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Einladungswettbewerb | 12/2023

Kaufhof-Areal in Stuttgart-Bad Cannstatt

Perspektive Badstraße

Perspektive Badstraße

1. Preis

Preisgeld: 42.000 EUR

Baumschlager Eberle Architekten

Stadtplanung / Städtebau

Erläuterungstext

Neubebauuung Marktstrasse, Badstrasse, am Wilhelmsplatz Stuttgart Bad Cannstatt 230504

Stadtstruktur
Die Neubebauung an einem zentralen Ort in Bad Cannstatt verfolgt die Ziele einer nachhaltigen Stadtentwicklung.
Der vorangegangene Großbaukörper des Warenhauses wird durch ein Ensemble kleinteiliger Stadtbausteine ersetzt. Die Gruppierung dieser Bausteine erfolgt auf zwei städtischen Schollen, die den vorherrschenden Maßstab der Bad Cannstädter Stadtstruktur aufgreifen. Auf der Ebene des Stadtbesuchers sind diese zwei Schollen durch die Ausbildung von je zwei Doppelgebäuden lesbar. Diese Paarung ermöglicht einen Kleinteiligen städtischen Rhythmus und eine hohe Urbane Vielseitigkeit in punkto Stadtraum und funktionaler Gebäudenutzung. Die Gebäudesetzung ermöglicht zu allen städtischen Seiten eine Einzelhandelsnutzung im Erdgeschoss und ergänzt das Stadtbild um eine Geschäftspassage inklusive eingelagertem Taschenplatz. Die Neubebauung formuliert selbstbewusst die Position der städtischen Dichte durch kompakte Baukörper, abwechslungsreichen Stadträumen und Wegeführung im menschlichen Maßstab.

Stadtbild
Das Stadtbild von Bad Cannstatt wird um eine klassisch moderne Fassadenausbildung ergänzt. Entlang der Badstraße, dem Badgraben und der Marktstraße wirken die Gebäude durch ein unaufgeregt gegliedertes Fassadenbild. Die jeweiligen Zäsuren zwischen den einzelnen Bausteinen vermeiden monotone, großräumliche Fassadenflächen und führen die Stadtläufer zur Erkundung der Gassen, Frei- und Innenräume. Eingangsbereiche in die halböffentlichen Nutzungen erfolgen in klar ablesbaren, verglasten Gebäudefugen, die im Kontrast zu den identitätsbildenden Lochfassade betont werden. Zur natürlichen Verschattung werden die Gebäudefugen mit einer Fassadenbegrünung versehen. Zum Wilhelmsplatz zeigt sich das Ensemble mit einem betont hochwertigen Kopfbau, der in seiner Gestaltung die unterschiedlichen Verkehrs- und Nutzerströme in das Quartier bzw. die Altstadt führt.

