Anteil von Zement) schliessen und ergänzen die Mauerumfangung und stellen den gestalterisch-materiellen Kontext auch mit dem Gebäude her.

In den Wegebelägen wird diese Materialität unterschiedlich wieder aufgenommen: (gesägte) Kalksteinplatten mit Mörtelfugen, bzw. mit großen Rasenfugen, wassergebundene Decke aus Kalksteinsplitt; Ortbeton mit Kalksteinzuschlag in den Funktionsbereichen. Die Sitzquader aus Stampfbeton erhalten eine Abdeckung aus Kalkstein. Eine Fertigbetonplatte deckt den Bereich Fahrradstellplatz und trennt gleichzeitig den Müllstandort räumlich ab.

Die Aussenwände des Gebäudes sind aus Leichtbeton gegossen. Die Verwendung gleicher örtlicher Sande und Kalksteinzuschläge wie beim Stampfbeton erzeugt eine Kohärenz der verwendeten Materialitäten, während die Blähtonzuschläge in Kombination mit der monolithischen Wanddicke von 60 cm Ausdruck der low-tech Konzeption sind. Schüttlagen von ca. 1 m Höhe referenzieren die Stampfbetonwände des Gartens und übersetzen diese in einen grösseren, abstrakteren Maßstab.

Die Stahlbetondecken mit Dicken von 20 – 45 cm mit integrierter Betonkernaktivierung (ebenfalls mit Kalksteinzuschlägen) erzeugen eine gestalterische Kontinuität zwischen Innen und Aussen und betonen den primären Charakter der verwendeten Materialien. Hebe-Schiebeanlagen aus lasierten Holzprofilen öffnen die Empfangsräume zur Gartenterrasse deren Bodenplatten aus Kalkstein eine Kontinuität mit den grossformatigen Kalksteinplatten in den öffentlichen Bereichen im Erdgeschoss betonen.


Nachhaltigkeit und klimagerechtes Bauen

Unser low-tech Ansatz vereint die Vorzüge des klimagerechten Bauens mit zukunftsweisenden Überlegungen zu nachhaltigem Bauen. Die schweren Baustoffe speichern im Winter Wärme und sind im Sommer kühl, unterstützt durch die Betonkernaktivierung. Die Photovoltaikanlage produziert ausreichend Energie um bis zu 90 % der Grundkühllast zu decken. Durch die Aktivierung und Maximierung der Speichermasse kann die thermische Behaglichkeit (Kühle) der Innenräume bei der in Israel so gegenwärtigen nahtlosen Nutzung von Innen- und Aussenräumen auch bei offenen Fenstern und Türen wirtschaftlich und energiesparend gewährleistet werden.

Die Vermeidung von Kompositmaterialien und die Verwendung von natürlichen, örtlichen Materialien in Konstruktion und den Oberflächen verankert das Gebäude an seinem Ort. Das Wesen der Diplomatie als zeitlose, überwiegend stille und dennoch klare und stetige Präsenz ist Ausdruck einer strukturellen Nachhaltigkeit die wir in unseren Entwurf übersetzen.

Eine langfristige Nutzung bei niedrigen Betriebskosten ist aus unserer Sicht die nachhaltigste Strategie. Analog schätzen wir die sorgfältige Dauerhaftigkeit der baulichen Elemente. Der Entwurf ist Ausdruck dieser Architekturhaltung.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der kompakte quaderförmige Baukörper ist gut auf dem Grundstück angeordnet. Etwa 2/3 der attraktiven Gartenfläche bleiben unbebaut. Die repräsentativen Räume der amtlichen Residenz sind im Wesentlichen im Erdgeschoss organisiert. Der im Gartengeschoss liegende Speisesaal wird über eine großzügige offene Treppe angebunden. Durch die Lage des Speisesaals im Gartengeschoss ist eine direkte gravitätsvolle Verbindung zum Garten gegeben.

Dem Erdgeschoss ist eine durchgängige Terrassenzone vorgelagert, die über eine Treppe in den Garten führt. Alle privaten Räume der Residenz sind flächeneffizient im Obergeschoss organisiert. Ein eingeschnittener Hof bietet sowohl eine direkte Belichtung des zentralen Wohn- und Essbereiches, als auch einen Außenraum. Vermisst wird jedoch ein unmittelbarer Ausblick in den Garten.

[...] Die Materialwahl für die monolithische Außenwandkonstruktion als Infraleichtbeton ist im Sinne des einfachen Bauens positiv zu bewerten. Dennoch wird sie im Hinblick auf die CO2 Bilanz kritisch bewertet. Die Deckenstärken sind zu überdenken.

In der Gesamterscheinung fügt sich das Gebäude aufgrund der Proportionen gut in die Umgebung ein. Die Gartenfassade ist zum einen geprägt von der großen Glasfront vor den repräsentativen Räumen, die einen attraktiven Blick in den Garten ermöglicht, zum anderen von der monolithisch geschlossenen Fassade des Obergeschosses. [...]

Die Gartenanlage bleibt weitestgehend erhalten und wird durch lokale Gehölze gärtnerisch weiterentwickelt. Die im Gartengeschoss vorgelagerte Terrassenfläche ist angenehm zurückhaltend dimensioniert. [...]

Schnitt 1:50

Schnitt 1:50

Modell

Modell

Modell

Modell

Ansicht Süd

Ansicht Süd

Ansicht Nord

Ansicht Nord

Schnitt A

Schnitt A

Schnitt B

Schnitt B