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Nichtoffener Wettbewerb | 09/2023

Museum Culinacum am Runden Turm - Zentrum der essbaren Stadt Andernach

Ansicht Ost

Ansicht Ost

Anerkennung

kadawittfeldarchitektur

Architektur

KRAFT.RAUM.

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

“Hausgenuss!”
Das außergewöhnliche Plangebiet für das Stadtmuseum CULINACUM mit Ideenteil befindet sich auf einem Grundstück innerhalb der historischen Stadtmauer an der ehemaligen Köln Pforte am runden (Wehr-) Turm Andernachs. Zwischen der Stadtmauer im Westen, dem denkmalgeschützten Bürgermeister Haus im Osten und der „roten Schule“ im Nordosten kann das zukünftige Museum für Ernährungs- und Stadtgeschichte errichtet werden.
Unter Berücksichtigung des Baumbestandes und einer historischen Wegeverbindung namens „Herrengasse“, die von der Kirchstraße bis zum nördlich gelegenen Durchgang an der Stadtmauer führt, bettet sich das CULINACUM mit zwei Ideenteil- Neubauten (inkl. Umnutzung Bürgermeisterhaus) in das Baufeld. Alle Neubauten besitzen einen kleinen Fußabdruck, um möglichst große, unversiegelte Gartenflächen für den Museumsbetrieb innerhalb der Mauer sicherzustellen. So kann man auch unabhängig vom Museum den Urzustand der historischen Bauten nachvollziehen und den Pfad durch den Garten mit Klimabeeten und Kulturpflanzen genießen. Gleichzeitig ist durch den Neubau des Museums ein barrierefreier Rundgang über die Stadtmauer und den Wehrturm gewährleistet. Die Stadtmauer, der Wehrturm und die neue Gartenanlage werden integraler Bestandteil des Ausstellungsparcours.

Städtebauliche Einbettung, Ideenteil und Erschließung:
Neben seinem kleinen Fußabdruck nimmt der neue Baukörper des CULINACUMS in ausgeprägter Form die baulichen Merkmale des historischen Umfeldes auf. Das Haus ist als maximal dreigeschossiger, freistehender Solitär mit respektvollem Abstand zur Stadtmauer und zum Bürgermeisterhaus konzipiert. An der Hofstraße steht das Gebäude in der Flucht des Bürgermeisterhauses. Im Westen an der Mauer springt die Kontur des Hauses an der Straße deutlich zurück, um einen räumlich gefassten Vorplatz zu erzeugen. Die Piazzetta an der Hofstraße zwischen Museum und Stadtmauer liegt zudem in Verlängerung des Mariendomplatzes. So ist -auch vom Mariendom aus- der Einblick in den Garten (dieser ist durch einen Zaun nachts gesichert) gewährleistet und der Haupteingang in das CULINACUM von Weitem einsehbar. Der Eingang des Museums bezieht sich auf die Stadtkante, die vom Mariendom über die schwarze Schule in das CULINACUM läuft. Entlang dieser Linie mündet auch eine Brücke im Garten vom Obergeschoß des Museums ebenen gleich in die nördliche Stadtmauer. An dieser städtebaulichen „Spur“ teilt sich das Haus in seine westlichen, besucherrelevanten Bereiche mit zwei Geschossen und in die östlich gelegenen, dienenden Räume mit drei Etagen.
Während die Kontur /Fassade des Gebäudes im Osten geradlinig an der Grundstücksgrenze verläuft, ist seine westliche Seite zur Stadtmauer hin gestaffelt ausgebildet. Dadurch entsteht zwischen der Fassade des Museums und der Stadtmauer ein spannungsgeladener, angenehm gegliederter Außenraum zwischen Alt und Neu. An dieser Fassade werden Besucher*innen zukünftig an „Genuss- Regalen“ im Freien Pflanzen und Früchte probieren können. Mithilfe von Sheddächern (Nordlicht für die Ausstellung im 1. Obergeschoss) und im Osten umlaufender Dachschrägen fügt sich der Neubau auch in die Silhouette der Bestandsgebäude der Umgebung ein.
Für den Ideenteil sehen wir in Ergänzung zum Bürgermeisterhaus zwei 2-geschossige Riegelgebäude mit Satteldächern vor. Die lockere Bebauung angemessener Körnigkeit verwandelt das Baufeld in ein angenehmes Ensemble von historischen und neuen Gebäuden. Zwischen den Gebäuden im Osten des Grundstückes verläuft die historische Wegeverbindung Herrengasse bis in den Garten des Museums und an die Stadtmauer. Während der Haupteingang des CULINACUMS und der gesicherte Zugang in den Garten an der Hofstraße sitzen, erfolgt die Anlieferung des Museums und die Zufahrt zu den Häusern (Ideenteil) über die Kirchstraße im Osten. Ist das Museum geöffnet, kann man von dort auch die ehemalige Herrengasse begehen und durch den Garten schreiten (siehe bitte auch Lageplan).

