modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Offener Wettbewerb | 06/2023

Bebauungsvorschläge für den Bürobau Conrad-von-Hötzendorf-Straße in Graz (AT)

Rendering: Patricia Bagienski-Grandits, Wien

Rendering: Patricia Bagienski-Grandits, Wien

2. Rang / 2. Preis

Pichler & Traupmann Architekten

Architektur

Erläuterungstext

Morphologische Transformation eines Schienensystems mit SKYPARK

Das langgestreckte Projektgebiet liest sich im großmaßstäblichen Kontext als Teil des von Nord nach Süden verlaufenden langgestreckten Bahn- bzw. Bahnhofareals entlang der Conrad-von-Hötzendorf-Straße. Für diese Areale ist die Schiene als System demnach das charaktergebende Element einer maßgeblichen Typologie im klassischen urbanen Kontext.
Gewissermaßen naheliegend wird daraus auch für das quasi herausgelöste Feld in einem kleineren Maßstab das charaktergebende Element zum „driver“ für den Projektgedanken: das Gebäude selbst als eine Art Schienensystem in seiner formalen Ausprägung, aber auch in seinen funktionalen Implikationen.
Die Struktur der volumetrischen Verteilung suggeriert zwei der Länge nach verschiebliche Gebäudehälften, die je auf ihren unmittelbaren Kontext, wie zum Beispiel auf den gegenüberliegenden Wohnbau, dessen Aussicht und Besonnung nahezu unbeeinträchtigt bleiben, aber auch auf baurechtliche Vorgaben reagieren. Wichtig dabei ist, dass die Volumetrie keineswegs irgendwelche Konturen (Grundstück, Belichtungsnachweis, etc.) nachzeichnet, sondern fast spielerisch mit entsprechend positionierten, klassisch rektangulären Volumenkörpern auf die jeweiligen Situationen reagiert: sei es der bogenförmige Zuschnitt des bebaubaren Areals im Norden oder schlichtweg der Raum für die bestehende Platane usw. Die Geste der differenzierten Stufungen findet aber nicht nur in der Längserstreckung seinen Niederschlag, sondern auch in der vertikalen Organisation der Volumsverteilung.
Bezüglich vertikaler Gliederung wird auf einen weiteren Aspekt kontextueller Referenzierung zurückgegriffen. Das Objekt wird gegliedert in eine Art Sockelbauwerk, eine deutliche horizontale Trennfuge und zwei Aufbauten unterschiedlicher Höhe. Die Fuge bezieht sich klar auf die Traufhöhe des Bestandskörpers der Stadt im unmittelbaren, aber auch weiteren Umfeld. Das Gliederungsmerkmal wird damit zum Parameter der Maßstäblichkeit des neu zu schaffenden Objektes. Die beiden Aufbauten inszenieren und rhythmisieren die graduelle Höhenentwicklung hin zum Stadionturm. Der südliche Aufbau wird quasi zu einer gut lesbaren westlichen Platzwand für den relativ großzügigen Bertha-von-Suttner-Platz, korrespondiert aber auch mit der Höhenentwicklung des kürzlich neu gebauten und eben südwestlich betonten Ensembles nördlich des Platzes.
Ebenso will der südliche Aufbau in der Wahrnehmung von der Einfahrt Graz/Ost her auch als Kopf der Bebauung entlang der Conrad-von-Hötzendorf-Straße gelesen werden.

