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Mehrfachbeauftragung im kooperativen Verfahren | 07/2023

Umbau Gemeindehaus Neureut-Nord zu einer Kindertagesstätte in Karlsruhe

Perspektive

Perspektive

1. Rang

architekturbüro ruser + partner mbb

Architektur

Erläuterungstext

Erläuterungstext
Kindertagesstätte Neureut-Nord

Die evangelische Kirchengemeinde Neureut Nord beabsichtigt, im bisherigen Gemeindehaus sowie einem neu zu errichtenden Erweiterungsbau eine fünfgruppige Kindertagesstätte als neue Begegnungsstätte in direkter Nähe zur Kirche, Schule, Rathaus und Turnhalle zu realisieren. Entstehen soll eine offene und bedürfnisorientierte Einrichtung, welche die Qualitäten und Potenziale der vorhandenen, denkmalgeschützten Bestandsgebäude und dem dazugehörigen Außengelände bestmöglich nutzt, so dass diese ablesbar und für die Zukunft erhalten bleiben.


Baukörper | Nutzungen | Denkmalschutz

Der vorgeschlagene, neue Baukörper schließt orthogonal an die südliche Stirnseite des bestehenden Gemeindehausgebäudes an und spannt so einen Raum bis an die dem Wettbewerbsgrundstück zugewandte Längsseite der Kirche auf. Diese Fläche wird durch das bisherige Gemeindehausgebäude und das Pfarrhaus seitlich begrenzt und stellt als eine Art Kirchenhof einen großen Teil der Außenfläche der Kindertagesstätte dar. Der Neubau mit seiner klaren und schlichten Kubatur fügt sich harmonisch in die klassische Bauform und Körnung der umliegenden und ortsüblichen Bebauung ein. Der giebelständige, langgezogene Baukörper folgt der Grundstückstiefe und nimmt sich in seiner Einfachheit und Klarheit gegenüber dem denkmalgeschützten Gemeindehaus zurück.

Das zweigeschossiges Erweiterungsgebäude mit Satteldach orientiert sich aus gestalterischen Gründen in seiner Dachneigung und Traufhöhe etwas über die Vorgaben im Bebauungsplan hinaus am direkt gegenüberliegenden Krüppelwalm des Gemeindehauses. Diese leichte Überschreitung scheint in Anbetracht der in Aussicht gestellten Abweichungen der vorgeschriebenen Dachform zunächst als vertretbar, wobei auch ohne große Verluste bezüglich Nutzbarkeit eine bebauungsplankonforme Ausführung möglich wäre.

Zwischen dem neuen Baukörper und dem bestehenden Gemeindehaus sowie dem vorhandenen Wirtschaftsgebäude mit Remise liegt eine in Konstruktion und Anmutung leicht gehaltene Gebäudefuge. Diese ist nicht nur Erschließungszone, sondern auch ein lichtdurchfluteter Aufenthaltsbereich mit Qualität und verbindet die beiden Etagen der Kindertagesstätte und die verschiedene Nutzung in den einzelnen Bereichen und Gebäuden miteinander. Trotz der dadurch engen Verwebung aller Gebäude zu einer inhaltlichen Einheit schließen die neuen Bauteile sehr reduziert und reversibel an den denkmalgeschützten Bestand an.

Die Nutzungen sind so verteilt, dass die Potenziale und Qualitäten der Bestandsgebäude bestmöglich genutzt werden und damit ein möglichst sensibler Umgang mit dem denkmalgeschützten Bestand gewährleistet ist. Die großen Räume (Mehrzweckraum, Bistro, etc.) sind im Erdgeschoss des Gemeindehauses im ehemaligen Gemeindesaal untergebracht. Durch flexible Trennwände und die Erhaltung der Bühne als Teil des Bistros ist weiterhin partiell eine Nutzung des Raumes ähnlich der bisherigen denkbar.

