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Nichtoffener Wettbewerb | 11/2023

Städtebauliche Entwicklung 37° Nordost in Gladbeck

Rahmenplan

Rahmenplan

3. Preis

Preisgeld: 35.062 EUR

ASTOC ARCHITECTS AND PLANNERS GmbH

Stadtplanung / Städtebau

Die Planergruppe

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

(aus dem Erläuterungsbericht)

Linkin‘ Parks
Die Verlegung der B224 in Tunnellage eröffnet der Stadt Gladbeck in Bezug auf Städtebau, Verkehr, Freiraum, Klima und Naherholung inhaltlich wie räumlich große Chancen. Die ehemals trennende Wirkung durch die B 224 wird aufgehoben; die Stadtteile westlich und östlich der ehemals vielbefahrenen Straße werden durch städtebaulich-freiraumplanerische Entwicklungen geschickt miteinander verwoben. Die Stadteingänge bekommen ein neues Gesicht, ein neues Stück Gladbeck für Leben, Arbeit und Freizeit entsteht.
Wir sehen die Chance des Projekts nicht nur in der Aus- und Umgestaltung des ehemaligen Verkehrsraums und den entstehenden baulichen Entwicklungsflächen, sondern ebenso eine Ebene höher: Die Inwertsetzung, die Betretbarkeit und Querbarkeit des ehemaligen Verkehrsraums inklusive anliegender Flächen, wirkt als eine Art Teilchenbeschleuniger für bereits bestehende städtebaulich-freiräumliche Systeme: Ein doppelter Ringschluss schafft es, im Norden die innerstädtischen Freiräume Marktplatz, rund um Stadthalle, Jovyplatz, Gymnasium und Realschule sowie öffentliche Einrichtungen sowohl mit dem großen Naherholungsraum Wittringer Wald im Westen, als auch mit dem bereits angelegten Freiraumsystem aus Bürgerpark, Festplatz, rund um die Waldorf- und Kunstschule südöstlich der B224 zu verknüpfen. Das fehlende Stück, die zentrale Schnittstelle dieser räumlichen „8“ bestehend aus dem südlichen Loop durch Butendorf und dem nördlichen Innenstadtloop kann nun realisiert werden – verbunden durch eine Abfolge von Linkin‘ Parks.

Auf dieser Planungsebene werden die wesentlichen Stellschrauben für eine nachhaltige Gesamtentwicklung bedient:

Ökologisch: Durch den hohen Grünflächenanteil und den konsequenten Erhalt von Baumstrukturen entsteht ein für die umliegenden Quartiere klimatisch relevanter zusammenhängender Freiraum- und Biotopverbund. Die Freiräume steigern die Biodiversität der Gladbecker inneren Stadt und organisieren aktiv das Regenwassermanagement.
Beitrag zur Mobilitätswende: Der motorisierte Verkehr tritt im Stadtraum zurück, attraktive und konfliktarme Fuß- und Radwege werden sichtbar und selbstverständlicher Teil des Freiraumverbunds. Sie verknüpfen Stadtteile ebenso wie Gemeinschaftseinrichtungen und Freizeitangebote. Neue Quartiere orientieren sich aktiv zu diesem Raum hin und geben ihm Adressen.

Ökonomisch: Gladbeck betreibt aktiv Innenentwicklung und setzt bislang schwierige Lagen in Wert. Neben der Schaffung von neuem Wohnraum entstehen durch die Verortung von Forschungs- und Hochschulnutzung Arbeitsplätze, und der Bildungsstandort wird gestärkt. Die Nähe zur Innenstadt wird hier ganz bewusst gesucht und ist ein wichtiger Standortfaktor.

Sozial verantwortlich: Die einzelnen Teilbereiche haben unterschiedliche Talente, ein buntes und sozial ausgewogenes Wohnraumangebot anzubieten: von urban und dicht in Innenstadtlage bis zum ruhigen Wohnquartier, jedoch immer in angemessener Dichte. Soziale und Bildungseinrichtungen wie Schulen und Kindergärten werden im Bestand angebunden und im Loop neu untergebracht. Sie sind sicher erreichbar und stets zusammengebunden mit den vielfältigen großen und kleinen Freizeiteinrichtungen.

Bei der weiteren Umsetzung werden bei der Größenordnung der gesamten Maßnahme ein zirkuläres Management – ob mit dem großen Volumen des Bodenaushubs oder dem Abtragen der Halde bis hin zum ReUse ausgebauter Materialien in der Freiraumgestaltung interessant werden. Gegebenenfalls bietet der Tunnel die Möglichkeit über dessen Abwärme lokale Wärmenetze zu speisen.

