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Nichtoffener Wettbewerb | 09/2023

Neubau Verwaltungsgebäude im Freilichtmuseum Hessenpark

Visualisierung Innenansicht

Visualisierung Innenansicht

Anerkennung

Preisgeld: 6.545 EUR

Waechter + Waechter Architekten BDA PartmbB

Architektur

merz kley partner

Tragwerksplanung

Erläuterungstext

EINGESCHMIEGT
Die neue Verwaltung des Hessenparks schmiegt sich wie selbstverständlich ein in das Ensemble der Bestandsbauten zwischen Eingangsgebäude und Gewerbehof. Das kraftvolle Giebeldach zitiert die Traufe der seitlichen Annexbauten der Scheune aus Westerfeld. Das zweigeschossige Eingangsgebäude bleibt dominant und die Orientierung für die Besucher somit eindeutig, zugleich werden schaufensterartig Einblicke in die Lobby eröffnet. Die Grundstückskanten werden nachgefahren, so dass zum Eingang wie auch zum Parkplatz klare Raumkanten entstehen. Aufgrund der fünfeckigen Geometrie entsprechen die Kanten-längen jeweils einzeln denen im Bestand, so dass sich die Verwaltung in der Wahrnehmung auf Augenhöhe sehr gut in die Maßstäblichkeit und Körnigkeit einfügt. Ein Sockel gleicht das abfallende Gelände aus.

TRADITIONELL MODERN
Die nachhaltige, ressourcenschonende Bauweise ist weithin sichtbar, die Schönheit der biogenen Materialien und die Logik der Konstruktion und Fügung bestimmt das Erscheinungsbild und wird zum identitätsstiftenden Wiedererkennungsmerkmal, Ausdruck und Selbstverständnis, Beispiel und Vorbild nachhaltigen, ökologischen und ressourcenschonenden Bauens. Traditionelle Bautechniken werden fortgeschrieben und daraus ein neues Bild für die Zukunft entwickelt, das sich respektvoll in die Vielschichtigkeit der vor Ort vorhandenen unterschiedlichen Bauepochen einfügt und Teil der Vielfalt des Bauens, Wohnens sowie des handwerklichen, landwirtschaftlichen und häuslichen Arbeitens wird, die das Freilichtmuseum präsentiert.

HOF ALS HERZ
Der kreisrunde Hof als Synonym für ein ‚Miteinander‘ und ‚Gemeinschaft‘ bildet das Herz des neuen Verwaltungsgebäudes. Statt einzelner über dunkle Flure erschlossener Büroräume, entsteht eine helle, lichtdurchflutete flexible Bürolandschaft mit vielfältigsten und unterschiedlichsten Arbeitsplätzen. Durch die variierende Bundbreite zwischen der Kreisgeometrie und der fünfeckigen Außenkanten entstehen Aufweitungen und Verengungen, Orte für Begegnung und Austausch, die der Vielfalt der unterschiedlichsten Aufgaben und Arbeitsprozesse entsprechend genutzt werden können. Sichtbezüge über die grüne Mitte, Ein- und Durchblicke, fördern die Kommunikation, laden ein zum Austausch und Begegnung und fördern das ‘in mehrere Richtungen Schauende‘.

INSPIRIERENDES ARBEITEN MITEINANDER ODER ALLEIN
Im Inneren entsteht eine lichtdurchflutete, freundliche und anregende Atmosphäre als Voraussetzung für angenehmes Arbeiten allein und in der Gruppe. Statt einer Trennung der Arbeitsplätze in ‚oben‘ und ‚unten‘ arbeiten alle gleichberechtig mit dem Potential das Miteinander im Sinne einer sozialen Nachhaltigkeit zu stärken und so Leitbild und Werte räumlich erfahrbar zu machen. Die Heimatzonen der Teams mit den Arbeitsplätzen liegen zum Innenhof oder nach außen, allesamt hell mit wunderbarem Blick in die Landschaft den jeweiligen Bedürfnissen entsprechend individuell gruppiert und möbliert. Die tonnenartigen Telephonboxen sind gleichmäßig verteilt und gliedern den offenen Raum, Vorhänge ermöglichen je nach Bedarf Unterteilungen und unterschiedliche Transparenz nach innen sowie nach außen. Teamablagen (z.B. Personal, Bauwesen, Finanzen) sind zwischen den Gruppen oder zu den Kommunikationsflächen als Raumteiler bzw. entlang der Außenwände möglich.

