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Nichtoffener Wettbewerb | 10/2023

Besuchszentrum für den Gedenkort Friedhof der Märzgefallenen in Berlin

Perspektive

Perspektive

1. Preis

Preisgeld: 6.800 EUR

AFF Architekten

Architektur

Landschafts.Architektur Birgit Hammer

Landschaftsarchitektur

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf überzeugt das Preisgericht insbesondere aufgrund seiner ausgewogenen und moderaten Gesamtwirkung, die sich angemessen in Bezug auf den Gedenktort positioniert und zurücknimmt. Diese wird in gekonnter Weise durch einen räumlich differenzierten Baukörper erreicht, der auf einem gemeinsamen Plateau bauliche Kuben etabliert, welche die vielfältige Nutzung nach außen vermitteln. Die Architektur inszeniert den Zugang zum und in das Gebäude und bildet im weiteren Verlauf wichtige Stationen des Ankommens ab, ohne zu dominieren. Gleichzeitig wirkt der Baukörper im Einklang mit den ihn umgebenden Elementen des Gartendenkmals, der Umschließungsmauer und adressiert die gestalterische Aufgabe, einen offenen und niederschwelligen Ort des Lernens und des demokratischen Diskurses auszubilden.
Der Ort wird an der Landsberger Allee mit einem neu geschaffenen Objekt angekündigt. Nach einem für alle Besuchenden gleichen Weg wird der Haupteingang zum Gebäude nach Durchschreiten der Mauer hinter einer neuen, vorgestellten Mauer zum Gebäude geführt. Diese schützende Geste wird kontrovers diskutiert und soll in der Gestaltung des entstehenden Patioraums keine Konkurrenz als Gedenkort ausbilden. Die Wegeführung überzeugt auch ohne inhaltliche Überhöhung mittels einer breiten Freitreppe im nach oben offenen Eingangskubus /Patio. Diese führt räumlich sinnfällig in den ersten Stock der insgesamt zweigeschossigen Anlage, dort allerdings nicht ganz überzeugend direkt gegen eine breite Wandscheibe. In oberen Stockwerk sind die Hauptfunktionen mit Foyer, Ausstellung, Bibliothek und Seminarräumen angeordnet. Im Erdgeschoss befinden sich die dienenden Funktionen, die Büros, sowie weitere Servicebereiche, die mittels eines gesonderten Personaleinganges erschlossen werden. Eine interne Treppe verbindet die Geschosse zusätzlich zur öffentlich nutzbaren Treppe untereinander. Die räumliche Gliederung gibt dem Gebäude sein besonderes Gesicht und inszeniert den Transit der Nutzenden in gekonnter Weise mit Orten des Innehaltens, der Versammlung und „hebt“ den Ausblick über die Mauer zurück zum Friedhofsgelände.
Konstruktiv ist das Gebäude aus gemauerten Außenwänden, Holz-Balkendecken und Holzrahmenbauteilen auf einer Stahlbeton-Bodenplatte aufgebaut. Der Kontrast zwischen den Mauer- und Holzbauteilen ergibt eine warme Haptik und erlaubt ein spannungsvolles Spiel zwischen geschlossenen und sich nach außen öffnenden Bauteilen. Überzeugend ist der Umgang mit der topografischen Situation, durch den ein Verzicht auf ein aufwändiges Kellergeschoss und die geringe Gebäudehöhe ermöglicht wird. Die hierzu erforderliche Lösung der vertikalen Erschließung ist angemessen.
In Bezug auf die innere Organisation wurde das Ankommen im Obergeschoss, die offen gestaltete Bibliothek und in Teilen die Art die interne Zirkulation zwischen den Funktions-Bereichen kritisch diskutiert. Die Fluchtwege sollten gesondert betrachtet werden. Das Preisgericht stellt zu den genannten Punkten jedoch fest, dass insbesondere die Ausbildung des Gebäudes als Ensemble unterschiedlicher Baukörper eine diesbezügliche Überarbeitung leicht möglich erscheinen lässt und die Grundkonfiguration nicht in Frage stellt. Diese Struktur erlaubt es auch, spätere Planungsanpassungen in der Gebäudenutzung flexibel zu integrieren. Die bestehenden Hauptwege zum Friedhof werden an ausgewählten Stellen durch eine neue Erschließungsschlaufe ergänzt. Es entsteht ein guter Verteilerknotenpunkt am bestehenden Rondell, wo funktional sinnvoll die Fahrradstellplätze für Besucher positioniert sind. Die Idee, die Zuwegung, wie in den bestehenden Bereichen, didaktisch für die Vermittlung von Inhalten weiter zu stärken, wird begrüßt. Der Flächenbedarf der Zuwegung wird jedoch auch kritisch bewertet und ist in Bezug auf den Baumschutz sorgfältig weiterzuentwickeln.
Der Vorschlag, die Bestandsmauer in Teilen in den Vor-Bereich des eigentlichen Baugrundstückes zu versetzen wird als bauliche Geste und als Teil der Zugangs-Inszenierung begrüßt. Im Fall einer Realisierung wäre jedoch sicherzustellen, dass eine Beeinträchtigung des vorhandenen Wurzelwerks vermieden wird. Begrüßt wird die Idee einer Unterpflanzung der gebäudenahen Gebüsche mit Efeu und Pachysander. Die erforderlichen Maßnahmen zur Überwindung des Höhenunterschieds am Eingang an der Landsberger Allee wären im Detail weiter zu prüfen.
Die Verwendung von Konstruktionsholz in Roh- und Ausbau und intendierten Rezyklat-Mauerziegeln reduziert den CO2-Abdruck im Bereich der Baustoffe, im Erläuterungsbericht wird auf eine beabsichtigte gute Materialtrennung für den weiteren Lebenszyklus des Gebäudes hingewiesen, was vom Preisgericht begrüßt wird. Diese der Nachhaltigkeit dienenden Maßnahmen werden durch geeignete Ausstattungen im Bereich der Haustechnik ergänzt. Kritsch ist in diesem Bereich der hohe Verglasungsanteil der Außenfassade zu hinterfragen. Weitere Maßnahmen im Bereich des sommerlichen Wärmeschutzes wären in der weiteren Bearbeitung gesondert zu untersuchen wie ein generell eindeutigerer Trend zu einfachen Lösungen im Technikbereich („low-tech“).
Bemängelt wird eine teilweise Überlagerung der Abstandsflächen auf das Vivantes-Grundstück, was zu überarbeiten bzw. abzustimmen wäre, wobei das Preisgericht die Überschreitung als moderat und verträglich einschätzt. Gleichermaßen wird die Überschreitung der Grenze zum Friedhofsgrundstück mit Abstandsflächen und ggf. der Außenmauer des Erkers vom Preisgericht als akzeptabel bewertet. Der Nachweis der Fahrradstellplätze entspricht nicht den Vorgaben der Auslobung. Gleichsam überzeugt die Lösung für die Anlieferung noch nicht abschließend.
Insgesamt überzeugt der Entwurf das Preisgericht durch seine spezifische Ästhetik und Funktionalität. Er bietet im Inneren wie in den Freiflächen kontemplative als auch kommunikative Bereiche, die der Bedeutung und Aufgabe eines Besuchszentrum zur Vermittlung von Demokratiegeschichte an diesem besonderen Ort in hervorragender Weise gerecht werden.

Lageplan

Lageplan

Modellfoto

Modellfoto