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Eingeladener kooperativer städtebaulich-freiraumplanerischer Realisierungswettbewerb | 07/2023

Neugestaltung Magnum-Areal in Osnabrück

Perspektive

Perspektive

1. Preis

ASTOC ARCHITECTS AND PLANNERS GmbH

Stadtplanung / Städtebau

GREENBOX Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Die Aufgabe bestand darin, auf dem zuvor von der Stahlindustrie genutzten, 15,5 Hektar großen MAGNUM Areal in Osnabrück ein überzeugendes Gesamtkonzept für ein attraktives, in seiner Nutzung vielfältig gemischtem Stadtquartier zu entwickeln. Mit 224.000 qm Geschossfläche für Wohnen, Arbeiten, Handel, Gastronomie, Freizeit und Kultur und einer herausragenden städtebaulichen und freiraumplanerischen Qualität. Die Identität des durch historischen Bestand geprägten Quartiers bewahrend und gleichermaßen mit behutsamen Ergänzungen eine neue Identität stiftend. Und dazu selbstverständlich alle Belange der Ökologie und Nachhaltigkeit berücksichtigend, im Einklang mit allen programmatischen Anforderungen. Alle umweltrelevanten Anforderungen wie Wasserversickerung und Energieversorgung werden direkt im Areal erzielt. Besondere Aufmerksamkeit wurde auch dem zirkulären Gedanken gewidmet: welche Halle kann in welchem Bauabschnitt wie genutzt werden? Und wie können aus unvermeidlichem Abriss frei werdende Materialien an anderer Stelle wiederverwendet werden?

Qualität des städtebaulichen Konzepts: Grundidee, Innovationsgehalt und Modellcharakter, Maßstäblichkeit der Bebauung, Qualität der Nutzungsmischung, Vielfalt der Gebäudetypologien, Gestaltqualität der Baukörper, Einbindung in den stadträumlichen Kontext, Adressbildung, Unverwechselbarkeit, Sichtbeziehungen, Nutzungskonzept, Erreichen der Barrierefreiheit, Umgang mit Bestand, Identitätsbildung des Quartiers.
In der Präambel wird über die reine Programmerfüllung hinausgehend ein sehr hoher Anspruch formuliert, mit „neuer Symbiose von Produktion und Wohnen mitten in der Stadt“ und strikte Beachtung der Enviromental Social Governance (ESG)-Kriterien, was bedeutet, dass die Belange von Umwelt, Soziales und Unternehmensführung nicht nur beim Bau sondern auch im späteren Betrieb Beachtung finden müssen. Gleichzeitig ist allen Beteiligten am Wettbewerb der Wandel bewusst, dessen „Implikationen auf die Stadtentwicklung im Allgemeinen und die Konversion des Stahlwerks an der Bessemerstraße 1 im Besonderen nur schwer zu prognostizieren sind, und darüber hinaus die Herausforderungen des Klimawandel Anpassungsmaßnahmen konzipiert werden. Daher ist unser Beitrag einerseits lesbar als robuste städtebauliche Grundstruktur für ein urbanes mischgenutztes Quartier aus Neu- und Altbauten, die Programmanforderung plausibel erfüllend, überregional hervorragend angebunden und lokal kleinmaschig vernetzt durch alternative Mobilität sowie eingebunden in den Hase- Grünzug mit seiner Kaltluftströmung, die von Osten kommend das Stadtklima begünstigen. Andererseits ist dieser lesbar als ganzheitliches Nachhaltigkeitsquartier, das modellhaft Anpassungsstrategien zum Klimawandel als Reallabor umsetzt und erforscht, Kreislaufwirtschaft als notwendige Lösung einer „neuen Symbiose von Produktion und Wohnen mitten in der Stadt“ demonstriert und für erlebbar macht. Den Titel „MagnumWerk! – REproduktives Quartier“ setzen wir in der Überzeugung, dass ein innovatives Projekt mit großer Strahlkraft für die Stadt Osnabrück entsteht.
Die Identität entsteht im Umgang mit dem Bestand: „Wer das Kleine nicht ehrt ist das Große nicht wert.“ Die Grundstruktur ist so angelegt, dass sich für fast jede Bestandsstruktur die Möglichkeit ergibt, Spuren zu hinterlassen: Vom Erhalt und Umnutzung des Gebäudes, über Aufstockung, das Hineinbauen bis zur Integration von Fassaden(teilen) oder Trägerstrukturen. Wir sind überzeugt, dass dieses „Alles kann“ und nicht die alleinige Konzentration auf eine Halle die richtige Strategie ist. Die Adresse des Areals bildet sich entlang der neuen Erschließung, der Kontaktzone, an der sich Historie und Gegenwart treffen und sich ein abwechslungsreicher Raum mit belebten Erdgeschossen entwickelt.
Bereiche mit höherem Wohnanteil und klassischeren Wohntypologien finden sich im umgreifenden „L“ an den qualitativ ruhigen Lagen, gewerbliche und produktive Nutzungen verstärkt im Magnum Kern und Übergang nach Osten zum Gewerbe, aber immer überall eine Grundmischung -zum Teil innerhalb der Gebäude (Kontaktzone), sonst auf Baufeldebene. Entsprechend ist die Vielfalt der möglichen Typologien auf einfach geschnittenen Baufeldern angelegt: nutzungsoffen, effizient und kombinierbar. Hochhäuser sind unserer Meinung nach für die angestrebten Nutzungen und das Quartier keine notwendige Option.

