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Mehrfachbeauftragung | 09/2023

Entwicklung Innenstadt in Glarus (CH)

Visualisierung

Visualisierung

Gewinner

Westpol Landschaftsarchitekten GmbH

Landschaftsarchitektur

Transitec

Verkehrsplanung

Erläuterungstext

Das Schachbrett lebt: Vielfältige neue lebenswerte Längsachsen & Querverbindungen ‹Von der Linth durch die Stadt zum Glärnisch›

Die rasterförmige Stadtplanung im Zentrum von Glarus wurde nach dem Grossbrand im Jahr 1861 gewählt, um derartige Katastrophen zukünftig zu verhindern. Anstelle verwinkelter kleiner Bebauungsstrukturen prägt heute ein homogenes, orthogonales und stark versiegeltes Rasterschema das Stadtbild. In der Innenstadt von Glarus bestehen heute Herausforderungen, die exemplarisch für historische Ortskerne mit Durchgangsstrassen (Kantonsstrasse) sind. Diese erfordern eine gesamtheitliche Betrachtung der Gemeinde.

«Es fehlt in dem baumleeren Glarus so sehr an allen nötigen Schattenplätzen.» wie bereits im 18./19. Jhd. unterschiedliche Zeitzeugen schildern. Um die Ziele eines lebenswerten Zentrums mit hoher Aufenthaltsqualität, besserer Querungen, der Reduktion von Temporegimen und Lärm-/Schadstoffbelastung zu erreichen, sieht das Freiraumkonzept unterschiedliche Massnahmen auf Baum-/Bodenebene, sowie in der Raumoptimierung vor. Den heute stark versiegelten homogenen Stadt- und Strassenraum gilt es in seinen Längs- und Querverbindungen zu Requalifizieren und Differenzieren. Eine Stadtmeile mit unterschiedlichen Charakteren, sowie gewachsene grüne Quartierachsen werden als die starken Achsen / Längsverbindungen in Talrichtung gelesen. Die neue Stadtmeile lädt zum Flanieren, Treffen, Begegnen und Einkaufen ein. Die Sequenzen korrespondieren mit den zugehörigen ‹besonderen Orten› und generieren spannenden Raumabfolgen. Quartierspangen mit unterschiedlicher Identität und Aufgabe erstrecken sich von der Linthebene über das Zentrum Glarus bis zu den Siedlungs- und Naherholungsräumen und vernetzen Glarus von West nach Ost. Die jeweiligen Achsen, Antrittsorte und Plätze werden über besondere Vegetations- und Materialkonzepte differenziert ausgestaltet. Dadurch entsteht im Zentrum ein Netz öffentlicher Räume mit hoher Aufenthaltsqualität und grossem Wiedererkennungswert. Mit dem vorgeschlagenen Baukasten hat Glarus das Potenzial und die Strukturen die gesetzten Zielsetzungen im Sinne der Vision ‹Zukunft Innenstadt› zu erreichen und den Herausforderungen von Wirtschaft, Klima und Verkehr gerecht zu werden – ‹Von der Linth durch die Stadt zum Glärnisch›.

Westpol Landschaftsachitekten GmbH
Projektverantwortliche:r: Aster Sittoni, Dennis Mayr, Andy Schönholzer
Mitarbeitende: Silvia Capello, Francesca Gobbetti

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebau und Freiraum
Mit einer äusserst reichhaltigen Recherche, spannenden Zitaten über Bäume im historischen Glarus, der sorgfältigen Umsetzung aktueller Themen wie Schwammstadt und Klimaanpassung überzeugt der Vorschlag als Zielbild und Baukasten für die zukünftige Entwicklung der Innenstadt.

Das Team liest die Hauptstrasse als drei unterschiedliche Abschnitte, die gestalterisch differenziert werden. Die Interventionen beziehen sich auf drei Ebenen: Raumoptimierung, Bodenebene und Baumebene. Die Fahrbahnbreite wird zugunsten der Vorzonen optimiert, so dass Platz für Bäume und die Nutzung durch die Erdgeschosse frei wird. Einzelne Längsparkfelder können ebenso integriert werden, wie Veloparkierung, Aussengastronomie oder Sitzgelegenheiten. Dabei wurde darauf geachtet, dass z.B. die Parkplätze nur auf einer Seite angeordnet werden, so dass der Strassenraum von Fassade zu Fassade gelesen werden kann. Die Abstände zwischen den Bäumen im zentralen Teil der Hauptstrasse und der Bahnhofstrasse gewährleisten eine gute Präsenz der stattlichen Fassaden.

Das System erlaubt eine flexible Anpassung auf aktuelle und künftige Bedürfnisse, ohne dass die Strasse wiederum umgebaut werden muss. Für die Gassen und Querstrassen werden aufbauend auf die historisch angelegte Hierarchie Aufwertungsvorschläge erarbeitet, welche insbesondere auch sickerfähige Bereiche vorsehen. Interessant ist die Anordnung des Bushofs vor dem Bahnhof und damit einhergehend eine Aufwertung und Beruhigung sowohl der Bahnhofstrasse zwischen Volksgarten und Glarnerhof wie auch der Zaungasse als wichtige Verbindung «von der Linth durch die Stadt zum Glärnisch». Während die Gestaltungsvorschläge für die Plätze noch zu schematisch wirken, überzeugt der Vorschlag im Sinne eines sukzessiv umsetzbaren Zielbilds für die Aufwertung der gesamten Innenstadt.