ADAPTIV + FLEXIBEL
Die Struktur ist robust und zugleich flexibel veränderbar, so dass auch völlig andere Nutzungen und Belegungen ohne großen Aufwand möglich sind – Grundvoraussetzung für nachhaltigem Bauen. Jederzeit kann die Raumkonzeption an verschiedene Arbeitsformate und wechselnde Bedürfnisse adaptiert werden, wobei die ebenerdige Konzeption die Flexibilität vergrößert. Abtrennungen einzelner Räume in Teilen oder vollständig können im Ausbauraster (i.M. 1,00m) strahlenförmig, d.h. parallel zum Tragraster sowohl nach innen zum Hof wie auch nach außen angeordnet werden.

ANKOMMEN
Eine bauchige dem Momentenverlauf entsprechende Stütze markiert den Eingang an der zurückspringenden Fassade im Südosten. Mitarbeiter und Besucher betreten schwellenlos die Lobby und blicken über die Teeküche in den Innenhof; diese ist Kommunikations- und Begegnungsort für Externe und Interne. Hieran schließt die Garderobe mit den Schließfächern an sowie der Touchdown mit temporären Arbeitsplätzen. Vom Eingang direkt sichtbar liegt die Poststelle, hier ist auch die Bedarfskasse angeordnet – das abfallende Gelände wird genutzt damit die Kasse auf Augenhöhe mit den Besuchern liegt. BESPRECHEN Projekt- und Besprechungsraum liegen jeweils in einer Außenecke mit Blickbezügen in die umgebende Landschaft. Diese Räume sind integraler Bestandteil der flexiblen Bürolandschaft – sie lassen sich bei Bedarf durch Akustikvorhänge in intime Besprechungs-und Beratungszonen abtrennen und bieten somit das gewünschte Forum für Kontemplation, Kreativität und Inspiration. Dazwischen sind die Flächen für den ThinkTank bzw. office for the day verortet.

LOW TECH STATT HIGH TECH
Nachhaltig bauen heißt Einfach Bauen ! Kurze Spannweiten, kein Aufzug, keine Fluchttreppe – durch die erdgeschossige Konzeption kann auf Treppen, Fluchttreppen und Aufzug verzichtet und zugleich Lebenszykluskosten reduziert werden. Alle Arbeitsplätze sind auch für Mitarbeiter und/oder Besucher mit Einschränkungen barrierefrei erreichbar – Inklusion als Grundverständnis. Die Entfluchtung erfolgt jeweils direkt ins Freie, so dass die Kommunikations- und Begegnungszonen rund um die Innenhalle ohne brandschutztechnische Auflagen genutzt werden dürfen und aufwändige sowie kostenintensive Masznahmen nicht erforderlich sind.

RESSOURCENDSCHONEND IN HOLZ
Die Tragstruktur ist effizient und ressourcenschonend, leimfrei in Vollholz gedacht, mit einfachen Fügungen, ohne aufwändige Stahlbauteile. Im Sinne eines umgekehrten Kegelstumpfs, sind die Dachflächen des inneren und des äusseren Rings scheibenartig ausgebildet. Stabilisiert wird das räumliche Dachtragwerk über einen innenliegenden Druckring um den Hof und einen außenliegenden Zuggurt, welcher über den Wandscheiben angeordnet ist. Somit ist es möglich auf Stützen und andere tragende Elemente innerhalb des Raumes zu verzichten. Die Vertikallast des Daches wird über Wände und Stützen um den Hof bzw. an der Außenwand abgetragen. Die zwischen den Balken verlegten Holzwolle-Leichtbauplatten sind raumakustisch (einschl. tiefer Frequenzen) wirksam; Balken und Schalung werden im Werk zu transportierbaren Größen als Elemente vorgefertigt. Auf den Streifenfundamenten aus Stampflehm liegt die Bodenplatte, als Hohlkastendecke konzipiert mit oberer und unterer tragender Beplankung, auf. Das abfallende Gelände wird genutzt zur Anordnung der notwendigen Technikflächen die über eine kurze Außentreppe erschlossen werden.