Gebäudestruktur
Die Konzeption der Gebäude ist im Erdgeschoss exemplarisch ablesbar. Öffentliche und Halböffentliche Durchwegungen spreizen sich an den Zugangsbereichen und bilden vier klar lesbare Bausteine. Je Scholle entsteht ein größerer Baukörper und ein kleinerer Gegenspieler. Die Bausteine sind jeweils mit einem Erschließungskern versehen, wobei der jeweils größere Gebäudestein einen Patio-gleichen Treppenraum erhält, der das Gebäude aus dem Inneren mit Tageslicht und Vegetationsflächen versorgt. Wenige Stichflure ermöglichen eine Entlastung der halböffentlichen Passagen. An der Schnittstelle von Badstraße und Badgraben wird eine Anlieferungszone ausgebildet. Die Tiefgaragenzufahrt befindet sich ebenso in diesem Bereich.
Die verbleibenden Flächen werden im Sinne der maximalen Flächennutzung als Gewerbeflächen ausgewiesen und ermöglichen eine breite Palette an Nutzungen. Von Verkaufsstätten, Bank, Gastronomie bis Kleingewerbe wird in flexiblen Zuschnitten eine städtische Vielfalt etabliert. Eine Rolltreppenanlage einer Gewerbeeinheit verbindet die Marktstraße mit den Supermarktnutzungen im Untergeschoss.
In den Obergeschossen werden exemplarisch unterschiedliche Nutzungsszenarien planerisch durchgespielt. Dass 1,35m Raster auf dem die Fassadenplanung beruht wird in den Innenraum getragen und anhand der Nutzungen nachgewiesen.
Am Wilhelmsplatz wird der Baukörper exemplarisch in einer Büronutzung aufgezeigt. Unterschiedliche Raumsituationen werden in den einzelnen Geschossen variantenreich dargelegt. Zwischen den beiden Stadtbausteinen entsteht jeweils eine Kommunikationszone mit Besprechern, Teeküchen und flexiblen Arbeitsplätzen, die den einzelnen Büroeinheiten moderne Arbeitswelten anbietet. In den Bereichen optimierter Gebäudetiefe ermöglicht der Tageslichtverteilende Treppenraum flexible Nutzung durch Räume mit nichtständigen Nutzungen. Dies Konzeption ermöglicht auch innerhalb des Hauses eine klare Adressbildung der einzelnen Nutzer, bzw. Mieter.
Im zweiten Baukörper werden exemplarisch kompakt geschnittene Büro-Einheiten, Praxen, Kanzleien aufgezeigt. Im 2. Obergeschoss wird der Grundriss mit einer gewerblichen Wohnnutzung (Boardinghaus -Konzept) aufgezeigt. Die Einteilung erfolgt ebenso auf der Nutzung maximaler Fassadenflächen, Aktivierung von Kernzonen durch ein belichtetes Treppenhaus für nichtständige Aufenthaltsbereiche und zu Gunsten einer individuellen Adressbildung innerhalb des Baukörpers.
Das 3. Obergeschoss variiert die Grundrisse gemäß der sich ändernden Gebäudekubatur. Dachgärten im Rahmen einer Intensiven Begrünung erhöhen die gestalterische und ökologische Qualität des Gesamtkomplexes. Städtische Mikro -Klimata werden etabliert, die Biodiversität des Standortes nachhaltig gestärkt.
Im Staffelgeschoss entwickeln sich die Baukörper hin zur maximalen Qualität. Die Bausteine haben sich hier den städtischen Belastungen wie Lärm und Verschmutzung enthoben – ein qualitätvolles, hochwertiges Wohnen wird möglich. Die Grundrisse skizzieren einen möglichen Wohnungsmix zwischen Appartement und 2-3 Zimmerwohnung. Alle Wohnungen erhalten einen Austritt. Geschaffene Freiflächen werden auf einer weiteren Ebene aktiviert.
Die Verbleibenden Dachflächen (die oberste Dachhaut) werden mit einer PV-Anlage bestückt.

Nachhaltigkeit und Stadt
Der Entwurf beantwortet die Ebenen Stadt, Baukörper und Bauweise mit in der Praxis immer wieder erwiesenen Maßnahmen.

- Ausbildung von Baukörpern in klarer Lesbarkeit und im menschlichen Maßstab.
- Vermeidung großflächiger monotoner Fassaden zu Gunsten eines abwechslungsreichen, städtischen Mixes.
- Schaffung vielfältiger Stadträume durch gestaltete Passagen, Gassen, Nischen und Plätze.
- Bündelung der Hauptverkehrswege und Gebäudelogistik an Knotenpunkte.
- Das Erdgeschoss / Stadtgeschoss eröffnet maximale Nutzungsvielfalt und hochwertig gestaltete Wegeführung.
- Eine differenzierte Dachlandschaft mit Begrünung, energetischer Aktivierung und Erholungs- und Aufenthaltsflächen.
- Bereitstellung der wesentlichen Nutzungen in Bezug auf Fahrradfreundliche Stadt, e-mobilität und shared Mobility.
- Stärkung der Biodiversität

Nachhaltigkeit und Gebäude:
- Baukörper mit optimierter Kompaktheit in Balance zu maximaler Fassadenfläche
- Reversibilität und Nutzungsvielfalt der Grundrisse.
- Maximale Flächenausbeute in Nutzung und Aktivierung
- Klare Orientierungen im Stadtraum und innerhalb des Komplexes - Identitätsstiftende Baukörperbildung.
- zeitlose, hochwertige Gestaltung
- Fassadenbegrünung, Dachbegrünung und wiederkehrende Grüne Vegetationsinseln innerhalb der Baukörper tragen erheblich zum Innen- und Aussenklima des Gebäudekomplexes bei

