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Nichtoffener Wettbewerb | 12/2023

Neugestaltung öffentlicher Bereich der Kernstadt Borgentreich

VISUALISIERUNG NEUE MITTE BORGENTREICH

VISUALISIERUNG NEUE MITTE BORGENTREICH

1. Preis

Preisgeld: 16.987 EUR

chora blau Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

NEUE MITTE BORGENTREICH

Im Herzen der historischen Stadtstruktur Borgentreichs befindet sich mit dem Orgelmuseum und der St. Johannes Baptist Kirche ein gewachsenes bauliches Ensemble, das durch die nördlich gelegene Vikarie als Nebenbau ergänzt wird. Die in der Kirche befindliche größte Barockorgel Westfalens war Anlass zum Bau des ersten deutschen Orgelmuseums und ver-lieh der Stadt ihre Auszeichnung als Orgelstadt. Begrenzt durch den Verlauf der ehemaligen Stadtmauer, an deren Stelle sich heute teils großzügige Grün- und Freiflächen befinden, ent-stand ab dem 13. Jahrhundert ein typisch mittelalterlicher Stadtgrundriss, der in seiner oval-runden Form und der dichten Bebauung aus eng gestaffelten Mehrgeschoss- und Nebenbauten deutlich ablesbar ist und somit als Synonym für die Identität der Kleinstadt steht. Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat die Eigenart dieses Stadtgefüges gestalterisch an Wert verloren und wird in ihrer Eigentümlichkeit nicht ausreichend gewürdigt. Der vorliegende Entwurf nimmt sich als Ziel, die inhaltliche Zusammengehörigkeit des Ensembles wieder würdig in Szene zu setzen, die stadtumlaufenden Grünflächen als wichtigen Freiraumverbund stärker mit der Innenstadt zu verknüpfen und eine lebendige Mitte als sozialen Kommunikationsort zu entwickeln.

Die aktuell aus hellgrauem Betonstein befestigten Straßen der Innenstadt besitzen einen vergleichsweise breiten Straßenquerschnitt, der innerhalb des Planungsbereichs durch eine ein-heitlich gegliederte Struktur aus Parkierungsflächen, Wegeflächen, Tellerleuchten und partiellen Sitzangeboten aufgewertet wird. Ein Mehrsteinsystem (20/20 und 20/30) aus warmbeigen Betonwerksteinen mit Natursteinvorsatz bildet eine homogene Oberfläche für die Wege- und Parkierungsflächen. Während die Gehwege in einem angenehm hellen Farbton markiert werden, wodurch sie sich an heißen Tagen weniger aufheizen, besitzen die Pkw-Parkbereiche einen dunkleren Farbton desselben Steinsystems, um Abrieb und ähnliches zu kaschieren. Die Fahrgassen sind entsprechend der Gestaltung der übrigen Straßen in hellgrau befestigt. Mastleuchten in einem beigegrauen Farbton durchziehen den Straßenraum und gliedern ihn so gemeinsam mit den teilweise neu gepflanzten Bäumen. Mit Holzauflagen belegte Sitzbänke an strategisch sinnvollen Orten fördern die ungezwungene Kommunikation und das soziale Miteinander. Im Sinne einer zusammenhängenden Stadtentwicklung und aufeinander abgestimmten Gestaltung wird vorgeschlagen, die nicht im Planungsumgriff befindlichen Straßenzüge ebenfalls zukünftig in diesem Gestaltungskanon zu gestalten und vor allem mit weiteren Straßenbäumen zu begrünen.

Analog zu den Gehwegen der südlichen Marktstraße wird der weitere Planungsumgriff mit nördlicher Markstraße und Bogenstraße ebenfalls mit der beigewarmen Oberfläche markiert. Der so entstehende homogene „Teppich“ zieht sich in die Eingangs- und Nebenbereiche zum Orgelmuseum, Rudolf-Reuter-Platz und der St. Johannes Baptist Kirche. Entsprechend der notwendigen Befahrbarkeit werden die Stärken der Pflastersteine ausgebildet. Durch das verschiebesichere Mehrsteinsystem ist eine dauerhafte Lagestabilität gewährleistet. Kleinstein- und Mosaikpflaster aus regionalem Naturstein werden als taktile Elemente und in Anarbeitungsbereichen und um das Kirchengebäude eingesetzt.

