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Nichtoffener Wettbewerb | 09/2023

Entwicklung Innovations- und Gewerbezentrum in Eschweiler

Perspektive

Perspektive

2. Preis

Preisgeld: 32.750 EUR

BOLLES+WILSON

Architektur

wbp Landschaftsarchitekten GmbH

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

INNOVATIONS- UND GEWERBEZENTRUM

STÄDTEBAU – Grünes Image - Die "Change-Factory" ist keine Fabrik mit einem einzigen imposanten Gebäudevolumen - vielmehr handelt es sich um ein Cluster einzelner Komponenten, die in ihrer Größe zum nahegelegenen Innenstadtgebiet von Eschweiler passen. Grüne Pavillons rahmen eine zentrale Achse, eine Promenade zwischen der Innenstadt und dem Drieschplatz. Diese Einladung der Öffentlichkeit soll den regionalen Strukturwandel erlebbar machen, die Gartenatmosphäre repräsentieren und den unterhaltsamen, zentralen Platz (Kantine + Café) der Change-Factory beleben.

ARCHITEKTUR – alle Fassaden sind Exempel als Statement verantwortungsvoller Wiederverwendung, Recycling und Begrünung. Die Fassaden der Multifunktionshalle (Sockel), des Büro-/Co-Working-Bereichs und der Laborgebäude bestehen aus einer Collage wiederverwendeter Ziegelpaneele. Die Fenster in der 8,40 Meter hohen Multifunktionshalle sind wiederverwendet (eng-gepackte Collage).
Der MobilityHub – eine neue grüne städtebauliche Dominante an der Inde-Straße – hat eine Laubfassade von 2250 Quadratmetern (CO2-Bilanz). Hier ist ausreichend Platz für 322 Autos (privat, Stadtteil, mietbar). Es gibt eine ebenerdige Fahrradstation für Roller, Fahrräder (Bike Bank), Lastenräder usw. sowie eine Fahrradwerkstatt.
Das Laborgebäude - das kleinste im Ensemble (3 Stockwerke), hat eine ausstrahlende Abdeckung, die die Change-Factory in Richtung des Stadthauses ankündigt. Diese Abdeckung verbirgt die notwendigen technischen Installationen auf dem Dach für die Labors.
Kantine + Café – Mitglieder der Change-Factory passieren bei ihrer Ankunft am Mobilitäts-Hub die zentrale Kantine und das Café (Wiederverwendung der Schlachthof-Ziegelbox, ein Andenken an die Geschichte des Standorts im markanten Ziegel).
Büros / Co-Working / Flexi-Büros - Diese beiden einfachen und standardisierten Modulbauten haben im Erdgeschoss öffentlichkeitswirksame Nutzungen (Veranstaltungen, Seminare, Ausstellungen, Fab Lab) und in fünf Obergeschossen flexible Decks für Bedarfsteilungen und konzentriertes Arbeiten. Großzügige Balkone ragen von der Südseite in Richtung Inde und dienen als Orte für Austausch und Kommunikation.
Aktive Dächer – die Multifunktionshalle (einzeln oder kombiniert) hat eine 80 cm dicke Erdschicht auf dem Dach. Diese dient als Retentionsdecke für das Regenwasser des Mobilitäts-Hubs und der Multifunktionshalle. Es ist auch ein Ort für Urban Gardening (Apfelwiese). Die Dachflächen des MobilityHubs wird für Sport genutzt, die der Bürogebäude für Gründächer mit Photovoltaik und die des Labors für Aufenthalt und Freiluftexperimente genutzt.

Die Realteilbarkeit – des Entwurfs bringt viele Vorteile mit sich. Durch die Aufteilung in kleinere Einheiten können Risiken besser gesteuert werden. So haben eventuelle Probleme in einem Teil des Projekts weniger Auswirkung auf die Gesamtabwicklung. Kleinere Projekte können schneller umgesetzt werden, da sie weniger komplex sind und somit weniger Abstimmung erfolgen. Es können autark voneinander Bauabschnitte begonnen werden, was einem schnellen Ausführungsstart einzelner Bereiche unterstützt. Einzelne Teile des Projekts können angepasst werden, ohne das gesamte Vorhaben zu beeinträchtigen, was die Flexibilität weiter erhöht. Die Finanzierung von einzelnen, überschaubaren Projekten sind unabhängiger und schneller abzuwickeln, als bei einem großen, komplexen Vorhaben, was einer schnelleren Umsetzung zugutekommt. Die Aufteilung ermöglicht auch eine genauere Kontrolle über Fortschritt, Qualität und Kosten der einzelnen Teilobjekte. Auch der Einstieg unterschiedlicher Investoren oder Interessengruppen bei unterschiedlichen Teilen des Projekts ist denkbar.