Nachhaltigkeit in der Konstruktion
- Die Gebäude werden gemäß der Aktivierung von Speichermassen konzipiert.
- Der Wandaufbau der Außenhülle wird in Perlite gefüllten Dämmziegel vorgesehen. Der Aufbau erhöht nicht nur die Speicherfähigkeit und Dämmeigenschaften des Gebäudes, sondern beantwortet auch die Anforderungen an den Schallschutz.
- Der Verglasungsflächenanteil wird bezüglich optimaler Strahlungsenergien optimiert und in einer 3-fach Verglasung ausgeführt.
- Fenster werden mit außenliegendem Sonnenschutz und innenliegenden Blendschutz versehen. Eine Manuelle Be- und Entlüftung wird durch Öffnungsflügel vorgesehen. Nachtauskühlungskonzepte werden integriert.
- Der Innenausbau erfolgt mit Lehmbauplatten, um die Speicherfähigkeit zu optimieren.
- Heiz - Kühlsegel werden zur Temperierung der Räume vorgeschlagen.
- Die Gebäude werden in einer STB - Skelettkonstruktion errichtet, die hohe Elementierbarkeit einer solchen Bauweise wird mit der Einbindung von Rezyklaten innerhalb der einzelnen Elemente hin zu einer ökolog. Nachhaltigkeit optimiert.
- Bauteile werden nach der Entnahme und Rückführungskriterien der Recycle Kreisläufe ausgewählt. Verbundbaustoffe werden auf ein absolutes Minimum reduziert.
- Die Wiederverwendung bereits genutzter Baustoffe kann in der Planungsphase bis hin zu Urban-Miningkonzepten ergänzt werden. Hier ist insbesondere die Materialität der Gebäudesockel zu betrachten.
- Die Speicherfähigkeit und Langlebigkeit der Konstruktion senkt die CO2 Bilanz des Gebäudes in der Nutzung und Wartung erheblich und garantiert eine Gebäudenutzung weit über 50 Jahre.

Gebäudetechnische Konzeption

CO2-reduzierter Betrieb: Photovoltaik-Elemente ermöglichen es, ein Großteil der benötigten Energie aus erneu-erbaren Quellen selbst zu erzeugen. Natürliche Belüftung und Kühlung gewährleistet hohen Nutzerkomfort und eine energie-effiziente Klimaregulierung, unterstützt durch eine effektive Wärmerückgewinnung. Durch die offene Gestaltung der Unter-seite der Betondecke wird darüber hinaus Speichermasse aktiviert. So wird ein individualisierbares behagliches Raumklima bei CO2-neutralem Betrieb ermöglicht. Regen- und Grauwassernutzung rundet die nachhaltige Bewirtschaftung des Gebäu-des ab.

Vegetation und Freiräume Auf den Dachterrasse ist eine intensive Begrünung geplant. Weiterhin werden Aufent-haltsbereiche mit Vegetationsinseln und kleinformatigen Bäumen zur Verschattung ergänzt. Dachflächen werden extensiv begrünt, als zusätzliche Retentionsflächen in natürliche Kreisläufe eingebunden und leisten einen wichtigen Beitrag zur Bio-diversität. Für Substratschichten wird Ziegelrezyklat eingesetzt.
Das zur WC-Spülung notwendige, gefilterte Grauwasser wird aus einem Regenwasser-Rückhaltebecken im 2. UG gespeist, das aus den Retentionsflächen befüllt wird. Trinkwasser wird aus dem Trinkwassernetz der Stadt Stuttgart entnommen. Nur Schmutzwasser wird in die Kanalisation der Stadt eingeleitet.

Be- und Entlüftung Das gesamte Gebäude ist primär natürlich be- und entlüftbar und wird nur mechanisch belüftet, wenn die Außentemperaturen mehr als + 26 °C bzw. weniger als +10 °C betragen (ca. 25 % des Jahres), oder ein zu hoher Außenlärmpegel vorherrscht.
Die Gewerbefläche im EG wird mit einer zentralen Klimaanlage mit variablem Volumenstrom ausgerüstet, die einen maxi-mal 4-fachen Luftwechsel für gute thermische und hygienische Verhältnisse sicherstellt. Die Fortluft wird als Zuluft für Tech-nik- und Lagerbereiche in den Untergeschossen genutzt. Außenluft wird im von Emissionsbelastung geschützten Passage angesaugt und ausgeblasen. Die Zentralgeräte mit hochwertiger Wärmrückgewinnung befinden sich im UG und erschließen das EG über Schächte.