AUSDRUCK - EINFACH
Die aus dem Machen und der traditionellen Bauweise abgeleitete Einfachheit bestimmt die äußere und innere Anmutung – sachlich, unaufgeregt, nicht zeitgeistig im Sinne einer ästhetischen Nachhaltigkeit. Die sichtbare und nachvollziehbare lineare Tragstruktur und die einfachen Fügungen geben der Vielfalt der Arbeitslandschaft eine systematische Ordnung. Die Anmutung innen und außen lebt von der Schönheit der biogenen Materialien, deren Textur die Geschichte des Wachstums und dessen Patina die des Gebrauchs erzählt. Die Anmutung im Inneren wird bestimmt durch die weißlich hell geölt und geseiften Bauteile des Dachs. Die hellen Holzfenster und die geseiften polygonal verlegten Douglasiedielen fügen sich in das homogene Material- und Farbkonzept ein. Die innen mit Lehm verputzten Strohballen, werden außen mit im Lehm verlegten Schilfrohr bekleidet, das ebenso wie die Holzschindeln des Dachs die Bestandsbauten zitiert.

ZIRKULARE MATERIALIEN
Holz, Stroh, Lehm, bei der Materialwahl aller Bauteile sind Nachhaltigkeit, die Schonung der natürlichen Ressourcen, Lebenszyklus, geringer Primärenergiebedarf, und der emissionsfreie Gebäudebetrieb besonders berücksichtigt. Alle Baustoffe werden trennbar gefügt und sind damit als wichtige Voraussetzung nachhaltigen Bauens zirkular wiederverwend- bzw. vollends recycle- oder kompostierbar. Zugleich sind sämtliche Oberflächen strapazierfähig und so für die Nutzung dauerhaft geeignet.

ENERGIE GEWINNEN
Mit dem Ziel nicht mehr Energie zu verbrauchen als zu erzeugen, kombiniert das Energiekonzept bauliche (passive) Maßnahmen mit einer effizienten Anlagentechnik. Die Anforderungen des GEG werden mindestens 60% bezüglich des Primärenergiebedarfs und um 50% bezüglich der U-Werte unterschritten. Um den sehr guten Energiestandard zu erreichen werden in Ergänzung zu der bereitgestellten Fernwärme (Primärenergiefaktor 0,24) zum Innenhof in der Dachfläche Photovoltaik-Schindeln verlegt; ggbf. könnte auch ein Erdwärmesondenfeld (Jahreszeitenpendelspeicher) ergänzt werden. Durch die vollflächigen Verglasungen kann passive Sonnenenergie optimal genutzt werden, als Sonnenschutz wird ein Screengewebe als Senkrechtmarkise geführt.

TECHNIK BETRTIEB EINFACH
Statt aufwändiger Lüftungsanlagen sind die Elementfassaden zur natürlichen Belüftung als Dreh-/ Kippflügel ausgebildet. Die Beheizung erfolgt energetisch sinnvoll über eine Fußbodenheizung in Niedertemperatur (gleichzeitig ggbf. Temperierung über Erdsonden), so dass im Inneren keine in der Nutzung störenden Heizkörper erforderlich sind. Warmwasser wird dezentral in den Sanitärbereichen erwärmt. Die hohe Tageslichtautonomie aller Bereiche sowie effiziente Beleuchtungskomponenten reduzieren den Primärenergiebedarf weiter. Das Regenwasser wird über eine Zisterne als Grauwasser genutzt, das restliche Regenwasser über Rigolen in den Grünzonen versickert. Die Installationen werden in einem Doppelboden geführt, so dass Anpassungen und Nachinstallationen jederzeit möglich sind.

INNENHOF BIODIVERS
Die kommunikativen Begegnungszonen im Inneren werden durch den Innenhof ergänzt in den auch, etwas niedriger gesetzt, eine kleine Terrasse zwischen den Bewuchs modelliert ist. Diese grüne Oase lädt ein zum Verweilen, zur Pause aber auch mal zum mobilen Arbeiten und Austausch im Freien. Zur Stärkung der Artenvielfalt und des Mikroklimas wird der Innenhof biodivers, naturnah ausgebildet mit extensiven Wildwiesen-, Staudenflächen und Blühwiesen als natürlicher Lebensraum für Vögel, Bienen und Insekten. In die Fassade werden Bienenhotels sowie Kästen für Fledermäuse integriert, unter dem Dachüberstand Brut- und Nistkästen für Mauersegler und andere Vögel.

RETENTIONSRAUM
Als wichtigen Beitrag zur hitzeangepassten bzw. wassersensiblen Bauweise ist der Innenhof ebenso wie die Vegetationsinseln im Vorbereich als Retentionsflächen ausgebildet. Eine Rigole wird genutzt um überschüssiges Regenwasser unterirdisch zu sammeln und bei Bedarf zur Bewässerung der Grünflächen rückzuführen.