Qualität des Erschließungs- und Mobilitätskonzepts: Grundidee, funktionale Ausformung der inneren Erschließung, Einbindung in das bestehende Wegekonzept, Konzept für den ruhenden Verkehr, Erreichen der Barrierefreiheit, Rad- und Fußverkehr, Leistungsfähigkeit der Verkehrsplanung, Ideen zur Mobilität.
Die von Ost nach West durchlaufende Erschließung verstehen wir gleichzeitig als lebendige Quartiersadresse und Kontaktzone. Sie erschließt zudem unmittelbar die nördlich anliegenden Baufelder. Zwei Schlaufen erschließen die beiden Teilquartiere südlich der Straße. Ruhender Verkehr wird konsequent in Mobility Hubs – immer kombiniert mit weiteren Nutzungen und langfristig umnutzbar – untergebracht, die auf kurzem Wege anfahrbar sind. Übergeordnete Fuß- und Radwege werden über den grünen Rahmen mit dem Quartier verbunden, das einfache Grundraster des Entwurfs entwickelt ein engmaschiges und abwechslungsreiches, weitgehend verkehrsfreies internes Wegenetz. Besonderheit ist die dreidimensionale Erlebbarkeit des zentralen „Hallenparks“. Anbindung an den Hauptbahnhof und die Autobahn können mittelfristig über autonome Shuttles erfolgen.

Qualität des Nachhaltigkeitskonzepts: ökologische Grundkonzeption, Ausrichtung der Bebauung, Flächeneffizienz, Umweltverträglichkeit, Beitrag zum energetisch optimierten Bauen, Ansätze Energie/ Regenwassermanagement.
Bestandsorientierte Planung bedeutet für uns, dass alles was heute noch existiert als potentiell wertvoll betrachtet und erst nach sorgfältiger Prüfung rückgebaut wird, um Platz zu machen für etwas Neues. Diese Haltung wird in seiner Konsequenz bis zu den kleinen Elementen in einer Schatzkarte dokumentiert, z.B. das hexenhausartige Backsteingebäude in dem Waldhain und das Glühzelt, weil es den menschlichen Maßstab trifft und die Assoziation eines Kiosks, einer chilligen Bar unter lichten Blätterdach hervorruft. Damit tragen solche Kleinstelemente zu dem Genius Loci bei, der aber heterogener nicht sein kann, im Kontrast mit den Kathedralenartigen Hallen. „Nichts ist wertlos!“ d.h. nichts wird abgerissen, bevor es nicht sorgfältig geprüft wird im Hinblick auf Nachnutzungspotentiale oder Reziklierbarkeit. Wichtig wird ein Bestandskataster sein mit Erfassung und Bewertung aller vorhandener Elemente mit Berechnung des ökologischen Fußabdrucks und der grauen Energie. Auf der Grundlage dieser Gesamtbewertung in Kombination mit der Wirtschaftlichkeit kann seriös entschieden werden, welcher Umgang zielführend ist. Der dargestellte Doppelkreislauf aus Reproduktion und Selbstversorgung stellt höchste Anforderungen an des MagnumWerk! und kann gleichzeitig Markenzeichen und auch wirtschaftlicher Motor (Rohstofffactory) werden. Durch das Öffnen der Halle und die Ausrichtung der Baufelder und Bauten, verliert das Areal zudem seine klimatische Barrierewirkung.