Architektur und Nutzung:
An der Piazzetta gelangen Besucher*innen direkt in das Museumsfoyer. Der Museumsshop und das Café, die ans Foyer angrenzen, besitzen einen angenehmen Vorgarten zum Aufenthalt im Freien an der Hochstraße. Die Sonderausstellung im Erdgeschoß kann unabhängig von der Dauerausstellung (im ersten Obergeschoß) funktionieren. Mithilfe von Faltwänden ist die Fläche in den nördlich gelegenen Veranstaltungsraum hinein erweiterbar. Auch das Schaudepot im Norden liegt gartenseitig im Erdgeschoß. Eine von Süden nach Norden verlaufende „Versorgungsspange“ mit Besucher*innen- WCs, Erschließungen und Nebenräumen trennt geschossübergreifend die öffentlichkeitsrelevanten Zonen von den dienenden Bereichen und der Verwaltung des Hauses. Über eine gut kontrollierbare Freitreppe in dieser Spange gelangt man in die Dauerausstellung im ersten Obergeschoß. Gäste lustwandeln in einem wohlproportionierten Ausstellungsraum -mit nach Norden gerichteten Oberlichtern (Sheds bei Bedarf verdunkelbar) – durch die Exponate, gelangen auf eine Terrasse mit Blick auf den Garten und laufen schließlich niveaugleich über eine Brücke bis zur nördlichen Stadtmauer an den Wehrturm und zurück. Im Osten des Gebäudes befinden sich über Split Levels im Versatz die Räumlichkeiten der Verwaltung (eigener Aufzug und Treppe) sowie Technik und Lager.
Wesentlicher Teil des Museumsrundganges ist der Genuss der neuen Gartenanlage innerhalb der Stadtmauer rund um das Haus und der Weg von der Hochstraße entlang der Gebäudefassade hinein ins Grün. Sitzbänke und horizontal am Haus laufende „Regalböden“ mit Pflanztrögen als integraler Bestandteil der Fassade laden Gäste bereits an der Hochstraße und am Mariendomplatz ein, in die Stadtgeschichte des CULINACUMS einzutauchen. In Form eines „Genuss- Regals“ laufen Keramikplatten entlang der Westfassade um das Haus. Während Museumsgäste die Klimabeete und Kulturpflanzen entlang der Innenseite der Stadtmauer genießen, können sie am Haus Gemüse, Obst und Salate vom Regal pflücken und verkosten. Im Norden des Gartens an der Mauer gelangen sie zur offenen Museumsküche zur Verarbeitung der Nutzpflanzen im Museumsgarten. Ein gemauerter Backofen, eine Feuerstelle mit Kessel und eine Wasserstelle stehen dort zur Verfügung. Die Küche ist durch die Brücke von der Dauerausstellung auf die Stadtmauer gedeckt und vor Witterung geschützt.

Fassade:
Das CULINACUM weckt den Eindruck eines körperhaften, angenehm gegliederten Objektes, das durch seine natürliche Farbigkeit und Materialität im Einklang mit der historischen Stadtmauer und den Bestandsgebäuden steht. Das Haus erhält eine Lehmstampf- Fassade, die nur dort Öffnungen aufweist, wo nötig. Zur Bremsung von Erosion der Außenwände aus Lehm sind flache Keramikelemente horizontal eingearbeitet. Die horizontale Schichtung der Lehmwände und Keramikelemente sind das Motiv von Keramik- „Regalböden“ in Griffhöhe der Besucher*innen. Neben dem Genussregal sind auch Sitzgelegenheiten in angemessener Höhe eingearbeitet. In größerer Höhe befinden sich noch Pflanzbeete und Rankhilfen, die der Fassade insgesamt ein abwechslungsreiches und lebendiges Erscheinungsbild verleihen. Die Fassade ist somit im übertragenen Sinne essbar und integraler Bestandteil des Nutzgartens am CULINACUM. Der natürliche Baustoff Lehm steht sinnbildlich für den Nährboden der Gewächse und Pflanzenarten, die im Garten und im Museum zu bestaunen sind.
Die geneigten Dächer sind mit einer Stehfalzdeckung und bündig eingelassenen Photovoltaik- Paneelen versehen. Diese Paneele sind im gleichen Farbton wie die Lehmfassaden in Ocker- Tönen gefärbt.