Während die auf die spezifischen Anforderungen zugeschnitten Hauptfunktionsräume der Kindertagesstätte (Gruppenräume, Intensivräume, etc.) im neuen Baukörper untergebracht sind, liegen die Nebenräume ohne besondere Anforderungen bezüglich Fluchtwege wie die Personalbereiche im Obergeschoss des bestehenden Gemeindehauses. Hierbei wird die vorhandene Raumstruktur genutzt, um die Eingriffe in die Bestandsstruktur so gering wie möglich zu halten. Die Hauptfunktionsräume im Neubau der Kindertagesstätte sind bewusst in ihrem Zuschnitt neutral gehalten, um so die Idee des „offenen Konzeptes“ zu fördern, und können durch die Kinder sehr niederschwellig in Beschlag genommen und mit Leben gefüllt werden. Während sich der Bereich für die Kinder ab 2 Jahren im Obergeschoß befinden, sind die Krippenräume im Erdgeschoss des Neubaus gelegen. Das ehemalige Wirtschaftsgebäude mit Remise beinhaltet die Schlafräume für die Krippengruppen.

Die Anforderungen des Raumprogramms wurden insgesamt so kompakt wie möglich umgesetzt und alle Flächenpotenziale des Bestandes ausgenutzt, um möglichst nahe an die Vorgaben des Bebauungsplanes bzw. die durch das Stadtplanungsamt in Aussicht gestellten Überschreitung zu kommen. Auf dem Gelände können zwei Stellplätze nachgewiesen werden.

Erschließung | Fluchtwege | Barrierefreiheit
Der Hauptzugang zur Kindertagesstätte erfolgt von der Kirchfeldstraße aus. Über die als innere Erschließungszone fungierende Gebäudefuge werden alle Bereiche der Einrichtung erreicht. Direkt am Eingang liegen die notwendigen Bereiche wie das Büro der Leitung, die Rezeption, der Kinderwagenraum, die barrierefreie Gästetoilette, etc. Über eine einläufige Treppe entlang des Wirtschaftsgebäudes gelangt man in die zweite Etage. Durch eine vorgelagerte, leichte Stahlterrasse auf der gegenüberliegenden Gebäudeseite ist neben dem direkten Zugang der im Obergeschoss befindlichen Gruppenräume zur Freifläche auch der geforderte, zweite bauliche Rettungsweg direkt ins Freie aus jedem Aufenthaltsraum gewährleistet.

Mittels einer kurzen Treppe wird die Höhendifferenz des Neubauobergeschosses zum Obergeschoss des bestehenden Gemeindehauses überwunden. Da sich auch der Aufzug in diesem Bereich befindet, ist eine durchgängige barrierefreie Erschließung der verschiedenen Höhenniveaus in allen Gebäudeteilen möglich. Im Obergeschoss des Gemeindehauses befinden sich außerdem nur Räume, die keinen zweiten, baulichen Rettungsweg direkt ins Freie benötigen und somit im Notfall über die vorhandene Treppe oder durch den Neubau fliehen können.

Die Anlieferung der Küche findet durch den bisherigen Hauptzugang des Gemeindehauses in der Gasse zwischen Gemeindehaus und Kirche statt. Ein von der Kindertagesstätte unabhängiger Zugang zum Mehrzweckraum/Bistrobereich ist außerdem durch eine vorhandene Türe direkt neben dem Hauptzugang der Kindertagesstätte möglich.

Auf der den Außenanlagen zugewandten Längsseite des Gemeindehauses befindet sich eine offene Pergola, unter welcher eine direkte Wegeverbindung zwischen der Kirche und der Kindertagesstätte liegt. Durch die bodentiefe Erweiterung der drei vorhandenen Bestandsfensteröffnungen entsteht darüber hinaus eine direkte Beziehung des Mehrzweckraum/Bistrobereiches mit der Außenspielfläche der Kindertagesstätte.