Wirtschaftlichkeit: Ausnutzungskennziffern, Realteilbarkeit, Erschließungsaufwand, Vermarktbarkeit, abschnittsweise Realisierbarkeit.
Das simple Grundkonzept ermöglicht eine Entwicklung, die auf zukünftige Rahmenbedingungen reagieren kann: den Anteil des Bestandserhalts, die typologische Ausformulierung, Nutzungsspektren. Das Flächenprogramm wird im dargestellten Entwurf erfüllt – eine höhere Ausnutzung wäre auf der Grundlage ebenfalls möglich. Die einfach geschnittenen Baufelder ermöglichen eine schrittweise Realisierung, unterschiedlichste Entwicklungs- und Vermarktungsoptionen und sind bei Bedarf realteilbar. Ein kluges Verhältnis zwischen einfach und schnell realisierbaren Neubauten und komplexeren Entwicklungen aus dem Bestand heraus befruchtet sich gegenseitig und kann investiv verrechnet werden. Der Erschließungsaufwand ist im Entwurf minimiert.

Realisierbarkeit: Einhaltung der planerischen Restriktionen, Umsetzbarkeit des Nutzungsprogramms, planungsrechtliche Umsetzbarkeit, technische Realisierbarkeit, Etappierungskonzept.
Das Konzept geht ernsthaft mit den Restriktionen und der Ausgangslage um: Konzentration auf die Entwicklung versiegelter Bereiche, schrittweise Kombination von Entwicklung und Altlastensanierung, Abwägung zwischen Erhalt des Wäldchens und dessen Erlebbarkeit, Nutzung der Topografie und Bodenbeschaffenheit für die Retention des Regenwassers sowie direkte Linienführung des öffentlichen Straßenraums. Die Grundstruktur des Entwurfs lässt sich unkompliziert in einen Bebauungsplan überführen, für die Sondersituation der umstrukturierten, mit dem Freiraum verknüpften und den Straßenraum überspannenden Hallenstruktur müssen entsprechende Regelungen in einem städtebaulichen Vertrag getroffen werden. Sie ist ein wesentliches Element und es gibt gute Beispiele realisierter Projekte.
Wir zeigen unseren städtebaulichen Entwurf in verschiedenen möglichen Zuständen, die jeweils für sich funktionieren. Sie sind natürlich auch ein Hinweis auf sinnvolle Entwicklungsschritte aus Neubau, Zwischen- und Umnutzung, Wachsen des Freiraumverbunds und etappenweiser öffentlicher Erschließung. Dabei bleibt die Entscheidung zwischen Bestandserhalt und –ersatz offen und kann situativ gelöst werden. Wir halten eine Entwicklung von Westen für sinnvoll. Wichtig ist ein frühzeitiger Aufbau der Grün- und Freiraumstrukturen, das Anlegen bzw. Ergänzen der Grünzüge, die gleichzeitig Ersatzmaßnahmen für einen mittelfristigen den Teilersatz des Wäldchens und natürlich die Retentionsflächen darstellen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Stadt und Landschaft
Die Arbeit von Astoc/Greenbox entwickelt das Magnum Areal als ein zusammenhängendes, klar ablesbares Quartier mit einer zentralen Quartiersmitte. Diese entsteht innerhalb der langgestreckten, freigelegten Gebäudestruktur der großen Halle 4, welche ganz markant die Haupterschließungsstraße (Kontaktzone) kreuzt. Die imponierenden Hallenstrukturen können so überdauern und geben dem gesamten Quartier eine beeindruckende Großzügigkeit und ein hohes Maß an Identität. Die Freiräume unterstützen die übergeordnete Formation des Quartiers und helfen dieses zusammenzuhalten. Die Verfasser setzen proportional, funktional und atmosphärischen die richtigen Räume an die richtige Stelle. Die urbane Kontaktzone bindet das Quartier verkehrlich von Ost nach West an, ohne überdimensioniert zu sein. Drei Aufweitungen dieser Kontaktzone bilden hier eine spannungsvolle Abfolge von Waldplatz, Marktplatz und Blau-Grünem Platz aus. Orthogonal dazu stehen die drei Grünzüge unterschiedlicher Prägung, die den Landschafstraum der Glöckner Hase und der Hase miteinander verbinden und damit an das groß- räumliche Freiraumsystem der Stadt Osnabrück anknüpfen. Die Grünzüge bieten unterschiedliche Angebote und landschaftliche Atmosphären, welche jeweils gekonnt aus dem Bestand ab- geleitet sind. Der Aktiv-Park spielt mit der Topografie des Deiches. Der Zentrale Park nimmt das Skelett der ehemaligen Halle 4 in die Mitte und der Waldpark nutzt die Prozesse der bereits stattfindenden Sukzession auf den Brachen des Wäldchens aus. Jeder Park wird auf seine Art eine Attraktion im Viertel und liefert wertvolle Beiträge zu Freizeit und Erholung, Mikroklima und Biodiversität, Stadtkultur und soziale Mischung. Der Zentrale Park nimmt das Stahlskelett der Halle 4 in seiner ganzen Länge auf und vermittelt so eindrucksvoll den Maßstab des ehem. Werkes und stellt sie zentral als Treffpunkt und Skulptur in die Mitte des Quartiers. Viele feine Erschließungsachsen ergänzen die Kontaktzone und geben dem Gebiet eine wohltuende Durchlässigkeit. Wichtige klimatische und naturräumliche Qualitäten können so in der Grundanlage des Entwurfes verankert werden. Innerhalb dieser Erschließungsstruktur wird das Magnumareal als stark nutzungsgemischtes Quartier entwickelt. Großzügig angeordnete Gebäudeensembles liegen entlang der Hase und bieten günstige Bedingungen für qualitätvolles, durchgrüntes Wohnen. Die Gebäude schaffen in Ihrer Höhe und Körnung den Anschluss an den Schinkel und bieten glaubhaft Potential auch für gewerbliche Nutzung.

