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Nichtoffener Wettbewerb | 06/2023

Neuer Eingangsbereich Zeche Nachtigall in Witten

Spielplatz Ringofen

Spielplatz Ringofen

2. Rundgang

Firmhofer + Günther Architekten

Architektur

scape Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Städtebau
Der Neubau des Besucherzentrums fügt sich durch seine Ausrichtung selbstverständlich in den großen Bogen des Muttentals ein und ergänzt in seiner Maßstäblichkeit die denkmalgeschützten Bestandsgebäude der Zeche Nachtigall. In dem einzigartigen Naturraum bildet das Besucherzentrum ein klares Gegenüber zum imposanten Gebäude der Ziegelei Dünkelberg auf dessen Ostseite. Die Lage des Neubaus gibt der Hauptattraktion des historischen Ortes weiterhin viel Raum. Die Ziegelei mit ihrem hohen Schlot wird, genauso wie das Besucherbergwerk, als Ausstellungsstück in Szene gesetzt. Die Nutzer des Besucherzentrums erfahren als Kulturinteressierte, Ausflügler, Spielplatzbenutzer und Erholungssuchende die Besonderheit der Landschaft und ihrer Industriedenkmäler. Aus Richtung der Nachtigallbrücke kommend, führt der neue Hauptzugang zum Gelände auf einen zentralen Platz. Dieser erschließt den Eingang des Besucherzentrums und dessen Gastronomie, sowie das interne Geländer der Zeche und wird durch den Hettberg natürlich eingerahmt.

Außenanlagen
Die neue Zugangsachse des Haupteingangs wird in der Flucht der Nachtigallbrücke über die Bahngleise zum Museumsgelände geschaffen. Über eine barrierefreie Rampe wird der Höhenunterschied des Bahnübergangs ausgeglichen. Blockstufen verschleifen die Rampe mit dem Gelände und bieten informelle Aufenthaltsgelegenheiten. Von Osten aus erreicht man das Museum über einen neu angelegten Fuß- und Radweg, der von Steinhausen kommend, unter dem Baumbestand entlangführt. Ein neues Zaun-Tor-System unterteilt das Museumsgelände in einen öffentlichen und einen eintrittspflichtigen Bereich. Der öffentliche Bereich erstreckt sich von der Zugangsachse aus, um das neue Besucherzentrum (BZ) bis hin zum Ringofen. Hier grenzt ein transparenter, hüfthoher Zaun die Bereiche voneinander ab. Es gibt Tore für Besucher und für den Lieferverkehr. Der vorhandene Zaun wird durch einen architektonischen Stabzaun ersetzt. Die neue Pflasterfläche zwischen Ringofen und dem Neubau besteht aus Ruhr-Sandstein, einem Stein mit regionaler Herkunft. Es wird ein farblich passender Bezug zum Bestandspflasterbelag geschaffen. Für die neue Platzfläche ist ein größeres barrierearmes Pflasterformat vorgesehen. Auf dem sogenannten Marktplatz wird eine rechteckige Fläche als optisches Zentrum angelegt.
Sie hebt sich durch großformatige Platten aus Ruhr-Sandstein ab. Der Platz ist frei von Mobiliar und bleibt für Festivals, Konzerte oder sonstige Veranstaltungen multifunktional nutzbar. Fünf besondere didaktische Infobänke, die aus einer Sitzauflage und einer Infotafel bestehen, werden an besonderen Orten auf dem Museumsgelände platziert (Entrée, Zeche, Turm, Eingang Bergwerk, Bahnsteig). Ein Pflasterband bestehend aus anthrazitfarbenen Basalt, beginnend an der Nachtigallstraße, verläuft entlang der Zugangsachse und leitet die Besucher zur ersten Infobank. An jeder weiteren Bank finden sich Fragmente des Bandes wieder und leiten in Richtung des Besucherzentrums. Auf dem Grundstück sind 80 Fahrradstellplätze nachgewiesen. Weitere 50 Fahrradstellplätze sind an der nördlichen Zugangsachse verortet.

