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Nichtoffener Wettbewerb | 10/2023

Neubau Paul-Ehrlich-Institut in Langen

1. Preis

Preisgeld: 270.000 EUR

heinlewischer

Architektur

Studio Vulkan Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

WETZEL & VON SEHT

Tragwerksplanung

W+P Ingenieure

TGA-Fachplanung

Erläuterungstext

Entwurfsprämissen
Prämisse des vorliegenden Entwurfs ist die flexible Anordnung von hochwandelbaren Labormodulen um einen zentralen, bereits aus dem Straßenraum sichtbaren Kommunikations- und Erholungsraum für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Gäste des Instituts.

Städtebau
Das Gebäudeensemble ordnet sich kammartig um einen zentralen Erschließungs- und Kommunikationsring. Im Zentrum direkt an der Paul-Ehrlich-Straße steht das 6-geschossige Leitungsgebäude über der zentralen Eingangshalle, die wie ein Schaufenster einen direkten Blick auf die Aktivitäten des Instituts (z.B. bei Tagungen) und den zentralen Garten zulässt. Die jeweiligen Forschungsbereiche sind als kompakte dreigeschossige Riegel (zzgl. ein Technikgeschoss) nordwestlich bzw. südöstlich an den Erschließungsring angeschlossen. Erforderliche differenzierte Riegelbreiten können dabei einfach aufgenommen werden; durch eine einheitliche Riegellänge und die Ausrichtung von weiteren Büroräumen an den Riegelenden entsteht auch nach Nordwesten bzw. Südosten eine durchgehend mit Nutzung belegte, transparente Fassade. Im Südwesten wird das Ensemble mit einem viergeschossigen Funktions- und Büroriegel abgeschlossen. Die Erweiterungsflächen schließen sich nach gleichem Schema an, wobei die rückwärtige Ver-/Entsorgung hofartig umschlossen wird. Zur Paul-Ehrlich-Straße reagiert der Entwurf darüber hinaus mit einer Staffelung, die sich im Wesentlichen dem ankommenden Verkehr von Südosten öffnet und das Eingangsgebäude nochmals etwas hervorhebt.

Innere Struktur und Erweiterbarkeit
Der innere Aufbau des Entwurfs verbindet drei Hauptansätze: die Konzentration aller gemeinschaftlichen und Kommunikationsflächen an einen zentralen Ort hoher Aufenthaltsqualität, die wirtschaftliche Organisation der Laborflächen in kompakten und gleichermaßen flexiblen Laboreinheiten sowie ein sich dem schwankenden Bedarf und den variierenden Organisationsformen anpassendes Angebot an hochwertigen Büroflächen. Die Laborflächen sind jeweils als Kombination von vier Nutzungseinheiten zusammengefasst. Das Laborraster wird dabei aus Gründen der langfristigen Flexibilität auf 1,20 m aufgeweitet (das ›Mehr‹ an Bruttogrundfläche kann regelmäßig durch einfachere und damit kostengünstigere Detaillösungen kompensiert werden). Dem Laborbereich direkt gegenüber liegen zwei frei gestaltbare Nutzungseinheiten für Büros. Mit einer Tiefe von ca. 7,20 m erlauben sie sowohl die Organisation als Einzel-/Doppelbüro mit Kombizone für die Registraturfunktionen als auch Großraumszenarien oder deren Kombinationen. Die innere Erschließung der Laborriegel erfolgt über die Verbindungsachsen beidseitig des zentralen Gartens. Die vertikale Erschließung erfolgt über jedem Funktionsblock zugeordnete Treppenhäuser.

Architektur, Fassade
Der Gebäudekomplex soll sich als helles, modernes und transparentes Institutsgebäude im Stadtraum positionieren. Die Fassadenausbildung erfolgt umlaufend als Bandfassade, die zu allen Seiten Nutzungen und keine Rückseiten zeigt. Die Fenstersysteme werden aufgrund der Nutzungsanforderungen als Aluminium-Fenster bzw. als Holz-Aluminium-Fenster in den Bürobereichen ausgebildet. Die Fassade wird mit beschichteten Metallkassetten aus recyceltem Aluminium versehen, das eine hohe Wartungsfreundlichkeit und Recyclierbarkeit verspricht. Ein Rahmenwerk wird als feststehender außenliegender Sonnenschutz und Wartungsgang vorgeschlagen. Die Technikzentralen werden pergolaartig in die Gesamtkubatur einbezogen. Das Dach, die ›fünfte‹ Fassade, wird für die Laborriegel mit einer gleichmäßigen Photovoltaikanlage technisch und gestalterisch belegt.