Elektroversorgung In den Mietflächen erfolgt die Elektroversorgung über Bodentanks. Zur Verringerung des elektri-schen Energiebedarfs ist eine PV-Anlage auf dem Dach geplant.
Gebäudeautomation und Monitoring Um alle Einzelverbraucher in ihren Funktionen und ihren Verbräuchen zu erfassen, ist eine KI-basierte Gebäudeautomationsanlage vorgesehen. Die zentrale Erfassung aller Daten (Verbrauch, Bedienung, Störungen, Wartungen usw.) erfolgt wahlweise innerhalb des Gebäudes oder über externe Dienstleister

Beurteilung durch das Preisgericht

Wie könnte mit der Bebauung am zentralen Ort die Stadtentwicklung in Bad Cannstatt im positiven Sinne unterstützt werden? Welche Bausteine sind geeignet, um einen behutsamen Übergang von den höheren Bauten am Wilhelmsplatz zu der kleinteiligen Bebauung der Altstadt herzustellen? Welche Bedürfnisse im städtischen Freiraum und bei erdgeschossiger Nutzung sind zu erfüllen, damit die Urbanität an dem Ort gefördert wird und ein guter Auftakt in die Bad Cannstatter Altstadt entsteht? Mit diesen, so wichtigen Fragen für die zukünftige Entwicklung des Standorts, setzt sich die vorliegende Arbeit auseinander. Die wesentlichen Aussagen der städtebaulichen Konzeption sind bereits am Modell gut erkennbar: Eine zwischen Badstraße und Badgraben eingefügte Passage trennt die Bebauung zunächst in zwei Baukörper. Als „Schollen“ werden sie von den Verfassern bezeichnet. Mit jeweils zwei Rücksprüngen werden die beiden Baukörper weiter strukturiert. Sie erhalten dadurch in der lateralen Wahrnehmung einen angenehmen Rhythmus und ein insgesamt angemessenes Volumen, das auf die unterschiedlichen Anforderungen des Ortes gut reagiert. Der Umgang mit dem Staffelgeschoss wird teilweise kritisch bewertet, so ist beispielsweise der Rücksprung zum Wilhelmplatz nicht nachvollziehbar. Das Staffelgeschoss sollte nicht additiv, sondern als Teil des jeweiligen Gebäudes behandelt werden.

Zurück zur Passage. Aus Sicht des Preisgerichts ist die Passage sehr gut positioniert. Ihre Geometrie schafft einen atmenden Raum, wie er in so vielen Straßenräumen der Altstadt vorkommt. Der Übergang am Badgraben in die Marktstraße ist nicht besonders herausgearbeitet, er kann nicht ganz überzeugen und bedarf einer räumlichen Aufwertung. Die an der Badstraße vorgesehenen Treppenstufen zum Auftakt der Passage werden einerseits positiv gewertet, weil sie die Passage aus dem Verkehr des Straßenraumes befreien, die fehlende Barrierefreiheit an dieser Stelle wird sehr kritisch bewertet. Die Idee des Gebäudes ist im Erdgeschoss bereits dargestellt: Die Adressen sind an den Rücksprüngen im Volumen der beiden Gebäude positioniert und damit gut sichtbar. Die Flächen des Erdgeschosses sind durchgängig für eine gewerbliche Nutzung vorgesehen. Somit öffnet sich das Haus zu allen Seiten und kann die angrenzenden Straßenräume gut adressieren. Es hat keine Rückseiten. Positiv bewertet wird die Anordnung des Lebensmittelmarktes im Untergeschoss, so auch die Lage seiner Erschließung. Ein Aufzug wird am Zugang erforderlich sein. Die Geometrie des Lebensmittelmarktes wird hingegen kritisch bewertet.
Perspektive Wilhelmplatz

Perspektive Wilhelmplatz