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Einladungswettbewerb | 06/2023

Quartiersentwicklung Liebig Höfe in Aachen

Anerkennung

Preisgeld: 7.000 EUR

CROSS Architecture

Architektur, Stadtplanung / Städtebau

Karres en Brands

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Wettbewerb Liebig Höfe Aachen

Das Liebig Areal strahlt heute einen ruppigen Charme aus: Bestandshallen mit industrieller
Prägung und robuster Ausstrahlung stehen auf dem großflächigen Areal ohne Bindung
zueinander und in einem zusammenhanglosen städtebaulichen Kontext. Die Bauwerke
selbst zeigen die Potentiale wie man sich in solchen Strukturen häufig vorfindet:
schnörkellose, ehrliche Architektur, robuste Materialität und räumliche Großzügigkeit. Diese
Qualitäten werden in den Neubauten aufgenommen, die eingebettet in ein klares und
maßgeschneidertes Außenraumkonzept die heute vermissten städtebaulichen Beziehungen
herstellen.

Toolbox
Hochbau und Freiraum nutzen klare und typisierte bauliche Elemente und fügend diese in
verschiedenen Kombinationen und Figuren zusammen. Es entsteht eine sehr einfache,
ehrliche Architektur und Freiraumgestaltung, die sich in den industriellen Kontext nahtlos
einfügt und vorhandene Qualitäten des Bestands aufnimmt und verstärkt. Ablesbare
Module und Objekte stehen für eine geradlinige, verständliche und stimmige Gestaltung,
die vielfältige Nutzungen und Funktionen flexibel aufnehmen kann.

4 Höfe und ein Park
Die Freiraumstruktur orientiert sich am das Projektgebiet umgebenden industriell-gewerblich
geprägten Stadtkontext und zielt darauf ab, die lokalen Grünstrukturen zu erhalten und zu
stärken. Der Entwurf gliedert sich daher um 4 Höfe und einen Park. Jeder Hof ist ein
fokussierter Ort für das urbane Leben, führt verschiedene Gebäudetypologien zusammen
und fungiert gleichzeitig als Vorraum für den nächsten Hof. Gemeinsam definieren sie eine
spielerische Struktur urbaner Räume, die sowohl separat funktionieren können, um
Gebäudeensembles zu formen, als auch zusammen, um eine klare urbane Adresse für das
gesamte Areal zu definieren. Die grüne Struktur stärkt und erhält das vorhandene Grün und
fügt wo immer möglich, Taschen mit intensiver Begrünung hinzu.

Die Seele der Liebig Höfe
Mit unserem Entwurf wollen wir den Liebig Höfen ein neues Leben einhauchen. Die Texturen
und Oberflächen der Freiräume werden daher im Wesentlichen eine Wiederbelebung der
vorhandenen Materialien sein. Im Sinne einer sorgfältiger Materialarchäologie werden
vorhandene Materialien gesammelt, organisiert und auf neue und überraschende Weise
wiederverwendet. Pflastersteine, Ziegel, Beton, Stahl und sogar Glas aus dem Bestand
werden vollständig in das neue Design integriert und mit neuen Materialien gemischt.
Dadurch entsteht ein spielerisches Patchwork aus Texturen und Oberflächen das Alt mit Neu
verwebt.

Artefakte für Interaktionen
Entlang der 4 Höfe markieren und programmieren eine Reihe von erkennbaren
Freiraumelementen und Möblierung den Ort. Diese reichen von großen Nachbarschaftstischen über gemütliche Bänke bis hin zu urbanen Sportarten. Das regt die Interaktion zwischen verschiedenen Nutzern vor Ort an und setzt sie mit dem Kontext
auseinander.

Konsistenter Städtebau
Drei Neubauten ergänzen die Situation stimmig und stellen durch ihre bewusste Setzung die
Bestandsbauten in einen neuen übergeordneten städtebaulichen Zusammenhang. Die
Baukörper nehmen die Orientierung von Kälberhalle und umgebenden Kontext des
Schlachthof Areals auf und verweben so das Liebig Areal mit dem Umfeld. Der westliche
Grundstücksrand wird durch eine lineare, jedoch abgestufte Bebauung räumlich gefasst
und erzeugt dadurch eine sehr selbstverständlich wirkende Geste zur Einbindung der
nördlichen Talbothallen. Die Mitte des Baufelds wird mit einem größeren Baukörper besetzt,
der klare Raumkanten bildet.
Die Neubauten sind dreigeschossig und fügen sich dadurch harmonisch in das Umfeld ein.
Die streng orthogonalen Baukörper bilden in ihrer Einfachheit und Robustheit fast
archetypische Objekte und fügen sich zu einem Ensemble zusammen.