Verkehr
Die Fahrbahnbreite der Kantonsstrasse wird gegenüber heute auf 7.50 m Breite reduziert, behält aber ihre Funktionalität einer Durchgangsachse mit Tempo 50. Die unterschiedliche räumliche Ausbildung schafft eine Abschnittsbildung, die der Bedeutung der angrenzenden Räume entspricht. Die beiden Abschnitte Hauptstrasse und Bahnhofstrasse laden durch die grösseren Baumabstände zum Flanieren ein. Weiterhin sind hier jedoch eine geringe Anzahl Längsparkfelder angeordnet, was die Nutzbarkeit für zu Fuss Gehende wieder etwas einschränkt.

Die besondere Auszeichnung der Fahrbahn beim Spielhof, Rathausplatz und Gemeindehausplatz brechen die Wahrnehmung der Kantonsstrasse als Durchgangsachse.

Mit dem Tempo 30 Regime auf den übrigen Strassen werden attraktive Parallelverbindungen für den Veloverkehr geschaffen.
Die Achse «von der Linth durch die Stadt zum Glärnisch» verbindet als durchgehende Begegnungszone den Zaunplatz bis zum gestalteten Bahnhofplatz mit dem neu angeordneten Bushof.

Der Gestaltungsvorschlag zeigt eine klare Hierarchie zwischen Kantonsstrasse als Durchgangsachse und den in das Ortsgefüge integrierten Quer- und Parallelachsen auf. Jedoch verunklärt die Ausgestaltung der Fahrbahn bei den Plätzen diese klare Hierarchisierung.

Gestaltung
Das Gestaltungskonzept orientiert am städtebaulichen Entwurf und entwickelt unter Berücksichtigung der Strassenhierarchien entsprechende Gestaltungsempfehlungen. Damit gelingt es dem Team, einen auf die gesamte Stadt anwendbaren morphologischen Gestaltungskasten zu entwickeln. Die daraus resultierende Vision kann auch ausserhalb des Projektperimeters richtungsweisende Gestaltungsimpulse geben. Zwischen dem Gerichtsgebäude und dem Spielhof wird durch eine durchgehende Pflästerung ein Platz aufgespannt, der nur durch die Hauptstrasse unterbrochen wird. In diesen eingeschoben befindet sich als zentrales Element des Spielhofes ein chaussierter Spiel- und Aufenthaltsbereich. In diesen ist neben mehreren Bauminseln und Grünflächen ein Spielplatz integriert. Durch die aufgelockerte Pflanzung von Bäumen auf dem Spielhofplatz und im Gerichtsgarten wird die Zusammenführung der beiden Strassenseiten angestrebt.

Die Hauptstrasse wird von einer Allee gesäumt. Im Erscheinungsbild soll die Fahrbahn farblich an die Pflasterung angepasst werden. Ob die Allee in Kombination mit den Baumgruppen der dahinter liegenden Flächen den Strassenraum fassen kann, wird bezweifelt. Die Längsparkierung wirkt an dieser Stelle problematisch.

Zwischen Spielhof und Rathausplatz ist eine Allee am vorderen Gehwegrand vorgesehen. Die sich zwischen den Bäumen aufspannende Fläche wird als Multifunktionsfläche gestaltet und soll neben dem Parken weitere belebende Nutzungen aufnehmen. Die vorgeschlagene seitliche Entwässerungsrinne verschmälert optisch die Fahrbahn und trägt zum Ausdruck einer siedlungsorientierten Strasse bei.

Der Rathausplatz soll wesentlich durch die Verwendung unterschiedlicher Natursteinbeläge geprägt werden, wobei dem Rathaus ein Natursteinbelag mit offenen Fugen teppichartig vorgelagert wird. Darin werden ein Wasserspiel und der bestehende Brunnen achsensymmetrisch auf das Rathaus ausgerichtet. Der vorhandene Baumbestand wird erhalten. Der Platz wird derzeit durch die umliegenden Fassaden gefasst. Eventuell könnte durch die Pflanzung weiterer Bäume der Raum klarer gefasst und damit der Platzcharakter gestärkt werden.

Die Achse Bahnhof Zaunplatz wirkt durch die locker gesetzten Baumgruppen stimmig und verspielt. Der Platz mit dem Berggeist-Brunnen fungiert als Scharnier zwischen den Zielpunkten Bahnhof und Zaunplatz. Die vorgeschlagene Gestaltung mittels Pflasterung von Fassade zu Fassade schafft einen zusammenhängenden und hochwertigen Strassenraum.

Die Kirchgasse führt vom neu geschaffenen Stampfplatz in Richtung Kirche. Als wesentliches Gestaltungselement sind Bäume beidseitig der Strasse angeordnet.

