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Nichtoffener Wettbewerb | 04/2023

Neubau Turnhalle Breite in Oberlunkhofen (CH)

Visualisierung

Visualisierung

1. Rang / 1. Preis

Preisgeld: 25.000 CHF

PENZISBETTINI. Architekten ETH/SIA GmbH

Architektur

SIMA | BREER GmbH

Landschaftsarchitektur

PIRMIN JUNG

Tragwerksplanung

RMB Engineering AG

TGA-Fachplanung

R+B Engineering AG

TGA-Fachplanung

CSD INGENIEURE AG / CSD INGÉNIEURS SA

Energieplanung, Nachhaltigkeitskonzept

Anderegg Partner AG Architektur und Baumanagement

Projektsteuerung

Beurteilung durch das Preisgericht

Die grossen Vorzüge dieses Projektes eröffnen sich erst auf den zweiten Blick. Bleibt man an den schwer lesbaren Visualisierungen hängen, so besteht die Gefahr, die Raffinesse und Intelligenz des Vorschlags zu verpassen. Ein genauer Blick auf das Modell aber zeigt, wie gut es den Verfasserteam gelingt, das ortstypische Satteldach mit einem winkelförmigen Pultdach so zu verschränken, dass es sich ganz selbstverständlich in das gewachsene Dorfbild einfügt. Gleichzeitig wirkt das Volumen mit seinem Doppelgiebel und dem zum Gibelhütteweg offenen Vorbereich aber auch «libellenartig» elegant. Mit einfachen Mitteln entsteht eine Bauform, die sich anpasst, durch sorgfältige Proportionierung aber auch einen starken Eigencharakter hat und auf seinen schrägen Dachflächen sogar die Photovoltaik optimal aufnehmen kann. So ist schon am Weissmodell erkennbar, was das Projekt wie ein roter Faden durchzieht: Alle Entwurfsentscheide machen immer mehrfach Sinn, sind langfrisig gedacht und zukunftsorientiert ausgerichtet. Auch die drei Ausbauphasen (Einfach-, Zweifach-, Dreifachhalle) funktionieren für jede Etappe einwandfrei und ganz ohne Vorleistungen.

Ähnlich verhält es sich mit dem Innenleben. Eine grosse Treppe mit gerundetem Treppenausschnitt bildet das offene Zentrum des Hauses, um das sich «alles dreht». Über dieses Zentrum werden Hallenebene und obere Garderobenebene mit Galerie, Vereins- und Jugendarbeitsräume verknüpft. Auch hier gilt, dass jedes Element stets mehrere Funktionen und Bedeutungen übernehmen soll. So ist die Treppe gleichzeitig Erschliessung, aber auch Aufenthalts- und Begegnungsort. Über ihr aufgeweitetes Treppenauge ermöglicht sie Sichtbeziehungen zwischen unten und oben, trägt zur Orientierung bei und schafft mit einfachen Mitteln Grosszügigkeit im sonst satt organisierten Grundriss. Und schliesslich ist sie konstruktiv einfach, aber räumlich wirksam gestaltet: Während der Treppenlauf gerade bleibt, wird das Treppenauge leicht gerundet, was eine heitere und einladende Atmosphäre erzeugt.

Diese Effizienz des Denkens bestimmt die ganze Organisation. Auf der unteren Ebene, die über die gedeckte Laube am Gibelhütteweg (auf der Seite Rosenweg) via Windfang begangen wird, erfolgt die Haupterschliessung bei Veranstaltungen. Hier wird der grosszügige, direkte Hallenzugang geschickt mit den Nutzungen Betriebsbüro, WC-Anlage und Cateringraum zu einer Drehscheibe zusammengeführt, in welche die Laube attraktiv mit einbezogen werden kann. Unter ihrem Vordach erfolgt ebenerdig auch die Anlieferung von Cateringraum, Hallen und Warenlift im Eingangsraum.

