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Nichtoffener Wettbewerb | 10/2023

Campusmitte Lichtwiese an der Technischen Universität Darmstadt

Lageplan 1:2.000

Lageplan 1:2.000

Anerkennung

Preisgeld: 8.000 EUR

club L94

Landschaftsarchitektur

WILLNER VISUALISIERUNG

Visualisierung

Erläuterungstext

»Blau-Grünen-Campus der Zukunft«
Situation
Der Campus Lichtwiese bildet – neben dem Universitätsviertel in der Stadtmitte – einen der beiden Hauptstandorte der Technischen Universität Darmstadt. Umgeben von Landschaftsräumen und Waldgebieten befinden sich dort clusterartig angeordnete Baufelder für Institute, Labore und Werkstätten um die sogenannte Campusmitte, welche die unterschiedlichen Teilbereiche als zentraler Freiraum miteinander verbindet. Innerhalb der Campusmitte liegen mit der Mensa und dem Hörsaal- und Medienzentrum mit übergeordneter Nutzung sowie die Straßenbahn- und Bushaltestelle als zentraler Ankunftsort des Universitätsstandorts.
Der städtebaulichen Konzeption lag eine strenge, orthogonale Systematik zu Grunde: Das gesamte Gelände wurde in ein Raster gegliedert, das auf ein eigens entwickeltes Bausystem für die Hochbauten abgestimmt war. Im Zentrum des Gesamtkomplexes wurden Hörsäle für die Fachbereiche, eine Mensa sowie eine zentrale Bibliothek vorgesehen; außerdem war an Gaststätten, Läden und sonstige Ersorgungseinrichtungen gedacht. Mit der Eröffnung des zentralen, großen Mensagebäudes im Jahr 1978 erhielt der Campus ein bauliches und kommunikatives Zentrum. Peter Latz entwickelte bis 1980 einen auf einem orthogonalen System basierenden Landschaftsplan. Formulierte Ziele des Landschaftsplans waren ein ästhetisches Konzept für die Außenanlagen, die Bildung von Räumen und die Einbindung des Universitätskomplexes in die umliegende Landschaft als Auseinandersetzung zwischen der gestalteten Form und der naturnahen Landschaft. Ebenfalls von grundlegender Bedeutung ist die Anbindung an die anschließenden Stadträume, die Schaffung von Strukturen für eine dichte, mehrfunktionale Universitätsnutzung in der Campusmitte.
Die Grundlagen für eine nachhaltige Entwicklung des Standorts Lichtwiese wurden bereits mit der weitsichtigen Standortentscheidung in den 1960er Jahren gelegt. Dazu gehörte die Größe des Areals mit seiner langfristigen Entwicklungsperspektive. Auch die Überlagerung des Universitätsstandorts mit Freizeit- und Erholungsnutzungen für die Darmstädter Bürgerschaft spiegelte bereits Grundgedanken einer sozialen Nachhaltigkeit wider.
Die ökologische Nachhaltigkeit des Standortes wird hierbei zunächst durch die Eingrenzung der bebaubaren Fläche im Flächennutzungsplan und die Formulierung von kompakten, verdichteten Baufeldern in der Rahmenplanung gesichert, welche die weitere Versiegelung von Boden begrenzen. Dies umfassten auch den Erhalt und Schutz der umgebenden TU eigenen Waldgebiete. Das Wachstum der TU Darmstadt wird damit langfristig auch mit den sozialen Anforderungen der Freizeit- und Erholungsfunktionen des Ortes in Einklang gebracht.
Konzept
Das vorliegende freiraumplanerische Konzept hat das Ziel, ein ästhetisches Leitbild für die Freiräume eines »Blau-Grünen-Campus der Zukunft« zu finden und setzt auf drei Schwerpunkte in der Umgestaltung.
