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Nichtoffener Wettbewerb | 06/2023

Sanierung und Erweiterung Bürgerheim Appenzell (CH)

Lageplan

Lageplan

2. Rang / 2. Preis

Preisgeld: 40.000 CHF

ANDY SENN

Architektur

Erläuterungstext

Architektur und Ortsbau

Der neue Erweiterungsbau harmoniert mit dem Bestandesbau. Die dominante Fernwirkung der Südfassade des Bestandes bleibt erhalten. Der Neubau entwickelt sich an dessen Rückseite in Richtung Norden. Die Setzung des Neubaus berücksichtigt das gewachsene Terrain. Das Volumen wird in ortstypischer Weise optimal in die Topographie eingefügt. Durch die bewusste Gliederung der Gebäudeteile werden die Abmessungen und die Traufhöhe des Bestandes nicht überschritten. Die Dienstbarkeit entlang der Grundstücksgrenze an der Nordseite wird eingehalten, der Grünraum fliesst hier unberührt um das Gebäude herum. Ab der Zufahrtsstrasse führt nur eine Einfahrt ins Grundstück. Damit können alle Anlieferungen und Personentransporte inkl. Wendemöglichkeiten abgedeckt werden. Es sind keine Wendemanöver und Rückwärtsfahrten auf der Zufahrtstrasse nötig. Die Verkehrssicherheit wird dadurch erhöht. Die Eingangsebene des Neubaus übernimmt das Hochparterre-Niveau des Erdgeschosses vom Bestand. Der Zugang von aussen erfolgt über eine Rampen-Treppen-Kombination. Eine Zufahrt für Personentransporte führt zudem direkt vor den gedeckten, neuen Haupteingang. Über einen grosszügigen Windfang betritt man das Gebäude. Eine einladende, breite Gangzone führt zum Empfang. Hier befindet man sich in der Mitte des zentralen Marktplatzes. Von hier aus sind die halböffentlichen Bereiche gut zu überblicken. Der offene Raum wird durch den Block mit der Gastroküche mit Nebenräumen und vertikaler Erschliessung zoniert. Das vorgelagerte Café mit seiner grosszügigen Raumhöhe bietet ausreichend Platz und bietet dank der Erweiterung in den Grundriss des Bestandes eine abwechslungsreiche Raumsequenz. Mit diesem räumlichen Einbezug werden auch der bestehende Mehrzweckraum und der Andachtsraum aufgewertet. Durch die neue Position des Lifts im Bestand wird der Runderker freigestellt und im Raum wieder erlebbar. Die Büros und Arbeitsräume liegen nahe beim Eingang, etwas zurückversetzt, und sind somit über kurze Wege gut erreichbar. Eine grosszügige Terrasse erweitert den Marktplatz nach draussen. Der abgestufte Fassadenverlauf mit den schützenden, vorgelagerten Auskragungen gliedert diese Fläche in einen spannenden Aussenraum mit Blickbezügen über alle Geschosse. Der eingeschnittene und begrünte Lichthof ermöglicht zudem die natürliche Belichtung für das Gangstübli im Sockelgeschoss.

Landschaft

Die Umgebungsfläche an der Süd- und Westseite wird mit neuen Spazierwegen erschlossen. Das bestehende Tiergehege wird in das Wegnetz eingebunden. Durch die Wege und die Ausbildung von Plätzen und Sitzgelegenheiten wird der Aussenraum aufgewertet und eignet sich gut für kurze Spaziergänge und den Aufenthalt im Freien. Es führen zwei Ausgänge aus dem Gebäude in diesen Aussenraum. Ein Ausgang über die zentrale Terrassentreppe aus dem Bestandesbau. Und ein Ausgang barrierefrei aus dem Sockelgeschoss des Neubaus. Die Biodiversität in der Umgebungsgestaltung wird durch die Bepflanzung mit einheimischen Sträuchern und Bäumen gestärkt und ergänzt.

