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2. Rang 3 / 3

Nichtoffener Wettbewerb | 06/2023

Sanierung und Erweiterung Bürgerheim Appenzell (CH)

Visualisierung

Visualisierung

3. Rang / 3. Preis

Preisgeld: 20.000 CHF

Haerle Hubacher Architekten BSA GmbH

Architektur

OePlan GmbH

Landschaftsarchitektur

PIRMIN JUNG

Tragwerksplanung

Erläuterungstext

Ein Bürgerheim vor dem Dorf Appenzell

Vor dem Dorf Appenzell steht das bestehende Bürgerheim markant auf einem Hügel. Umgeben von landwirtschaftlich genutztem Weideland blieb seine ortsbauliche Setzung als Solitär über die Zeit hinweg bestehen. Das Ziel dieses Projektes ist es, die klare Position des Hauses in Dorf- und Landschaftsraum zu erhalten und zu stärken.
Der Neubau schließt an den Bestandsbau an, baut diesen weiter und bildet mit ihm zusammen ein neues Ganzes, ein neues Bürgerheim. Zusammen mit dem Bestandsgebäude wird ein Hofraum umschlossen, ein geschützter und intimer Aussenraum. Der Hauptzugang erfolgt an ursprünglicher Lage über die Südfassade, orientiert sich zum Dorf Appenzell und nutzt den bestehenden und schönen Vorplatz als Ankunftsort.

Das Leben im Haus

Alle Räume ordnen sich entlang eines kommunikativen Erschliessungsraumes um den Hof herum an. Vielseitige Blickbeziehungen durch den Hofraum geben den Bewohnenden Orientierung und ermöglicht die Teilhabe am sozialen Leben von der Wohngruppe aus.
Die Wohngruppen, sowie die öffentlichen Nutzungen verteilen sich über das ganze Haus, was den Austausch und das Leben zusammen in einem Haus fördert. Im Erdgeschoss befindet sich der grosse Mehrzweckraum, das Tagescafé und die Eingangshalle. Sie bilden zusammen mit dem Hof den öffentlichen Teil und sind auch Besuchenden zugänglich.
Im 1.Obergeschoss erhält die Kapelle durch den kleinen Mehrzwecksaal eine übergeordnete Nutzung. Neben betriebsinternen Sitzungen kann die Kapelle auch als Veranstaltungsort genutzt werden. Ob Stobete, Filmvorführung oder Jassabend ist vieles möglich. Durch diese übergeordnete Nutzung steht dieser denkmalpflegerisch substanzielle Teil des Bestands allen Bewohnern offen. Im Dachgeschoss über der Kapelle befindet sich der Andachtsraum und bietet einen ruhigen Rückzugsort für besinnliche Momente mit Aussicht über das Dorf Appenzell.

Das Leben in der Wohngruppe

Die Zimmer jeder Wohngruppe verteilen sich auf das Bestandsgebäude und den Erweiterungsbau. So profitieren alle Bewohnenden sowohl von den Qualitäten des alten Bürgerheims und dessen Atmosphäre, wie auch von den Besonderheiten des Neubaus mit seinen hellen Korridoren, Gangstüblis und gedeckten Aussenräumen. Im Übergang zwischen Bestand und Neubau und somit an zentraler Lage innerhalb der Gruppe, befindet sich der Aufenthaltsraum. Dieser richtet sich nach Osten mit Blick auf den hohen Kasten und den Alpstein oder nach Westen in die Appenzeller Hügellandschaft.

Das Leben im Zimmer

Der Vorbereich zum Korridor schafft eine Adresse für jedes Zimmer innerhalb der Wohngruppe. Durch eine Sitzbank aus Hartholz wird sie zum Aufenthaltsort und Treffpunkt für nachbarschaftlichen Austausch. Das Zimmer ist grosszügig dimensioniert. Einbauschränke, Fenster, Boden und Decke aus Holz sorgen für eine gemütliche Atmosphäre.

Parkierung, Anlieferung und Betrieb

Die Anlieferung und Parkierung erfolgt nordseitig über das Untergeschoss. Durch die topografische Einbettung ist dieses nordseitig ebenerdig erschlossen und der Warenumschlag (Wäscheumschlag, Anlieferung Küche, Holzschnitzel, etc.) kann ohne Einschränkung des Betriebs erfolgen. Die zwei Autoeinstellhallen sind mit ihren 465m2 ohne aufwändiges Brandschutzkonzept realisierbar, die westseitige Garage ist natürlich belichtet und belüftet.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Lage ist besetzt, die Rollen am Gelände scheinen verteilt. Und doch bilden die topographische Bettung des Neubaus als auch das Überlassen des neugotischen Bestandes dem Wirken der Zeit eine intuitive Antwort auf die Rationalität des angeforderten Inhalts sowie die ortsräumliche Einzigartigkeit der Lage.

Die durch und durch funktionalistische Herangehensweise sowohl in Organisation als auch Inhalt prägt diese neue Konformität. In beinahe zweifelsfreier Konsequenz wird mit dem Bestandsgebäude und seinem neuen Komplementär ein in sich ruhendes Geviert aufgespannt. Die Dreigeschossigkeit des Neugebäudes lässt dem Älteren wiedererkennbar Raum und befreit ihn so von der Rolle des Antagonisten und versucht integrativ zu bleiben.

Dieser strukturelle Ansatz wird auch durch die eindeutige Adressbildung im Bereich des neugotischen Haupteingangs des Bestandsgebäudes mit formaler Anlehnung an diesen barrierefrei weiterverfolgt. In ruhiger, abgesenkter Lage bildet im Norden fast unbemerkt die Verund Entsorgung den innerbetrieblichen Gegenpart.