Die Gestaltung der Campusmitte als Ort des Lehrens und Lernens, der Erholung und Entspannung, aber auch der Selbstdarstellung und Vermittlung von Forschung und Lehre soll sich im landschaftsarchitektonischen Konzept entwickeln können. Dabei stehen die neuen Campusgärten im Fokus. Maßnahmen zu Klimaschutz und Klimaanpassung werden im Freiraum durch dezentrale Versickerung und starke Begrünung sichtbar und nachvollziehbar integriert, um die Campusmitte als grünes, lebendiges und identitätsstiftendes Zentrum des Universitätsstandorts zu definieren.
Des Weiteren soll mit der »Verkehrswende« auf dem Campus weg vom motorisierten Individualverkehr und hin zum ÖPNV und alternativen Verkehrsmitteln ein zeitgemäßes Stück Lern- und Arbeitsumfeld entstehen, dass beispielhaft und zukunftsweisend den öffentlichen raum als Ort der Begegnung und Erholung versteht.
Ebenfalls gestaltet und verstärkt werden sollen die freiräumlichen Verbindungen zwischen der Campusmitte und den umgebenden Landschaftsräumen. Dabei entsteht ein übergeordneter Rundweg der einen Rhythmus aus Clustergärten die platzartige Begegnungs- und Aktivitätsorten sein sollen. Sie sind thematisch von den Typologien der jeweiligen Parkzonen abgeleitet.
Entwurf
Parklandschaft
Der Campus Lichtwiese ist umgeben von verschiedenen Landschafts- und Parktypen. Er grenzt im Süden und Osten an weitläufige Waldgebiete. Im Westen wird der Campus über den Lichtwiesenweg an den Darmstädter Stadtteil Bessungen angebunden. Südlich entlang des Lichtwiesenwegs liegen ein Kletterzentrum des Deutschen Alpenvereins, zwei Studierendenwohnheime sowie der Zugang zum Hochschulstadion und zum Hochschulbad. Im Nordwesten und Norden grenzt der Campus an das Wohngebiet An den Lichtwiesen des Stadtteils Darmstadt-Ost, zu dem dort auch der Alte Friedhof
und die Elly-Heuss-Knapp-Grundschule gehören. Nördlich der Campus-Bebauung
wurden drei große Mulden zur Regenwasserversickerung in die weitläufigen Wiesenbereiche integriert. Im Nordosten befindet die Anlage des Kleingartenvereins Lichtwiese und entlang des östlichen Randes der Kleingartenanlage verläuft in Nord-Süd-Richtung der renaturierte Darmbach. Welcher seither im Bereich der Lichtwiese bis zum Breslauer Platz wieder als durchgängiger Biotopverbund gestaltet ist, um die ökologische Situation und den Hochwasserschutz zu verbessern und ihn für Anlieger und Spaziergänger erlebbar zu machen. Östlich des Campus befindet sich am Übergang zum Waldgebiet der Bahnhof Darmstadt TU-Lichtwiese als Haltepunkt der Odenwaldbahn.
Die Grünflächen des Campusareals sollen als extensive Retentionsräume und als Biotopverbundachsen, sowie die Renaturierung/Reaktivierung ausgebauter Fließgewässer entwickelt werden. Mit den Clustergärten entsteht die durchgehende Vernetzung der Räume mit dem Wegesystem des Areals.
Landschaftsfugen
Die orthogonale Systematik der gebauten Campusstruktur soll durch die freien Campusfugen gebrochen werden. Zudem haben die offenen Blühwiesen auch die Funktion von Grünzügen, die mit übergeordneten Fuss- und Radwegen das Areal durchziehen.
Campusgärten
Die Campusgärten sollen die Freiflächen identitätsstiftend ergänzen und thematisch Orte der Begegnung, des Rückzugs, der Lehre und der Vermittlung sein. Sie sind auch Möglichkeitsräume, die von den Studierenden annektiert und programmiert werden können.
Campusmitte
Das Entwurfskonzept unterstützt die ökologische Resilienz, indem viele Flächen entsiegelt, Grünflächen zur Steigerung der Biodiversität und Verbesserung des Mikroklimas sowie Versickerungs- und Retentionsflächen als Stauvolumen für anfallendes Wasser angelegt werden. Neben der ökologischen Resilienz stärkt der Entwurf auch die soziale Resilienz, indem der Campus für die Studierenden, Lehrenden, Wissenschaftler*innen sowie den Besuchern als kommunikativer Ort gestaltet wird. Durch neue Treffpunkte, Sitzgelegenheiten und Spiel- und Sportbereiche kommt der Raum den Menschen zugute. Die freundliche und attraktive Gestaltung wird sich auch positiv auf die Nutzung und Begegnung im Campus auswirken.