Der Materialwechsel in der Markstraße zur vorhandenen hellgrauen Oberfläche im Bereich des Platzes der Kulturen sowie am neu geschaffenen Gartenplatz markieren den Übergang zur Neuen Mitte Borgentreichs. Der Verkehr wird auf einer 6,00 m breiten Gasse geführt und zudem für den besonderen Bereich sensibilisiert. Großzügige Pflasterrinnen mit einer Breite von 1,00 m markieren diese Gassen, wodurch weitestgehend auf Einfassungen verzichtet und die Barrierefreiheit gewährleistet werden kann. Innerhalb des Zentrums werden die Pkw-Stellplätze (insgesamt 36 St.) überwiegend aus sickerfähigem Pflaster markiert und teilweise (4 St.) mit Elektroladefunktionen ausgestattet. An sinnvollen Stellen werden dezentral Fahr-radstellplätze (insgesamt 36 St.) positioniert und teilweise mit Elektroladefunktionen (8 St.) versehen. Analog zu den Mastleuchten werden sämtliche Stahlbauteile, wie Fahrradbügel, Baumroste, Abfalleimer und Bänke, in einer einheitlichen beigegrauen Farbgebung (RAL 7006) gestaltet. Diese Farbgebung harmonisiert mit den vorhandenen Fassaden des Museums und des Kirchengebäude sowie mit dem neu gestalteten Oberflächen der Straßen und Gassen.

Am Übergang zum Orgelmuseum und der Kirche öffnet sich der Stadtraum und bietet mit der Rundbank um die vorhandene Linde einen freien Blick auf des Ensemble. Im Inneren des Rondells befindet sich analog zu den Pflanzfeldern vor dem Museum Schmuckpflanzungen aus Stauden und Gräsern. Als Ergänzung bietet die sogenannte „Wassersymphonie“ Kühle an Sommertagen und freies Kinderspiel in Aufsicht der Erwachsenen. Die Wasserfontänen sind frei steuerbar und können mit Lichtelementen akzentuiert werden. Als Reminiszenz zu Borgentreichs Titel als Orgelstadt besteht die Möglichkeit, die mit Arm- und Rückenlehnen versehene Rundbank zudem als „Klangbank“ für besondere Zwecke, wie eine Hochzeit oder Stadtfeste, zu bespielen und so einen einmaligen Anziehungspunkt zu bilden. Begleitet von den Schmuckbeeten und im Schatten der Bäume bieten sich am Orgelmuseum Bereiche für außengastronomische Möblierungen. Ergänzt durch zwei lange Sitzbänke nördlich und süd-lich des Rondells öffnet sich ein frei und flexibel bespielbarer Stadtplatz mit hoher Aufent-haltsqualität am Fuße des Kirchturms.

Ein grüner Rahmen aus Gräser- und Staudenpflanzungen umschließt die Kirche und den Rudolf-Reuter-Platz und bildet so eine gestalterische Klammer. Dieses vegetative Korsett beinhaltet eine Liegewiese im Vorfeld der Vikarie und einen mit einer insektenfreundlichen Blühwiese bestückten Kirchenhain. Das so entstehende grüne Erscheinungsbild der Borgentreicher Mitte mit mehr als 1.000 qm neuen Grünflächen ermöglicht ein großflächiges Regen-wassermanagement. Regenwasser kann vor Ort pflanzenverfügbar mittels Mulden bzw. Baumrigolen gesammelt werden. Das so verbesserte Kleinklima erhöht zudem die Artenvielfalt für (Klein-) Tiere und trägt zu einer attraktiven Stadtentwicklung bei.