Architektur
Das Gebäude behauptet sich durch seine klaren Außenkonturen. Großformatige Schaufenster leiten die Blicke der Besucher auf historische Orte. Die Wahl der Fassadenmaterialien bezieht sich auf die geologische und artenreiche Identität des Ortes. Bestimmend im Innen- und Außenraum sind besonders Holz, Lehm und Schieferplatten. Die begrünten Flachdächer führen das durch den bewaldeten Hettberg vorherrschende Grün selbstverständlich fort. Ähnlich wie Ziegel stapeln sich die vier fast gleichgroßen Nutzungen und bilden auf diese Weise zwei Gebäude, die gassenartig verbunden sind. Der Haupteingang liegt mittig in dem Gebäudeensemble und erschließt den zentralen Kassenbereich mit Shop, das Infozentrum Ruhrfenster, sowie die multifunktionale Ausstellungshalle. Besuchergruppen können sich neben dem Foyer auch unter dem überdachten Vorbereich treffen. Nach dem Kauf der Eintrittskarten gehen die Gruppen in Richtung Ziegelei und öffnen durch eine Codekarte die Türfunktion der videoüberwachten Vereinzelungsanlage zum internen Zechengelände. Für die Besucher des Infozentrums Ruhrfenster liegt der große Ausstellungsraum freizugänglich direkt hinter der Kasse. Der zweigeschossige Gebäudeteil nimmt im Obergeschoss den Verwaltungsbereich auf, welcher als Besonderheit eine Dachterrasse nach Osten hat. Die neue Gastronomie ist in
dem nördlichen Gebäudeteil untergebracht und verfügt über eine sonnige Terrassenfläche im Süden. Markante Schaufenster in Richtung von Ruhr, Zeche, Ziegelei und Bahn prägen das Besucherzentrum und zeigen das warme hölzerne Ambiente der Innenräume. Die dichte Anordnung der Baukörper hinterlässt einen geringen Fußabdruck und lässt ausreichend Raum für einen zentralen Platz, an den alle Bereiche des neuen Besucherzentrums angelagert sind. Die Westfassade des großen Ausstellungsraums lässt sich fassadenhoch öffnen (Elefantentor) und kann als Bühne für Außenkonzerte, Familientage und Kinoabende dienen.

Spielplätze
Ein öffentlicher Spielplatz zum Thema Zeche ist vor dem Hang in Sichtweite der Außengastronomie platziert. Durch seine Gestaltung aus Wandscheiben mit vorgehängten Spielelementen entstehen bespielbare Stollen. Elemente wie Spielhäuser und Schienenspuren mit Lohren bieten für die Kinder zahlreiche Ansätze zum Rollenspiel. Eine hell-beige EPDM Fläche dient als Fallschutz. Die Materialien des Neubaus werden auf die Gestaltung des Spielplatzes adaptiert. Spielobjekte bestehen aus unlackierten Holz und Edelstahl und sind mit einigen farblichen Akzenten durch orange gestrichene Elemente gestaltet. Sie bilden einen Kontrast zu den Mauerelementen aus dunklem Holz und Schieferplatten. Ein zweiter Spielplatz zum Thema Ringofen befindet sich im eintrittspflichtigen Bereich zwischen Ringofen und Bergwerk. Obwohl er eine ähnliche Gestaltungssprache zum öffentlichen Spielbereich hat, bietet dieser zusätzliche Spielangebote durch einen Sandboden inkl. Wasserspielbereich. An beiden Spielplätzen sind lange Bänke unter Bäumen platziert. Diese neugepflanzten Robinien stellen einen Bezug zum Grubenholz der Stollenanlagen wie auch zur modernen Nutzung der Gehölze als Energieholz her.

Autarke Energiegewinnung
Für das mit einem hohen Dämmstandard errichtete Besucherzentrum wird die erforderliche Energie in Form von Strom und Wärme direkt am Standort der Zeche Nachtigall gewonnen. Die Installation von Hybridkollektoren (PVT) auf dem Dach des mittigen Gebäudeteils führt dazu, das Maximum an Energie aus Sonnenstrahlung herauszuholen und das Besucherzentrum frei von fossilen Energieträgern durch on-site Energiegewinnung betreiben zu können. Im Betrieb werden so CO2-Emissionen vermieden. Die Kollektoren sind duale Solarmodule, die photovoltaische Energie (Strom) als auch thermische Energie (Wärme) erzeugen können. Sie nutzen flächeneffizient gleichzeitig Vorder- und Rückseite. Der Wärmetauscher auf der Kollektorunterseite ergänzt die solarthermische Wärmegewinnung um Energie aus der Luft und ermöglicht die Wärmeversorgung einer Wärmepumpe auch in der Nacht. Im Sommer kann die Wärmepumpe zudem für Nachtauskühlung eingesetzt werden. Die Räume werden thermisch reguliert indem über die Heizungsrohre im Boden kaltes Wasser geführt wird. Stromspeicher verbessern die ganzjährige Versorgung zusätzlich. Erdwärmesonden können diese Art von Wärmepumpen sinnvoll ergänzen. Langfristig wäre hier angeregt zu untersuchen, inwieweit sich die enorm große, nach Süden gerichtete Dachfläche der Ziegelei für die Energiegewinnung aller Bestandsgebäude und zukünftigen Gebäude denkmal-gerecht aktivieren ließe.