Blau-Grüner Boulevard
Um einen nachhaltigen und naturnahen Umgang mit der Ressource Wasser zu schaffen, hat die TU Darmstadt bereits ein Konzept für die Wasserbewirtschaftung des Campus Lichtwiese erarbeitet und umgesetzt. Ziel des Wasserbewirtschaftungskonzepts sind Brauchwassernutzung und der Überflutungsschutz. Die Kombination der Maßnahmen ermöglicht eine Reduktion des jährlichen Abflusses. Der Mobilitätsloop ist Teil der Boulevardstruktur und ermöglicht den Fahrradfahrern mit höheren Geschwindigkeiten mobil zu sein. Dadurch soll das Fahrrad als Alternative zum PKW gestärkt werden. Die Bahnhaltestelle und Mobilitätshubs in der Stadt sind mit dem Mobilitätsloop direkt verknüpft.
Die Bewegungsflächen des Blau-Grünen-Boulevards werden konsequent nach dem Grundsatz „Straßen für Menschen“ umgestaltet, indem die Flächen neu aufgeteilt werden. Der ruhende Kfz-Verkehr wird konsequent herausgenommen, und an die Ränder verdrängt. Die damit verfügbar werdenden Flächen stehen für Straßenbäume (Schattenspender), Begrünung und Gestaltung der Stadträume, Fahrradabstellanlage, Geh- und Aufenthaltsflächen sowie Kunst und Kultur zur Verfügung („Stärkung der Nahmobilität“). Das Quartier bleibt in der Mitte autofrei und ist geprägt durch ein gutes Netz aus Fuß- und Radwegen, welches die übergeordneten Freiräume und Radwege mit dem Quartier verbinden.
Retentionssee
Unter Anbetracht der klimatischen Entwicklungen in der heutigen Zeit müssen sich Bebaute Areale weiterentwickeln bezüglich ihrer Fähigkeit, bei Krisen und Katastrophen widerstandsfähig zu reagieren und sich dabei zugleich anzupassen. Im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung werden im Campus viele Flächen entsiegelt und versickerungsfähig gestaltet. Anfallendes Oberflächenwasser wird in Tiefbeete entlang der Wege geschickt, kann dortbleiben, versickern und verdunsten. Es kann aber z. B. auch in den Campussee geleitet werden und dort sowohl zurück gehalten als auch durch Pflanzenkläranlagen gereinigt werden. Zudem kann auch für die Ökologie ein Mehrwert durch den See erzeugt werden. Durch den Verdunstungseffekt von Pflanzen und der offenen Wasserfläche wird der Campus in heißen Sommermonaten gekühlt und der Aufenthalt auf der Seeterrasse deutlich angenehmer sein. In der Mitte des Areals kann der See als beliebter Treffpunkt wichtiger Identitätsgeber sein.
Partizipation
Viele Projekte könnten partizipativ mit den Campusnutzern entwickelt werden. So könnte etwa die dreidimensionale Campusverschönerung durch Fassadenbegrünung und -bemalung sowie durch partielle abgehängte Beleuchtung oder abgehängte Stoffe gemeinsam mit Künstlern angestoßen werden. Patenschaften z. B. für Campusgärten können das Identifikationspotential fördern und Vandalismus verringern. Durch das Entwurfskonzept wird die Aufenthaltsqualität im Campus deutlich verbessert.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser formulieren das freiraumplanerische Leitbild eines »blau-grünen Campus der Zukunft«, der rund um die Uhr genutzt werden kann. Selbsterklärte Entwurfsziele sind die Anbindung an die anschließenden Stadt-und Landschaftsräume und die Schaffung von Strukturen für eine dichte, multifunktionale Universitätsnutzung.