Landschaftsarchitektur:
Ein Museum für Stadt- und Ernährungsgeschichte ist nur schwer vorstellbar ohne Außenanlagen, die die Geschichte hautnah fühlen, schmecken und erkunden lassen. Der Museumsgarten beschreibt mit dem Weg entlang der historischen Stadtmauer die Transformation von der essbaren Wildnis unserer Vorfahren mit Wildkräutern und Beerensträuchern über die Anfänge des Ackerbaus und der Kultivierung von Obstbaumplantagen bis hin zum hochkultivierten Garten, wie wir ihn heute kennen. Der Dachgarten wirft zudem einen Blick in die Zukunft: hochgradig technologisierte Dachgärten mit exotischen Pflanzen, deren erfolgreiche Kultivierung einerseits auf die Wissenschaft und andererseits auf die veränderten Klimabedingungen zurückzuführen sind. Die Inhalte des Museums werden im Außenraum erfahrbar und so entsteht eine interaktive Lernerfahrung. Der Vorplatz des Museums ist in Abgrenzung zum Garten betont urban gehalten und markiert, die Materialität aufgreifend, die städtische Verbindung zum Mariendom. Damit reiht sich das neue Museum sinnvoll in den historischen Stadtrundgang zwischen Dom und Rundem Turm ein und markiert einen Übergang von Innenstadtraum zum grünen Stadtband, das die vorhandenen Abschnitte der historischen Stadtmauer begleitet. Aber auch die historische Herrengasse, die in der vorherigen Nutzung kaum noch erkennbar war, wird wieder als funktionale Stadtverbindung aktiviert - abhängig von den Öffnungszeiten des Museumsgartens. Die vorgesehene Cafénutzung im Osten des Ideenteils bildet der Herrengasse dabei einen schönen Auftakt und inszeniert den alten, atmosphärischen Baumbestand.

Der schonende Umgang mit den Ressourcen ist ein weiterer Teil des Projekts, das sich im Regenwassermanagement zeigt, aber auch in der Auswahl der Materialien und Pflanzen. Das Regenwasser des Daches wir primär zur Bewässerung der intensiven Gartenflächen gesammelt. Darüber hinaus gibt es im nordöstlichen Teil des Museumsareals einen Senkgarten, der sich aus dem natürlichen Geländeverlauf ergibt. Hier ist zusätzliches Retentionsvolumen zu betrachten, das gleichzeitig ein wechselfeuchtes Biotop etabliert, das sie Biodiversität vor Ort erheblich steigert. Während die heutige Landwirtschaft aufgrund von Monokulturen und Düngemitteleinsatz keine herausragende Ökobilanz aufweist, blühen im Museumsgarten eine Vielzahl heimischer Pflanzen, die sowohl für die Menschen als auch für die Tiere Andernachs ein buntes Buffet bereitstellen.

Die Kleine Bühne am Runden Turm nimmt Bezug auf die Mittelrheinhalle auf der anderen Straßenseite und transportiert erneut die Gebäudenutzung in den Außenraum. Dabei öffnet die Kleine Bühne einen Darstellungsraum für spontane Darbietungen und kleine Veranstaltungen vor der wunderschönen Kulisse der alten Stadtmauer mit dem Runden Turm. Der Rest der Anlage greift das übergeordnete Motiv der Essbaren Stadt Andernach auf: Produktive Grünfläche zum Pflücken und Anbeißen. Vereinzelte Baumpflanzungen von Obstgehölzen, aber auch alten Arten wie Quercus robur oder Carpinus betulus, deren Früchte essbar sind, aber heute kaum noch ein Bewusstsein dafür vorhanden ist, spenden Leckereien und Schatten.

Fassade – Pflückregal:
Die essbare Fassade des Museums wird durch ein Pflückregal realisiert. In die Außenwand eingelassene Pflanznischen mit Be- und Entwässerungssystem werden mit Wildkräutern bepflanzt. Schattenliebende Wildkräuter, wie Walderdbeeren, Waldmeister und Gundermann wachsen auch an weniger besonnten Abschnitten und laden die Besuchenden zum Pflücken und Genießen ein. Die Verwendung von Pflanztrögen erlaubt eine flexible und experimentelle Bepflanzung der Fassade, die zu allen Jahreszeiten ein präsentables Bild erzeugt.