Realisierungsfähigkeit
Der Entwurf orientiert sich grundlegend an einer modularen technischen Einfachheit und an erprobten Lösungen. Jedes Modul funktioniert für sich und kann separat logistisch und technisch erschlossen werden. Die Medienübergabezentrale wird zur Gewährleistung einer einfachen Wartung unter den nordwestlichen Riegel geschoben und speist von dort in zwei technische Versorgungsringe, mechanisch unter dem Erschließungsring und elektrisch in einem zweiten Erschließungskanal weiter außen ein.

Freianlagen
Das neue Paul-Ehrlich-Institut wird in einen landschaftlich gestalteten ›grünen Rahmen‹ eingebettet. Es gelingt so, den wichtigen Baum- und Strauchbestand im Anschluss an die Paul-Ehrlich-Straße zu erhalten, erforderliche Infrastrukturen in der Gebäudeumgebung einzugrünen und ausreichend Freiflächen für die Regenwasserversickerung und eine artenreiche und vielfältige Begrünung freizuspielen. Durch ein übergreifendes Freiraum- und Erschließungskonzept wird das Gebäude an zwei Schlüsselstellen mit den umgebenden Stadtstrukturen vernetzt.

An der Paul-Ehrlich-Straße bildet ein angemessen proportionierter, öffentlich zugänglicher Vorplatz den Auftakt und die Hauptadresse des Baukörpers. Ein besonderer Bodenbelag als die gestalterische Grundebene nimmt die Hauptwegebeziehungen über den Platz auf. Die hainartig auf den Platz gestellten Bäume markieren einen leicht verschatteten Aufenthaltsbereich und schaffen im Übergang zur Straße Aufenthaltsqualität. Die Bäume werden im Schwammstadtprinzip über Baumrigolen aus den angrenzenden Belagsflächen bewässert. Ein Brunnen sorgt für angenehmes Mikroklima und bildet den natürlichen Schwerpunkt der Platzgestaltung. Nach Süden binden zwei Straßenanschlüsse den Anlieferhof und das Parkhaus an die Volta- und Otto-Hahn-Straße an.

Ein großer, der Belegschaft zugänglicher Innenhof bildet das ›grüne Herz‹ des Entwurfes. Von einem hohen Durchgrünungsanteil geprägt, weist der Innenhof punktuell größere, zusammenhängend befestigte Aufenthalts- und Bewegungsflächen auf, die von allen flexibel genutzt werden können. Sei es als Rückzugsort für die Mittagspause, Treffpunkt oder Außenarbeitsplatz im Baumschatten – es sind viele Nutzungen im Hof denkbar. Wie ein ›grüner Tisch‹, an dem alle Gebäudeflügel Platz nehmen, bildet der Innenhof die soziale Mitte des Paul-Ehrlich-Instituts.
Die Dächer werden als Retentionsdächer ausgebildet und überwiegend extensiv begrünt. So kann ein Großteil des Wassers zurückgehalten und dann zeitverzögert über wenige dezentrale Versickerungseinrichtungen abgeführt werden.

Team
Dr. Alexander Gyalokay (verantwortlicher Partner), Laura Schwarzenberger, Binta von Rönn, Wojciech Wiśniewski, Joschua Kron, VgV: Agnieszka Bertram, mit Studio Vulkan Landschaftsarchitektur, München, Wetzel & von Seht, Berlin und Weber & Partner, Köln

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Gebäude ist kammartig strukturiert und empfängt den Besucher mit einem 6-geschossigen Empfangsgebäude, welches lichtdurchflutet ist. Trotz der recht langen Gebäudefront gegenüber der Paul Ehrlich Straße wird die Struktur nicht
als Ganzes wahrgenommen, da die Straßenfront durch die Gliederung der Gebäude und Geschossigkeit gut strukturiert ist.

Das Raumprogramm wird durch einzelne Gebäudebestandteile erfüllt, die sich an einem Umgang angliedern und über einen großen Institutsgarten angebunden werden, somit wird eine gewisse Leichtigkeit gegenüber den Bestandgebäuden und deren Kleinteiligkeit erzeugt.

Positiv hervorzuheben ist der große Abstand zur Nachbarbebauung. Die Erweiterung wird über ergänzte Baukörper im hinteren Grundstücksteil sichergestellt und beeinträchtigt die Funktionen des dann bestehenden Gebäudes nicht.

Der architektonische Raumeindruck wird durch den konsequenten Außenraumbezug und die Durchgrünung gestärkt. Die einläufigen an den Fluren angeordneten Treppen verbinden die einzelnen Geschosse miteinander. Die Aufweitung am Kopf der Gebäude dient der Kommunikation und dem Verweilen, hier sind neben den WC-Anlagen auch Bespre- chungsinseln angeordnet.

Der Gebäudekomplex stellt sich hell und lichtdurchflutet dar, wobei die Fassadengliederung und -gestaltung nicht in allen Punkten nachvollziehbar ist. Das zugrundeliegende Raster ist zu prüfen und ggfs. zu modifizieren.

