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Offener Realisierungswettbewerb mit städtebaulichem Ideenteil | 03/2023

Neugestaltung Turmstraße und Zehentgasse in Heilbronn

Perspektive Turmstraße

Perspektive Turmstraße

3. Preis

Preisgeld: 12.000 EUR

lohrer.hochrein landschaftsarchitekten und stadtplaner gmbh

Landschaftsarchitektur, Stadtplanung / Städtebau

DAY & LIGHT LICHTPLANUNG

Lichtplanung

Erläuterungstext

Konzept | Drei Aspekte prägen den vorliegenden Entwurf:
• Gemeinschaftstreff Strasse - Der Wandel vom Autodominierten öffentlichen Raum hin zur gemeinschaftlichen Aufenthaltsfläche ist Kern des Konzeptes. Die erforderlichen Erschließungen werden gestalterischen in grün geprägte Längsplätze integriert. Es entstehen flexibel nutzbare Räume im Dialog mit der Erdgeschossnutzung und individuelle Aufenthaltsbereich in der von Bäumen geschützten Mitte
• Grüne Räume - Entlang der Fassaden entstehen „Flex Stripes“ – multifunktional nutzbare Bereiche für Auslagen, Gastronomie, Anlieferung aber auch die eigenen Bänke, Kübel, Rankpflanzen und prachtvolles „Fugengrün“. Die Mitte wird durch grüne Intarsien geprägt. Die vorhandenen Bäume werden integriert, ergänzt und als offene Baumhallen bzw. als lichtes Gartenband inszeniert
• Gestärkte Klima-Resilienz – mit dem Umbau geht eine Aufwertung der Klima-Resilienz einher. Das Konzept schattenspendenden Baumhallen wird durch helle Beläge, intensive Fassadenbegrünung, kühlende Staudenmatten, ein synergetisches Wassermanagement sowie durch urban Farming ergänzt .

Das „Erlebnis Stadt“ mit Menschen und ihrer Interaktion, dem öffentlichen Raum, den Läden und der Gastronomie bildet die konzeptionelle Grundlage. Der Straßenraum ist so betont fußgängerorientiert konzipiert und verkehrsrechtlich als Fußgängerzone bzw. verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesen.
Ein einheitlicher Pflasterbelag erstreckt sich über den zentralen Perimeter. Rinnen, Ausstattung und Einbauten gliedernd dabei subtil den Raum und geben den Verkehrsteilnehmern die erforderliche Sicherheit und Orientierung. Die Besonderheiten des jeweiligen Teilraumes sowie der prägende Altbaumbestand werden inszenierend Mittelpunkt gesetzt, die erforderlichen festen Einbauten auf ein Mindestmaß reduziert – öffentlicher Raum zur individuellen Aneignung, als gemeinschaftliche Bühne urbanen Lebens.

Städtebauliche Arrondierung | Die städtebauliche Arrondierung orientiert sich an den Neubauten zur Mannheimer Straße. Die übergeordneten Querungen und die erforderlichen Erschließungen und Andienungen werden aufgegriffen und als „Fuge und Hof“ räumlich inszeniert. Eine neue „Markthalle“ bildet das verbindende Gelenk, ein kleiner Turm die Referenz zur Nachbarschaft. Zur Turmstraße hin erfolgt eine EG-Nutzung mit Läden, Dienstleistungen und ggf. einem weiteren Nahversorger. Anlieferung und TG-zufahrt erfolgen direkt von der Mannheimer Straße aus.
Das Quartier bildet Lärmschutz nach Norden hin und bildet ruhige Zonen nach Süden. Das Dach wird mit intensiver Begrünung, differenzierten Gewächshäuser und einer Gartendach-Bar Teil der innerstädtischen Nahrungsmittelproduktion.

Verkehrskonzept | Das vorgedachte Verkehrskonzept liegt dem Entwurf zu Grunde. Die beiden Bereiche sind als Fußgängerzone bzw. als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesen und in die Abfolge des Quartierverkehrskonzeptes eingebunden. Die mit Einbahnverkehr ausgewiesen Bereich besitzen eine ausreichende Breite, sodass auch dort Radverkehr in beide Richtungen gestattet werden kann.
Private Stellplätze entfallen und werden durch Anlieferungszonen, ein erweitertes, dezentral verteiltes Sharing-Angebot mit E-Cars, Lastenrädern und E-Bikes Car- und Bike-Sharing Plätze sowie Behindertenstellplätze kompensiert.