Materialität | Technik | Nachhaltigkeit

Das Tragwerk des Neubaus ist komplett als Holzkonstruktion konzipiert, welche auf einer tragenden Fundamentplatte flach gegründet wird. Die Außen- und Innenwände bestehen aus Holzständerkonstruktionen, die auch das Dach tragen. Die Zwischendecke ist aus Brettsperrholzelementen geplant, welche als Scheibe zusammengeschlossen die horizontale Aussteifung darstellt. Als aussteifende Wandelemente dienen die durchgehenden Wände der Gruppenräume. Um die Holzbauweise auch an der Hülle sichtbar zu machen, wird der Neubaukörper mit einer Dacheindeckung und Fassade aus Holzschindeln in traditioneller Bauweise vorgeschlagen, deren Oberfläche zur Erschließungszone kindersicher behandelt wird. Auch im Gebäudeinneren taucht das Material Holz leicht variiert in Form von Holzoberflächen und einem Parkettboden wieder auf. Die Erschließungsfuge ist als leichter Stahlbau mit verglasten Außenflächen und entsprechendem Sonnenschutz gedacht.

Die Erschließung der Wärmeversorgung erfolgt bestenfalls über einen Anschluss an das schon bis in den Stadtteil Neureut erweiterte Fernwärmenetz der Stadt Karlsruhe. Alternativ ist eine zentrale Lösung denkbar mittels Grundwasser- Wärmepumpen in Kombination mit der Photovoltaikanlage auf den Dachflächen. Das Regenwasser wird soweit möglich in entsprechenden Retentionsmulden in den Außenanlagen gesammelt, gereinigt und anschließend anteilig der Versickerung und Verdunstung zugeführt. Die Minimierung der Nutzung von künstlichem Licht sowie die Sammlung von Sonnenenergie in den Wintermonaten wird durch großzügige Fensteröffnungen nach Süden unterstützt. Für den sommerlichen Wärmeschutz ist vor allen Fensterelementen und den verglasten Außenflächen der Gebäudefuge ein außenliegender Sonnenschutz gedacht. Die Belüftung und Nachtauskühlung der Räume erfolgen manuell über Fensteröffnungen und Oberlichter in der Fassade. Die Belüftung der Gruppen-, Intensiv- und Schlafräume sowie des Küchenbereiches erfolgt zusätzlich über raumautarke, dezentrale Lüftungsgeräte mit hocheffizienter Wärmerückgewinnung.

Die Materialien wurden unter den Gesichtspunkten von geringem Primärenergiegehalt, niedrigen CO2-Emissionen und einer guten Wiederverwendbarkeit gewählt und entsprechen damit den Grundsätzen des nachhaltigen Bauens. Die Wahl der Baustoffe richtet sich außerdem nach guter Recyclingfähigkeit sowie leichter Demontierbarkeit und Trennbarkeit, Holz als nachwachsender Baustoff ist dabei ideal für die Konstruktion des Neubaus und sorgt für ein gutes Raumklima. Insbesondere Fassade und Dach werden energieeffizient geplant und ausgeführt, um die höchsten Wärmeschutzstandards zu erreichen und Energieverluste zu minimieren.

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebau, Freiraum
Der von den Verfassern vorgeschlagene zentrale Spielhof wird sehr positiv gewertet. Er bildet das Zentrum der künftigen Kita und verbindet diese mit dem Pfarrhaus und der Kirche zu einem attraktiven Zentrum für die Kirchengemeinde. Der senkrecht zum Gemeindehaus angebaute Kitaflügel ist gut gesetzt und überzeugt mit seiner schmalen und langgestreckten Gebäudeform. Durch das gewählte System aus sich den leicht abgewinkelten Orthogonalen von Pfarrhaus und Remise einerseits und ehemaligen Gemeindehaus und Kita andererseits, entstehen reizvolle Räume. Insbesondere die nach hinten schmaler werdende Fuge in der Kita bildet einen schönen Innenraum, der das gewünschte offene Konzept zu unterstützen vermag.