Die horizontale Fuge wird zu einem besonderen Element dieses Objektes: sie ist nicht nur ein Maßstabsbezug zur Umgebung, sondern auch eine Botschafterin eines dreidimensional mit Grün durchwirkten Stadtkörpers und kann somit zum Ausgangselement eines komplexeren Freiraumgefüges für die Stadt werden. Diese Fuge ist jedenfalls kein fassadenseitig applizierter Grünstreifen, sondern vielmehr eine Garten-/Parklandschaft, ein Skypark, auf der gesamten Ebene dieses Einschnitts.
Dieses Signal eröffnet sich schon dem Ankommenden in Graz gleich unmittelbar nach der Stadteinfahrt Graz-Ost. Dieses grüne Band am städtebaulichen Tor wird als Landschaft mit üppigem Wachstum und Erscheinungsbild angelegt, mit Erd- bzw. Substratschüttungen von mindestens 90 cm bis zu punktuellen Erhöhungen auf 120 cm. Automatische Bewässerung gewährleistet das fortwährende Gedeihen. Eine Durchmischung von Gräsern, Stauden, Sträuchern und kleineren Bäumen erzeugt die Intensität des Bewuchses. Dazwischen sind die Aufenthaltsbereiche für die Benutzer dieser Ebene eingefügt. Die Freiraumplanung hat hier vielfältige Möglichkeiten ausgearbeitet, die den

Charakter eines Stücks Landschaft der „Grünen Steiermark“ quasi nachzeichnet.

Der Freiraum auf der Erdgeschoßebene wird auf den vorhandenen Flächen maximiert und als sichtbares Zeichen intensiviert. Die langgestreckte Grundstücksform gliedert sich in eine mäandernde Freiraumanordnung. Eine Abfolge an nur leicht im Versatz stehenden Aufenthaltsräumen diversifiziert das Raumerlebnis und schafft Nischen für unterschiedliche Programmierungen. Notwendige Verkehrsflächen für Anlieferung werden mittels teilbegrünten Belagswechseln unauffällig integriert. Alle Belagsflächen sind teilentsiegelt, Oberflächenwässer werden vor Ort zur Versickerung gebracht. Grünflächen sind als Staudenflächen ausgebildet, die Durchblicke erlauben und dennoch intime Aufenthaltsbereiche betonen. Die bestehende Platane im Süden wird erhalten und durch eine große Zahl an neuen Bäumen für eine natürliche Schattenbildung im gewachsenen Boden ergänzt. Richtung Bahn läuft die Bepflanzung in eine artenreiche Naturwiese aus, die als Artenrefugium für Fauna und Flora kleinräumig strukturiert ist. Fahrradstellplätze für Besucher sind bei den Gebäudezugängen gebündelt angeordnet.
Im Süden wird zwischen Kreuzungsbereich und Bahn eine platzartige Erweiterung vorgesehen, die als Dreh- und Angelpunkt zwischen Baufeld, Bertha von Suttnerplatz, bestehenden sowie neuen Gastronomien und übergeordneten fußläufigen Anbindungen vermittelt.

Im Zusammenhang mit dem Bahnareal mag auch die Assoziation zum Highline-Park in New York durchaus hergestellt werden, eine hochgehobene Freiraumebene mit vielschichtigen Nutzungsmöglichkeiten.
Freilich besteht hier der Unterschied, dass diese Ebene zur Inbesitznahme durch die Benutzer des Objekts und nicht als öffentlicher Bereich gedacht ist. Jedenfalls wird diesem Freiraum zum wesentlichen Wohlbefinden der Nutzer des Gebäudes beitragen, dies ebenso wie die mit Grünanlagen bespielte Zone auf der Bodenebene im sich längserstreckenden, westlich gelegenen Freihaltebereich zum Bahnareal hin.

Funktional ist das Gebäude - durchaus in Analogie zum Schienensystem – als zweihüftige Anlage angelegt. Entlang der Fassaden ist der Raum in einer Abfolge von Büroachsen organisiert, der mittige Bereich verbindet wie die Bahnschwellen die beiden Büroschienen als von beiden Seiten zu beanspruchende Zone für kommunikative und ergänzende Funktionen des Gesamtprogramms.
Ausgewiesene Konferenz- und Kommunikationsräume sind auf der Ebene des Sky-Parks angeordnet und geben dieser Zone damit nicht nur die morphologische Sonderstellung, sondern auch die nutzermäßige. Bei witterungsmäßig günstigen Bedingungen ist auch an Kommunikations- und Veranstaltungsformate im Freien gedacht. Organisatorisch sind die Räume so angelegt, dass sie jeweils für die vorgesehenen Nutzungseinheiten auch separat bespielt werden können.