Gebäudesystem
Für das Besucherzentrum wird ein Tragsystem aus nachwachsenden Baustoffen entwickelt, welches die unterschiedlichen Anforderungen komplett erfüllen kann. Darüber hinaus lässt es sich einfach erweitern. Ein Holzskelettbau in Rahmenbauweise schafft stützenfreie Räume und kann flexibel auf Raumänderungen reagieren, da keine tragenden Wände zum Einsatz kommen. Die Verbindungen des Tragwerks (Stützen/Träger), sowie der Außenwände werden kreislaufgerecht entworfen.
Ein auf Wirtschaftlichkeit und ressourcenminimierten Einsatz von Holz entwickeltes Achsraster prägt die warme Atmosphäre der Räume des Besucherzentrums durch die Sichtbarmachung der tragenden Elemente. Abgehängte Decken sind nicht vorgesehen. Das Haupttragwerk bilden Rahmen aus Brettschichtholzträgern im Abstand von 4,90m. Dazwischen verlaufen die Holzträger der sekundären Tragkonstruktion im Abstand von 0,90m. Die charakteristische Holzbalkendecke führt zu reduzierten Decken- und Dachaufbauten und wirkt zudem raumakustisch vorteilhaft. Die Fassaden bestehen aus
nichttragenden Fassadenelemente, die als großformatige vorgefertigte Holztafelbauelemente eingebaut werden. Der hohe Grad an Vorfertigung führt zu einer hohen Qualität und ist wirtschaftlich, nicht zuletzt durch eine kurze Bauzeit.

Nachwachsende Rohstoffe
Neben Holz werden für die opaken Fassaden nur nachwachsende Baumaterialien verwendet. Für einen ausgeglichenen Feuchtehaushalt der Räume wird innenseitig im Foyer und den Ausstellungsräumen eine Schale aus Stampflehmelementen verbaut. In den restlichen Aufenthaltsräumen sind Lehmbauplatten mit Lehmputz vorgesehen. Die gesamte Gebäudehülle erhält eine Zellulosedämmung. Eine wartungsarme vorgehängte Fassade aus Schieferplatten oder karbonisierten Holzlatten (Gastronomie) prägt die äußere Gestaltung. Zur Verbesserung des Schallschutzes der Decken und Dächer wird Sand verwendet. Die Flachdächer werden zur Aufrechterhaltung der Biodiversität extensiv begrünt. Bei den Substraten wird auf die Verwendung schadstofffreier Zuschlagsstoffe und einem Anteil von geprüften Recyclingstoffen geachtet. Ein massiver Sockel erhöht die Langlebigkeit der Fassaden. In diesem Sinne werden die Fenster- und Türelemente als Holz-Alu-Konstruktionen ausgeführt. Die Fensterflächen liegen in den 48 cm starken Wänden an den Innenseiten und erfahren durch die tiefen Leibungen eine Art natürlichen Sonnenschutz. Im Obergeschoss werden textile außenliegende Senkrechtmarkisen als kombinierter Sonnen- und Blendschutz eingesetzt. Die Verwendung von Naturbaustoffen im Inneren schafft eine gute Raumluft und Raumakustik. Die natürliche Bauweise vermeidet im Herstellungsprozess große Mengen CO2-Emisionen und sorgt für Wohlbefinden und Behaglichkeit.

Lowtech

Der thermische Komfort des Besucherzentrums wird durch wenige, möglichst robuste Anlagenkomponenten erzielt. Die Wärme- und Kälteübergabe erfolgt über Rohrleitungen im Bodenaufbau und ist so auf die Wärmepumpe mit den Hybridkollektoren optimal ausgerichtet. Sensoren pausieren die Heizung bei geöffneten Fenstern raumweise. Die PVT-Solarkollektoren erzeugen u.a. Warmwasser, welches auch unterstützend in der Küche der Gastronomie Verwendung finden kann. Der übrige Warmwasserbedarf wird dezentral durch effiziente Durchlauferhitzer abgedeckt, welche durch den Eigenstrom betrieben werden können. Interne Wärmelasten oder hohe Energiequellen werden durch den Einsatz von tageslichtgesteuerten LED-Beleuchtung minimiert. Die Oberlichter im Ausstellungsraum versorgen diesen gleichmäßig mit Tageslicht. Die Versorgung der Ausstellungsräume, des Foyers und der Gastronomie, sowie des Besprechungsraumes im OG mit konditionierter Luft gewährleisten raumweise angeordnete Zu- und Abluftkombigeräte. Die dezentralen Geräte sind fassadenintegriert. Die erforderliche Luftqualität wird ohne ein wartungsintensives System von Lüftungskanälen und ohne zentrales Lüftungsgerät erreicht. Die Kombigeräte mit WRG nutzen einen einzigen Ventilator, sowie eine fassadenseitige Öffnung und wechselt mit Hilfe eines Klappensystems zyklisch zwischen den Funktionen Ein- und Ausatmen. In der Büroetage werden Fensterfalzlüfter vorgesehen und die innenliegenden Nebenräume über das Dach zentral be- und entlüftet. Die räumlich gerasterte Zonierung der Gebäude lässt bei Nichtnutzung von einzelnen Teilbereichen Anlagenkomponenten bedarfsgerecht abschalten.

Spielplatz Zeche

Spielplatz Zeche

Lageplan

Lageplan

Lageplan EG und OG

Lageplan EG und OG

Schnitt

Schnitt

Ansicht Nord

Ansicht Nord

Ansicht Ost

Ansicht Ost