Die lineare Organisation der einzelnen Wohngruppen mit integrativen Teilen aus dem Bestand und der beinahe mittigen Zuordnung der Aufenthaltsbereiche nach Ost und West implementieren die nach aussen gerichtete Privatheit der Zimmer zum halböffentlichen Bereich der Erschliessungen und letztlich zum artifiziell durchgrünten Innenhof in Divergenz zur umgebenden ruralen Landschaft.

Die Nischen vor den Zimmern, gebildet vom Rhythmus einzelner Versorgungsräume in die direkt öffentlichen Bereiche suggerieren Orientierung und Zimmeradresse. Insgesamt aber wirken die Verteilungen dieser dienenden Räume gesamthaft wie fragmentierte Archipele, die einer funktionalen aber keiner architektonischen Pragmatik geschuldet sind. Paradigmatisch ähnlich wird diese Haltung auch auf die gewählten Materialen im Inneren fortgeführt. Parkett, Linol und verputzte Lehmbauplatten werden sachbezogen arrangiert aber ohne akzentuierten räumlichen - architektonischen Anspruch verwendet. Trotz des zielstrebigen, positiven Ansatzes zur Schlichtheit verklärt hier sich die Suche nach taktiler und informeller Wahrnehmung.

Der umlaufende Sockel des Neubaus verhindert in der vorgeschlagenen Form eine unmittelbare, barrierefreie Annäherung an die wichtigen, kurzweiligen Freiräume um das neue Ensemble. Die gedeckten Terrassen sind richtig positioniert, bleiben aber auf Grund von Proportion und Größe rudimentär.

Die Qualität der Silhouette der neu komponierten Gebäudegruppe bleibt dem Fernblick vorbehalten. Bei näherer Betrachtung des Supplementäres scheint auf der Suche nach der Einfachheit, der Gewissheit, ja der Naivität in Anlehnung an Albert Manser die Rolle des Raumes verloren gegangen zu sein, haptische und taktile Annäherungen aufgegeben worden. Die Tektonik und Materialisierung der Fassade sowie das mit Blech eingedeckte Dach suchen ihre Vorbilder in einer pragmatischen Verlegenheit. Es ist die Sprache einer Versorgungsstruktur ohne eindeutige architektonische Entschlossenheit, die sich über dem gesamten Konzept niederlegt. Dem wohlwollenden Utilitarismus mangelt es da und dort an atmosphärischer Aufladung und einer Identität stiftender Ergänzung, die trotz einer starken Grundidee nicht konsequent übermittelt werden kann. Dies drückt sich auch in den baulichen Übergängen zwischen alt und neu aus.

Bestechend bleibt die konsequente Haltung auf der Suche nach räumlicher Kohärenz. Die Stärke des Projekts liegt hier eindeutig in der Anwendungsbezogenheit. Der Charme einen Kreuzgang in eine geriatrische bauliche Aufgabe zu integrieren und als wesentliche Maß zur Orientierung zu erheben entspricht dem Verständnis und der Verfasstheit der Betagten und zeigt trotz einiger Mängel die tiefe Auseinandersetzung der Verfasser mit der Aufgabe.

Projektbeurteilung aus denkmalpflegerischer Sicht:
Als Kopfbau einer neuen, geschlossenen Anlage behält das Bestandsgebäude seine dominante Stellung und Funktion. Folgerichtig wird der ursprüngliche Haupteingang wieder aktiviert. Die Erschliessung und die geforderte Unterbringung der Bewohnerinnen - und Dienstzimmer erfolgen weitgehend in den vorhandenen Grundrissstrukturen und nehmen entsprechend grosse Rücksicht auf den Bestand. Aus denkmalpflegerischer Sicht liegen die Schwachpunkte des Entwurfs in den Schnittpunkten der Fassaden sowie in dem massig wirkenden Eingangsbauwerk.

Projektbeurteilung aus freiraumplanerischer Sicht:
Die Verfassenden erschliessen das Gebäude über den alten Haupteingang, jedoch mittels einer Rampe zur barrierefreien Erreichbarkeit – eine klare Haltung zur Wertigkeit des Bestandes. Die Anlieferung erfolgt getrennt und ist schlüssig an der Nordseite verortet.

Der Beitrag arbeitet zwei Freiraumtypologien heraus: Gartenhof und Landschaftsraum.

Diese Idee ist stimmig, in der Darstellung leider noch nicht sehr überzeugend – die Erläuterungstexte lassen für den Gartenhof andere Bilder im Kopf entstehen: einen barrierefrei erreichbaren, mit vielfältigen Angeboten gestalteten Gartenhof mit Brunnen und Beeten, Sitzgelegenheiten und Nischen als Treffpunkt für alle Bewohnenden und Besuchenden und als erweiterten Marktplatz im Freien. Bedauert wird, dass dem Markplatz keine barrierefrei erreichbare Terrasse nach Westen zugeordnet ist.

Die umgebende Landschaft in fast unveränderter Form ist im Gegensatz zum Hof wenig möbliert und sparsam über einen Weg mit Sitzgelegenheiten mit Blick ins Tal erschlossen. Ob die Wegführung im steilen Gelände in der dargestellten Form für alte Menschen bewältigbar ist, wäre zu prüfen. Dieser Weg ist leider für die Bewohnenden vom Marktplatz aus nicht stufenfrei erreichbar. Das Ziegengehege als Element der Landwirtschaft ist am Pavillon richtig verortet,
Visualisierung

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Grundriss

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Ansicht

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