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Offener Realisierungswettbewerb mit städtebaulichem Ideenteil | 03/2023

Neugestaltung Turmstraße und Zehentgasse in Heilbronn

Turmstraße

Turmstraße

1. Preis

Preisgeld: 24.000 EUR

Büro Hink Landschaftsarchitektur GmbH

Landschaftsarchitektur

Cornelia Biegert Landschaftsarchitektur GmbH

Landschaftsarchitektur

Daniel Schönle Architektur und Stadtplanung

Stadtplanung / Städtebau

BIT Ingenieure AG

Verkehrsplanung

Erläuterungstext

LEITIDEE
Die Altstadt von Heilbronn vernetzt sich mit dem Grün des Neckartals. Die grünen Finger sind der Startpunkt einer durchgehenden, West-Ost-orientierten Verbindung zwischen zwei der prägendsten Elemente der Stadt: Dem Neckar und den Hängen der Weinberge. In den Grenzen der Altstadt wird es künftig sehr grüne Quartiere und verknüpfende Achsen mit einem neuen Charakter geben, die eine noch nicht vorhandene, klimaangepasste und kommunikativ diverse Aufenthaltsqualität schaffen. Das Ziel ist, eine möglichst starke Begrünung mit möglichst minimierten Funktionsflächen zu vielfältigen, qualitativ hochwertigen, teilweise autofreien Stadträumen zu verbinden. Das lila Band ist das Leitmotiv beider Bereiche. Es schafft Identität und verknüpft die beiden Räume der Turmstraße und der Zehentgasse (und weitere Bereiche der Stadt) zu einer „einheitlichen Vielfalt“.

TURMSTRASSE
Die Turmstraße ist eine Aktivitätszone. Hier gibt es direkte, schnelle Wegeverbindungen entlang der Einkaufsmöglichkeiten und der (neuen) Gastronomie und dynamische Räume, die man seitlich davon bei einem Aufenthalt entdecken und erleben kann. Es entsteht ein neuer QuartierPARK, der später auch an die Freiräume der geplanten Bebauung an der Mannheimer Straße anbindet. Auf den verschiedenen multifunktionalen Flächen finden sich Wasserspiele, Sport- und Spielangebote, Begegnungsräume. Sie werden durch die vielfältige Nutzbarkeit zu Stadtbühnen, Orten temporärer Aktivitäten (z.B. Leselounge) und Aktionen, Kommunikation und Infotainment (WLAN-Inseln) Staudenfelder nehmen das Bandthema auf und dienen auch als Wassersammelflächen, Versickerungs- und Verdunstungsmulden. Die Grünflächen sind extensiv begrünt und schaffen eine angenehme Distanz zu der vorhandenen Bebauung.
Die Funktionsflächen sind überwiegend multicodiert. Lediglich der Verkehr aus der Lammgasse nutzt einen Teil der Flächen, auf denen sich in kompakter Form auch die Stellplatz- und Mobilityangebote im Umfeld des vorhandenen Marktes wiederfinden. Die Beläge sind aufgehellt (Albedo Effekt) und reduzieren die Wärmeaufnahme Wasserelemente mit Kühleffekt (Cooling Spots mit Zerstäuber, Wasserdüsen –Trinkwasserstelen) bieten im Sommer Erfrischung.