Über den oberen Eingang am Rosenweg gelangen Schülerinnen und Schüler sowie Sportlerinnen und Sportler via Windfang an der Haupttreppe und einem Kiosk vorbei zu den Garderoben – und von dort über die Saubertreppen nach unten. Als Zuschauerinnen und Zuschauer lässt man sich auf der L-förmigen Galerie nieder, die einen weiten Blick über das Geschehen in den beiden Hallen eröffnet (deren räumliche Qualität die Visualisierung leider nicht ausreichend aufzeigen kann). Besonders klug sind die Synergien, die sich zwischen Vereins-, Jugend- und Sportbetrieb ergeben. So wird am Windfang eine gemeinsame Haushaltküche sowie eine WC-Anlage platziert, die von beiden, aber auch von den Zuschauerinnen und Zuschauer genutzt werden kann. Über den Windfang sind Vereins- und Jugendraum auch bei geschlossenem Hallenbetrieb autonom zugänglich. Und schliesslich kann der Jugendraum mit seinem geschickt nach Osten ausgerichteten Freiraum sogar direkt von aussen begangen werden. Für eine auch langfristige Nutzungsflexibilität erweist sich die Nähe aller Einheiten als grosses Potential: Es ergeben sich viele Bespielungsmöglichkeiten und Synergien – trotzdem gelingt es, den Jugendraum durch die Galerie von der Halle akustisch zu trennen. Mit Ausnahme des Zivilschutzbereichs, der aus ökologischen und ökonomischen Gründen zweigeschossig unter dem Fussabdruck angeordnet werden müsste, ist die Organisation des Hauses in jeder Hinsicht bestechend.

Auf konstruktiver Ebene sind den Verfasserteam Fragen der Nachhaltigkeit ein grosses Anliegen. So ist das Gebäude als innovativer Holzbau mit maximalem, lokalem Massivholzanteil konzipiert, um graue Energie, CO2 -Ausstoss und Leim zu reduzieren. Mit der gewählten Konstruktion von durch Streben getragenen Vordächern wird aber nicht nur ein optimaler Schutz (und somit die Reduktion der Unterhaltskosten) für die Holzfassaden erzielt, sondern auch ein schöner Bezug zur Südfassade der bestehenden Halle mit ähnlicher Vordachkonstruktion hergestellt. Hier ergäbe sich bei der Weiterbearbeitung die Möglichkeit, den ganzen Freiraum zwischen alter und neuer Halle zusammenhängend aufzuwerten.

Ein besonderes Anliegen der Verfasser ist auch der ökologische und ökonomische Umgang mit Lebenszyklus-und Haustechnikfragen, indem unterhaltsarme LowTech-Lösung eingesetzt und alle Installationen offen geführt werden, sodass technische Erneuerungen jederzeit problemlos möglich sind (vgl. auch Kapitel Nachhaltigkeit).

Hinsichtlich Hallenbeleuchtung wäre zum Ausgleich der Lichtverhältnisse ein zusätzliches Fensterband auf der Westseite wünschenswert; auch die Prüfung weiterer Öffnungen für Garderoben und Saubertreppen – in der robusten Grundstruktur problemlos möglich – böte sich nicht nur aus Nachhaltigkeitsgründen an, sondern könnte auch die Präsenz des Baus zum Gibelhütteweg weiter bereichern.

Freiraum
Die spannende Idee des Angelpunktes als Verbindung der beiden Ebenen wird im Aussenraum konsequent weiterverfolgt. Die beiden Zugangsebenen werden als über den Rosenweg und eine geschwungene Stufenanlage verbundene Platzfolge verstanden, welche den nördlichen Gebäudeteil umfliesst, attraktive Aufenthaltsorte bietet und vielseitig nutzbar ist. Die Anordnung der Zivilschutzanlage unter dem oberen Platz schränkt allerdings die Bepflanzung mit Bäumen ein und ist zu überprüfen. Die am Rosenweg vorgeschlagenen drei Parkplätze sind wegzulassen. Hingegen macht der Vorschlag und der in der Architektur gesuchte Dialog mit der bestehenden Turnhalle Lust, den Freiraum auch bis zur Fassade der alten Turnhalle zu denken. Die Fassade zum Gibelhütteweg wirkt noch sehr geschlossen und könnte mit mehr Transparenz zur Belebung beitragen.

Der mit seiner Aussicht in die Berge sehr attraktive nordöstliche Platzbereich führt gleichsam die Spielbereiche der bestehenden Anlage weiter und bindet Bestand und Neubau selbstverständlich aneinander. Die Jugendarbeit erhält einen grosszügigen und direkt zugänglichen Aussenraum, der etwas abgerückt von der Hauptverbindung die erwünschte Rückzugsmöglichkeit bietet und gleichzeitig gut in die Gesamtanlage integriert ist.