NACHHALTIGKEIT UND INNOVATION – Die Objekte des Innovations- und Gewerbezentrums Eschweiler repräsentieren ein wegweisendes Beispiel für nachhaltige Architektur und umweltbewusstes Bauen. Durch die Integration innovativer Technologien und bewährter ökologischer Konzepte wird hier eine harmonische Symbiose zwischen moderner Infrastruktur und Umweltschutz geschaffen. Eine der herausragenden Merkmale dieses Gebäudes ist die bewusste Anwendung von Low-Tech-Lösungen. Die Begrünung und daraus resultierende Luftverbesserung und Artenvielfalt erzeugen für das Gebäude wie auch für die Umgebung eine hohe Steigerung der ökologischen Qualität. Alle Dächer erhalten situations- und funktionsabhängig intensive oder extensive Dachbegrünungen zur Verbesserung der Luftqualität und Schaffung von neuen Lebensräumen. Durch zusätzliche Maßnahmen wie Totholzanlagen im Bereich der Begrünung und Nistmöglichkeiten für Gebäudebrüter an den Fassaden werden Lebensräume für Insekten und Vögel geschaffen und verbessern nachhaltig die Artenvielfalt in der Stadt. Die auffälligen, grünen Fassaden sind nicht nur ein ästhetisches Element, sondern auch ein Zeichen des Engagements für umweltfreundliches Bauen. Der geplante Einsatz von Gründächer in Verbindung von PV-Anlagen erfüllt vielerlei Funktionen – es gibt große Synergieeffekte. Da die Dachbegrünung gleichzeitig als Auflast zur Windsogsicherung dient, können Dachdurchdringungen und daraus resultierenden hohen Punktlasten vermieden werden. Durch den kühlenden Effekt der Dachbegrünung kann die PV-Anlage kann mit einem höheren Wirkungsgrad betrieben werden. Als zusätzlicher Speicher ist ein Salz-Batteriesystem geplant. Ziel des Konzepts zur Energieeinsparung und Energiegewinnung sind Gesamtgebäude mit optimiertem Verbrauch und Energiegewinnung aus nachhaltigen erneuerbaren Quellen. Grundsätzlich sind die Gebäude so gestaltet, dass Wärme, Licht und Energie aus der Sonne optimal genutzt und nach Notwendigkeit gespeichert werden können. Raumhohe Fenster mit Brüstung und steuerbarem Sonnenschutz ermöglichen direkte Tageslichtnutzung und Erwärmung im Winter oder eine indirekte Lichtlenkung ohne erhöhte Aufheizung des Gebäudes im Sommer. Die komplette Kühlung und Heizung erfolgt zu 100% aus regenerativen Energiequellen mittels Geothermie und PV-Anlage. Die Wärmeübergabe in den Räumen erfolgt über individuell regelbare und schnell reagierende Heiz- und Kühldeckensegel, die aufgrund der moderaten Vorlauftemperaturen eine komfortable Strahlungswärme bzw. -kälte im Raum erzeugen. Zur Lüftung der neuen Gebäude strömt vorgewärmte Frischluft direkt über die Fassade in die Regelgeschosse und nutzt dort die vorhandenen Wärmequellen zur weiteren Erwärmung. Für den Sommer ist eine zusätzliche Nachtauskühlung über die Lüftungsflügel vorgesehen. Konstruktion und Materialeinsatz des geplanten Gebäudes ist auf nachhaltige, natürliche und recycelte Baustoffe in möglichst sortenreiner Ausführung ausgelegt, um eine maximale Wiederverwertung zu ermöglichen. Die Auswahl der Materialien der Gebäudestruktur erfolgt unter Berücksichtigung der Nachhaltigkeit und Wiederverwendung. So wird das Gebäude überwiegend als Holz-Hybrid-Bau mit einem hohen Wiederholungsfaktor hergestellt. Bei der Auswahl der Baumaterialien wird auf die lokaler Herkunft wert gelegt, um Emissionen durch Transport zu reduzieren. Die Materialität ist als Komposition unterschiedlicher Systeme je nach Anforderungen der Nutzung bei hohem architektonischem Anspruch konzipiert: der MobilityHub als kosteneffiziente Systemparklösung mit begrünter Fassade, den Labor- und Bürogebäuden in klassische Bauweise mit begrünter Fassade und Re-Use-Option sowie der Multifunktionshalle als innovative Re-Use-Lösung. Ein einheitliches Bild vermitteln rezyklierte Fassadenmaterialien in Kombination mit begrünten Fassaden. Die spannende Nutzung der Multifunktion, die einen stetigen Austausch unter den Nutzern bedarf, verdient eine besondere Betrachtung der Materialität. Bei der Multifunktionshalle kann auf anderorts ausrangierte Fensterelemente zurückgegriffen werden. So ist die gesamte Fassadenhülle aus Re-Use-Materialien, die bereits an anderer Stelle ihre Funktion erfüllt haben, entwickelt. Wichtiges Thema im Innovation- und Gewerbezentrum ist also die Kreislaufwirtschaft mit Materialien aus dem Abriss von Gebäuden zur Wiederverwertung.