Bezüglich Nutzungsverteilung wird den neuen Vorgaben Folge geleistet: Für die beiden Großnutzer sind die geforderten Programme eingearbeitet

und nachgewiesen. Der für die BVA zur Verfügung stehende Gebäudeteil ist so angelegt, dass er als selbständige Eigentumseinheit abgetrennt werden kann. An der doppelten Feuermauer ist die Abtrennung möglich. Auch für den zweiten Großnutzer ist eine klare Struktur einer kompakten Nutzung angelegt. Dazu gibt es noch zwei weitere Nutzungsmöglichkeiten. Alle Nutzungseinheiten sind mit je eigenen Erschließungen ausgelegt und vertikal rund um diese organisiert.
Nichtsdestotrotz sind Verbindungen bzw. Verknüpfungen im Sinne hoher Flexibilität möglich.
Für die Zugänge der Nutzer sind jeweils Empfangs- bzw. Lobby-Bereiche verortet. Der Café-Bistro-Bereich befindet sich nun südseitig gleich im Anschluss an die Bestandsplatane und belebt den Vorplatz.

Eine zweite Platane wird, wie gefordert, Richtung Ulrich von Liechtensteingasse hin gepflanzt. Beide Bäume sind Ankerpunkte für die Vorplatzgestaltung am südlichen Ende des Areals. Die Auskragung des Objektes hier ergibt einen gedeckten Freibereich, der mit dem gegenüberliegenden Bertha-von-Suttner-Platz korrespondiert.
In allen überkragten Bereichen sind auch die Fahrradabstellplätze untergebracht.
Das Erdgeschoß ist zur Conrad-von-Hötzendorf-Straße hin offen gestaltet, sodass eine lebendige Straßenfront entsteht.

Auf dem Grundstück Roth bleibt die Tankstelle erhalten. Die bestehende Zu- und Abfahrt wird in das neue Verkehrskonzept integriert und dient somit auch der Garagenzufahrt wie der Anlieferung und Entsorgung westseitig. Die Vorgaben für die Anlagen entlang der Conrad-von -Hötzendorf-Straße werden übernommen.

Der Straßenraum selbst soll mit diesem Gebäude einen signifikanten Auftakt erhalten, der trotz der artikulierten Form eine gewissen Selbstverständlichkeit und Leichtigkeit ausstrahlt.


Zur Erzielung dieser Wirkung wurde das Tragwerkskonzept sorgfältig ausgearbeitet, freilich auch im Hinblick auf sinnvolle ökonomische Machbarkeit:

Das gegenständliche Projekt zeichnet sich durch eine klare Baukörperstruktur mit einem orthogonalen vertikalen Tragsystem aus. Die Konstruktion ist als Stahlbetonskelett mit massiven Stiegenhaus- und Liftkernen sowie TGA-Schächten, sowie Stützen und Decken in Stahlbeton gebildet. Diese massiven Kerne stellen neben der vertikalen Ableitung von Kräften die Stabilität aus den horizontalen Lasten wie Wind und Erdbeben sicher.
Die Decken werden durch ein Rippendeckensystem mit zwei in Längsrichtung der Baukörper (Nord-Süd) ausgerichteten Hauptträgern (Achsen entsprechen den Achsen der Stiegenhaus-Wandscheiben) und orthogonal dazu ausgerichteten Querrippen. Alternativ dazu wären Flachdecken mit Hohlkörpern denkbar, die genauso wie Rippendecken zur Reduktion der


Betonkubaturen und somit des Eigengewichts sowie zur Optimierung der CO2-Bilanz beitragen können.