Südlich des Orgelmuseums führt der vegetative Rahmen zum westlich gelegenen Rudolf-Reuter-Platz. Dieser wird als grüner Gartenplatz gestaltet und bietet mit seinem Linden-Dach Kinderspiel und Verweilmöglichkeiten im kühlenden Schatten. Trittplatten führen zu den Bänken und über den Platz hinweg zur Marktstraße. Das von den vorhandenen Natursteinquadern des ehemaligen Brunnens gerahmte Kinderspiel wird mit Trittsteinen zum Balancieren ergänzt und befindet sich in Nachbarschaft zum Sonnendeck. Dieses aus nachhaltigem Holz belegte Deck bietet unter der markanten Kiefer und seinen Sitzmöglichkeiten zum einen außengastronomische Möglichkeiten für die angrenzende Pizzeria und zum anderen konsumfreies Verweilen außerhalb der gastronomischen Nutzungszeit. Eine Rampe führt durch den vorhanden Durchgang zur Bogenstraße. Diese als Wohnstraße im Einbahnstraßensystem konzipierte Gasse erhält ein vegetatives Gesicht. Der Straßenraum wird auf ein notwendiges Maß begrenzt und mit „grünen“ Stellplätzen versehen. Zwei grüne Nischen bieten Platz zum Innehalten, „Quatschen“ und Präsentieren von Blumenwaren des angrenzenden Geschäfts.

Mit der Neugestaltung der Neuen Mitte erhält die Kernstadt Borgentreich ein gestärktes Zentrum, das für die Zukunft wichtige, nachhaltige Schritte einleitet und zudem die eigene Identität stärkt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Beitrag schafft durch angemessen dimensionierte Pflasterflächen, großzügig gestaltete Grünanteile und entsprechende Gestaltungselemente eine neue Mitte für Borgentreich.

Das Museum und der Kirchenbereich werden auf einen Platz gestellt, die Bogenstraße und der Rudolph-Reuter-Platz werden eingebunden. Es fehlt allerdings eine deutliche Prägnanz einer Gestaltungsidee.

Die Themen der Beleuchtung, der Oberflächenentwässerung (breite Pflasterrinnen / „tanzende Rinnen“) und der neuen Baumpflanzungen schaffen Verbindungen zwischen den einzelnen Freiräumen. Der ruhende Verkehr (PKW und Fahrradstellplätze) wird an vielen Stellen richtig platziert. Mit Blick auf die Vorgaben der Auslobung muss hier eine weitere Prüfung erfolgen. Die Belagswahl in der Marktstraße wird unter dem Aspekt der Busnutzung / -befahrbarkeit sehr kritisch gesehen.

Das Sommerdeck und die Fläche des Kinderspiels westlich des Museums werden in der Anordnung und Größe grundsätzlich positiv bewertet. Auch der geringe Versiegelungsgrad mit einem überstellten Baumdach sowie die Wiederverwendung von Abbruchmaterial aus dem Vorhaben erzeugen die gewünschten Atmosphären an dieser Stelle, auch wenn eine konkrete Anbindung zum Gebäude / Nutzung / Zugänge noch offen sind.

Die kreisrunde Klangbank kann als Treffpunkt sehr gut genutzt werden und erscheint in der Dimension als angemessen für diesen Ort. Das hier angedachte Wasserspiel wird aufgrund der Nähe zum Verkehrsraum „Straße“ und in einer Lage mit Flächengefälle als kritisch betrachtet.

Die für die Zukunft wichtigen Themen wie Regenwassernutzung, klimaorientierte Planung (der Entwurf sieht über 1.000 qm zusätzliche Grünflächen vor) und Barrierefreiheit werden berücksichtigt und nachvollziehbar eingeplant. Gleiches gilt für die Darstellung der möglichen Veranstaltungsflächen und Zwischennutzungen.

Insgesamt gelingt es den Verfasser:innen, trotz der o.g. Einschränkungen / Anpassungserfordernisse, die neue Mitte für Borgentreich zukunftsfähig zu gestalten und Antworten auf die Fragen einer nutzerfreundlichen und klimagerechten Stadt zu beantworten.

LAGEPLAN NORD M 1 : 200

LAGEPLAN NORD M 1 : 200

DETAIL RUDOLF-REUTER-PLATZ M 1 : 50

DETAIL RUDOLF-REUTER-PLATZ M 1 : 50

DETAIL NEUE MITTE M 1 : 50

DETAIL NEUE MITTE M 1 : 50

SCHNITT NEUE MITTE M 1 : 200

SCHNITT NEUE MITTE M 1 : 200

SCHNITT RUDOLF-REUTER-PLATZ M 1 : 200

SCHNITT RUDOLF-REUTER-PLATZ M 1 : 200