Die Parkierung wird norm- und baurechtskonform entlang des Gibelhüttewegs angeordnet und wird in der zweiten Phase im südlichen Teil der Parzelle gegen Osten erweitert. Mit den vorgeschlagenen Baumpflanzungen entsteht ein gut dimensionierter, locker bepflanzter grüner Saum um die Gesamtanlage, welcher die Parkplätze recht selbstverständlich integriert und in die grüne Platzanlage am Rosenweg übergeht. Inwieweit eine Reihe Senkrechtparkplätze sich ähnlich gut ins Gesamtbild einordnen liesse, aber platzsparender wäre, ist zu prüfen. Die Bäume werden von Anfang an so platziert, dass sie bei der Parkplatzerweiterung stehen bleiben können. Entsorgungsstelle und Pumptrack sind sinnvoll platziert, wobei eine Wegverbindung dem östlichen Grundstückrand entlang zum Aussenraum der Jugendarbeit eine gute Ergänzung wäre.

Nachhaltigkeit
Das Projekt LIBELLE sieht eine optimierte Holzkonstruktion vor, realisiert als Sparren-Pfetten-System, bestehend aus Fachwerk und Balken mit reduziertem Leimanteil. Die Untergeschosse wurden zwar minimiert, die Zivilschutzanlage ragt jedoch unterirdisch aus dem Gebäudevolumen, was die Kompaktheit reduziert. Die graue Energie und die Treibhausgasemissionen aus der Erstellung liegen bei diesem Projekt deshalb im Mittelfeld. Die Fassade wird mit einer geölten Holzschalung ausgeführt, die teilweise gut von einem Holzdach geschützt wird. Bei den auskragenden Giebeln sollte der Witterungsschutz noch einmal überprüft werden. Wo möglich soll Recyclingbeton zum Einsatz kommen. Ausserdem wird auch beim Materialkonzept auf Nachhaltigkeit und Unterhaltsfreundlichkeit geachtet, was positiv zu werten ist.

Fassade und Dach erfüllen die Anforderungen an den geforderten Dämmstandard. Auf dem Dach ist eine Photovoltaik-Anlage mit überlappenden PV-Elementen vorgesehen.

Geheizt und gekühlt wird mit einer Erdsonden Wärmepumpe. Auch die Abwärme des Abwassers soll genutzt werden. Die Wärmeabgabe ist im Jugend- und Mehrzweckraum wie in den Garderoben über Konvektoren vorgesehen. Eine Bodenheizung ist in den Turnhallen vorgesehen, was aber als zu träge beurteilt wird. Besser wären Heizungssysteme, die punktuell eingesetzt werden können, beispielsweise am Morgen, bevor der Unterricht beginnt.

Die Belüftung erfolgt in einer Kaskade: Die Frischluft wird in die Turnhalle eingeleitet und über die Garderobe wieder abgesogen. Die Nachtauskühlung erfolgt über Fenster. Der sommerliche Wärmeschutz wird mittels aussenliegenden Stoffrollos gewährleistet. Die Turnhalle wird aktuell nur auf der Ostseite über ein Fensterband natürlich belichtet, was für die Tiefe der Turnhalle zu wenig ist. Es soll deshalb geprüft werden, ob auch eine Belichtung von der Westseite her möglich ist. Auch die Akustik muss bei der Überarbeitung noch überprüft werden.

Das Projekt LIBELLE zeigt starke Ansätze im Bereich des nachhaltigen Bauens, in gewissen Punkten besteht aber noch Optimierungsbedarf. Damit sind gute Voraussetzungen für die Erreichbarkeit der Standards Minergie-P-ECO resp. SNBS gegeben.

Zusammenfassend handelt es sich um einen Vorschlag, dessen aussergewöhnliche Raffinesse sich erst auf den zweiten Blick erschliesst. Er erweist sich als flexibles und zukunftsträchtiges Projekt, indem jede Massnahme auf effiziente Weise stets mehrere Anforderungen gleichzeitig erfüllt. Das kompakte Volumen wird als robustes Grundgerüst so angelegt, dass es durch die kluge Anordnung der Funktionen vielfältige Nutzungssynergien erzeugt und auch für die Zukunft eine grosse Entwicklungs- und Wandlungsfähigkeit verspricht. Ökologische Vorteile werden über die Materialwahl und eine möglichst unterhaltsarme, anpassungsfähige Gebäudetechnik eingebracht. Und schliesslich übersetzt der Neubau lokale Dachformen und Konstruktionsweisen mit scheinbarer Leichtigkeit in eine einfache, zeitgemässe Architektur, die den Ort am Rande der Schulanlage zu einem identitätsstiftenden Begegnungsraum aufwerten kann.
Visualisierung

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Grundrisse

Grundrisse

Ansicht

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