Die Besonderheit der Lösung wird in den horizontalen, durch die „grüne Fuge“ getrennten Gebäudeschnitten deutlich. Die statische Lösung der vorspringenden Baukörper erfolgt in Richtung Conrad-von-Hötzendorf-Straße durch Auskragen der Rippendecken (ca. 4,0 m) und in Richtung der Bahntrasse durch Einbau von „Schrägstützen“, die über mehrere Geschoße die Lasten aus den Decken und Fassaden mittels Hängestützen in die zentralen Kerne übertragen. Der steile Winkel der Schrägstützen reduziert die horizontale Abtriebskomponente.

Die Lasten des im Längsschnitt an der Südseite auskragenden Baukörpers werden ebenfalls mittels Schrägstützen, welche durch mehrere Geschoße führen, auf die nächstliegenden zentralen Stützen abgetragen.

In den Untergeschoßen ergeben sich die vertikalen Lastableitungspunkte aus der oberen Struktur, um aufwendige Auswechslungskonstruktionen zu vermeiden.

Das Gebäude zeigt seine tektonische Gliederung auch in der Anwendung der Materialsprache. Die ablesbaren Einheiten sind mit bandförmigen Schleifen aus Natursteinverkleidungen eingehüllt. Einige der Steinplatten sind aus der Fassadenfläche herausgewölbt. Die dabei entstehenden Hohlräume können manchen durch die Urbanisierung bedrohten Vogelarten als Nistplätze angeboten werden. Die längsseitigen Fassadenflächen sind sehr uniform gehalten und zeigen ein subtiles Spiel von changierenden, kleinteiligen Vertikal-Mustern in sich selbst. Dieses Spiel wird im wahrsten Sinn des Wortes „vertieft“, wurde doch eine durchgehende Prallscheibe vorgesehen, die die natürliche Fensterlüftung trotz des hohen Lärmpegels der Conrad-von-Hötzendorf-Straße und des Bahnareals ermöglicht. Zugleich ist damit der Sonnen- bzw. Blendschutz wirksam windgeschützt und braucht keine besondere Eigenstabilität. Hinter dieser großzügig wirkenden Glasfront sind für die jeweiligen Nutzungen und dem Energiehaushalt entsprechend angepasste Glasanteile möglich.


Der Entwurf nützt nun die mögliche Dichte von 2,5 aus, die baugesetzlichen Grenzabstände wurden nochmals kontrolliert und angepasst.

Das Objekt ist aus dem Kontext entwickelt und spielt in den Kontext zurück, freilich mit einigen intendierten Zusatzqualitäten: morphologische Transformation eines Schienensystems mit Sky-Park als den Stadtkörper durchdringender Grünraum.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die städtebauliche Gliederung in einen Sockelbau und zwei darüber schwebenden Baukörpern wird grundsätzlich positiv beurteilt. Die dadurch entstehende Fuge wird als intensiv begrünte Kommunikationszone ausgewiesen, die darüber hinaus in die umgebende Bebauung positiv wirkt. Durch die geometrische Lösung wird eine ausreichende Besonnung der gegenüberliegenden Wohnbebauung sichergestellt. Die wirtschaftliche Organisation der unteren Geschosse in Form einer 3-hüftigen Grundrissfiguration weicht in den oberen Geschossen einer sehr schlanken und damit auch unwirtschaftlicheren 2-hüftigen Anordnung. Die ausschließliche Ausrichtung nach Osten und Westen führt zu hermetischen Situationen, die von der Jury kritisch gesehen wird. Der klassische Aufbau der Fassaden wurde unterschiedlich beurteilt.
Rendering: Patricia Bagienski-Grandits, Wien

Rendering: Patricia Bagienski-Grandits, Wien

Modell: Harald Schmidt, Wien

Modell: Harald Schmidt, Wien

Nutzerinnenverteilung

Nutzerinnenverteilung

Städtebauliche Eingliederung

Städtebauliche Eingliederung

Städtebauliches Konzept

Städtebauliches Konzept

Sky Park

Sky Park

Ansicht

Ansicht

Längsschnitt

Längsschnitt