ZEHENTGASSE
Die Zehentgasse ist eine schattige Ruhezone und im Gegensatz zur dynamischen Turmstraße ein QuartiersGARTEN, der die Innenstadt als Wohnort attraktiv macht und mit einem sehr hohen Anteil unversiegelter Fläche ausgestattet ist. Der westliche Teil ist komplett autofrei und bietet entlang der südlichen Fassaden verschiedene Freiräume für entspannten, langsamen Aufenthalt an. Im östlichen Bereich wird der QuartiersGARTEN zunehmen städtisch, nimmt vielfältige Funktionen auf (TG, Anlieferung, Feuerwehr) und gliedert sich damit an den bestehenden Arm der Sülmerstraße an. Entlang des Bandes befinden sich verschiedene Ausstattungen, wie Trinkbrunnen, Wasserzerstäuber, Beleuchtung und Sitzmöglichkeiten. Der Charakter der Zehentgasse ist vom Leben + Wohnen geprägt, die als Garten auch einen Rückzugsraum aus dem „trockenen“Stadtleben bietet. Die Grünachse ermöglicht den Kontakt zwischen Gästen und Anwohnern, man kann in verschiedenen Gastronomien einkehren oder sich entlang des Bandes verabreden. Das Grün ist intensiv und einem Garten angemessen ausgestattet. Stauden, Gräser und blühende Sträucher stehen im Kontext der weitestgehend erhaltenen Platanen und fügen dem Raum neue Erlebnisschichten hinzu. Die vorgeschlagene Vegetation ist an einer optimierten Biodiversität, an Insektenfreundlichkeit und an einer hohen Klimaresilienz orientiert.

MOBILITÄT
Die beiden Quartiere werden weniger von Autoverkehr geprägt und stellen den Fußgänger- und Radverkehr in den Vordergrund. Das Parkangebot wird minimiert, Ziel ist es, keinen Suchverkehr mehr zuzulassen. Der Verknüpfungsbereich zur Mannheimer Straße wird stadtauswärts auf 2 Fahrspuren reduziert, ein Abbiegen von der Gerber- in die Turmstraße ist nicht mehr vorgesehen. Die Straßenübergänge der Lammgasse und der Gerberstraße sind den Querachsen zugeordnet und erfordern Schrittverkehr. Mobilitätspunkte mit Stellplätze für Fahrräder und E-Scooter mit Servicestationen und Ladesäulen ergänzen das Angebot. Barrierefreiheit ist durch kantenlose und strukturarme Beläge gewährleistet.

REGENWASSER VERSICKERT UND BEWÄSSERT VOR ORT
Versickerungs- und Verdunstungsmulden entlang der Wege und Plätze werden in Form von Stauden- und Rasenmulden ausgebildet. Oberflächenwasser wird zu den Wurzelbereichen der Bestandsbäume geführt, wo das sinnvoll und möglich ist. Oberflächenwasser von den Belägen wird auch über Rinnen gesammelt und zu Zisternen geführt. Mit dem Wasser können Pflanzen und Flächen in trockeneren Phasen ergänzend und gesteuert bewässert werden. Das bodengleiche Wasserspiel fängt anfallendes Oberflächenwasser der angrenzenden Beläge auf und führt überschüssiges Wasser über eine Sedimentationsanlage in eine Zisterne. Sind Mulden und Zisternen voll, wird das überschüssige Wasser in den kanalisierten Pfühlbach eingeleitet.

STÄDTEBAULICHER IDEENTEIL
Die neue Bebauung nimmt die Maßstäblichkeit des Bestandes entlang der Mannheimer Straße auf. Zwei in der Höhe gestaffelte Baukörper bilden eine differenzierte Bau- und Freiraumstruktur, die sich zur Straßenseite geschlossen mit einem Hochpunkt im Nordwesten und zur Turmstraße nach Süden sehr offen präsentiert. Die freiräumlichen Qualitäten des neuen QuartierPARKS finden ihre Fortsetzung in einem Platz in Verlängerung der Lammgasse und einem grünen Innenhof zwischen den beiden Neubauten. Ein Durchgang im Erdgeschoss ermöglicht die direkte fußläufige Verbindung zur Mannheimer Straße. In den unteren Geschossen befinden sich aktive gewerbliche und gastronomische Nutzungen am Platz sowie eine Kita und Gemeinschaftseinrichtungen am ruhigeren Innenhof. In den oberen Geschossen liegen unterschiedliche Wohnangebote, bspw. für Studierende, junge Familien und Senioren.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das lila Band und die schwungvolle Linienführung sind als Leitidee deutlich zu erkennen. Beides trägt dazu bei, einen Identifikationspunkt zu schaffen und die Einzigartigkeit dieser Bereiche zu betonen.