Die Linkin‘ Parks

Der Freiraum fungiert als verbindendes und damit essenzielles Element des Gesamtkonzepts. Er vernäht die Stadtteile miteinander und schafft dabei neue Identitäten. Durch die Verknüpfung der Freiräume, die die Siedlungs-, Bildungs- und Gewerbebereiche durchdringen, werden die westlichen Stadtteile mit den östlich des neuen Straßenraums gelegenen Stadtsteilen verknüpft. Neue Adressen sowie qualitätvolle Aufenthaltsräume entstehen. Freiraum heißt Grünfläche, Treffpunkt, Spiel, Sport, Ruhe und Bewegung. Freiraum bedeutet ebenso gemeinschaftliches Gärtnern, Quartiersplatz oder eine gestaltete Fläche zur Versickerung von Niederschlagswasser. Freiraum heißt Vegetation, die die Folgen des Klimawandels mindert, Habitate für die Fauna und ein ganzjährig ansprechendes Bild bietet.

Die neue Straße ist zukünftig nur ein Teil des öffentlichen Raums. Sie dient natürlich nach wie vor als Erschließung in Nord-Süd-Richtung, ist nicht mehr anbaufrei, sondern bindet die anliegenden Quartiere an und vernetzt sie über die Straßen hinweg durch einfache Querungen und vielfältige Gehölzstrukturen. Sichere und beschattete Wegeführungen gelten für alle – jetzt gleichberechtigten – Verkehrsteilnehmer:innen. Der Anspruch Gladbecks, sich zu einer klimagerechten und klimaangepassten Stadt zu entwickeln, wird durch das komfortable Angebot eines fuß- und radwegefreundlichen Verkehrs unterstützt. Beide Nutzergruppen erhalten durchgängige und großzügige Wege. Der Radverkehr wird auf 3 m breiten Einrichtungsspuren geführt, getrennt vom motorisierten Verkehr. Der Streckenverlauf ist weitgehend gradlinig und ermöglicht eine schnelle Orientierung. Radfahrer nutzen die Kreisverkehre gleichberechtig im Verkehrsfluss, Alternativrouten der Nord-Ost-Route werden im Bereich Wittringen, an der kleinen Steinhalde und auf dem neuen Campus-Gelände angeboten. Fußgänger:innen können die Straße an mehreren Stellen gefahrlos queren. Abwechslungsreiche, ausreichend breite, blühende und baumüberstandene Grünstreifen begleiten alle Verkehrswege und sorgen für ein angenehmes Mikroklima.

Das Gesamtkonzept unterstreicht diese Ambition und betont gerade nicht die Linearität der Straße – dieses Raumverständnis wird mit der Tunnellösung ad acta gelegt - sondern die jeweiligen räumlichen Situationen im Kontext der Umgebung und der städtebaulichen Ziele.

Spotlights der wichtigsten Orte

Innenstadt: Gladbeck wächst zusammen
Hier verknüpft sich Innenstadt mit Hochschule, Forschung, Wohnen, Dienstleistung und Einzelhandel: die intensivste Mischung an der richtigen Stelle. Adressen richten sich zum neuen Erschließungsraum, eine neue zentrale Querung entsteht zwischen den beiden Kreisverkehren. Richtung Innenstadt wird aus dem Bestand heraus klassisch neu geordnet: öffentliche Räume und private Blockinnenbereiche. Das Cluster um das Glückauf Center wird sich seiner zentralen Lage bewusst und bietet Versorgungsinfrastruktur in zeitgemäßen, verdichteten Strukturen. Der Campus entwickelt sich von Nord nach Süd über den Straßenraum in die Tiefe und verknüpft über den Ringschluss des südlichen Loops – der zwischen Bürgerpark und Halde als aktiver und sportiver Freiraum durchgesteckt wird - in die Wohnquartiere. Ruhender Verkehr wird konsequent in Mobilty-Hubs gebündelt. Im Sinne einer sicheren und übersichtlichen Querung werden die Verkehre parallel gebündelt geführt.

Auffächern: Der landschaftliche Abschnitt
Die kleine Steinhalde mit Ausblick und der Mühlenbach als Entwässerungslinie werden erlebbar, die Inselfläche im Bereich der Auf- und Abfahrt in den Tunnel wird zum Skatepark. Die Wegeführungen fächern auf und umspülen die landschaftlichen Elemente und schweifen in die Quartiere aus. Zwischen die grünen Gartenseiten der angrenzenden Quartiere wird ein attraktiver neuer Raum eingestellt. An der Harsewinkelstraße wird das Quartier zu Ende gebaut und städtebaulich maßvoll akzentuiert.