Funktionalität

Die neuen Wohngruppen sind über alle Geschosse übereinanderliegend gleich angeordnet. Die Bewohnerzimmer sind gegen Westen und Osten ausgerichtet. Die Aussicht und der Naturbezug aus allen Zimmern ist auch bei ein -geschränktem Bewegungsradius erlebbar. Gleichzeitig geben die niedrigen Brüstungen den nötigen Halt für einen geborgenen Rückzugsort im Zimmer. Alle Wohngruppen sind über kurze Wege mit einer Terrasse verbunden. Diese unterschiedlichen Terrassenflächen sind jeweils den Aufenthaltsräumen vorgelagert und ermöglichen auf allen Geschossen den barrierefreien Zugang zu einem Aussenraum. In allen neuen Wohngeschossen bieten die Gangräume zudem grosszügige Flächen für die Gangstübli-Aufenthaltsbereiche. Die Aussenbereiche im 1.OG und im Sockelgeschoss könnten bei Bedarf separat abgetrennt werden. Somit eignen sich eines dieser zwei Geschosse für eine spätere Nutzung als Demenzabteilung mit zugehörigem Aussenraum.

Wirtschaftlichkeit / Nachhaltigkeit

Das Erdgeschoss des Neubaus liegt auf demselben Niveau wie beim Bestandesbau. Dadurch ist die vertikale Erschliessung über alle vier Geschoss ebenfalls analog wie im Bestand organisiert. D.h. zwei Geschosse liegen über dem EG, eines darunter. Im Gebäude resultieren dadurch kurze Wege, so wie aus dem Bestand bekannt. Der Vorteil dieser Geschossaufteilung liegt vor allem im minimalen Flächenbedarf des Neubaus auf dem Grundstück und dem Verzicht von grossflächigen Terraineingriffen in Form von Aufschüttungen. Zudem benötig ein kompaktes Bauvolumen eine geringere Fassadenabwicklung, was sich positiv auf die Erstellungskosten und den Energiebedarf auswirkt. Der Neubau ist ab dem Erdgeschoss als Holzbau konzipiert. Die Aussenwände werden als Holztemente vorgefertigt und mit Strohballen gedämmt. Die Innenwandverkleidung besteht aus einem armierten Lehmputz, was sich positiv auf das Innenraumklima und die Behaglichkeit auswirkt. Die breiten, durchlaufenden Fenstersimse gliedern die Fassade und schützen sie gleichzeitig vor den Witterungs -einflüssen. Die statische Struktur bildet sich nach aussen ab. Das klare Konstruktionsraster und die gleichbleibende Fassadenteilung lassen eine rationelle und somit wirtschaftliche Bauweise zu. Das Sockel- und das Untergeschoss werden als massive Betonstruktur ausgeführt. Durch die geschickte Einbettung in die Topographie kann das Aushubvolumen minimiert werden. Die baulichen Eingriffe im Bestand orientieren sich an den Vorgaben der Machbarkeitsstudie. Der Speisesaal bleibt im 1.OG. Durch den Teil-Rückbau der Galerie wird der ursprüngliche Raumeindruck wiederhergestellt. Im Dachgeschoss bleiben der Mehrzweckraum und das Pflegebad als wichtige Räume für den Bestand erhalten.
Auf eine zentrale Lüftungsanlage wird verzichtet. Die Frischluftzufuhr wird über sogenannte Fensterfalzlüfter gewährleistet. Der Luftaustausch wird über Abluft-ventilatoren in den Bädern angeregt. Die Wärmeversorgung erfolgt durch die Holzschnitzelheizung über Radiatoren mit Thermostatventilen. Die Dachfläche eignet sich für Solarenergienutzung.

Brandschutz
Der Brandschutz kann in den Geschossen durch Bildung von drei Brandabschnitten und zwei Fluchttreppen eingehalten werden

Beurteilung durch das Preisgericht

Der vorgeschlagene Neubau ist an den nördlichen Rand der Parzelle gesetzt. Er ist gegen Westen und Süden kompakt organisiert und schafft damit einen angemessenen Abstand zum alten Bürgerheim. In diesem Zwischenbereich sind der eingeschossige Eingangsbereich und der „Marktplatz“ gut angeordnet. Mit dieser Setzung verstehen es die Verfasser*innen ausserdem, das gegen Westen abfallende Terrain mit einem gutbelichteten, ebenerdigen Untergeschoss zu nutzen. Damit bleibt das neue Bauvolumen unterhalb der Traufe des Schutzobjektes Bürgerheim.