Die Turmstraße untergliedert sich in einen autoverkehrsfreien Bereich im Osten (Ausnahme Anlieferung), genannt Quartierspark, und den von Autoverkehr befahrenen Quartiershain im Westen. Die Stellplätze sind im Norden des Quartiershains angeordnet und werden durch Gerberstraße und Lammgasse im Prinzip wie heute erschlossen. Es entsteht ein autoverkehrsfreier Bereich im Osten. Der westliche Teil der Turmstraße ist leider weiterhin stark vom Autoverkehr belastet. Hier wäre ein Vorschlag für eine verkehrliche Reduzierung wünschenswert gewesen.

Durch die geschwungene Linienführung entsteht eine spannungsreiche Gliederung des Raumes mit Rückzugsmöglichkeiten und Aktivitätszonen. Die Bandstruktur wechselt zwischen Pflanzbereichen, Sitzgelegenheiten, Bodenbelägen. Die Versickerung und Verdunstung des Regenwassers erfolgt in Mulden. Im Wurzelbereich vorhandener Bäume kann dies jedoch zu Schwierigkeiten führen und kann in der vorgeschlagenen Weise nicht vollumfänglich überzeugen. Der Einbau zusätzlicher Zisternen zur Bewässerung wird positiv bewertet.

Die Leitidee des Lila Bands wird als tragfähiges Konzept anerkannt. Kontrovers wird im Preisgericht diskutiert, ob die zweite Lila Linie als Staudenband, die Leitidee etwas schwächt. Die Sinnhaftigkeit des Bogens über die Lammgasse wird in Frage gestellt. Die Linearität der Straßenführung wird im östlichen Teil der Turmstraße komplett aufgehoben, ebenso im südlichen Teil des westlichen Bereichs, was bei dieser Arbeit als besondere Stärke gesehen wird.

In der Zehentgasse wird die Grundidee der geschwungenen Linienführung aufgenommen und in etwas geänderter Ausprägung weitergeführt. Diese konsequente Weiterentwicklung der Grundidee, in einer an den Ort angepassten Form, überzeugt als stimmiges Gesamtkonzept. Der westliche Teil der Zehntgasse wird durch diverse Plattenwege überzogen. Es entstehen auf diese Weise auch in der Zehentgasse attraktive und vielfältig nutzbare Freibereiche. Das Lila Band zeigt sich hier in drei geschwungenen Staudenbändern. Die konkrete kleinräumige Funktionszuordnung kann stellenweise nicht ganz überzeugen, wie beispielsweise eine Spielfläche neben dem Staudenband. Dies ist jedoch in der Weiterentwicklung heilbar.

Der westliche Teil der Zehentgasse ist komplett autofrei, dadurch verlagert sich der Autoverkehr in andere Gassen, was als problematisch erachtet wird.

Das städtebauliche Konzept des Ideenteils kann nicht vollständig überzeugen. Es erscheint in Teilen zu stark gegliedert. Die große Varianz der Gebäudehöhen zwischen 3 und 8 Geschossen mit den vielen Vor- und Rücksprüngen führt zu einer stark differenzierten Struktur. Hier wäre eine etwas ruhigere städtebaulichen Situation wünschenswert gewesen. Die Anordnung einer Kita in diesem Quartier wird begrüßt. Die im Entwurf konkrete Positionierung wird, aufgrund der starken Verschattung und Lärmbelastung, jedoch in Frage gestellt.

Insgesamt zeigt dieser Entwurf für beide Straßenbereiche eine jeweils eigene Ausformung der Grundidee lila Band. Dieses Entwurfskonzept überzeugt durch seine völlig ungewöhnliche Ausformung, mit überraschenden Erscheinungsformen und gut nutzbaren Orten, mit vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten, in dem ansonsten linearen Straßenräumen. Das Konzept lässt ein reizvolle und abwechslungsreiche Situation erwarten und stellt eine Bereicherung für die Heilbronner Innenstadt dar.
Zehentstraße

Zehentstraße

Übersichtsplan

Übersichtsplan

Turmstraße

Turmstraße

Zehentgasse

Zehentgasse