Rund ums Stadion
Eine selbstbewusste städtebauliche Geste aus vier Clustern in Nord-Süd Richtung formuliert zum einen den Stadteingang, zum anderen das Miteinander des nun erweiterten Stadtteils mit dem Stadion und Freibad und letztendlich dem Naherholungsraum Wittringer Wald. Neue, klare Ost-West Wege aus dem Quartier in den Westen unterstreichen diese Ambition. Die durch den Tunnelbau wegfallende Linie der Allee wird neu in mehreren Strahlen zentrales Element des öffentlichen Raums. Die bestehende Hofanlage findet perspektivisch als Kulturscheune eine neue Funktion und eine Heimat, eingebettet in den quartiersinneren Freiraum, der zwischen Bestand und Neuentwicklung vermittelt. Im Süden werden die kleinteiligen Wohnstrukturen ergänzt. Der Fokus liegt auf unterschiedlichen Wohnangeboten und –typologien, vom Stadthaus bis zum altersgerechten Wohnen. Erdgeschosse an den Schnittstellen bieten gastronomische und lokale Versorgungsangebote des täglichen Bedarfs.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser:innen erläutern sehr gut, mit welchen konzeptionellen Entscheidungen sie die Aufgabe der stadträumlichen und stadtfunktionalen Verbindung der Gladbecker Stadtteile erreichen wollen. In ihrem Leitbild unterscheiden sie drei wesentliche Abschnitte der Straße, in denen der Straßenquerschnitt variiert und auch unterschiedliche bauliche und freiräumliche Gestaltungsvorschläge erfolgen. Zusätzlich zum in der Auslobung angeregten Freiraum Loop schlagen sie einen durch Bebauung und Nutzungen aufgeladenen „Zentrums-Loop“ vor, der das Butendorfer Wohngebiet mit dem Zentrum verbinden soll.
Die in diesem Loop identifizierten Trittsteine öffentlicher Nutzungen werden im nördlichen Baufeld beidseits der neuen Essener Straße durch einen aufgewerteten Straßenraum, der in einen südlich liegenden Campusbereich mündet, angebunden. Die Bebauung rückt beidseits der Straße möglichst nahe an diese heran und kann unterschiedlichste gewerbliche Nutzungen aufnehmen. Die Campus Bebauung schlägt mit ihrer variierenden Körnigkeit eine Interessante räumliche Abfolge auch entlang der Essener Straße vor.
Das Verstellen der Einmündung der Uhlandstraße hilft, das räumliche Visavis zum südlichen Campus zu stärken.
Die südlich angrenzende Wohnbebauung ist durch eine angemessene grüne Fuge getrennt, die den Bürgerpark mit der kleinen Steinhalde verbindet. Diese Wohnbebauung vermittelt angemessen zur Butendorfer Bebauung.
Insgesamt erscheint die vorgeschlagene neue Bebauung gut abschnittsweise und über einen längeren Zeitraum mit qualitätvollen Zwischenzuständen realisierbar.
Die Bebauung im Abschnitt Mitte setzt mit dem noch etwas schematischen Hochpunkt ein prägnantes Zeichen in Richtung des südlichen Straßenabschnitts und bezieht sich damit auch auf das Hochhaus Steinstraße 72.
Die Bebauung vis-a-vis von Stadion und Freibad vermag nicht wirklich zu überzeugen. Zwar erhält eine grüne Fuge den Landschaftsbezug der Hofstelle. Gleichwohl vermag man diese neue Wohnbebauung nicht im Zusammenhang mit dem Wittringer Wald zu lesen. Die Ablösung von der Straße überzeugt nicht.
Die beiden Visualisierungen lassen die angestrebten räumlichen Qualitäten aufscheinen. Sie zeigen sehr ehrlich die verbleibenden räumlichen Dimensionen der neuen Straße, vermögen aber die Aufenthaltsqualitäten nur bedingt zu vermitteln.
Die in den Plänen dargestellten Freiräume vermögen es nicht, den in weiten Teilen sehr überzeugenden konzeptionellen städtebaulichen Anspruch zu unterstützen. Der Umgang mit dem Mühlenbach wird allerdings sehr gewürdigt.
Insgesamt wird eine Arbeit mit einer weitgehend sehr starken städtebaulichen Programmatik vorgelegt, die wichtige und zentrale Ansatzmöglichkeiten für eine neue Verbindung der Ortsteile vorschlägt. Sie lässt jedoch auch einige Fragen gerade hinsichtlich freiräumlicher Umsetzung offen.

Perspektive Nord

Perspektive Nord

Perspektive Süd

Perspektive Süd

Grün-/Schwarzplan

Grün-/Schwarzplan

Lageplan

Lageplan