Dem Gestaltungskatalog folgend werden die Burgstrasse, die Gerichtshausstrasse sowie die Bankstrasse durch Staudenrabatten und entsiegelte, begrünte Parkplätze sowie eingestreute Bäume wohnungsorientiert aufgewertet.

Dem Team ist es gelungen, ein schlüssiges und über weite Strecken allgemeingültiges Gestaltungskonzept zu entwickeln. Der Spielhofplatz sowie der Rathausplatz sollten hinsichtlich ihrer räumlichen Struktur und Fassung überarbeitet werden.

Nutzung
Das Team hat für die Aufwertung der Glarner Innenstadt einen sehr breiten Lösungsansatz gewählt und eine «Collage aus Gebäuden, Wegen, Strassen, Plätzen und grünen Elementen» mit unterschiedlichen Funktionen und Qualitäten erarbeitet. Der Vorschlag geht weit über den Bearbeitungsperimeter des Studienauftrags hinaus und beinhaltet auch eine Aufwertung der Querachsen (Gerichtsstrasse, Kirchstrasse, Zaunstrasse) und Längsachsen (Sandstrasse, Burgstrasse, Schweizerhostrasse). Er legt zudem grosses Gewicht auf die Anpassung der Innenstadt an den Klimawandel (Reduktion der Hitze im Sommer). Die Begrünung der Innenstadt erfolgt dabei sehr gezielt. Neue Bäume werden bewusst gesetzt, aufgrund sorgfältiger Überlegungen zur Art der Bäume, zu deren Hitzeverträglichkeit und deren Standort (Quartier- bzw. Strassenbezug).

Die vorgesehene Aufwertung und Begrünung der Haupt- und Seitenstrassen erhöht die Lebens- und Wohnqualität in der ganzen Innenstadt. Sie kommt damit der Vision «Zukunft Innenstadt» aus dem Jahre 2018 und der ihr zugrunde liegenden «Nutzungsstrategie» entgegen, die Glarus nicht nur als Ort des Begegnens, Einkaufens und Erlebens, sondern auch als attraktive Wohnstadt qualifiziert.
Begrünte, öffentliche Räume mit hoher Aufenthaltsqualität sind in Innenstädten wie Glarus, in denen es an Balkonen und (Vor-) Gärten oft fehlt, für das Wohnen von zentraler Bedeutung.

Der schon heute grüne Charakter des Spielhofs wird im Vorschlag von Westpol und Transitec verstärkt. Während die Ostseite des Platzes als Rückzugsort dient, schaffen auf der Westseite Spielflächen, Sitzgelegenheiten und ein gastronomisches Angebot ein «südländisches Flair», wie dies auch mit der Vision «Zukunft Innenstadt» angestrebt wird.

Die heutige Trennwirkung der Haupt- und Bahnhofstrasse wird durch eine reduzierte Querungsdistanz und die Anordnung von Trottoirüberfahrten längs verkleinert. Entlang der Strasse eröffnen die Flächen zwischen den auf die Trottoir-Ebene hochgehobenen Parkfeldern und den eher locker verteilten Bäumen vielfältige Nutzungsmöglichkeiten, in Abstimmung mit den jeweiligen Erdgeschossnutzungen (Detailhandel, Gastronomie) oder auch für andere Zwecke (Kultur, Begegnung). Die Parkfelder können auch temporär und örtlich begrenzt (z.B. bei besonderen Veranstaltungen) aufgehoben und anderen Nutzungen zugeführt werden.

Der Rathausplatz soll zu einem «repräsentativen Stadtplatz» werden. Dieser Anspruch liesse sich mit weiteren gestalterischen Eingriffen noch etwas besser einlösen und damit Potenzial, das der Raum für die Begegnung und Belebung der Innenstadt bietet, besser nutzen.

Der Gemeindehausplatz wird durch die Schaffung von Sitzmöglichkeiten und erweiterten Gastronomiebereichen aufgewertet. Er wird in die vom Bahnhof zum Zaunplatz verlaufende Ost-West-Achse «Zaunachse» eingebunden, die wichtige touristische und kulturelle Orte vom Bahnhof, über den Volksgarten, Glarnerhof, das Gemeindehaus zum Zaunplatz verbindet und die Frequenzbringer Coop, Migros und Aldi mit den Läden in der Innenstadt zusammenbringt.

Der Vorschlag von Westpol und Transitec schafft die Voraussetzungen dafür, dass sich die Innenstadt von Glarus – im Sinne der Vision «Zukunft Innenstadt» – zu einem multifunktionalen Ort des Begegnens, Einkaufens und Erlebens entwickelt, mit hoher Aufenthaltsqualität, neuen Angeboten in der Gastronomie, im Detailhandel und Tourismus sowie einer Aufwertung der Wohnquartiere.
Lageplan

Lageplan

Visualisierung

Visualisierung

Visualisierung

Visualisierung

Konzept

Konzept

Visualisierung

Visualisierung

Nutzungskonzept

Nutzungskonzept

Erschliessungskonzept

Erschliessungskonzept

Axonometrie

Axonometrie

Baumkonzept

Baumkonzept

Zusammenspiel Mensch und Stadtnatur

Zusammenspiel Mensch und Stadtnatur