Prägende für den Entwurfselemente sind die drei »Campusfugen« in Nord-Südrichtung, die als Verbindungen zwischen der Campusmitte und den umliegenden Landschaftsräumen gestärkt und gestaltet werden sollen. Dies gelingt im westlichen Bereich sehr überzeugend: Hier entwickelt sich die Campusfuge als starkes grünes Band von der Nachtweide im Nordwesten entlang der virtuellen Achse des »Linearen Hauses« über die Campusmitte in das südlich anschließende Waldgebiet. Die mittlere Fuge und die östliche Fuge folgen den Straßenräumen der Eugen-Kogon- bzw. der Otto-Berndt-Straße ebenfalls über Campusmitte nach Süden in den Wald. Aufgrund der vorhandenen Straßen und angelagerten Funktionsbereiche wirken diese beiden Fugen in ihrer Ausgestaltung formalistisch und darum weniger überzeugend.

Die mittlere Fuge quert den zentralen Bereich des Campus zwischen Mensa und Hörsaal- und Medienzentrum. Dieser wird folgerichtig als »grüne Mitte« gestaltet, deren flexible Nutzung und Ablesbarkeit als Vorbereich und Bindeglied zwischen den beiden zentralen Gebäuden in der Campusmitte dadurch jedoch geschwächt wird. Die Anbindung der Mensa an die zentrale Bus- und Straßenbahnhaltestelle wird gegenüber dem Bestand nicht verbessert. Südlich der Mensa schlagen die Verfasser einen vergrößerten, baumbestandenen Bereich für Außengastronomie vor. Dieser wird durch die Jury als richtig platziert und sehr gut nutzbar eingeschätzt.

Daneben liegt als zentrales »blaues« Entwurfselement ein sogenannter »Retentionssee«. Diesen diskutiert die Jury kontrovers: Einerseits wird die Wasserfläche als spannende und attraktive Setzung begrüßt, welche die Campusmitte eindeutig markiert und einen zentralen, attraktiven Treffpunkt und Aufenthaltsbereich formuliert. Sie bildet zugleich einen deutlich sichtbaren Baustein für Klimaschutz und Klimaanpassung inmitten des Unicampus. Angesichts geringer werdender Niederschläge stellt sich jedoch die Frage, mit welcher Häufigkeit und Intensität der Bereich tatsächlich als Wasserfläche erlebbar sein wird bzw. welche Qualität und Attraktivität er in den dazwischenliegenden Phasen der Trockenheit aufweist.

Die ergänzenden, modularen Aktivitätsfelder (z. B. »Sportpark«, »Ruhegarten«, »Campus-Garten», »Grünes Seminar« oder »Campus-Cafe«) sind aus Sicht der Jury thematisch klug gewählt und gut nutzbar gestaltet, jedoch teilweise recht gering dimensioniert und in weiten Abständen verteilt. Eine stärker prägende bzw. strukturierende Wirkung dieser Elemente wäre aus Sicht der Jury wünschenswert gewesen.

Für die Erschließung des Geländes wird ein umlaufender »Mobilitätsloop / Campusradweg« als Trennung »langsamer« Fußwege und eines »schnelleren» Radweges vorgeschlagen. Diese Idee wird durch die Jury begrüßt, wenn auch der nördliche Teil des Loops außerhalb des Bearbeitungsgebiets liegt. Das westlich der Mensa vorgesehene Baufeld wird konzeptionell grundsätzlich freigehalten, jedoch doch mit einigen neuen Baumstandorten belegt.

Die Entwurfsgedanken hinsichtlich von Ökologie und Nachhaltigkeit sind vielversprechend. Neben den Vorschlägen zu Retention und Wassermanagement gehören hierzu Gedanken zu entsprechender Materialauswahl und Recycling sowie soziale Aspekte einer integrativen Nutzung der Mitte durch die Universitätsgemeinschaft wie auch den Darmstädter Bürgerinnen und Bürgern. Eine Realisierung innerhalb des vorgegebenen Budgets erscheint machbar.

Insgesamt würdigt die Jury den integrativen Grundansatz des Entwurfs und die starke Einbindung des Unicampus in den städtisch-landschaftlichen Kontext, dessen konkrete Umsetzung jedoch in wesentlichen Teilen der Campusmitte nicht überzeugen kann.
Konzeptpiktogramme

Konzeptpiktogramme

Zukunftsbild Campusmitte

Zukunftsbild Campusmitte

Blick Retentionssee, Mensagarten

Blick Retentionssee, Mensagarten

Blick Grünes Seminar

Blick Grünes Seminar

Lageplan 1:500

Lageplan 1:500

Detaildarstellung Blau-Grüner Campusboulevard 1:100

Detaildarstellung Blau-Grüner Campusboulevard 1:100

Detaildarstellung Retentionssee 1:100

Detaildarstellung Retentionssee 1:100

Clustergärten und Campusgärten

Clustergärten und Campusgärten