Robuste Architektur
Die modulare Architektur setzt sich aus den Elementen der Toolbox zusammen, die jeweils
neu arrangiert werden. Die großzügigen Geschosshöhen von 5m im EG bzw. 4m in den
Obergeschossen unterstützen flexible Nutzungsszenarien. Das wirtschaftliche
Konstruktionsraster von 5.2 x 5.2m ist ideal für den Holzbau geeignet. Die Beschränkung auf 3
Geschosse (Einstufung auf Gebäudeklasse 3) ermöglicht, dass im Brandschutz R30 erreicht
werden muss und der Nachweis über den Abbrand erfolgen kann. Konkret können alle
Holzkonstruktionen sichtbar ausgeführt werden. Die Modularität der Konstruktion bleibt somit
ablesbar.

Das Konstruktionsprinzip wird auch zum Gestaltungmittel der klar gegliederten, robusten
Fassaden. Ablesbare Rahmen sind mit gläserneren und opaken Elementen gefüllt. Das
Prinzip kann auf alle Baukörper und verschiedenste Nutzungen angewendet werden und
fügt sich damit in der Repetition und Ablesbarkeit stimmig in den vorhandenen Kontext ein.

Flexible Nutzungen
Um die große Bandbreite an verschiedensten Nutzungen zu ermöglichen setzt die
Architektur mit den Elementen der Toolbox nur einen flexiblen Rahmen. Das Ziel des Entwurfs
ist es, keinerlei Nutzungseinschränkungen für die künftigen Mieter zu erzeugen.
Im erhöhten Erdgeschoss sind künftig Werkstätten, Labs und Versuchsräume prädestinierte
Nutzer, die Obergeschosse lassen diese Funktionen ebenfalls zu und bieten außerdem
loftartige Büroflächen mit Außenterrassen.

Einzig die nordwestliche Ecke des mittigen Baukörpers bietet sich für eine konkrete Nutzung
an: das dort vorgesehene Quartierscafe sitzt an herausgehoberer Stelle im städtebaulichen
Kontext und bildet einen Treffpunkt und Gemeinschaftsort im neuen Liebig-Areal.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfassenden schlagen für die Entwicklung der Liebig Höfe drei ergänzende Neubauten vor, die sich in Orientierung an den Bestand in einem orthogonalen Raster ausrichten.

Grundhaltung des Entwurfes ist eine einfache Architektursprache sowie Freiraumgestaltung, die sich in den bestehenden industriellen Kontext einfügt.

Die dreigeschossigen Baukörper werden auf Grundlage einer Toolbox in modularer Bauweise vorgeschlagen. Ein klares Konstruktionsraster von 5,2 x 5,2 m gliedert die Fassade. 

Der modulare Aufbau der einzelnen Baukörper wird vom Preisgericht gewürdigt. Die städtebauliche Setzung der Gebäude ist grundsätzlich gelungen. Durch die zurückhaltende Architektur und die (durchgängig) geringen Gebäudehöhen wird dem Bestand ein angemessener Raum gelassen. Jedoch fällt die niedrige Geschossigkeit der Gebäude einem vergleichsweise hohen Versiegelungsgrad zum Opfer.

Der Grundriss des Hauptgebäudes funktioniert und bietet ausreichend Belichtung. Die Möglichkeit der Unterbringung von Produktionsflächen wird jedoch hinterfragt. Die im Logistikkonzept dargestellte Belieferung des Areals ist klar geregelt, erscheint aber mit Blick auf die gezeigten Perspektiven nicht stimmig. 

Die Grundhaltung der einfachen Architektursprache überzeugt das Preisgericht für den vorliegenden Standort nicht. Die Gebäude erscheinen zu banal und erzeugen keinen Widererkennungswert. Ein profilgebender Ansatz, der die Strahlkraft und Identität der Liebig-Höfe fördert, hätte dem Entwurf gut getan. 

Die intensive Auseinandersetzung mit den Freiräumen wird vom Preisgericht gewürdigt. Wie viel der gezeigten Grünstrukturen in der Umsetzung jedoch wirklich bestehen bleiben können, ist auch mit Blick auf die Unterhaltungskosten, fraglich. Das Zusammenspiel zwischen den Freiräumen und den Gebäuden kann nicht überzeugen. 

Der Entwurf bietet ein solide und funktionsfähige städtebauliche Grundstruktur an, kann jedoch aufgrund der fehlenden Identifikationskraft mit dem Areal nicht vollumfänglich überzeugen.