Beurteilung durch das Preisgericht

In einfacher, selbstverständlicher Weise entwickeln die Verfasser eine städtebauliche Form, die sich zum einen auf die Grundstückskanten bezieht und somit die Besucher von allen Seiten empfängt; zwischen Eingangsgebäude und Gewerbehof.; zum anderen mit einem Kreisausschnitt im Innern ein Zentrum - das Herz - entstehen lässt. Das kraftvolle Giebeldach zitiert die Traufe der seitlichen Annexbauten der Scheune aus Westerfeld.

Eingeschossig mit geschwungenen Dächern empfängt das Gebäude die Besucher und natürlich auch die Nutzer täglich; es entstehen neue Blicke - die Besonderheit liegt in dem Entdecken des Gebäudes - einer neuen Bauform, die durch die Überlagerung der Grundformen von Fünfeck und Kreis besondere Möglichkeiten im Grundriss zulässt. Am Übergang zum Ausstellungsgelände sitzt richtigerweise die Poststelle mit dem Ticketing, eine der wenigen Öffnungen in der Außenhaut, die einer besonderen Nutzung zugeordnet sind.

Über eine schmale Gebäudefuge wird das neue Haus für die Mitarbeiter erschlossen und führt in einen „open space“ - um den Hof herum verteilen sich die Arbeitsflächen, die flexibel zu nutzen sind - es entsteht eine Großzügigkeit, die eine gewisse Spannung erzeugt - Qualitäten entwickelt, einen Mehrwert - auch bezüglich des Austausches - erwarten lassen. In den Tiefen der Ecken befinden sich Sondernutzungen - eventuell ließe sich hier noch eine vollständig geschützte Situation entwickeln, um eine ausdrücklich „gewünschte Intimität“ zu gewährleisten.
Kritisiert wird der Umgang mit den WC-Anlagen - hier wäre eine bessere Lösung gewünscht.

Der Wettbewerbsbeitrag liegt - bezogen auf den vorgegebenen Kostenrahmen - in der vergleichenden Kostenbetrachtung knapp unter dem Durchschnitt aller Wettbewerbsbeiträge, jedoch über dem Wert der Vorgaben aus dem „0“ Projekt. Kostenansätze für Sonderkonstruktive Elemente wie innenliegender Druckring zum Hof und außenliegender Zuggurt zur Erreichung der Stützenfreiheit sowie Kosten für Lastabtragung und -abführung über Stampflehmfundamente werden hinterfragt.

Die Anforderungen des Landes Hessen an die Energieeffizienz zur Übererfüllung der gesetzlichen Mindestanforderungen können mit dem vorliegenden Entwurf gut erfüllt werden. Das vorgeschlagene Energiekonzept folgt dem Low Tech Prinzip und hinterlässt damit einen positiven Eindruck. Der verbleibende niedrige Energiebedarf soll durch die vorliegende Fernwärme gedeckt werden. Der Einsatz einer PV-Anlage zur Ergänzung der Stromversorgung auf der Dachfläche zum Innenhof wird positiv bewertet. Die vorgeschlagene Technologie als PV-Schindel ausgeführt in der konkaven Dachfläche wirft bezüglich der technischen Machbarkeit und des Wirkungsgrades Fragen auf. Insgesamt befindet sich der Entwurf bezüglich der energetischen Gesamtbewertung im Mittelfeld aller abgegebenen Arbeiten.

Dieser Entwurf ist ein guter Beitrag zur Nachhaltigkeit: einfache Struktur, nahezu ausschließlich regenerative Baustoffe, eine günstige energetische Bewertung. Die Ausrichtung einer Photovoltaikanlage im inneren Ring ist gut orientiert und tritt im öffentlichen Raum nicht in Erscheinung – ist jedoch nur von eingeschränkter Nutzbarkeit. Insgesamt spart die Eingeschossigkeit aufwendige Erschließungssituationen und führt zu kurzen, übersichtlichen Wegen im Gebäude.

Insgesamt ist dieser Beitrag ein Besonderer, der Tradition und Moderne in einem Ausstellungsbetrieb vereint, den gewünschten, ausgelobten Arbeitswelten ein neues Gesicht gibt und Mut für die Flexibilität in der Zukunft generiert.
Visualisierung Außenansicht

Visualisierung Außenansicht

Ansicht Süd

Ansicht Süd

Grundriss EG

Grundriss EG

Modellfoto

Modellfoto

Modellfoto

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