FREIANLAGEN – Mit der zentralen grünen Achse wird ein zukunftsfähiges Rückgrat für das neue Quartier geschaffen. Es verknüpft die Stadtmitte mit dem Drieschplatz (Kirmesnutzung). Die Achse weitet sich zur neuen Kantine mit einem grünen, baumüberstandenen Platz räumlich auf und wird von breiten grünen Feldern gesäumt. Die Felder öffnen sich an den Eingängen zu den einzelnen Nutzungseinheiten und bilden so einladende Vorzonen aus. Die grünen Felder werden leicht gemuldet, sodass sie als multifunktionale Flächen genutzt werden können: bei Regen als Rückhaltebereiche, in trockenen Zeiten auch als Aufenthaltsfläche. Extensive Staudenpflanzungen und schattenspendende Bäume ergänzen den grünen Gesamteindruck.
Die potentiellen Hochwasser der Inde werden in das Gesamtkonzept eingebunden. Ein grüner, modellierter Ring um das gesamte Areal bindet sich in das Gebäudeensemble ein. Teilweise wird bis an die Fassaden modelliert, die erhöhten Flächen werden in der Randbereichen zur Inde hin auch als zusätzliche Freifläche für Treffpunkt und Bewegung genutzt. Eingeschnittene Durchgänge und Durchfahrten ermöglichen die niveaugleiche Erreichbarkeit in alle Richtungen, bei Hochwasser verschließen Schotten das gesamte Areal.
Mit der Fassadenbegrünung, die den MobilityHub fast vollständig einbettet und bei den anderen Gebäuden grüne Akzente schafft, wird ein sehr hoher Grünanteil erreicht.
Die Dachflächen bilden schließlich die oberste grüne Ebene des Konzeptes: ein produktives grünes Dach auf den Multifunktionshallen mit Obstbäumen und kleinen Gärten, ein produktives grünes Photovoltaikdach auf den Büroeinheiten und auf dem MobilityHub ein grünberanktes, die letzte Parkebene überspannendes Netz. Die Dachflächen werden zudem intensiv genutzt: Ein Sportfeld auf dem MobilityHub für den sportlichen Ausgleich direkt in der Change Factory, Terrassen als alltägliche Treffpunkte für die Nutzenden unter den Obstbäumen und auf dem westlichen Eingangsgebäude zur Stadt hin.

Beurteilung durch das Preisgericht

Unter dem Titel „Change Factory“ entwickelt der Entwurf ein eigenständiges Stadtquartier. Hierbei bilden 3 entlang der Inde aufgereihte scheibenartige Baukörper den räumlichen Abschluss zum Freiraum der Inde, dem grünen-blauen Band der Stadt. Die nördlich anschließende „Grüne Achse“ verbindet das Quartier von Ost nach West bis zum Drieschplatz und vernäht die Bauten entlang der Inde mit den nördlichen Baukörpern des Mobilitätshubs und der Multifunktionshalle. Antritt und Entrée werden signethaft durch eine großflächige vorgestellte Verkleidung technischer Anlagen auf den westlichen Gebäuden gebildet und bieten die Chance einer wechselnden „Bespielung“. Der städtebauliche Ansatz wird in seiner Grundstruktur gewürdigt, wobei die Höhe der Gebäude entlang der Inde in Frage gestellt wird. Ebenso wird die prominente Lage an der Indestraße mit der vorgeschlagenen Nutzung als Mobilitätshub in Frage gestellt. Das Nutzungskonzept sieht entlang der Inde Bürogebäude mit Laboren und Veranstaltungsflächen im EG vor. Direkt anschließend an die Indestraße befindet sich ein Mobilitätshub mit einer sich östlich anschließenden Multifunktionshalle mit ausgeprägten Pflanzungen auf dem Dach. Während der Mobilitätshub, die Labore und Bürogebäude gut organisiert erscheinen, wird die Erschließungsqualität der Multifunktionshalle als verbesserungsbedürftig beurteilt. Die Gestaltung der Baukörper trägt einen eigenständigen signethaften Ausdruck und wird kontrovers diskutiert. Die Jury würdigt die dargestellten Möglichkeiten der Verwendung gebrauchter Baustoffe, wobei der konstruktive Aufwand bei der Verwendung alter Fensteranlagen als sehr hoch bewertet wird. Der Hochwasserschutz wird wie selbstverständlich durch die Ausbildung einer „Werft“ als Höherlegung des Areals gelöst. Die Aussagen zur Freiraumgestaltung werden als rudimentär beurteilt, hierbei wird die Konkurrenz zwischen der inneren Grünen Achse und dem Uferbereich der Inde zum Nachteil des Potentials des Indeufers als nicht genutzt gewertet. Insgesamt stellt die Arbeit einen sehr guten Beitrag zur Lösung der gestellten Aufgabe dar. Hierüber hinaus wird ein großes Entwicklungspotential sichtbar.
Lageplan

Lageplan

Ansicht Süd

Ansicht Süd

Grundrisse Erdgeschoss

Grundrisse Erdgeschoss

Grundriss Regelgeschoss

Grundriss Regelgeschoss