Wassermanagement | Neubauten erhalten eine puffernde intensive Dachbegrünung und eigene Zisterne. Restliches Dachwasser wird in das gemeinschaftliche Platzsystem eingeleitet.
Im Platzbereich werden die dort eingelegten Intarsien durch Tiefbeete gerahmt. Extensive Staudenmatten bilden einen blütenreichen Saum. Anfallendes Oberflächenwasser wird dort eingeleitet, zurückgehalten und durch die bewachsenen Bodenschicht hindurch in randseitige sammelnde Zisternen puffernde Rigolen und befeuchtende Vegetationsschichten reduziert und verzögert in den Untergrund geleitet.
Das Zisternenwasser dient der Ressourcen sparenden unterirdischen Bewässerung der Vegetationsbereiche und speist den kühlenden Naturbrunnen in der nördlichen Fuge.

Stadtboden | Ein einheitliches Belagsprinzip erstreckt sich über das Bearbeitungsgebiet. Das Plasterthema in Größe und Verlegeart vom Bollwerksturm kommend wird aufgegriffen und in einem hellgrauen Granit mit dezenten Beimengungen des dunklen Steines fortgeführt.
Die Oberflächen sind gesägt und geflammt. Die Seitenflächen sind gebrochen, sodass ein lebendigeres Fugenbild entsteht.
Für die befestigten Flächen werden die Belastungsklasse BK 1,8 nach RStO 2012 sowie eine ungebundene Bauweise zugrunde gelegt. Sollte eine höhere Belastungsklasse erforderlich werden – oder ein schlechterer Baugrund anzutreffen sein -, so könnte dies durch eine wasserdurchlässige Asphalttragschicht (Drainasphalt) bei gleicher Oberflächen-Optik erreicht werden.

Vegetationskonzept | Die vorhandenen Bäume werden weitgehend integriert und durch klimaresiliente Arten ergänzt. Die Tiefbeete werden durch extensive wie blütenreiche Staudenmatte bepflanzt. Fassadenbegrünung wird im Anwohnerdialog gefördert. Unter den Bäumen der Turmstraße ergänzt eine wassergebundene Decke den flexibel nutzbaren öffentlichen Raum. In der Zehentgasse ist der Aspekt grüner, gärtnerischer. Hier werden die Gastgärten durch raumgliedernde Staudentuffs, Urban Gardening, gemeinschaftlichen Green-Lounges sowie Spielpunkte ergänzt.

Ausstattung | Die öffentliche Ausstattung konzentriert sich auf bequeme Bänke und urbane Sessel in unbehandeltem Lärchenholz und wegebegleitend integrierte Spielpunkte. Entlang der Häuser ist ein belebter Dialog mit der individuellen Bespielung aus den Häusern heraus intendiert.

Beleuchtungskonzept | Durch einen gehobenen Lichtkomfort soll das Sehen und Wahrnehmen des Platzraumes verbessert werden: Die Leuchtenkörper sind engstrahlend und gut entblendet, um das Licht ausschließlich auf die Verkehrsflächen zu begrenzen. Störstrahlung in Anwohnerfenster und in den Himmel wird vermieden. Das Reduzieren von Leuchtdichte-Peaks (Blendung) ermöglicht besseres Sehen und somit die Reduktion der eingesetzten Energie zur Lichterzeugung.
Dazu werden die Leuchten mittels Seilspannsystem frei über den Verkehrsflächen verteilt. So kann die Fläche frei von Masten bleiben und Teile der bestehenden Versorgungsstruktur verwendet werden.
Über die funktionale Beleuchtung hinaus, wird eine angenehme Atmosphäre erzeugt: Bei insgesamt ausreichender Gleichmäßigkeit entsteht ein lebendiges, kontrastreiches Lichtbild auf dem Boden. Dies bleibt jedoch innerhalb der Baumhallen reduziert. Dort entsteht Raum für eine spielerische Beleuchtung mit reduzierter Lichtpunkthöhe – z.B. Bankunterleuchtungen, einzelne Akzente von oben sowie dezente Aufhellungen durch nicht einsehbare Wandeinbauleuchten in den Tiefbeeten.
Die regelbaren LED-Module mit warmweißer Lichtfarbe werden spät nachts bei geringem Verkehrsaufkommen in der Leistung reduziert und im Bereich der Baumkronen vollständig ausgeschaltet.
In der Turmstraße sind die Sichtachsen durch den beleuchteten Bollwerksturm und die zukünftig hervorzuhebende Markthalle als funkelnder Mittelpunkt geprägt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasserenden geben uns eine eigenständige Interpretation des Öffentlichen Raumes im Klimawandel. Der Stadtboden wird unter Erhalt der verkehrlichen Funktion neu geordnet. Dabei wird durch die wasserspeichernden Tiefbeete und den randlichen flex stripes der Raum neu zoniert. Brücken führen über die Tiefbeete auf urbane Inseln, die sich in der Turmstraße wassergebunden und in der Zehentgasse zu grünen Gastgärten entwickeln. Über allem liegt die Krone der Baumhalle aus bestehenden Gehölzen. Fassadenbegrünung und intensive Dachgärten der Neubauten arrondieren die Möglichkeiten der Begrünung.