Durch die Struktur der Gebäudeteile ist eine Büronutzung in unterschiedlichen Strukturen möglich: Einzel-, Zellen, open space, etc. möglich.

Das Grün ist Teil des Gebäudes. Neben dem Institutsgarten hat jeder Gebäudeteil seinen direkten Außenraumbezug.

Leider ist keine Differenzierung der Begrünung und Artenvielfalt zwischen den Gebäudeteilen erkennbar, sondern lediglich im Institutsgarten. Die Bezüge sind auf das grüne Herz akzentuiert. Die Dachflächen werden extensiv begrünt, so
dass Wasser zurückgehalten und erst zeitverzögert der Versickerung zugeführt werden kann. Durch die Gründächer und den begrünten Innenhof kann ein gewisses Maß an Verdunstungskühlung sichergestellt werden. Der Vorplatz ist klar als Adresse ausgeprägt und führt in die Gebäude. Querbeziehungen im Institutsgarten sollten in einem weiteren Bearbeitungsprozess beachtet und gestärkt werden.

Die Prüfung des Raumprogrammes lässt auf eine Erfüllung des Raumprogrammes schließen, in einzelnen Bereichen sind Abweichungen vorhanden, die kompensiert werden können.

Die Kühl- und Ultrakaltbereiche wurden im Keller vorgesehen, dies ist für das PEI keine zufriedenstellende Lösung. Etliche Substanzen werden zwar längerfristig gelagert, aber eine Vielzahl von Substanzen wird täglich benötigt und muss daher auf kurzem Wege erreichbar sein bzw. zur Verfügung stehen. Es müssen die unterschiedlichen Sicherheitsstufen berücksichtigt werden.

Das Zentrallabor, bestehend aus Lösungslabor, Nährbodenküche und Betriebslabor (S2) und die Spülküche sind bzgl. der Größe und Funktionalität hinsichtlich Andienung und Güterverteilung zu prüfen. Eine Trennung der Bereiche in unrein (Inaktivierung) und rein (Wiederaufbereitung) ist erforderlich.

Die zentrale Inaktivierung ist notwendig, es ist keine Verteilung der Autoklaven über das Gebäude gewünscht.

S3 Labore und Tierhaltung: Die Labore zu den Tierställen sind nicht zufriedenstellend zugeordnet. Eine Abgrenzung der Hochsicherheitslabore zum sonstigen Institut ist ggf. nicht eindeutig zu erkennen, aber unbedingt sicherzustellen. Eine Anbindung der S3-Tierställe zu den Laborbereichen ist vertikal geplant – die Module können getauscht werden, um die Zuordnung im selben Geschoss herzustellen.

Die Technik – gerade im Hochsicherheitsbereich S3 – muss direkt zugänglich sein, damit kontinuierlich eine Wartung möglich ist. Ein Technikgeschoss über dem 1. OG S3-Tierhaltung/S3-Labor fehlt.

Die Bewertung entwurfsrelevanter Nachhaltigkeitskriterien erhält eine eher niedrigere Bewertung, da die Bearbeitungstiefe nicht mehr Aussagen erkennen lässt. So fehlen u. A. Aussagen zum Außenraum im Sinne der Nutzgehölze und Pflanzen. Das Materialkonzept ist eher traditionell, die Fassadengestaltung wenig differenziert. Hier würde sich das Preisgericht deutlichere und innovativere Aussagen wünschen. Die Kompaktheit und Flächeneffizienz sind jedoch gut. Die städtebaulichen Vorgaben wurden bis auf den nordwestlichen Fußweg von 3 m eingehalten.

Die gemachten Angaben lassen darauf schließen, dass der Bau und Betrieb wirtschaftlich erfolgen kann. Die gewünschte Flächeneffizienz ist eingehalten, obwohl ein großes Maß an Fluren und Verteilflächen vorhanden ist, die jedoch sinnfällig und angemessen angeordnet sind.

Insgesamt kann die Arbeit durch ihre Konzeption der grünen Mitte, des umlaufenden Wandelgangs und der modularen Funktionstypologie überzeugen, sie weist durchaus Mängel in der Funktionsverteilung auf, die jedoch aufgrund der mo- dularen Struktur leicht anpassbar erscheinen (auch im Hinblick auf zukünftige Entwicklungen).

Gerade die Reduzierung auf wenige, tragfähige räumliche Strukturen zur Bewältigung der sehr komplexen Aufgabe überzeugt das Preisgericht von der Qualität und Zukunftsfähigkeit des Entwurfs.
Lageplan

Lageplan

Ansicht Paul Ehrlich Straße

Ansicht Paul Ehrlich Straße