Die Erschliessungen erfolgen übersichtlich an der Ostseite der Anlage. Weil das Erdgeschoss auf die Höhe des Bestandes gesetzt ist, erfolgt der Hauptzugang über eine Rampe, die im Grundriss etwas aufwendig erscheint. Sie ist räumlich jedoch gut zwischen der Strasse und dem Haus integriert. Mit dieser Massnahme wird auch der Neubau wohltuend über die Quartierstrasse gesetzt. Über ein grosszügiges Foyer erfolgt dann die ebene Erschliessung des Alt- und des Neubaus. Es entsteht eine ‚Marktstrasse‘ an der ein Empfangsdesk, die Verwaltung, die Vertikalerschliessungen, ein grosszügiger Aufenthaltsbereich und Terrassen angeordnet sind. Letztere sind, da unterbaut, noch zurückhaltend gestaltet und deshalb wenig verschattet. Insgesamt jedoch ein grosszügiger, vielschichtiger und gut proportionierter Eingangs- und Aufenthaltsbereich. Zu erwähnen ist die teilweise im Grenzabstand liegende unterirdische TGRampe. Sie ist in der vorliegenden Form jedoch überdimensioniert. Überhaupt ist die Tiefgarage insgesamt unwirtschaftlich, da sowohl teure Unterfangungen des Altbaus notwendig sind und die Flächen insgesamt nicht optimal genutzt werden.

Der Altbau ist gut in die Gesamtanlage integriert. Die vorgeschlagenen Funktionen und Räume können weitgehend in den Bestand untergebracht werden und führen entsprechend zu wenigen Eingriffen in die vorhandene Bausubstanz. Allerdings ist die Zuordnung der Räume nicht nachvollziehbar. So überzeugen weder die Wohneinheiten im EG noch die für den Betrieb abseitig gelegenen allgemeinen Räume im Dachgeschoss. Aus denkmalpflegerischer und architektonischer Sicht überzeugt ausserdem die neue Terrasse als Ersatz für den Altbaueingang nicht.

Die Wohngruppen sind jeweils auf nach Westen und Osten orientierten Geschossen untergebracht. Sie sind in sich übersichtlich und gut organisiert. Die allgemeinen Bereiche sind gut angeordnet und die Korridorbereiche besitzen räumliche Ausweitungen, die zum Verweilen einladen. Eine Wohngruppe wird ebenerdig gegen Westen vorgeschlagen. Der Übergang zum dahinterliegenden Untergeschoss wird durch ein von oben belichtetes Atrium gut gestaltet. Idealerweise läge hier, an zentraler Stelle, eine Anbindung an das Erdgeschoss. Die Einzelzimmer sind gut proportioniert und übersichtlich organisiert, allerdings etwas zu klein.

Die Fassaden sind gut und diszipliniert strukturiert, jedoch architektonisch für ein Wohnhaus etwas nüchtern. Das Volumen des Neubaus ist durch die vorgeschlagene Gliederung in unterschiedliche Körper unterteilt und erreicht damit, zusammen mit dem Altbau, eine ausgewogene Gesamterscheinung. Fraglich erscheint der architektonische Vorschlag für die viergeschossige Westfassade. Der Vorschlag wirft Fragen in Bezug auf den Anschluss an den Altbau wie auch zur vertikalen Gliederung des Baukörpers auf.

Die umgebende Landschaft wird im Westen durch neue Spazierwege erschlossen, in die das bestehende Ziegengehege selbstverständlich integriert ist. Es wird bedauert, dass darüber hinaus nur wenige gärtnerische Elemente und Aufenthaltsbereiche mit ansprechenden Bepflanzungen, Angeboten oder Nischen im Freiraum zu finden sind. Diese sollten, vor allem im südlichen, ebenen Vorbereich ergänzt werden. Ausserdem zieht die Gebäude-Konzeption keine einladenden Zugänge zu den Gärten nach sich.

Zusammenfassend überzeugt der vorliegende Entwurf mit einer klaren ortsbaulichen Setzung, wohltemperierten Volumen und der geschickt ausgenutzten Topographie. Die architektonische Umsetzung ist gut angedacht, in der vorliegenden Form für ein Wohngebäude jedoch etwas abstrakt. Die innere Organisation ist übersichtlich und sowohl die allgemeinen Aufenthaltsbereiche und die Wohngruppen sind gut durchgearbeitet und versprechen ein stimmungsvolles Haus. Bedauerlicherweise sind die Zimmer etwas zu klein.
Grundriss

Grundriss

Schnitt

Schnitt