Als städtebauliche Idee entsteht eine geschlossene Blockrandbebauung mit grünen Innenhof, die neben neuen Wohnen den vorhandenen Nahversorger aufnimmt und eine intensive Dachnutzung mit green house und urban gardening als gemeinschaftliche Nutzungsebene ausbildet. Der Block schließt mit einem Turm nach Osten ab und öffnet eine städtebauliche Fuge in deren Mitte eine neue Markthalle eingesetzt wird. Die positive Belebung des Ortes durch die Markthalle führt jedoch nicht zu der gewünschten verkehrlichen Beruhigung des Bereiches, da die Halle keine geordnete Andienung ausweist. Die direkte Zufahrt von der Mannheimer Straße wird verkehrlich kritisch betrachtet. Eine erfreuliche Retentionsmulde am Platz führt leider zum Verlust der vorhandenen Kirschen.

Die verkehrliche Neuordnung lässt den Individualverkehr trotz Begrünung der Lammgasse und Aufpflasterung der Plätze weiterhin bis in die Tiefe der Räume vordringen. Stellplätze befinden sich entlang der Tiefbeete und im Bereich der flex stripes. Durch diese hohe Flexibilität entsteht die Gefahr, dass der motorisierte Individualverkehr große Flächen der Freiräume besetzen wird. Insgesamt ist ein Verkehrskonzept nur in Ansätzen erkennbar und gering durchgearbeitet.

Das Beleuchtungskonzept wirkt individuell und identitätsstiftend. Die Netzleuchtenaufhängung wird technisch aufwendig angesehen, die bodengeführten Streiflichter entlang der sicherheitsrelevanten Tiefbeete gefallen und bieten Orientierung im Raum.

Die flex stripes stellen die richtige Frage an den klimaangepassten öffentlichen Raum an der Grenze zur privaten Bebauung. Wieviel Individualität ist im Bereich der Straßenbaulast möglich? Wo ist durchwurzelbarer Raum für Vertikalbegrünung noch vorhanden und ausweisbar? Die Arbeit gibt dazu Impulse für den Stadtumbau in Heilbronn.

Für die Stadt im Hitzestress gibt es Trinkbrunnen und das bepflanzte Rigolensystem hält den Starkregen baumverfügbar in der Stadt. Die Grünstrukturen sind mit geringem Pflegeaufwand verbunden. Die Ausstattung bleibt leider schemenhaft und angedeutet, die Jury hätte sich eine höhere Detaillierung und erzählerische Raumabfolge gewünscht.

Insgesamt liefert die Arbeit einen gut durchgearbeiteten Wettbewerbsbeitrag, der sich ganz auf die kreative Kraft der Handskizze in der Darstellung verlässt. Durch die vorwiegend in Grautönen angelegte Arbeit entstehen im ersten Zugang leider Missverständnisse einer starken Versiegelung. Bei genauer Auseinandersetzung erkennt die Jury eine grundsolide, durchgrünte Lösung für eine klimaresiliente Innenstadt Heilbronns.




Perspektive Zehentgasse

Perspektive Zehentgasse

Gesamteinbindung

Gesamteinbindung

Beleuchtungskonzept

Beleuchtungskonzept