Architektur, Außen- und Innenräume
Die gute städtebauliche Setzung und attraktive Form des schmalen Baukörpers werden leider an einigen Stellen nicht stringent genug weitergedacht. Schon das Modell irritiert mit einer Komposition aus Flügel und durchgesteckter Stahl-Glas Konstruktion. Der Kitaflügel zeigt sich selbstbewusst mit auskragendem Obergeschoss an der Kirchfeldstraße. Durch diese Geste entsteht ein überdachter Raum, der als Ankommensbereich interpretiert werden könnte. Leider ist der Eingang dann aber daneben angeordnet. Die vor dem ehemaligen Gemeindehaus gesetzte Pergola überzeugt nicht. Auch der außen zweigeschossige und innen schlicht davor gebaute Anschluss an die Remise erscheint noch nicht gelöst.

Umgang Denkmal
Die Remise bleibt vollständig erhalten, was bei diesem Entwurf auch denkbar ist. Auch der Umgang mit dem Gemeindehaus ist gut verträglich. Die Öffnung aller Fensterbrüstungen zum Hof ist bei den gewählten Nutzungen richtigerweise vorgeschlagen, müsste in einem Baugenehmigungsverfahren aber diskutiert werden. Die gewählte Holzschindelverkleidung wird von der Denkmalpflege als zu wenig ortstypisch eingeschätzt.

Raumprogramm und Funktion
Die Jury diskutiert, ob der Hauptzugang und die Adresse der Kita nicht besser an der Kirche liegen sollte. Mit einer solchen Veränderung wäre auch der nicht bearbeitete Niveauunterschied von 80 cm zwischen Kirchfeldstraße und Gebäude gelöst. Barrierefreiheit ist bei der aufgezeichneten Lösung nicht gegeben.

Insgesamt ist das Raumprogramm gut bearbeitet und die funktionalen Anforderungen weitestgehend erfüllt. Überdacht werden muss die Anordnung des Bistros für die Krippe auf der Bühne. Dies ist so aufgrund der Niveaus und der langen Wege nicht machbar. Die dezentralen Garderoben waren so nicht gewünscht. Der Schlafraum in der Remise ist funktional nicht gut gewählt. Andere Nutzungen für die Remise wären an der Schnittstelle zwischen Kita und Spielhof besser denkbar. Die Toiletten sind zu klein.

Die große Außenspielfläche wird gelobt. Diese geht allerdings auf Kosten des Pfarrgartens.

Wirtschaftlichkeit
Der Entwurf liegt von der Nettoraumfläche leicht über den Vorgaben, die Kubatur ist im unteren Bereich aller Arbeiten. Die gewählte Lösung verspricht aufgrund der Reduktion auf ein einfach gebautes Gebäude und den zurückhaltenden Eingriffen im bestehenden Gemeindehaus eine wirtschaftliche Bauweise. Der Umgang mit der Remise muss aufgrund des hohen Aufwands kritisch gesehen werden.

Nachhaltigkeit
Die Überlegungen zur Holzbauweise sind nachvollziehbar.

Entwicklungspotenzial
Die Jury würdigt den Entwicklungssprung, den die Arbeit seit dem Zwischentermin gemacht hat. Es bleiben jedoch Fragen an die Hauptadresse und der daraus resultierenden Erschließung. Es bleiben auch Fragen an die architektonische Ausformulierung im Bereich des Eingangs, des Anschlusses an die Remise, der Eingangsgeste „neben dem Eingang“ und an die Komposition des Baukörpers.

Innenperspektiven

Innenperspektiven

Ansicht West

Ansicht West

Präsentationsplan 1

Präsentationsplan 1

Präsentationsplan 2

Präsentationsplan 2

Präsentationsplan 3

Präsentationsplan 3

Präsentationsplan 4

Präsentationsplan 4