Das Areal um die bestehenden Hallenstrukturen wird sorgfältig entwickelt. Kleine urbane Plätze ergänzen das sauber angelegte Wegenetz und bieten Raum für vielfältige Nutzung. Der Entwurf kommt ohne Gebäudehochpunkte aus. Seine hochbauliche Anlage ist einfach und wirtschaftlich entwickelt. Eine abschnittsweise Realisierung ist möglich.

Klima und Regenwasser
Die Parkanlagen begünstigen zudem die lokale Kaltluftproduktion, die dem Quartier, wie der gesamten Stadt Osnabrück zugutekommen wird. Der Abfluss der Kaltluft wird durch die offene Kontaktzone einerseits gesichert, die teilweise Überbauung dieser (Hängender Sportplatz) kann diesen Abfluss jedoch beeinträchtigen und muss daher hinterfragt werden. Der Entwurf bietet vielseitige, differenzierte und vor allem kreative Maßnahmen zur Regenwasserabflussvermeidung an (z.B. hängende Zisternen). Die dezentralen Entwässerungseinrichtungen werden geschickt gepaart mit den Retentionsanlagen im zentralen Park und bietet so ein stabiles und überflutungssicheres Entwässerungskonzept an. Das Konzept weist eine sehr gute Wasserhaushaltsbilanz auf, welche einen großen Anteil an Verdunstung und geringeren Teil an Ableitung und Versickerung vorsieht. Dies spiegelt die Rahmenbedingungen (Altlasten) des Areals sehr gut wider. Das genaue Verhältnis muss hier jedoch entsprechend der Realitäten noch justiert werden.

Energie
Das Energiekonzept schafft mit der Energiezentrale und dem kalten Nahwärmenetz ein zukunftsweisendes Angebot für die Versorgung des Quartiers. An dieses Nahwärmenetz können die die Gebäude mit unterschiedlicher Nutzung zur individuellen Heizung und / oder Kühlung von Gebäuden mit einer Wärmepumpe angebunden werden. Der Betrieb der Wärmepumpe mit grünem Strom aus PV-Anlagen und die Nutzung von Geothermie zur Einspeisung in das kalte Nah- wärmenetz schafft die Grundlagen für eine CO2 neutrale Energieversorgung des Quartiers. Die Gebäudehüllen werden den Anforderungen der neuesten Novellierung des GEG (EH Standard 40 kWh/m2a) für einen minimalen Energie- bedarf realisiert werden. Der Klimaschutz wird durch diese CO2 neutrale Energieversorgung des Quartiers und die Realisierung von begrünten Dächern nachhaltig erreicht. Der Schallschutz ist weitestgehend erfüllt. Mit seiner einfachen Grundstruktur und der starken identitätsstiftenden Mitte wird eine starke und robuste Grundanlage vorgeschlagen, deren Weiterentwicklung das Entstehen eines sozial und ökologisch nachhaltigen und lebenswerten Stadtquartiers verspricht.
Lageplan 1:2000

Lageplan 1:2000

Lageplan 1:500

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