Material / Nachhaltigkeit /Energie:
Ein konstantes Raumklima und eine stabile Raumlufttemperatur sind im musealen Kontext zum Schutz des Ausstellungsguts von besonderer Bedeutung. Lehm ist aufgrund seiner hygroskopischen Eigenschaften in der Lage die Raumluftfeuchte zu regulieren und kann Gerüche sowie Schadstoffe aus der Innenraumluft filtern. Diese passive Raumluft-Regulierung besitzt das Potenzial einen großen Anteil der Betriebsenergie der Raumlufttechnischen Anlage einzusparen und den Technisierungsgrad des gesamten Gebäudes herabzusetzten. Die vorgeschlagene zweischalige Stampflehmwand bietet einen hohen Schall- und Brandschutz. Die hohe Wärmespeicherkapazität des Baustoffs ermöglicht in Verbindung mit einer Flächenheizung eine gleichmäßige und behagliche Wärmeverteilung, die bloß geringe Vorlauftemperaturen benötigt. Dies kann optimal mit erneuerbaren Energien abgedeckt werden. An diesem Standort ist die Nutzung von Grundwasser als wetterunabhängige, regenerative Energiequelle mit hohem Wirkungsgrad denkbar. Auch die nach Süden ausgerichteten, geneigten Dachflächen werden mit Photovoltaik-Paneele zur erneuerbaren Energieerzeugung genutzt. Angestrebt wird ein möglichst klimaneutraler Gebäudebetrieb.
Holz, als nachwachsender Rohstoff und CO2-Speicher, wird konstruktiv im Sheddach und den Geschossdecken vorgeschlagen. Auch hier begünstigt die Vorfertigung eine kurze Bauzeit, reduziert Lärm- und Staubbelastung auf der Baustelle und stellt die Rückbaufähigkeit sicher. Für sämtliche Stahlbetonbauteile werden eine CO2-reduzierte Betonrezeptur und die Verwendung von Recycling-Gesteinskörnung vorgeschlagen, um den ökologischen Fußabdruck möglichst gering zu halten. Die Rückbaufähigkeit des Gebäudes und die wertvollen Materialien können in einem „Material-Passport“ dokumentiert werden.
Das besondere Erscheinungsbild einer Stampflehmwand ist aufgrund der Ablesbarkeit des Herstellungsprozesses und der unterschiedlichen Erdschichten unter museal-didaktischen Gesichtspunkten interessant. Da es den konzeptionellen Bogen zwischen Stadt- und Ernährungsgeschichte spannt. Die konstruktiv benötigte Erosionsbremse unterstreicht die horizontale Schichtung nochmals und wird in Form eines „Genussregals“ neuinterpretiert und überschrieben.

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebaulich bietet der Entwurf ein gutes Ensemble, an dem sowohl die Adressbildung des Culinacums richtig positioniert ist als auch eine gute Freiflächengestaltung angeboten wird. Es entsteht ein Eingangsvorplatz, der auch ankommenden Gruppen einen Aufenthalt bietet sowie eine öffentliche Durch- wegung der Freiflächen die selbstverständlich den Stadtraum vernetzen. Kritisch wird die Stellung des Wohnhauses gesehen, die den Weg durch die Herrengasse unglücklich verengt. Dass die Herrengasse auf den Anlieferhof stößt
und dem Haus keinen Eingang bietet, müsste überdacht werden. Im Freiraum darf der Treppenzugang zum Turm nicht entfallen, dieser kann aber in das Konzept integriert werden. Im Erdgeschoss ist kritisch anzumerken, dass der Raumzuschnitt des Foyers deutlich beengt ist, vor allem auch im Zusammenhang mit den Sondernutzungsflächen und dem Veranstaltungssaal.
Vermisst wird der Bezug zum Freiraum im zentralen Grundstücksbereich. Die Ausstellungsfläche im Obergeschoss ist räumlich gut bespielbar. Lediglich der Steg, der über das Grundstück führt in Richtung Stadtmauer, wirft Fragen auf. Besondere Anerkennung für die Arbeit verdient aber die Wahl des Materials.
Eine vorgestellte Stampflehmfassade in Verbindung mit einer tragenden Holz- konstruktion findet sich hier als eine Antwort auf die Fragen: Aus welchem Material bauen wir heute, oder aus welchem Material wird das Culinacum gebaut? Der Lehmbau mit den mineralischen Bezügen auch zu Themen des Culinacums bietet interessante gedankliche Verbindungen neben dem innovativen
der Konstruktion. Der Entwurf liegt in Kubatur und Fläche unter dem Durschnitt; es ist jedoch zu erwarten dass aufgrund der noch aufwändigen Konstruktion in Lehmbau- weise eine wirtschaftliche Errichtung nur schwer möglich sein wird. Ein Entwurf, der in seiner Materialisierung einen guten Beitrag zur essbaren Stadt bietet.
Lageplan

Lageplan

Ansicht Nord

Ansicht Nord

Regalböden als integraler Bestandteil der Fassade

Regalböden als integraler Bestandteil der Fassade

Brücke und Terrasse mit Blick auf den Garten

Brücke und Terrasse mit Blick auf den Garten

Schnitt AA

Schnitt AA

Schnitt BB

Schnitt BB